Bildnachweis:
Cover: Ukrainisches Militär bei einer Übung nahe Mariupol am 22. September 2015. © Irina Gorbasyova/EPA/picturedesk.com (oben); Wohngebäude in Awdiiwka, das von einer Granate getroffen wurde, September 2015. © Filip Warwick (unten)
Grafiken [1]/[2] © Gregor Käfer

www.kremayr-scheriau.at

ISBN 978-3-218-01035-1
Copyright © 2016 by Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Schutzumschlaggestaltung: Sophie Gudenus, Wien
Lektorat: Paul Maercker
Typografische Gestaltung und Satz: Sophie Gudenus, Wien
Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien

Inhalt

1. Kiew – Kostjantyniwka:

Die Fahrt ins Kriegsgebiet

2. Die Folgen des Euromaidan:

Demokratischer Aufbruch in Kiew, Krieg im Donbass

3. Das „nahe Ausland“:

Russlands Vormachtstreben im postsowjetischen Raum

4. Vom Aufstand zum Quasi-Staat:

Im Inneren „Neurusslands“

5. Unter Beschuss:

Die Lage der Zivilisten in der Ostukraine

6. In Sicherheit, aber nicht in Frieden:

Die Situation im Hinterland

7. Die Ukraine und Russland im Informationskrieg

8. Die Zukunft der Ukraine in Europa

ANHANG

Übersichtskarten

Anmerkungen und Literatur

Dank

1 Kiew – Kostjantyniwka:
Die Fahrt ins Kriegsgebiet

Die Reise ins Kriegsgebiet ist nur einen Mausklick entfernt. Ich buche sie im Internet, auf der Seite der Ukrainischen Eisenbahngesellschaft. Die Website ist benutzerfreundlich und dreisprachig: Ukrainisch, Russisch, Englisch.

289 ukrainische Hrywnja, umgerechnet zwölf Euro, kostet die Fahrt von Kiew in die Frontstadt Kostjantyniwka. Der Zug Marke Hyundai ist modern und scheint über die ukrainische Ebene zu fliegen. 679 Kilometer sind es bis nach Kostjantyniwka, knapp sechseinhalb Stunden dauert die Reise. Auf dem Display über der Waggontür klettert die Geschwindigkeitsanzeige in die Höhe, 158 km/h, 161 km/h, 163 km/h. Ein Blick aus dem Fenster: weitläufige Felder, geduckte Ziegelhäuser, tiefe Radspuren in ausgetrockneten Feldwegen. Industrieruinen zwischen wucherndem Grün. Weiter.

Die Realität vor dem Fenster ist hier drinnen weit weg. Clips laufen über den Bildschirm: die berühmtesten Strände der Welt, das Luxushotel „Rixos“ in den Karpaten, Aufenthaltserlaubnis für Slowenien, Frisurkreationen und Hochglanzmaniküre eines Kiewer Beautysalons. Im Waggon ist es angenehm warm, die Schalensitze sind komfortabel, regelmäßig schiebt ein Steward seinen Imbisswagen durch die Gänge, schenkt Kaffee aus, bietet Croissants und Sandwiches an.

Bis nach Donezk, die frühere Endhaltestelle, fährt der Intercity 712-O nicht mehr. Gleisanlagen und Elektroleitungen wurden im August 2014 bei Kämpfen so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr für den Verkehr taugen. Also nur bis Kostjantyniwka. Auch die Fahrgäste haben sich seit Ausbruch des Konflikts im Frühling 2014 verändert. Heute reisen Soldaten, Pendler zwischen Krisenzone und Kiew mit Sporttaschen und proviantgefüllten Plastiksäcken, Journalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Früher war das Ticket mit dem Hochgeschwindigkeitszug vielen zu teuer, sie wählten lieber den langsamen, aber billigeren Nachtzug. Heute vermeidet man Reisen in das Gebiet der „Anti-Terror-Operation“, kurz ATO. So heißt der Einsatz im ukrainischen Militärjargon nach wie vor. Doch es ist längst keine Anti-Terror-Operation mehr, die die Armee im Osten des Landes führt.

Tags zuvor habe ich meinen Koffer für die Reise in den Krieg gepackt. Zwei Hosen, zwei Pullis, ein paar feste Schuhe. Die Splitterschutzweste wiegt schwer genug. Ein paar T-Shirts aus schweißaufsaugendem Material, eine Fleecejacke. Funktionskleidung ist die Mode der Krisenberichterstatterin. Freunde schicken SMS, die meistens jene vier Worte enthalten: „Pass auf dich auf.“ Meine vier Worte zählende stereotype Antwort lautet: „Ich gebe mir Mühe.“

