Aiken, G. A. Lions - Heiße Fänge (New York Shape Shifters 7)

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Übersetzt aus dem Amerikanischen von Doris Hummel

 

© dieser Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2020
© Shelley Laurenston 2012
Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Bear Meets Girl«
© Kensington Publishing, New York 2012
© der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2014
Covergestaltung: Cover&Books by Rica Aitzetmüller
Covermotiv: stock.adobe.com

 

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Kapitel 1

Die brutalen Schmerzen ließen sich nicht ignorieren. Die Art von Schmerzen, die einen Mann umbringen konnten. Und vielleicht hatten sie das auch getan. Vielleicht hatten ihn die Schmerzen, die in diesem Augenblick in seinem Schädel pochten, tatsächlich umgebracht und er musste sich nun bis in alle Ewigkeit so fühlen. Wie aufgewärmte Scheiße, die in der heißen Wüstensonne schmilzt.

Und das Schlimmste daran? Es war seine Schuld. Er konnte niemand anders außer sich selbst die Schuld geben – und diesen verdammten Jelly Shots. Er hätte sich von ihnen fernhalten sollen. Er wusste es doch besser. All der Alkohol in diesen köstlichen kleinen Quadraten aus Wackelpudding … Was hatte er sich nur dabei gedacht? Jetzt verursachte ihm schon die kleinste Bewegung Schmerzen. Brutale Schmerzen, die sich nicht ignorieren ließen.

Lou »Crush« Crushek versuchte, die Augen zu öffnen, aber das machte das Ganze nur noch schlimmer. Es war Morgen, und das Licht, das durch das Fenster hereinströmte, zerstörte auch das letzte bisschen seiner Hirnaktivität. Wenn er zu Hause gewesen wäre, hätte er sich einfach wieder hingelegt und noch ein paar Stunden geschlafen. Aber er war nicht zu Hause. So viel wusste er. Der Geruch war anders. Er roch Katze. Überall roch er Katze.

Crush knurrte leise. Jetzt wusste er, wessen Schuld es wirklich war. Die dieses verdammten Katers. Männliche Löwen! Vertraue niemals einem Löwen! Sicher, dieser spezielle Löwe war mit einer seiner Kolleginnen vom NYPD verheiratet und entstammte einem der wohlhabendsten Rudel Manhattans, aber er war auch das Arschloch, das das Tablett mit den Jelly Shots in ihren harmlos aussehenden kleinen Gläschen herumgetragen und mit einem breiten Katzengrinsen gesagt hatte: »Komm schon, versuch mal einen.«

Also … hatte Crush einen versucht. Und dann noch einen. Und noch einen. Und nach dem achten … nun, nach dem achten konnte er sich nicht mehr an allzu viel erinnern.

Woran Crush sich jedoch noch erinnern konnte, war, dass er den Fehler gemacht hatte, sich einem kleinen »geselligen Beisammensein mit ein paar Freunden« bei Detective Dez MacDermott anzuschließen, das sich in etwas völlig anderes verwandelt hatte. Wenn sich eine Party oder eine andere Veranstaltung in etwas verwandelte, wozu er keine Lust hatte, steuerte Crush normalerweise direkt auf den nächsten Ausgang zu und kehrte nach Hause zurück, zu seinem Fernseher und seinem ruhigen Leben. Oder zumindest zu dem ruhigen Leben, das er führte, wenn er nicht gerade verdeckt ermittelte und sich als Drogendealer, Biker oder gelegentlich auch als Auftragskiller ausgab. Aber um ehrlich zu sein, hatte Crush die Party diesmal vor allem deshalb nicht verlassen, weil er – in Ermangelung eines besseren, männlicheren Wortes – deprimiert gewesen war.

Ein Wort, das er bei sich selbst nur sehr selten anwandte. Er hielt nicht viel davon, rumzuhocken und sich selbst leidzutun, weil man das Leben führte, das man nun mal führte. Immerhin war er ein Bär. Ein Eisbär, um genau zu sein. Nein, er gehörte nicht zu diesen Typen, die darauf bestanden, mitten im Winter im Atlantik zu schwimmen, um zu beweisen, wie männlich sie waren. Er war vielmehr ein Typ, der mitten im Winter im Atlantik schwimmen konnte und sich dabei keine Sorgen machen musste, an Unterkühlung zu sterben. Ein Typ, der sich in einen über zwei Meter vierzig großen und gut fünfhundert Kilogramm schweren Eisbären verwandeln konnte, wann immer er wollte. Und als Eisbär hielt er nicht viel davon, rumzuhocken und deprimiert zu sein. Stattdessen lebte Crush genauso wie die meisten anderen seiner Art. Er war neugierig. Stellte zu viele Fragen. Starrte die Menschen rundheraus an, bis sie Todesangst bekamen und davonrannten. Aß, wenn er auch nur das leiseste Hungergefühl verspürte. Das Übliche eben.

