Inhalt

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

1. Kapitel Eigentum und Nachbarrecht

I. Eigentümerrechte und Nachbarbefugnisse

1. Welche Rechte hat der Grundeigentümer? Was muss er dulden?

2. Wer ist mein Nachbar?

II. Privates und öffentliches Nachbarrecht – Rechtsquellen

1. Wo finde ich das für mich einschlägige Nachbarrechtsgesetz?

2. Gibt es eine „Goldene Regel“ („Was du nicht willst …“) im Nachbarrecht?

2. Kapitel Das Grundstück und seine Grenzen

I. Grenzstreitigkeiten

1. Die Grenzabmarkung – Was muss zur Sicherung der Grenze getan werden?

2. Die Grenzverwirrung – Was geschieht bei unklarem Grenzverlauf?

3. Der Grenzfeststellungsvertrag – die einvernehmliche Lösung

II. Grenzeinrichtungen und ihre Nutzung

1. Gemeinschaftliche Benutzung von Grenzanlagen – Wer trägt die Kosten gemeinsam genutzter Einrichtungen auf der Grenze?

2. Nachbar- und Grenzwand – Wem gehört die Wand auf der Grenze und wer muss ihre Kosten tragen?

3. Der Grenzbaum – Darf man auf der Grenze stehende Bäume fällen?

4. Abstandsflächen – Wie weit müssen Gebäude von der Grenze entfernt sein?

5. Der Überbau

III. Bäume und Sträucher

1. Grenzabstand von Pflanzen

2. Überhang

3. Überfall

3. Kapitel Einwirkungen auf das Nachbargrundstück

I. Einwirkungen und Immissionen

II. Immissionsschutz vor den Zivilgerichten

1. Abwehransprüche gegen Beeinträchtigungen

2. Duldungspflichten und Ausgleichsansprüche – Was muss ein Nachbar hinnehmen?

3. Zuführung durch eine besondere Leitung

4. Typische Beeinträchtigungen durch Immissionen nach der Rechtsprechung

III. Gefahren durch Anlagen und Gebäude am Nachbargrundstück

1. Gefahrdrohende Anlagen

2. Drohender Gebäudeeinsturz

IV. Vertiefung des Nachbargrundstücks

1. Voraussetzungen

2. Abwehransprüche

3. Ersatzansprüche

4. Weitere Vorschriften

5. Grundstückserhöhung

V. Einwirkungen auf/durch Wasser

1. Einwirkungen auf das Grundwasser

2. Einwirkungen durch Wasser

4. Kapitel Das Grundstück und seine Nutzung durch Dritte

I. Notwegrecht

1. Voraussetzungen eines Notwegrechts

2. Inhalt

3. Beteiligte

4. Ausschluss des Notwegrechts

5. Notwegrente

6. Rechtsschutz des Notwegrechts

II. Notleitungsrecht

1. Landesrechtliche Leitungsrechte

2. Notleitungsrecht nach BGB

3. Öffentlich-rechtliche Durchleitung

4. Besondere Leitungsrechte

III. Betretungsrechte

1. Landesrechtliche Betretungsrechte

2. Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis

IV. Schuldrechtliche Nutzungsgestattung

1. Zustandekommen

2. Beendigung

V. Die Grunddienstbarkeiten als vereinbartes Nachbarrecht

1. Begriff und Abgrenzung – Wer darf eine Grunddienstbarkeit ausüben?

2. Inhalt und Vorteil

3. Erwerb und Erlöschen

4. Altrechtliche Dienstbarkeiten

5. Kapitel Der Nachbarstreit vor den Gerichten und die außergerichtliche Streitbeilegung

I. Zivilprozess

1. Zulässigkeit einer Klage

2. Eigentumsfreiheitsklage

3. Besitzschutzklage

4. Schadensersatz- und Entschädigungsklagen

5. Vorläufiger Rechtsschutz

6. Selbsthilfe

II. Verwaltungsprozess

1. Baurecht

2. Immissionsschutzrechtliche Nachbarklage

III. Obligatorische Streitschlichtung

1. Die Notwendigkeit einer Schlichtung vor Klageerhebung – Darf man im Nachbarstreit sofort zum Gericht?

2. Die Schlichtungsstelle und die Verjährung – Müssen die zerstrittenen Nachbarn zu einer anerkannten Gütestelle oder einem teuren Mediator?

3. Die Durchführung des Schlichtungsverfahrens

4. Die „Eskalationsleiter“ – Von der Bagatelle zum totalen Nachbarkrieg

Anhang

I. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (Auszug)

II. Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung (EGZPO) (Auszug)

Sachverzeichnis

Vorwort

Der Philosoph Rousseau hat einmal geschrieben: „Ein Philosoph liebt die Tartaren, um davon entbunden zu sein, seine Nachbarn zu lieben.“ Dass dies nicht immer leicht fällt, zeigen manche Gerichtsstreitigkeiten. Bekannt wurde ein Fall, bei dem es um sogenannte Frustzwerge ging. Ein aus der Pfalz stammender Grundstückseigentümer litt unter seinem neuen Nachbarn, der aus Wuppertal stammte. Um seinen Frust loszuwerden, stellte er im Garten selbst entworfene Tonfiguren auf. Es handelt sich um ca. 30–35 Zentimeter große Gebilde, die Gartenzwergen ähnelten. Gartenzwerge sind üblicherweise eher Ausdruck einer mehr biederen Denkweise. Teilweise werden sie sogar als Symbole der Engstirnigkeit und Dummheit angesehen. Meist haben sie Gartengeräte oder Blumen in ihren Händen. Allerdings sind in Wohnungseigentumsanlagen bereits andere Arten vorgekommen. Dort hausen mitunter sogenannte unanständige Gartenzwerge, die durch obszöne Gesten und Betätigungen bei manchen Betrachtern Ärgernis erregen. Möglicherweise hat sich der Pfälzer Hauseigentümer an diesen obszönen Gartenzwergen orientiert. Jedenfalls nahmen seine selbst gefertigten Gebilde, wie es in den Entscheidungsgründen des Urteils heißt, atypische Posen und Gesten ein. So zeigte ein Gartenzwerg dem Beobachter mit herausgestreckter Zunge den erhobenen Mittelfinger (sogenanntes Fuck-You-Zeichen). Ein anderer beugte sich mit heruntergelassenen Hosen nach vorne und präsentierte sein entblößtes Hinterteil. Ein weiterer hielt sich die Nase zu und schloss dabei die Augen. Andere Zwerge entsprachen ihren Kollegen in Gestik und Mimik. Sie streckten die Zunge heraus, zeigten einen Vogel und bildeten schließlich mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Ein Zwerg trug eine Kapuze und verkörperte einen auf ein Beil gestützten Scharfrichter. Ein Zwerg war an einem Baum im Garten erhängt. Einige Zwerge hielten Schilder mit Parolen wie z. B. „Pfälzer in die Pfalz, Wuppertaler in die Wupper! Zieht doch endlich aus, wir wollen Frieden!“