Es ist mein erster Einsatz als Reporterin in einem Gebiet, in dem ein Konflikt zum Krieg eskaliert. In der Tageszeitung „Die Presse“ berichte ich über die Staaten der früheren Sowjet­union – ein riesiges Gebiet, das vom Baltikum über Russland und den Südkaukasus bis hin zu den fünf zentralasiatischen Republiken reicht. In „meinen“ Ländern gibt es mehrere abgekühlte und eingefrorene Konflikte. Sie beschleunigten einst das Ende der Sowjetunion bzw. traten in seiner Folge auf. Der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan rund um die Region Berg-Karabach, der in einem bis heute brüchigen Waffenstillstand endete; die bewaffneten Konflikte zwischen Georgien und den abtrünnigen Gebieten Abchasien und Südossetien, die nach wie vor einer politischen Lösung harren; der Bürgerkrieg im zentralasiatischen Tadschikistan. Die postsowjetische Welt schien auf lange Zeit erstarrt, gefangen im Orbit ihrer eigenen Vergangenheit. Ein politisches Erdbeben mit möglicherweise gewaltsamen Folgen erwartete ich frühestens nach dem Tod des einen oder anderen Autokraten in Zentralasien. 2014 hörte ich zum ersten Mal in meinem Leben Gefechtslärm. Es war im ukrainischen Donbass.

Einige Jahre davor hatte ich die Ukraine erstmals besucht. Eine meiner ersten Reisen führte mich vom Westen in den Osten, von Lemberg (Lwiw) bis nach Donezk. Während der langen Zugfahrt konnte ich beobachten, wie das Land Kilometer für Kilometer sein Gesicht veränderte: wie es von einer mitteleuropäisch geprägten Kulturlandschaft zu einer Industrielandschaft sowjetischer Prägung wurde. Die Denkmäler des ostukrainischen Donbass (eine Abkürzung von Donezkij bassein, zu Deutsch Donezbecken) sind Schächte, Stahlwerke und Arbeitersiedlungen. In Donezk nahm mich ein lokaler Journalist mit zu einem Treffen mit Lemberger Kollegen. Sie waren gekommen, um ein Jahr vor dem Beginn der Fußballeuropameisterschaft 2012 den Fortschritt der Bauprojekte im östlichen Landesteil zu begutachten. Donezk war Euro-Austragungsort, so wie Lemberg. Es wurde ein langer Abend. Sicher, die Lemberger fanden die Begeisterung der örtlichen Bevölkerung für Schießbuden ein wenig abwegig, und die Themenrestaurants von Donezk belustigend. Die einen sprachen Ukrainisch, die anderen Russisch, und man verstand sich prächtig. Ebenso einig war man sich in der Verachtung des sich immer autoritärer gebärdenden Präsidenten Viktor Janukowitsch, der aus dem Donbass stammt. Hätte jemand prophezeit, dass es ein paar Jahre später zum Krieg kommen würde, niemand hätte das ernst genommen.

Ein Konflikt in Europa

Seit Mai 2014 liegt Donezk unter Beschuss. Zwei Flugstunden von Wien und Berlin entfernt herrscht Krieg. Ein Krieg mit tausenden Toten und hunderttausenden Vertriebenen, wie ihn Europa seit den Jugoslawienkriegen der 1990er nicht mehr gesehen hat. Die Kämpfe im Donbass führen uns vor Augen, dass Frieden in Europa nicht selbstverständlich ist; er muss bewahrt werden.

Die Destabilisierung der Ukraine durch die Krim-Annexion Moskaus und den von russischer Seite unterhaltenen Konflikt im Donbass wird häufig als „Ukraine-Krise“ beschrieben. Doch das ist verharmlosend: Es ist keine Krise der Ukraine allein, es ist eine europäische Krise. Sie zwingt uns, unsere Komfortzone zu verlassen. Das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland muss neu überdacht werden. Die Europäische Union ist ratlos und uneinig, wie sie reagieren soll. Was kann Moskau zum Einlenken bringen, Entgegenkommen oder eine harte Linie? Faktum ist: Brüssels mahnende Worte und „Soft Power“ wurden im Kreml lange nicht ernst genommen. Erst mit dem Andauern der Sanktionen und durch klare Ansagen hat der Kreml verstanden, dass er den Westen nicht unbeschränkt an der Nase herumführen kann. Doch eine politische Lösung ist noch in weiter Ferne.

Dieses Buch nimmt nicht nur die internationale Dimension des Konflikts in den Blick. Es berichtet vor allem vom Alltag im Kriegsgebiet und bezieht dabei aktuelle Entwicklungen bis zum Dezember 2015 mit ein. Der besetzte Donbass mag für die Kriegsstrategen ein ganz beliebiger Kampfplatz um geopolitische Interessen sein. Nicht so für seine Bewohner. Sie fürchten um ihr Leben, sie bangen um ihre Zukunft. Dieses Buch nimmt die Leser mit auf eine Reise zu den Bürgern der Separatistengebiete im Donbass, in die selbsternannten „Volksrepubliken“, von manchen auch „Neurussland“ genannt. Von außen besehen sind es schwarze Löcher, weiße Flecken auf der Landkarte. Doch für die Bewohner ist es ihre Heimat, und für die Vertriebenen das Zuhause, das sie verloren haben. Dieses Buch ist auch eine Spurensuche nach den Verantwortlichen, die den Konflikt absichtsvoll eskalieren ließen. In den hier versammelten Geschichten beschreibe ich, wie es passieren konnte, dass aus Freunden Feinde wurden. Welche Folgen hat der Konflikt für die Zukunft des Landes? Wird die Ukraine je wieder eins werden?