Zu dumm nur, dass Crush etwas bewusst geworden war, das alle Bären als äußerst beunruhigend empfanden. Ihm war bewusst geworden, dass eine Veränderung stattfinden würde. Ihm stand eine Veränderung bevor, und er hasste Veränderungen. Es gefiel ihm, zu wissen, dass alles in seinen geregelten Bahnen lief, und wenn das nicht der Fall war, wurde er depressiv. Er hatte sich noch immer nicht davon erholt, dass sein Lieblingsfeinkostladen vor fünf Jahren dichtgemacht hatte. Oder dass vor sechs Jahren sein Lieblingsschuhladen umgezogen war – unnötig zu erwähnen, dass er als zwei Meter fünf großer, knapp einhundertvierzig Kilo schwerer Kerl seine Stiefel und Turnschuhe nicht einfach im Sportgeschäft um die Ecke kaufen konnte. Crush ging noch immer zu dem Ladenlokal, in dem das Geschäft einmal gewesen war, starrte durchs Schaufenster und wünschte sich, alles wäre wieder so wie früher, bis die Kunden in dem Teeladen die Polizei riefen, weil »draußen vor der Tür ein durchgeknallter Meth-Dealer rumlungert«.

Also, nein, Crush kam nicht gut mit Veränderungen zurecht, und er fürchtete, dass er nicht das Geringste tun konnte, um diese spezielle Veränderung zu verhindern. Nicht, nachdem ihn einer seiner früheren Partner angerufen und ihn vorgewarnt hatte. Der Mann hätte ihn nicht angerufen, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre. Also wartete Crush jetzt einfach darauf, dass das Damoklesschwert auf seinen Kopf fiel.

Unglücklicherweise fühlte es sich jedoch so an, als sei dieses Schwert bereits auf seinen Kopf gefallen.

Er konnte das nicht. Er konnte nicht hier im Haus einer Kollegin sitzen und darauf warten, dass sich sein Kater und die Migräne wieder verzogen. Nein, er musste seinen Hintern in Bewegung setzen. Er musste aufstehen. Er musste sich um die Schmerzen kümmern. Außerdem hatte er an diesem Nachmittag etwas vor, und das wollte er nicht verpassen. Deshalb musste er aufstehen.

Aber es schien ein kleines Problem zu geben, das ihn daran hinderte, einfach aus dem Bett zu springen und sich dem Tag zu stellen. Dieses Problem war die nackte Frau, die quer über seiner Brust lag.

Crush kümmerte sich nicht um die Schmerzen, die es verursachen würde, öffnete die Augen und schaute nach unten. Yep. Das war definitiv eine Frau. Eine – er schnupperte kurz – Katzenfrau. Crushs Lippen kräuselten sich. Noch eine Katze. Seiner Meinung nach die vertrauensunwürdigste aller Spezies. Und da er selbst auch nackt war, konnte er nur annehmen, dass sie beide … nun … das eben.

Gott, was war bloß mit ihm los? Das sah ihm gar nicht ähnlich. Crush betrank sich nicht und schlief wahllos mit Leuten. So was machte er nicht. Das steckte nicht in seinen Genen. Und es nannten ihn auch nicht nur seine Kollegen beim NYPD »Nach Vorschrift« Crushek. Mitschüler und Kommilitonen aus der Junior High, der Highschool und dem College hatten ihn schon damals so genannt.

Aber eine kleine Depression und eine Privatparty mit ein oder zwei Jelly Shots zu viel, und dieser andere Lou Crushek kam zum Vorschein. Nackt. Mit einer Katze.

Wer war diese Katze überhaupt? Jemand, den er kannte? Das glaubte er eher nicht. Er kannte zwar eine Menge Katzen, aber er verbrachte nicht viel Zeit mit ihnen, weil sie, wie er bereits mehrfach bekundet hatte und wie ohnehin jedermann wusste, vollkommen vertrauensunwürdig waren. Das war eine Tatsache. Das konnte jeder nachschlagen!

Wirklich zu dumm, dass Crush nicht einfach zu den Typen gehören konnte, die sturzbesoffen mit einer Frau schliefen und sich einfach davonschlichen, kurz bevor sie aufwachte. Das hätte sein Leben zwar definitiv um einiges leichter gemacht, ihn aber gleichzeitig auf ein ganz neues Niveau der Schäbigkeit sinken lassen, mit dem er noch viel weniger hätte umgehen können. Nur weil er das Gefühl hatte, sein ganzes Leben würde aus den Fugen geraten – er hasste Veränderungen! –, bedeutete das nicht, dass er auch tatsächlich zulassen würde, dass es aus den Fugen geriet. Und um sein Leben in den Fugen zu halten, war es wichtig, das moralisch Richtige zu tun.

Mann, es war echt beschissen, immer ein anständiger Kerl zu sein.

»Äh … Miss?« Um Gottes willen, klang seine Stimme rau. Er räusperte sich und versuchte es noch einmal. »Miss? Entschuldigen Sie bitte?« Er konnte sie unter all den schwarzen Haaren, die von weißen und roten Strähnen durchzogen waren und ihr Gesicht und seine Brust bedeckten, nicht besonders gut erkennen. Aber er erkannte diese Haarfarbe. Sie war eine Tigerin.