Der betroffene Nachbar verlangte vom „Störer“ Beseitigung der vorhandenen Gartenzwerge und Unterlassung des Aufstellens künftiger neuer Werke. Er stützte seinen Beseitigungsanspruch auf die Verletzung seines Eigentums. Ästhetische Störungen sind jedoch grundsätzlich keine Beeinträchtigung in diesem Sinne. Der hässliche Anblick auf dem Nachbargrundstück kann ebenso wie andere Beeinträchtigungen z. B. des Lichteinfalls und des Fernsehempfangs nicht abgewehrt werden. Allerdings verletzten die beanstandeten Gartenzwerge auch das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die Aufstellung der in der vorgenannten Art gestalteten Zwerge ging weit über das hinaus, was man als Frustreaktion und im Rahmen einer ästhetischen Beeinträchtigung liegend auffassen kann. Auch der Einwand des „Gartenzwerg-Eigentümers“, es handelte sich um Kunst, die man wegen der grundrechtlich geschützten Freiheit der Kunst mit den der Kunst eigenen Maßstäben messen müsse, ließ das Gericht nicht gelten. Trotz ihres zweifellos künstlerischen Wertes stellten die Zwerge eine grobe Beleidigung des Nachbarn dar. Der Eigentümer habe seine vorhandene künstlerische Begabung dazu missbraucht, um seiner Absicht, den Nachbarn zu kränken und zu beleidigen, eine feste Form zu geben. Grundsätzlich habe nichts anderes zu gelten, als wenn sich der Eigentümer selbst hingestellt und die entsprechenden beleidigenden Gesten vollführt hätte. Die Zwerge stellten gleichsam tönerne Stellvertreter dar. Da es dem Eigentümer nicht permanent möglich gewesen wäre, sich selbst vor sein Haus zu stellen und die entsprechenden Gesten zu machen, habe er die streitgegenständlichen Zwerge geschaffen und gleichsam für sich handeln lassen. Das Gericht weist den Schöpfer der Gartenzwerge auf eine Möglichkeit des legalen Nachbarfrustabbaus hin. Er könne die Zwerge am besten dann sehen, wenn er sie in seinem eigenen Aufenthaltsbereich aufstellen würde. Er hätte dabei zusätzlich ausreichend Gelegenheit, sich an ihnen zu erfreuen. Gleichzeitig würde der Nachbar nicht durch die Konfrontation mit ihrem Anblick gestört.

Dass sich Nachbarstreitigkeiten auch friedlich lösen lassen, zeigt ein ähnlicher Fall. Auch hier hatte ein „Künstler“ in seinem Garten einen Zwerg aufgestellt. Es handelte sich um einen sogenannten Hartbrandwichtel. Dieser zeigte den sogenannten Stinkefinger und im linken Mundwinkel einen Teil seiner Zunge. Allerdings war in dieser Geste keine Beleidigung zu sehen. Auf das Verlangen dessen Nachbarn, die Figur zu entfernen, wickelte nämlich deren Schöpfer Stoff um den Mittelfinger und band mittels einer Schleife eine Blume dran. Die Verbindung des beleidigenden Symbols mit der freundlichen Blume ließ den beleidigenden Effekt entfallen. Vielleicht hätte dies auch in einem anderen Nachbarstreit geholfen, in dem es wiederum um einen Gartenzwerg ging. Die ca. 50 Zentimeter große Figur trug einen Mantel, den sie in exhibitionistischer Pose mit beiden Händen nach links und rechts öffnete. Im Bereich des Schritts waren männliche Genitalien in nicht erigiertem Zustand zu sehen. Auch hier verlangte der Nachbar Beseitigung des ihn störenden Zwerges. Vielleicht hätte auch bei diesem exhibitionistischen Gartenzwerg, jedenfalls an der richtigen Stelle angebracht, eine Blume geholfen.

Dass ein Nachbarkonflikt im Gegensatz dazu auch eskalieren kann, bestätigt ein Fall, der sogar das Bundesverfassungsgericht beschäftigte. Weil sich jemand von seinen Nachbarn belästigt fühlte, bestellte er bei 35 Firmen unter dem Namen des Nachbarn Waren und Dienstleistungen an dessen Adresse. Der Nachbar erhielt daraufhin wiederholt Lieferungen z. B. von örtlichen Apotheken, Pizzadiensten und Getränkemärkten. Außerdem wurde mehrfach Heizöl geliefert und eine Lkw-Ladung Kies wurde auf dem Grundstück ausgekippt. Mitarbeiter des Recyclinghofs wollten einmal seine Couch zur Entsorgung abholen und am frühen Abend klingelte der Sanitätsnotdienst wegen angeblich verstopfter Toiletten. Diese Aktionen hatten für den betroffenen Nachbarn Schlafstörungen und die Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Behandlung zur Folge. Der Verursacher hielt die vom Gericht verhängte Strafe für unangemessen und legte dagegen Verfassungsbeschwerde ein. Dies zeigt deutlich, warum es bei Nachbarstreitigkeiten im Kern geht: Nicht um das Recht, sondern um das Rechthaben. Jeder Nachbar glaubt, im Recht zu sein und dies nahezu bis zum Letzten durchsetzen zu müssen. Schlimmstenfalls führt der Nachbarkrieg dazu, dass ein Eigentümer zum Wegzug gezwungen ist und hierzu seine Immobilie weit unter Wert veräußern muss, wenn er den Streit nicht mehr aushält.