„Besatzer“ im eigenen Land

In Kostjantyniwka endet der Zug, der früher bis nach Donezk fuhr. Kostjantyniwka, knapp 80.000 Einwohner, ist ein graues Nest im Norden des Donbass, Garnisons- und Grenzstadt, gerade noch auf ukrainisch kontrollierter Seite. Militärfahrzeuge auf den Straßen, Soldaten in den Restaurants. Aufschriften am Supermarkteingang verkünden, dass kein Alkohol an Militärangehörige verkauft wird. Hier im Norden des umkämpften Donbass hat sich die ukrainische Armeeführung einquartiert: Im benachbarten Kramatorsk liegt das Hauptquartier des Militärstabs der Anti-Terror-Operation, hier werden die Akkreditierungen für Journalisten in der ATO-Zone ausgegeben.

Kostjantyniwka gibt sich nach außen hin eindeutig ukrainisch: gelb-blau eingefärbte Brückengeländer, gehisste Fahnen, gelb-blaue Farbstriche auf Wohnblocks. Je umstrittener und umkämpfter das Terrain, desto mehr bemühen sich Behörden und Armee um Markierung ihres Herrschaftsgebiets. Doch unter der patriotischen Oberfläche ist die Stimmung in der Bevölkerung ambivalent – eine Gemütslage, die für die Region typisch ist. Nicht alle Bewohner im Norden des Donbass wollen in den ukrainischen Soldaten Beschützer erkennen. Indifferenz regiert, und manche betrachten die Armee gar als „Besatzer“ im eigenen Land. Als im März 2014 in Kostjantyniwka ein Panzer von der Straße abkam, ein Kind überfuhr und zwei weitere Menschen verletzte, kam es zu spontanen Protesten. Der Armee schlug eine Welle von Hass entgegen, wie sie sich nur selten Luft macht. Autoreifen brannten, Fensterglas in Soldatenwohnheimen ging zu Bruch. Die Armee verhaftete den Panzerfahrer und kündigte eine Untersuchung an. Dennoch dauerte es bis in die Nacht, bis sich die Lage wieder beruhigte.

Das ist die instabile Lage, die auch für die anderen Frontstädte charakteristisch ist. In den prorussischen sozialen Netzwerken wurde der tragische Unfall sofort für Propagandazwecke genutzt. Es wurde zum virtuellen Sturm auf Kostjantyniwka geblasen. Passiert ist schließlich nichts. Doch die Armee war gewarnt: Die Lage ist volatil. Ein tragischer Zwischenfall kann ausreichen, um die örtliche Bevölkerung gegen die Soldaten aufzubringen. Nur ein Jahr zuvor standen in vielen Städten des Donbass prorussische Separatisten an den Straßensperren. Statt gelb-blau waren die Ortsschilder rot-schwarz-blau eingefärbt, in den Farben der „Volksrepublik“. Damals stand Kostjantyniwka unter der Kontrolle der Separatisten, bevor die Armee auf ihrem Vormarsch von Norden das Gebiet einnahm. Sie kam bis vor die Tore von Donezk, weiter nicht.

Wer ins Separatistengebiet will, muss in Kostjantyniwka in einen Kleinbus umsteigen: ein klappriges, knallgelbes Modell mit 20 Sitzen. Wie so oft gibt es mehr als doppelt so viele Passagiere wie Plätze. Dass Korruption immer ein Geben und Nehmen ist, lässt sich hier beobachten: Der Fahrer verkauft zusätzliche Stehplatz-Tickets, um sich den kargen Lohn aufzubessern. Die Fahrgäste sind bereit zu zahlen, weil sie nicht auf den nächsten Bus warten wollen. In dem gelben Gefährt lege ich die restlichen 90 Kilometer bis nach Donezk zurück. Für die Fahrt, die früher eineinhalb Stunden dauerte, muss man jetzt mindestens vier Stunden rechnen. Oder auch länger. Versprechen macht der Chauffeur keine.