Der vorliegende Leitfaden kann nicht die anwaltliche Beratung im konkreten Einzelfall ersetzen. Der Anwalt kann auch auf die landesrechtlichen Besonderheiten eingehen. Soll ein Konflikt dauerhaft mit Wirkung für Rechtsnachfolger im Eigentum der benachbarten Grundstücke gelöst werden, muss für die hierzu erforderlichen Grundbucheintragungen ohnehin ein Notar oder eine Notarin hinzugezogen werden. Der Leser soll nicht unter Zuhilfenahme dieses Buches und des Internets versuchen, eine Nachbarklage beim Amtsgericht selbst einzureichen. Vielmehr soll die Lektüre dieses Taschenbuchs ihn dazu veranlassen, den eigenen Standpunkt anhand der gesetzlichen Vorschriften und der Rechtsprechung zu überprüfen. Vertiefte Hinweise und Nachweise zur Rechtsprechung finden sich bei Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2005, erschienen im Verlag C. H. Beck, dessen Aufbau der vorliegende Leitfaden zur leichteren Handhabung folgt. Sinnvoll kann es auch sein, sich vor dem Hintergrund dieser Informationen in die Position des Nachbarn zu versetzen. Möglicherweise lässt sich dann der Konflikt leichter, billiger und vor allem dauerhaft lösen. Keinesfalls soll der vorliegende Ratgeber Munition für die Kriegsführung liefern. Schon die alten Römer wussten nämlich: „Brennt des Nachbarn Wand, so bist du selber gefährdet.“

Regen/Deggendorf, im Herbst 2011

Herbert Grziwotz
Roland Saller

Abkürzungsverzeichnis

AbmG

(Landes-) Abmarkungsgesetz

Abs.

Absatz

AG

Amtsgericht

AGBGB

(Landes-) Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

AGGVG

(Landes-) Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes

AGVwGO

(Landes-) Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung

a.F.

alte Fassung (eines Gesetzes)

Art.

Artikel

AVBFernwärmeV

Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme

AVBWasserV

Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser

BauGB

Baugesetzbuch

BauNVO

Baunutzungsverordnung

bestr.

bestritten

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BImSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz

BImSchV

Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

BNatSchG

Bundesnaturschutzgesetz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EGZVG

Einführungsgesetz zum ZVG

EGZPO

Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung

EnWG

Energiewirtschaftsgesetz

ErbbauRG

Erbbaurechtsgesetz

etc.

et cetera

f./ff.

folgende

GBBerG

Grundbuchbereinigungsgesetz

GBO

Grundbuchordnung

GBVerf

Grundbuchverfügung

GenTG

Gentechnikgesetz

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

h.M.

herrschende Meinung

HPflG

Haftpflichtgesetz

Hs.

Halbsatz

i.S.

im Sinne

i.V.m.

in Verbindung mit

KrW-/AbfG

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

LG

Landgericht

lit.

littera (= Buchstabe)

Lit.

Literatur

LuftVO

Luftverkehrsordnung

NAV

Niederspannungsanschlussverordnung Strom

NDAV

Niederdruckanschlussverordnung Gas

n.F.

neue Fassung (eines Gesetzes)

Nr.

Nummer

Nrn.

Nummern

NRG

(Landes-) Nachbarrechtsgesetz

OLG

Oberlandesgericht

s.

siehe

S.

Satz, Seite

s.o.

siehe oben

sog.

sogenannt

str.

streitig

TA Lärm

Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm

TA Luft

Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft

TKG

Telekommunikationsgesetz

u.

und

u.a.

unter anderem

UmweltHG

Umwelthaftungsgesetz

v.

von, vom

vgl.

vergleiche

VO

Verordnung

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WasserG

(Landes-) Wassergesetz

WEG

Wohnungseigentumsgesetz

WHG

Wasserhaushaltsgesetz

z.B.

zum Beispiel

Ziff.

Ziffer

ZPO

Zivilprozessordnung

ZVG

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

1. Kapitel

Eigentum und Nachbarrecht

I.  Eigentümerrechte und Nachbarbefugnisse

1.  Welche Rechte hat der Grundeigentümer? Was muss er dulden?

BEISPIEL:

Gerhard hat gelesen, dass in Deutschland die Baufreiheit verfassungsrechtlich geschützt ist. Deshalb möchte er auf seinem Grundstück ein Haus bauen. Es soll in nur einem Meter Abstand von der Grenze zu Norbert errichtet werden. Dieser findet das Haus hässlich und meint, diesen Anblick müsse er sich unmittelbar angrenzend an sein Grundstück nicht gefallen lassen. Als ihm auch noch die Baubehörde seinen Bau einstellt, wendet sich Gerhard an den Petitionsausschuss.

„Jeder kann bis in den Himmel hinauf bauen und in die Hölle hinunter graben.“ So definierte ein bayerischer Jurist einmal die Befugnisse des Grundstückseigentümers. § 903 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) lässt auch gegenwärtig zu, dass der Eigentümer eines Grundstücks, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit diesem nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. Das Grundeigentum bezeichnet somit die umfassende rechtliche Herrschaft über ein Grundstück. Es erstreckt sich nach dem Gesetzeswortlaut auf den Raum über der Oberfläche und auf den Raum unter der Oberfläche (§ 905 Satz 1 BGB). Zum Grundstück gehören auch seine Bestandteile wie z. B. Gebäude, ein Gartenhaus, ein Pavillon, ein Schwimmbecken, ein Zaun, Bäume und sonstige Pflanzen. Mit einem Grundstück kann aber auch ein Recht verbunden sein. Beispiele sind Geh-, Fahrt- und Leitungsrechte.