Die erste Kunde vom Krieg, noch lange vor den Straßensperren, sind die verklebten Fenster. Man sieht sie auf beiden Seiten der Front: in Donezk, Mariupol, Horliwka, und in Kostjantyniwka. „X“ steht auf den Scheiben geschrieben, gezogen in langen, geraden Klebebandbahnen, weißen oder, diskreter, durchsichtigen. Im Sonnenlicht heben sie sich vom angestaubten Fensterglas der Wohnblöcke ab. Das X soll schützen. Im Fall von Detonationen soll das Klebeband ein Zersplittern des Glases verhindern, soll verhindern, dass es durch die Wucht der Druckwelle quer durch den Raum geschleudert wird und sich in die Körper der Menschen bohrt, die sich dort zu Boden geworfen haben, die Schutz suchen hinter Schrankwänden oder unter Tischen. Das Glas, in Friedenszeiten Beschützer vor Kälte, Regen und Schnee, ist in Zeiten des Krieges eine Gefahr geworden, die in jedem Zimmer lauert.

Die Szenerie ändert sich, mit jedem Kilometer. Mannschaftsfahrzeuge, Schützenpanzer, Benzinwagen, Jeeps mit den Aufschriften der ukrainischen Freiwilligenbataillone, die eine entscheidende Rolle in diesem Krieg spielen. Die Straßen sind geschunden von den schweren Fahrzeugen, tiefe Spurrinnen haben sich in den Asphalt gekerbt, dazwischen Schlamm und Sand. Doch die tiefsten Spuren hinterlässt der Krieg in der Schwarzerde. Auf der Fahrt an die Frontlinie begleiten einen tiefe Gräben entlang der Straße. Dann wieder verlassene Checkpoints, ausgetauscht gegen eine neue Position. Sandsäcke, Reifen, Betonplatten, Müll: einfach zurückgelassen. Bei einer Fahrt durchs Kriegsgebiet wird die brutale Unberechenbarkeit des Krieges sichtbar: Ein Dorf wurde verschont, ein anderes nicht. Durch manche Ansiedlungen zog der Krieg hindurch, andere hat er ausgelassen. Manche Hauptstraßen sind verwüstet, als hätte hier ein Tornado gewütet, und andere stehen da, wie früher, als hätte es in der Nachbarschaft nie Kämpfe gegeben.

„Kontrollpunkt für motorisierte Ein- und Ausreise“ steht auf dem Schild beim Checkpoint Saizewo, dahinter das ukrainische Wappen. Wohin man ein- oder ausreist, darüber gibt die Tafel keine Auskunft, denn offiziell gibt es hier keine Grenze. Und doch wirkt der Kontrollpunkt wie eine Grenze, und vor den Straßensperren bilden sich lange Autoschlangen. Wer hier herkommt, benötigt große Vorräte an Geduld. Und Wasser. Der Busfahrer überholt die lange Schlange, stellt sich neben einen Container, dreht den Motor ab. Warten. Dann öffnet sich die Tür, ein ukrainischer Soldat mit Sturmgewehr betritt den Bus, grüßt, verlangt nach den Papieren. Die Fahrgäste sind die Prozedur gewohnt, die sich noch drei Mal wiederholen wird: So viele Checkpoints sind es nämlich bis auf die andere Seite.

Man hat sich auf gewisse Regeln verständigt: kein Telefonieren, professionelle Freundlichkeit, die Vorhänge werden zugezogen, eine Maßnahme zum Selbstschutz: gegen neugierige Blicke von beiden Seiten. Wenn das Warten nicht zu lange dauert, ist das hier schon eine gute Nachricht. Bei meinem Pass stockt der Soldat: „Journalistin? Was machen Sie in diesem Bus?“ Mit dem Bus ginge es immerhin schneller als in einem PKW, antworte ich wahrheitsgemäß. Er blickt mich ungerührt an, versenkt seinen Blick wieder in das Dokument. „Schreiben Sie die Wahrheit“, gibt mir der junge Mann schließlich als Auftrag mit. Worte, die ich im Kriegsgebiet nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal höre.

Korruption an den Checkpoints

Der Donbass hat heute den Status eines „zeitweilig besetzten Gebiets“. Die ukrainischen Behörden haben eine Zollkontrolle eingeführt, beschränken die Ein- und Ausfuhr von Waren. Und von Personen: Um in den Donbass zu gelangen, benötigt man seit Anfang 2015 einen Passierschein, den sogenannten propusk. Und weil es vier verschiedene Zonen im ATO-Gebiet gibt, gibt es vier verschiedene Passierscheine, für sechs Korridore, die aber aufgrund der Kämpfe nicht alle geöffnet sind. Diese Passierscheine hat die Ukraine offiziell wegen der Sicherheitskontrollen eingeführt, doch praktisch ist es ein bürokratisches und ineffizientes System. Die Bewohner der besetzten Gebiete oder solche, die einreisen wollen, warten bis zu zwei Monate auf die Durchfahrtsberechtigung. Für ein paar hundert Hrywnja kann man sie aber auch durch Vermittler erstehen. Es gibt Menschen, die sich auf die Fälschung der propuski spezialisiert haben. Oder Taxifahrer, die einen ohne jegliche Kontrolle an den Sektorgrenzen vorbei über die Frontlinie bringen: Für 600 Hrywnja, umgerechnet 25 Euro, ist auch das möglich. Die Maßnahme, die sich die ukrainische Regierung zur Sicherheitskontrolle und zum Verhindern von Kriminalität einfallen ließ, hat sich in nur wenigen Monaten in eine Korruptionsmaschinerie verwandelt.

Nach der Überprüfung am ersten Übergang geht es weiter durch ein Niemandsland aus einem aufgelassenen Auto-Basar, einer zerstörten Tankstelle, umgehackten Bäumen. Bald verwischen sich die Gesichter der Bewaffneten, die Betonsperren, die überdachten Schützengräben zu einem stickigen Gemisch aus Ausgeliefertsein, Anspannung und Aufatmen. Der Bus fährt ein paar Kilometer weiter durch das Niemandsland, und wieder tauchen neue Betonsperren auf, dahinter eine Siedlung aus ebenerdigen Häusern. Doch diesmal ist etwas anders. Eine Flagge in den Farben Schwarz-Blau-Rot. Bewaffnete mit Ansteckern, auf denen steht: „Die Russen lassen die Ihren nicht im Stich.“

Hier sind sie, die prorussischen Waffenträger, „Terroristen“, wie sie in der Kiewer Sprachregelung genannt werden: Zehn junge Männer in zusammengestoppelten Uniformen, aber alle mit dem gleichen Sturmgewehr, Marke Kalaschnikow. Eine Panzerfaust lehnt an der Barrikade. Ein paar Meter weiter graben die Bewohner des Weilers ungerührt ein Feld um, sie haben sich an die Dauergäste in ihrer Nachbarschaft gewöhnt, die nicht um Niederlassungserlaubnis gefragt haben. Solange nicht geschossen wird, gehen sie ihrer Arbeit nach. Einer der Bewaffneten, ein junger Mann mit Vollbart und leuchtend grünen Augen, stellt sich als prorussischer Tschetschene vor. Er stammt aus der nahen Kleinstadt Dserschinsk. Die Kontrolleure an den Checkpoints sind meist lokale Bewohner, das Fußvolk des prorussischen Aufstands. Gäbe es den Krieg nicht, sie wären arbeitslos oder steckten in schlecht bezahlten Jobs. Für ihren eintönigen, aber nicht ungefährlichen Dienst an den Kontrollpunkten werden sie mit Essen und Taggeld entschädigt. Bei Sonnenschein und im strömenden Regen halten sie Autos an, kontrollieren Papiere, durchsuchen den Kofferraum, winken neue Gefährte heran. „Seit dem ersten Tag“ sei er dabei, sagt der Tschetschene, er helfe am Posten, aber eigentlich hoffe er auf einen baldigen Angriff auf ukrainische Stellungen. Zuallererst auf Dserschinsk, seine Heimatstadt ein paar Kilometer weiter, auf der vom Feind kontrollierten Seite. Damit das ihnen unterworfene Gebiet noch größer wird. Dann gibt er ein Zeichen. Der knallgelbe Bus darf passieren. Die Passagiere atmen auf. Das Gebiet, von dem der Tschetschene sprach, ist noch auf keiner Karte eingezeichnet. Offiziell ist hier ukrainisches Staatsgebiet. Doch für ihn trägt das Territorium einen anderen Namen: Es heißt „Neurussland“ und liegt vor uns.

2 Die Folgen des Euromaidan:
Demokratischer Aufbruch in Kiew,
Krieg im Donbass

Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben,
noch lächelt uns, junge Ukrainer, das Schicksal.
Verschwinden werden unsere Feinde wie Tau in der Sonne,
und auch wir, Brüder, werden Herren im eigenen Land sein.
Leib und Seele geben wir für unsere Freiheit,
und bezeugen, dass unsere Herkunft die Kosakenbruderschaft ist.

(Ukrainische Nationalhymne)

Warum also will man uns keine Chance geben? Ich habe dafür eine erschreckend einfache Erklärung: weil man Russland nicht verärgern will.

(Juri Andruchowytsch, „Engel und Dämonen der Peripherie“)

Beim Thema Ukraine sind sogar politische Gegner einer Meinung: Sowohl Heinz-Christian Strache, Chef der rechtspopulistischen und prorussischen Freiheitlichen Partei Österreichs, als auch die Mitglieder der Kommunistischen Partei Österreichs halten das Land für einen „failed state“, einen gescheiterten Staat. Was die apodiktischen Experten des russischen Staatssenders „Russia Today“ seit Jahr und Tag verbreiten, hat sich bis zu den Stammtischen herumgesprochen: Die Ukraine sei ein „zerrissenes“, „geteiltes“ und überhaupt ein „künstliches“ Land, heißt es, verwickelt in einen Bürgerkrieg, der vom Westen (allen voran von den USA) angezettelt worden sei und den Oligarchen nütze. Soweit die Kurzversion des aktuellen Konflikts in der Ostukraine – eine Darstellung, die, etwas raffinierter vorgetragen, auch auf internationalen Konferenzen zu hören ist.