Der Grundstückseigentümer kann seine Befugnisse ausüben, er kann aber auch darauf (teilweise) verzichten. Wichtig ist sein Verbietungsrecht , mit dem er von einem Störer die Beseitigung einer bestehenden Beeinträchtigung oder das Unterlassen einer befürchteten Beeinträchtigung verlangen kann.

Die Befugnisse des Grundstückseigentümers finden dort ihre Grenze, wo er eine ihn beeinträchtigende Maßnahme dulden muss. Solche Duldungspflichten können sich aus gesetzlichen Vorschriften (z. B. §§ 905, 906 und 912 BGB für nicht mehr wahrnehmbare Beeinträchtigungen, Immissionen und einen entschuldigten Überbau), den Rechten Dritter und öffentlich-rechtlichen Normen (z. B. dem Bau-, Immissionsschutz-, Ordnungs- und Naturschutzrecht) ergeben. Zu den Rechten Dritter gehören insbesondere die vom Grundstückseigentümer selbst oder seinen Rechtsvorgängern dem Nachbarn eingeräumten Befugnisse wie z. B. das Recht zur Errichtung eines Bauwerks ohne Einhaltung von Abstandsflächen, eine Zugangs- und Zufahrtsmöglichkeit sowie ein Leitungsrecht. Aber auch unmittelbar aus gesetzlichen Vorschriften können sich Duldungspflichten ergeben. Beispiele sind das Notwegerecht (§ 917 BGB), Leitungsrechte für Versorgungsunternehmen, die Widmung einer Straßen- oder Wegefläche für den öffentlichen Verkehr und vor allem die Vorschriften des Nachbarrechts. Dem Nachbarn stehen nämlich als Grundstückseigentümer ebenso umfassende Herrschaftsbefugnisse zu wie den Eigentümern der umliegenden Grundstücke. Das Nachbarrecht versucht, die beiderseitigen Rechtsbefugnisse zu einem vernünftigen Ausgleich zu bringen. Gegenstand der Nachbarrechtsvorschriften ist im Prinzip die gegenseitige Rücksichtnahme.

Wichtig!

Zum Grundeigentum gehört auch die Baufreiheit, d. h. das Recht zu bauen. Dabei muss aber auf den Nachbarn Rücksicht genommen werden. Insbesondere müssen ausreichende Abstände des Bauwerks von der Grenze eingehalten werden. Zudem sind die Vorschriften des öffentlichen Baurechts zu beachten. Bei Beachtung dieser Einschränkungen darf allerdings jeder so hässlich bauen, wie es ihm gefällt. Der Nachbar kann ein ihm hässlich erscheinendes Gebäude nicht verbieten.

2.  Wer ist mein Nachbar?

BEISPIEL:

Dieter hat einen alten Landgasthof gekauft, den er zu einer Disco umbauen möchte. Sein unmittelbar angrenzender Nachbar hat nichts dagegen, da Dieter in seinem Geschäft die Getränke einkauft. Ca. 700 Meter entfernt befindet sich das Wohnhaus von drei älteren Damen, die ihre Ruhe haben möchten, und deshalb „Einspruch“ gegen den Umbau einlegen. Dieter ist der Ansicht, mangels einer gemeinsamen Grenze handle es sich um keine Nachbarn mehr. Außerdem müssten die „drei alten Tanten“ den Zu- und Abfahrtslärm hinnehmen, da es sich um kinderspezifischen Lärm handelt und die Jugendlichen schließlich für die Rente der drei aufkommen würden.

Nachbar ist dabei nicht nur der unmittelbare Angrenzer, sondern derjenige Grundstückseigentümer, der durch eine Maßnahme betroffen sein kann. Dies ist bei der zu hohen Hecke an der Grundstücksgrenze nur der unmittelbar angrenzende Nachbar. Bei Lärm, der von einem Grundstück ausgeht, können auch der übernächste und weitere Grundstückeeigentümer beeinträchtigt werden. Noch deutlicher wird dies bei einem Atomkraftwerk, einem Flughafen, einem emittierenden Betrieb, einem Einkaufsmarkt und einer Diskothek, die insbesondere in den Nachtstunden, in denen das Ruhebedürfnis besonders groß ist, einen starken Zu- und Abfahrtsverkehr mit sich bringt. Die ganz oder teilweise an eine Grenze anschließenden Nachbarn, aber auch diejenigen Grundstücke, die lediglich an einer Ecke angrenzen, fallen regelmäßig unter den Nachbarbegriff. Insbesondere bei Immissionen kann der Kreis der betroffenen Nachbarn weitaus größer sein; entscheidend für die Abgrenzung ist die Betroffenheit. Klagebefugt sind grundsätzlich der Grundstückseigentümer, ein Erbbauberechtigter und ein sonstiger dinglich Berichtigter, d. h. eine Person, der ein im Grundbuch eingetragenes Recht zusteht. Aber auch ein Grundstückskäufer, der durch eine Vormerkung im Grundbuch gesichert ist und auf den bereits das wirtschaftliche Eigentum (Besitz, Nutzungen und Lasten) übergegangen ist, kann die Nachbarrechte gerichtlich geltend machen. Im Immissionsschutzrecht werden auch Mieter, Pächter, sonstige Mitbewohner und Arbeitnehmer geschützt.

Wichtig!

Zur Bestimmung derjenigen Personen, die als Nachbarn von einer Maßnahme betroffen und deshalb auch klagebefugt sind, kommt es auf die Beeinträchtigung an. Insbesondere bei Lärm und einem starken Zu- und Abfahrtsverkehr können auch entfernt wohnende Personen in ihren Rechten betroffen sein.