Die Ukraine als imperiales Anhängsel Russlands, als künstlicher und letztlich gescheiterter Staat – diese Darstellung hat im deutschsprachigen Raum eine gewisse Tradition. Nicht nur die Putin-Begeisterung der extremen Rechten und die Amerikafeindschaft mancher Linken führen zu sonderbaren Allianzen. Die vorrangige Orientierung am großen Nachbarn, die (falsche) Gleichsetzung Russlands mit der Sowjetunion, Schuldgefühle aufgrund der historischen Verbrechen der Nationalsozialisten (die sich ebenfalls fälschlicherweise vor allem auf Russland beziehen), wirtschaftspolitisches Kalkül – all diese Elemente tragen dazu bei, die Ukraine heute so leichtfertig für tot zu erklären.

Es gehört schon eine gewisse Ignoranz dazu, die Geschichte der Ukraine, die Wünsche ihrer Bürger und die Fakten einfach auszublenden. Nicht die ganze Ukraine steht in Flammen: Im sezessionistischen Donbass und auf der Krim leben heute etwa fünf Millionen Ukrainer von insgesamt 45 Millionen. 47.000 Quadratkilometer des Landes – die Krim und zwei Teilgebiete im Osten – stehen außerhalb der Kontrolle der Regierung. Das sind 12,8 Prozent der Landesfläche. Die politischen Institutionen funktionieren zwar nicht perfekt, aber sie funktionieren. Die Protestbewegung von 2004/2005 – bekannt als „Orange Revolution“ – war ein erster Versuch, die postsowjetische Starre zu überwinden. Der „Euromaidan“ von 2013/2014 war abermals eine Bewegung für eine neue politische Kultur – und ein Ausdruck gestärkter nationaler Identität. Mykola Rjabtschuk, Präsident des ukrainischen PEN-Clubs und prominenter Publizist, interpretiert das Aufbegehren der Ukrainer als antikoloniale Revolte, als ein Nachholen der mitteleuropäischen Revolutionen von 1989, die in vielen ex-sowjetischen Staaten nicht erfolgreich beendet worden seien. Nach wie vor sei der Weg der Ukraine nicht abgeschlossen.

„Dank“ der Krim-Annexion durch die Russische Föderation und des Krieges im Osten waren die Gräben zwischen Kiew und Moskau noch nie so tief. Gleichzeitig waren die Bürger noch nie so patriotisch. 72 Prozent der Ukrainer unterstützten im Jahr 2015 den Unabhängigkeitskurs ihres Landes laut einer Untersuchung des renommierten Kiewer Umfrageinstituts „Rasumkow-Zentrum“. Ein Jahr zuvor waren es nur 61 Prozent gewesen. Der Krieg, der Leid bringt und so viele Energien bindet, hat das Land auch geeint.

Die heutige Debatte über das angebliche „Scheitern“ der Ukraine lässt Erinnerungen an 1991 wach werden. Auch damals zogen viele im Westen die Überlebenschancen des neuen unabhängigen Staates in Zweifel. Der Weg der Ukraine in den vergangenen 25 Jahren war von großen Schwierigkeiten und vielen Rückschlägen gezeichnet. Doch es gibt es keinen Grund, voreilig ihren Nachruf zu verfassen.

Der beschwerliche Weg in die Unabhängigkeit

Vor einem Vierteljahrhundert verließ die Ukraine offiziell das beengte sowjetische Wohnhaus. Am 24. August 1991 proklamierte das Land formell seine Unabhängigkeit. Am 1. Dezember 1991 bestätigten die Bürger den Kurs in einem Volksentscheid. Eine große Mehrheit von 92,3 Prozent der Teilnehmer sprach sich dafür aus, dass die bisherige Sowjetrepublik künftig ein unabhängiger und souveräner Staat sein sollte. In allen Landesteilen waren die Befürworter der Unabhängigkeit in der Mehrheit – wenn auch nicht überall so eindeutig wie in Ternopil mit knapp 99 Prozent. Im ostukrainischen Charkiw stimmten drei Viertel der Bürger mit „Ja“, auf der Halbinsel Krim waren es 54,2 Prozent. Mit dem offiziellen Austritt des wichtigen Landes aus dem Unionsvertrag von 1922 war das Ende der Sowjetunion besiegelt.

Michail Gorbatschows Erneuerung der Sowjetunion war gescheitert. Das Programm von glasnost (Transparenz) und perestrojka (Umbau) beschleunigte vielmehr ihren Zerfall. Die neue Meinungsvielfalt hatte zur Folge, dass an vielen Orten der Peripherie Forderungen nach Eigenständigkeit im nationalen Gewand laut wurden, auf die das Machtzentrum keine Antwort hatte. Einige Ereignisse in der Ukraine beschleunigten die Implosion des Sowjetreichs maßgeblich:

Das Unglück im Kernkraftwerk Tschernobyl im Jahr 1986 blamierte die Führung, die den Unfall herunterspielen wollte, und offenbarte die Kehrseite der sowjetischen Technikgläubigkeit. Während es im Donbass es zu Bergarbeiterstreiks kam, wurde in der Westukraine die in den Untergrund getriebene Griechisch-Katholische Kirche wiederbelebt. Im September 1989 gründeten Oppositionsgruppen schließlich den ukrainischen „Ruch“ (Volksbewegung).

Der Ruch konnte sich in den Anfangsjahren zwar als politische Kraft etablieren, dennoch blieb die Ukraine zunächst im postsowjetischen Orbit. Nicht Dissidenten oder erklärte Oppositionelle gaben in den 1990ern den Ton an, sondern gewendete Apparatschiks und „rote Direktoren“, die einflussreichen Chefs der Staatsbetriebe: eine Kontinuität der Eliten wie in anderen postsowjetischen Staaten auch. Erster Präsident des Landes war Leonid Krawtschuk, ein Mitglied des ukrainischen Politbüros, der im Juli 1990 zum Vorsitzenden des Obersten Sowjets gewählt worden war. Krawtschuk orientierte sich neu und machte sich die Forderungen des Ruch in gemäßigtem Tonfall zu eigen.

Nach einem euphorischen Aufbruch stand die Ukraine vor großen Herausforderungen: Die Wirtschaftsleistung und Lebensqualität der Bürger sank, die Inflation stieg, Strukturreformen kamen nur langsam auf den Weg. Krawtschuk war eine Kompromissfigur, die das Land zusammenhielt. Die Bestrebungen auf der Krim, sich von Kiew loszusagen, endeten in einer Autonomie der Halbinsel. Erst 1997, unter Krawtschuks Nachfolger Leonid Kutschma, konnte ein anderer Streit geschlichtet werden: der um die Zukunft der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol. Russland erhielt das Recht auf eine Nutzung der Basis bis 2017 gegen Zahlung einer jährlichen Pacht.

Außenpolitisch bemühte sich Krawtschuk um gute Beziehungen mit Ost und West und um ukrainische Eigenständigkeit. Eine wichtige Existenzgarantie für den jungen Staat war das „Budapester Memorandum“ vom 5. Dezember 1994, in dem sich Russland, Großbritannien und die Vereinigten Staaten gegenüber der Ukraine verpflichteten, die Souveränität und bestehenden Grenzen zu achten. Kiew verzichtete dafür auf sein Nuklearwaffenarsenal. Eben jenes Abkommen sieht die Ukraine heute zu Recht durch die russische Annexion der Krim und das Mitmischen Moskaus im Donbass-Krieg verletzt.

Krawtschuks 1994 ins Amt gewählter Nachfolger Kutschma führte einerseits den außenpolitischen Kurs seines Vorgängers weiter: Seine sogenannte multivektorale Außenpolitik bedeutete freundliche Signale in alle Richtungen, wobei der Westkurs des Landes in den späten Neunzigern zusehends an Profil gewann; gleichzeitig stiegen in der Ära Kutschma die Oligarchen auf – mächtige Industrieunternehmer, die neben wirtschaftlicher Stärke auch politische Machtambitionen zeigten. Kutschma selbst war ein früherer Direktor eines Rüstungsunternehmens in der Industriestadt Dnjepropetrowsk. Es sollte sich ein Konkurrenzverhältnis zwischen seinen lokalen Vertrauten und den im Donbass im Kohle- und Stahl-Business zu Reichtum gekommenen Magnaten entspinnen. Zunächst aber benötigte der Präsident die Kooperation der ostukrainischen Eliten. Der aus der Industriestadt Jenakijewe stammende Viktor Janukowitsch sicherte als Donezker Gouverneur für Kutschmas Wiederwahl 1999 die Mehrheiten im Donbass – und wurde für seine Loyalität mit dem Job des Premierministers (2002-2004) belohnt. Er galt fortan als potenzieller Amtsnachfolger Kutschmas. Der Grundstein für die Quasi-Selbstverwaltung der Industrieregion durch lokale Eliten war gelegt: Solange sie die Oberhoheit Kiews nicht in Frage stellten, blieb der Donbass ihr Terrain.