II.  Privates und öffentliches Nachbarrecht – Rechtsquellen

1.  Wo finde ich das für mich einschlägige Nachbarrechtsgesetz?

BEISPIEL:

Der aus Dortmund stammende Norbert hat sich im Bayerischen Wald ein Grundstück gekauft. Die Garage seiner Nachbarin steht unmittelbar an seiner Grundstücksgrenze. Als er eines Morgens aufwacht, steht die Nachbarin Gerda auf seinem Grundstück und streicht ihre Garagenwand. Nachdem Gerda ihn einmal wegen ihrer Kopfschmerzen gebeten hatte, seine bei geöffnetem Fenster zugegebenermaßen laut eingestellte Stereoanlage leiser zu drehen, möchte er ihr nunmehr das Betreten seines Grundstücks verbieten. Jedenfalls hat er sich aus seiner früheren Heimat gemerkt, dass gesetzlich eine Ankündigung der Benutzung des Nachbargrundstücks von einem Monat vorgeschrieben ist. Norbert sucht vergebens ein bayerisches Nachbarrechtsgesetz. Gerda meint, so etwas benötige man in Bayern auch nicht. Hier herrsche die liberalitas Bavariae. Deshalb könne er sich auch sein preußisches Nachbarrechtsgesetz an den Hut stecken. Norbert ist der Ansicht, auch wenn in Bayern die Uhren anders gingen, könne die Rechtslage dort doch nicht anders sein.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 906 bis 923 BGB) regelt bundesrechtlich nur einen Teil der nachbarrechtlichen Beziehungen. Im Wesentlichen ging es dem damaligen Gesetzgeber darum, die beginnende industrielle Entwicklung nicht zu behindern. Die Regelung betrifft zudem nur kleinere Bereiche, im Normalfall aneinander grenzende Grundstücke. Es geht vor allem um die Zulässigkeit von Immissionen, den Gebäudeeinsturz, die Grundstücksvertiefung, das Abschneiden von Wurzeln, Ästen und Zweigen von Bäumen und Sträuchern, hinüber fallende Früchte, den Überbau und das Notwegerecht. Daneben haben fast alle Bundesländer Nachbarrechtsgesetze erlassen. Lediglich Bayern, Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern haben keine bzw. keine eigenständigen Nachbarrechtsgesetze erlassen. Aber auch in Bayern und Bremen existieren einzelne nachbarrechtliche Vorschriften. Regelungsgegenstände der Landesnachbarrechtsgesetze sind vor allem die Grenzabstände von Bäumen, Pflanzen und Gebäuden, Grenzwände, Zäune, Hammerschlags-und Leiterrechte, Traufrechte, Fenster- und Lichtrechte, Aufschüttungen und Bodenerhöhungen, Leitungsrechte und das wild abfließende Wasser. Da die Vorschriften voneinander abweichen, ist es wichtig, das einschlägige landesrechtliche Nachbarrechtsgesetz sorgfältig zu prüfen. Was beispielsweise in Niedersachsen erlaubt ist, muss nämlich nicht auch in Nordrhein-Westfalen zulässig sein.

Auch öffentlich-rechtliche Vorschriften können für das nachbarliche Verhältnis von Bedeutung sein. Insbesondere das Baurecht und das Immissionsschutzrecht regeln neben dem Schutz der Allgemeinheit teilweise zusätzlich den Nachbarschutz. Bedeutung haben vor allem die baurechtlichen Abstandsflächennormen. Der Nachbar kann ihre Beachtung fordern. Sein „Anspruch” richtet sich zunächst gegen die Behörde. Von ihr muss er die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften gegenüber seinem Nachbarn verlangen. Dies kann er freilich nur, wenn die betreffende Vorschrift auch seinem Schutz dient. Gleiches gilt für ein Einschreiten gegen eine Handlung des Nachbarn, z. B. gegen eine ungenehmigte Bauausführung.

Wichtig!

Betretungsrechte hinsichtlich des Nachbargrundstücks sehen manche Landesnachbarrechtsgesetze vor. In den Ländern, in denen dies nicht der Fall ist, gestatten die Gerichte ein kurzzeitiges Betreten zur Vornahme von Reparatur- und Unterhaltungsmaßnahmen. Dies darf allerdings nicht eigenmächtig, d. h. ohne Rücksprache erfolgen.

2.  Gibt es eine „Goldene Regel“ („Was du nicht willst …“) im Nachbarrecht?

BEISPIEL:

Norbert wendet sich gegen die von der Baugenehmigungsbehörde für eine Nutzungsänderung einer Postzweigstelle zu einem afghanischen Konsulat erteilten Genehmigung. Er befürchtet eine Gefährdung der Nachbarschaft durch terroristische Anschläge. Die Behörde erklärt, die geplante Nutzung sei baurechtlich zulässig. Norbert meint, gegenüber den Nachbarn sei dies dennoch rücksichtslos.

Auch bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bestimmt das Gebot der Rücksichtnahme das nachbarliche Zusammenleben. Es handelt sich dabei um eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Aus ihm können sich sowohl Verpflichtungen zu einem Tun als auch zu einem Unterlassen ergeben. Da das nachbarliche Verhältnis in den entsprechenden Vorschriften geregelt ist, müssen die aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteten Rechte und Pflichten eine Ausnahme bleiben. Ein Rückgriff auf sie findet deshalb nur statt, wenn sich bei Anwendung der gesetzlichen Vorschriften im Einzelfall kein akzeptables Ergebnis erzielen lässt und aus zwingenden Gründen eine Ausnahme geboten ist. Ziel seiner Anwendung ist ein billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen. Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergibt sich regelmäßig nur eine Pflicht zur Rücksichtnahme. Nur ausnahmsweise können sich hieraus über die gesetzlichen Regelungen hinausgehende Duldungspflichten ergeben. Beispiele sind die Errichtung einer die Abstandvorschriften geringfügig nicht beachtenden Terrasse, eine vorübergehende Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks zur Grundstücksbefestigung und eine an sich unzulässige Vertiefung. Bedeutung hat dies ferner für die Frage, ob das Betreten eines Grundstücks zur Vornahme bestimmter Reparaturmaßnahmen erlaubt ist, wenn das entsprechende Nachbarrechtsgesetz keine diesbezüglichen Vorschriften enthält. Gleiches gilt schließlich auch für das Betreten eines Grundstücks durch Hunde und Katzen des Nachbarn. Auch im öffentlichen Recht findet das Gebot der Rücksichtnahme Anwendung. Es handelt sich um ein einfachgesetzliches Gebot, das aus den einzelnen Vorschriften des Baurechts abgeleitet werden kann, wenn diese auch die individuellen Interessen Dritter schützen wollen. Als Ausnahme greift es nur ein, wenn ein angemessener Interessenausgleich der nachbarrechtlichen Belange im Rahmen der baurechtlichen Vorschriften nicht möglich ist.