Die unvollendete Revolution von 2004/05

Nach innen wurde Kutschma in seiner zweiten Amtszeit immer repressiver. Die Antwort der städtischen Eliten lautete „Ukraine ohne Kutschma“, eine Bürgerbewegung, die nach dem Mord an dem Journalisten Georgi Gongadse im Jahr 2000 aufgrund Kutschmas vermuteter Verwicklung dessen Rücktritt forderte. Auch international isolierte die Affäre den Präsidenten. Unruhig ging es weiter: Bei der Stichwahl um das Amt des Staatschefs im Spätherbst 2004 lag der bisherige Ministerpräsident Janukowitsch nach offensichtlichen Wahlfälschungen knapp vor dem proeuropäischen und vom Westen unterstützten Kandidaten Viktor Juschtschenko. Dies hatte Massenproteste, die sogenannte „Orange Revolution“ zur Folge, die eine Wiederholung des Wahlgangs forderte. Das Parlament sprach der Regierung das Misstrauen aus, der Oberste Gerichtshof erklärte die Stimmabgabe für ungültig. Bei der zweiten Stichwahl siegte der von einer Dioxinvergiftung gezeichnete Juschtschenko und wurde Anfang 2005 als Präsident vereidigt.

Janukowitsch war also vorerst geschlagen. Das Führungsduo aus Präsident Juschtschenko und Premierministerin Julia Timoschenko stieß einige wichtige Reformen an: Die Macht des Präsidenten wurde eingeschränkt, die Rolle des Parlaments aufgewertet; außenpolitisch schrieb sich die neue Regierung die Westannäherung auf die Fahnen; der Ton zwischen Kiew und Moskau verschärfte sich. Doch ein interner Machtkampf zwischen Timoschenko und Juschtschenko lähmte das Land.

Die „Orange Revolution“ blieb unvollendet: Sie war zweifelsohne ein demokratischer Aufbruch, der jedoch nicht zum erhofften tiefgreifenden institutionellen Wandel führte. Die Politikerbelegschaft blieb dieselbe; korrupte Praktiken und Postenschacher existierten weiterhin. Viele Bürger fühlten sich ausgenutzt und politikmüde. Die „Orange Revolution“ habe erfolgreich autoritäre Tendenzen beschränkt, politischen Pluralismus und bürgerliche Freiheiten wiederhergestellt, schreibt Mykola Rjabtschuk. Kritisch fügt er an: „Sie versagte in dem Sinne, dass sie keine positive Dynamik schuf, sondern sehr langsame, inkonsistente Veränderungen brachte.“

Die „Orange Revolution“ machte auch regionale Unterschiede offensichtlich wie nie zuvor: Während im Westen und im Zentrum eine Mehrheit den proeuropäischen Kurs unterstützt hatte, überwogen im Süden und Osten – vor allem auf der Krim und im Donbass – die Skeptiker. Oft ist in diesem Zusammenhang von einer „Zweiteilung“ der Ukraine die Rede. Dieses Bild trifft die ukrainische Realität von Sprache und politischer Anschauung aber nicht. Die Wirklichkeit ist nuancenreicher. Zunächst die Sprachenfrage: Ja, die Mehrheit der Menschen in den Gebieten Charkiw, Donezk, Luhansk und auf der Krim ist russischsprachig; die Mehrheit im Westen spricht ukrainisch. In Kiew und den Gebieten östlich des Dnjepr sind wiederum beide Sprachen abwechselnd zu hören. Viele Menschen in den Weiten der Zentralukraine verwenden ganz pragmatisch Ukrainisch und Russisch, und es kann passieren, dass sie innerhalb eines Gesprächs von einer Sprache zur anderen wechseln. Es gibt in der Ukraine keine klare Sprachgrenze, die Übergänge sind fließend. Neben der Kategorie „Westen/Osten“ gibt es auch erhebliche Unterschiede zwischen Stadt und Land. Für 30 bis 46 Prozent (laut verschiedenen Umfragen) ist Russisch die Muttersprache. Nach ethnischen Kriterien bezeichnen sich 17 Prozent der ukrainischen Bürger als Russen (Zensus 2001).

Zwischen Sprachgruppe, Ethnie und politischer Anschauung besteht nicht notwendigerweise eine Deckung. Man könnte von einer gewissen Korrelation sprechen: Menschen, die Russisch sprechen, haben häufiger ein positives Bild von der sowjetischen Vergangenheit und dem heutigen Russland als Menschen, deren Muttersprache Ukrainisch ist. Die Ostukraine, wo eine Mehrheit der Russischsprachigen und ethnischen Russen lebt, ist industrialisiert und daher stärker sowjetisch geprägt. Aber es gibt keine klare politische Trennlinie, wie dies Medienberichte manchmal behaupten, wenn sie mit dem Fluss Dnjepr einen sprachlich-politischen Graben zwischen zwei angeblichen „Landesteilen“ ziehen. Die Verbundenheit zur UdSSR oder die Attraktivität des Putin’schen Regierungsstils ist auch eine Frage der Generationszugehörigkeit: Russophile oder sowjetnostalgische Einstellungen sind unter jungen Ukrainern wenig verbreitet.

Sonderfall Donbass: die Geschichte einer Industrieregion