Maßgebend sind im Zivilrecht und im öffentlichen Recht – ebenso wie bei der Duldung von Emissionen – auch wertende Gesichtspunkte. Der verständige moderne Durchschnittsmensch , der den früheren normalen Durchschnittsbewohner in der Rechtsprechung ersetzt hat, berücksichtigt auch Allgemeininteressen. Das hat, auch wenn ausdrückliche gesetzliche Duldungspflichten nicht bestehen, Bedeutung insbesondere für die Hinnahme von Kinderlärm, Behinderteneinrichtungen, Sportanlagen, Bolzplätzen, Jugendzeltplätzen und Freizeitveranstaltungen. Es ist dabei das Interesse des betroffenen Nachbarn an Ungestörtheit einerseits mit dem Interesse der anderen an der diesbezüglichen Betätigung oder Umwelt andererseits abzuwägen. Dabei spielen das Toleranzgebot, die Sozialadäquatheit, die Situationsgebundenheit, die Möglichkeit ortsüblichen Eigenschutzes, die Akzeptanz und die sozialen Interessen eine wesentliche Rolle.

Wichtig!

Die möglichen Gefahren für die Nachbarschaft, die von einer Einrichtung ausgehen, sind bei der Beurteilung, ob ein Vorhaben des Rücksichtnahmegebot verletzt, zu berücksichtigen. Dies gilt insbesodere auch für diplomatische Vertretungen von ausländischen Staaten. Bei Erteilung einer Baugenehmigung für sie muss auch die Gefahr von terroristischen Anschlägen mit berücksichtigt werden. Die Genehmigungsbehörde muss sich vergewissern, ob bei einer Änderung der Sicherheitslage eintretende Gefahren für die Einrichtung durch zusätzliche Maßnahmen beherrscht werden können. Ist dies aufgrund der örtlichen Verhältnisse nicht der Fall, kann dies ein Grund für die Versagung der Baugenehmigung sein.

2. Kapitel

Das Grundstück und seine Grenzen

I.  Grenzstreitigkeiten

1.  Die Grenzabmarkung – Was muss zur Sicherung der Grenze getan werden?

BEISPIEL:

Nach dem Hausbau von Norbert ist ein Grenzstein zum Grundstück von Gerhard nicht mehr auffindbar. Er fordert deshalb Norbert auf, beim Vermessungsamt die „Wiederherstellung” des Grenzsteins zu beantragen. Norbert hat keine Lust dazu, denn erstens stehe die Grenze fest und zweitens koste das nur Geld. Das Bauunternehmen, das für die Beseitigung des Grenzsteins wohl verantwortlich wäre, sei inzwischen pleite. Wenn Gerhard dies unbedingt wolle, könne er den Grenzstein auf seine Kosten wieder setzen lassen.

Der Eigentümer eines Grundstücks kann vom Nachbarn verlangen, dass dieser an der Errichtung fester Grenzzeichen mitwirkt (§ 919 BGB). Ist ein Grenzzeichen verrückt worden oder wurde es unkenntlich, schließt dies auch die Wiederherstellung mit ein. Das öffentlich-rechtliche Verfahren bestimmt sich nach dem Vermessungs- und Abmarkungsrecht des jeweiligen Landes.

Wichtig!

Die Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Grenzabmarkung betrifft nur die gemeinsame Grenze von Grundstücken, die unmittelbar nebeneinander liegen. Zudem darf der Verlauf der Grenze nicht streitig sein.

Unerheblich ist, warum der Grenzstein fehlt, unkenntlich oder verrückt wurde. Der Anspruch steht nur Eigentümern und Erbbauberechtigten, nicht Nießbrauchern und Grundpfandrechtsgläubigern zu. Zuständig für die Abmarkung sind die staatlichen Vermessungsbehörden. Die Abmarkung findet in einem Termin vor Ort statt. Als Grenzzeichen sind dauerhafte Marken, in der Regel witterungsbeständige Natursteine, zu verwenden. Über die Abmarkung wird ein Protokoll errichtet. Mit seiner Unterzeichnung erkennen die beteiligten Grundstückseigentümer die vorgewiesenen Grenzen und die Abmarkung an. Die Unterschrift hat die Bedeutung eines Verzichts auf Rechtsbehelfe gegen die Abmarkung durch die Behörde. Bei einer Weigerung des Nachbarn zur Mitwirkung an der Abmarkung kann dieser hierauf beim Zivilgericht verklagt werden. Die Zuständigkeit des Amts- oder Landgerichts bestimmt sich nach der Höhe des Streitwerts. Örtlich ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich das betreffende Grundstück befindet. Die Kosten der Abmarkung tragen die Beteiligten grundsätzlich zu gleichen Teilen. Hat ein Nachbar das betreffende Grenzzeichen schuldhaft beseitigt, verrückt oder unkenntlich gemacht, ist er allein zur Tragung der Kosten verpflichtet. Eine abweichende Kostentragungspflicht kann sich ferner aus einer formlosen Vereinbarung der Nachbarn, also z. B. auch aus der Aussage, dass der die Wiederherstellung des Grenzsteins verlangende Eigentümer die Kosten übernehme, ergeben. Die grundsätzliche Kostenteilung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Kennzeichnung der Grenze in der Natur für beide Grundstückseigentümer in gleicher Weise vorteilhaft ist.

Wichtig!

Jeder Nachbar kann die Wiederherstellung der Grenzzeichen an der gemeinsamen Grenze vom angrenzenden Eigentümer verlangen. Die Kosten hierfür sind zu teilen.

2.  Die Grenzverwirrung – Was geschieht bei unklarem Grenzverlauf?

BEISPIEL:

Gerhard möchte auf seinem Grundstück eine Zisterne bauen. Sein Nachbar Norbert wendet ein, dass sich ein Teil auf sein Grundstück erstrecken würde. Der Grenzverlauf zwischen den beiden Grundstücken ist an der betreffenden Stelle nicht klar. Gerhard baut dennoch weiter. Norbert erhält im Prozess Recht. Gerhard hält das Verlangen auf Verlegung der Zisterne wegen der anfallenden Kosten in Höhe von über 40.000 € für unverhältnismäßig; Norbert sei durch das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis zur Duldung der Zisterne verpflichtet. Zudem habe er beim Kauf des Grundstücks das Grundbuch eingesehen und darauf vertraut, dass der im Kataster eingezeichnete Grundstücksverlauf richtig sei. Norbert wendet ein, dass im Grundbuch zu diesem Zeitpunkt das Grundstück noch mit „Ackerland” beschrieben worden sei, sodass ein Vertrauen von Gerhard nicht gerechtfertigt gewesen wäre.

Anders als die Grenzabmarkung betrifft die Grenzverwirrung Streitigkeiten über den Grenzverlauf und damit eine Uneinigkeit der Nachbarn über das Eigentum an den Grundstücksflächen. Zu beachten ist, dass sich die Richtigkeitsvermutung des Grundbuchs auch auf den im Liegenschaftskataster eingetragenen Grenzverlauf erstreckt. Insofern besteht eine Vermutung für die entsprechenden Eigentumsverhältnisse. Kann ein Grundstückseigentümer aufgrund dieser Vermutung oder auf andere Weise den Grenzverlauf beweisen, kann er die Herausgabe seiner vom Nachbarn in Anspruch genommenen Fläche verlangen oder auf Feststellung des Eigentums an dieser Fläche klagen. In diesem Fall kann der Nachweis der richtigen Grenze geführt werden, sodass eine Grenzscheidungsklage zur Feststellung des richtigen Grenzverlaufs ausscheidet. Anders ist dies, wenn beide Eigentümer ihr Eigentum behaupten, aber nicht beweisen können. In diesem Fall tritt eine Pattsituation ein, in der die Grenzscheidungsklage (§ 920 BGB) helfen soll. Gleiches gilt, wenn die Nachbarn die Grenze nicht genau kennen. Die Klage ist auf gerichtliche Feststellung des Grenzverlaufs gerichtet. Das Gericht stellt die Grenze – auch hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Vermessung und Abmarkung – fest. Regelmäßig werden die Grenzsteine zwischen zwei benachbarten Grundstücken fehlen. Parteien des Rechtsstreits können nur die Eigentümer der benachbarten Grundstücke sein, nicht dagegen Dienstbarkeitsberechtigte, Nießbraucher und Grundpfandrechtsgläubiger.

Das Gericht hat die Aufgabe, die richtige Grenze festzustellen. Als Beweismittel können Zeugenaussagen, Grenzsteine und Sachverständige, insbesondere das Vermessungsamt und Vermessungsingenieure, dienen. Sie müssen von den Parteien beantragt werden, da das Gericht nicht von sich aus Beweis erheben kann. Lässt sich dadurch die richtige Grenze nicht ermitteln, wird sie vom Gericht festgesetzt. Maßgeblich hierfür ist in erster Linie der tatsächliche Besitzstand. Er muss allerdings von einer gewissen Dauer sein. Beispiele sind die Bestellung eines Feldes, die Umzäunung eines Grundstücks und die sonstige Nutzung. Soweit der Besitz reicht, wird das Eigentum vermutet. Lässt sich auch der Besitzstand nicht ermitteln, hat das Gericht den Nachbarn jeweils ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zuzuteilen. Unerheblich sind die Flächengröße der benachbarten Grundstücke sowie der Wert und die Ertragskraft der zugeteilten Flächen. Das Gericht wird hierbei eine zweckmäßige Grenzziehung vornehmen, sich also beispielsweise an den Festsetzungen eines Bebauungsplans orientieren. Bestehen auch hierfür keine Anhaltspunkte, wird die streitige Fläche in der Mitte hälftig geteilt. Ausnahmsweise kann das Gericht hiervon abweichen, wenn die Grenzziehung zu einem Ergebnis führt, das mit den ermittelten Umständen, insbesondere mit der feststehenden Größe der Grundstücke, nicht übereinstimmt. Beispiele sind ein bestehender Bach, eine vorhandene Straße, ein altes Mauerwerk, Hinweise in alten Notariatsurkunden und Registern. In diesem Fall ist die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berücksichtigung dieser Umstände der Billigkeit entspricht. Im Gerichtsurteil wird die Grenze verbal oder durch Einzeichnung in einem Plan gekennzeichnet. Das Urteil schafft neues Grundeigentum hinsichtlich der Flächen, die durch die neue Grenze geschieden werden. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der verklagte Grundstückseigentümer. Hat allerdings der Kläger eine bestimmte Grenzziehung beantragt, muss er teilweise die Kosten tragen, wenn die Grenze ungünstiger festgelegt wird, als er es beantragt hat. Kein Eigentümer ist bis zur gerichtlichen Entscheidung berechtigt, den streitigen Bereich einseitig und gegen den Willen des anderen in Anspruch zu nehmen.

Wichtig!

Ist der Verlauf der Grenze benachbarter Grundstücke unklar und herrscht hierüber Streit, stellt das Gericht bei einer Grenzscheidungsklage den Grenzverlauf fest. Kein Eigentümer hat dagegen das Recht, den streitigen Grundstücksstreifen einseitig und gegen den Willen des anderen in Besitz zu nehmen. Sonst käme es zu einem Wettlauf um den Besitz der betreffenden Fläche.

3.  Der Grenzfeststellungsvertrag – die einvernehmliche Lösung

BEISPIEL:

Gerhard und Norbert bewirtschaften wie ihre Väter und Großväter seit unvordenklichen Zeiten zwei benachbarte Ackergrundstücke. Die Grenzsteine zwischen beiden Grundstücken sind an einer Stelle nicht mehr auffindbar. Streit zwischen beiden Eigentümern besteht nicht. Sie gehen davon aus, dass das Eigentum ihrer tatsächlichen Nutzung entspricht, also jeder von ihnen Eigentümer der von ihm bewirtschafteten Fläche ist. Dies legen sie zur Vermeidung von Streitigkeiten in einem schriftlichen Vertrag fest. Um Kosten zu sparen, wollen sie weder jetzt noch in nächster Zeit eine Abmarkung durchführen und die Vereinbarung auch nicht beurkunden lassen. Später stellt sich heraus, dass die Eigentumsverhältnisse anders sind, als von ihnen angenommen wurde. Sie möchten wissen, ob ihre Vereinbarung das Eigentum wie eine Grenzscheidungsklage verbindlich festgelegt hätte.

Ein Streit über den Grenzverlauf oder über die Abmarkung der Grenze in Natur können die Beteiligten auch einvernehmlich beilegen. Soll lediglich eine unsichere Grenze festgelegt werden, ohne dass sich die Eigentumsverhältnisse ändern, ist der Vertrag sogar formlos gültig. Selbst eine mündliche Abrede ist deshalb für die Beteiligten bindend. Lediglich bei Festlegung einer neuen Grenze unter Veränderung der Grundstücksflächen ist eine notarielle Beurkundung erforderlich. Die Gerichte gehen teilweise davon aus, dass bereits die Unterschriften unter einem Abmarkungsprotokoll einen Grenzfeststellungsvertrag darstellen. Ist der Grenzverlauf unsicher und die mögliche Grenze den Beteiligten nicht bekannt, kann in der Abmarkung eine Grenzfeststellung zu sehen sein. Aus den Erklärungen sollte sich aber ergeben, dass die Beteiligten das Ergebnis der Vermessung nicht nur widerspruchslos hinnehmen, sondern darüber hinaus die Grenze endgültig festlegen wollen. Der Grenzfeststellungsvertrag stellt eine Verständigung über den Grenzverlauf dar. Ob er die Grenze bereits festgelegt oder nur eine Vermutung für die Richtigkeit der vereinbarten Grenzlinie begründet, ist in der Rechtsprechung umstritten. Wollen die Beteiligten Sicherheit, so sollten sie die Grundstücksgrenze im Rahmen einer notariellen Urkunde festlegen. Die diesbezüglichen Erklärungen können im Grundbuch vollzogen werden.

Wichtig!

Die einvernehmliche Festlegung der Grenze ist, wenn zwischen den Beteiligten kein Streit über ihren Verlauf besteht, formlos gültig. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte nach einer Vermessung die Eigentumsverhältnisse notariell festlegen und ins Grundbuch eintragen lassen.

II.  Grenzeinrichtungen und ihre Nutzung

1.  Gemeinschaftliche Benutzung von Grenzanlagen – Wer trägt die Kosten gemeinsam genutzter Einrichtungen auf der Grenze?

BEISPIEL:

Günther lebt mit seiner Familie in einem Vorort von Mainz. Er hat zwei kleine Kinder. Die Nachbarinnen Nora und Nina haben vier größere Hunde, die sie im Garten frei laufen lassen. Günther fordert von seinen Nachbarinnen die Errichtung eines Zaunes, um zu verhindern, dass die Hunde auf sein Grundstück laufen, dieses verschmutzen und möglicherweise seine im Garten spielenden Kleinkinder gefährden. Nora weist darauf hin, dass ihre Hunde „nichts tun würden”. Wenn Günter seine Kinder „frei laufen lasse” und deshalb Angst habe, solle er doch selbst einen Zaun errichten. Sie findet jede Art von Zäunen hässlich und kann sich deshalb notfalls nur einen „lebenden” Zaun vorstellen. Günther möchte aus Kostengründen einen Maschendrahtzaun errichten. Nora und Nina können schon das diesbezügliche Lied nicht mehr hören und sind deshalb im erwähnten Notfall nur bereit, einen Holzlattenzaun „mitzutragen”. Alle umliegenden Grundstücke sind, sofern sie einen Zaun aufweisen, mit einem Maschendrahtzaun versehen. Als Nora und Nina einen Holzlattenzaun errichten und von Günther die Erstattung der Hälfte der Materialkosten und ihrer Arbeitskraft fordern, verlangt dieser die Entfernung der nicht ortsüblichen Einfriedung und die Mitwirkung an der Errichtung eines Maschendrahtzauns.

Grenzanlagen, die für beide aneinander grenzenden Grundstücke vorteilhaft sind, dürfen von den Eigentümern beider Grundstücke genutzt werden (§§ 921, 922 BGB). Das Gesetz zählt die Grenzeinrichtungen beispielhaft auf, nämlich den Zwischenraum, den Rain, den Winkel, den Graben, die Mauer, auch wenn sie teilweise als Stützmauer für eine Aufschüttung dient, und die Planke. Weitere praktisch wichtige Beispiele, die vom Gesetz nicht genannt werden, sind Zäune, Brunnen, Dachtraufen, Dunghaufen auf der Grenze, Steinwälle, Durchfahrten und Nachbarwände. Unerheblich ist, ob die Einrichtung künstlich angelegt wurde oder lediglich in einer Grundfläche besteht. Auch eine wild gewachsene Hecke und ein „angeflogener Baum” können Grenzeinrichtungen sein. Nicht entscheidend ist ferner, ob die Einrichtung von beiden Grundstückseigentümern geschaffen wurde. Dagegen wird ein Gebäude im Zweifel keine Grenzeinrichtung darstellen.

Wichtig!

Die Einrichtung muss von der Grenze geschnitten werden. Diese muss allerdings nicht in der Mitte der Anlage verlaufen.

Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn eine Anlage nicht auf der Grenze, sondern nur auf einem Grundstück an der Grenze steht. Befindet sich eine Anlage auf einem dritten, zwischen zwei Grundstücken gelegenen selbstständigen Grundstück, liegt ebenfalls keine Grenzeinrichtung vor.