Crush hasste es, sie wecken zu müssen, tippte ihr aber trotzdem auf die Schulter. »Miss?«

»Hmm?«

»Äh … ja, tut mir leid. Ich … äh …« Das war wirklich schwierig. Wie sagte man einer Frau, mit der man möglicherweise Sex gehabt hatte, dass man ihren Namen nicht wusste? Und sich noch nicht einmal daran erinnern konnte, Sex mit ihr gehabt zu haben? Das Ganze wurde immer schlimmer. Wann zur Hölle hatte er sich in einen Verbindungsstudenten verwandelt?

Plötzlich reckte und streckte sie sich, und ihr langer Körper wand sich einen Moment lang auf seinem. Crush ignorierte, wie gut sich das anfühlte, und wiederholte: »Miss?«

Sie hob den Kopf, und ihre grün-goldenen Augen blinzelten ihn an.

Verdammt, war sie hübsch. Und er konnte sich nicht mehr daran erinnern, Sex mit ihr gehabt zu haben? Ernsthaft? Wie besoffen war er letzte Nacht eigentlich gewesen?

Sie blinzelte verwirrt zu ihm hinauf und lächelte. »Oh, hi.«

Oh, hi?

Gähnend klatschte sie eine Hand auf seine Brust, richtete sich ein wenig auf und schaute sich im Zimmer um, wodurch sie ihm einen geradezu monumentalen Blick auf ihre Brüste bescherte, und, wow, die konnten sich wirklich sehen lassen, verdammt. »Wie spät ist es?«, fragte sie.

»Keine Ahnung. Früh.«

Sie nickte, legte sich wieder auf seine Brust, schloss die Augen und schlang ihre Arme ganz fest um seinen Oberkörper. »Gut. Ich bin nämlich immer noch so müde.« Moment mal. Was war hier gerade passiert?

»Ich muss aufstehen.«

»Nur noch eine Stunde«, feilschte sie. »Vielleicht auch zwei. Entspann dich einfach.«

Vollkommen verwirrt sagte Crush: »Hör mal …«

Ihr Kopf schnellte nach oben, und diese unglaublichen Augen fixierten ihn. »Willst du die ganze Zeit weiterquatschen? Das ist nämlich echt nervig. Ich versuche zu schlafen, und ich hab einen ziemlichen Kater.«

Crush kniff die Augen zusammen. Er war nervig? »Bitte sag mir, dass wir letzte Nacht keinen Sex hatten.«

»So besoffen, wie du warst?« Sie gähnte, anscheinend bereits von ihm gelangweilt. »Ich glaube, du hättest ihn nicht mal mit einem Kran hochgekriegt.«

»Danke.«

»Warte mal. Hast du das etwa gedacht? Dass wir gefickt haben?«

»Wir liegen zusammen im Bett. Was hätte ich denn da denken sollen?«

»Dass ich müde war und einen Platz zum Schlafen brauchte.«

»Aber wir sind beide …« Er zuckte leicht mit den Schultern. »Nackt.«

»Ja, ich war auch total besoffen und hab mich komplett ausgezogen.«

»Hättest du nicht irgendwo anders schlafen können?«

»Die meisten anderen, die hier übernachtet haben, waren entweder Vollmenschen oder Hunde. Hast du je versucht, mit einem Hund zu schlafen? Die jaulen im Schlaf. Und rennen. Das ist nervig. Und Mace wollte nicht auf der Couch pennen, damit ich bei seiner Frau im Bett übernachten kann, also …«

»Du hast ein Löwenmännchen gebeten, sein Bett für dich zu räumen?«

»Warum auch nicht? Weil er der majestätische Löwe ist, König des Dschungels? Oder weil er ein reicher Llewellyn vom Llewellyn-Rudel ist?«

»Weil er hier wohnt.«

»Es ist das Haus seiner Frau. MacDermott erlaubt ihm nur, hier bei ihr und diesen riesigen Hunden zu bleiben, die ihr gehören. Und ich weiß zufällig, dass sie diese lächerlichen Rottweiler dem Löwen im Ernstfall jederzeit vorziehen würde, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.« Sie setzte sich auf. »So … Jetzt bin ich wach.«

»Wie nervig für dich.« Crush setzte sich ebenfalls mühevoll auf und ignorierte das Gebrüll in seinem Schädel.

»Warum bist du denn so gereizt?«

»Du hast mir gerade eröffnet, dass du mich quasi als riesiges Kissen benutzt hast.«

»Du warst gemütlich. Und hast nicht ein einziges Mal gejault. Ich hasse dieses Gejaule. Ich kann dir sagen: Du kennst die Hölle nicht, bevor du nicht während der Monsunzeit mit einem Haufen Hunde in einem verregneten, erbärmlichen Dschungel festgesteckt bist. Alle klatschnass und elend, und die ganze Zeit dieses verfluchte Gejaule.«

Crush versuchte, seine Migräne zu ignorieren, und fragte: »Warum sollte ich auch mit einem Haufen Hunde in einem erbärmlichen Dschungel feststecken?«

»Aus einer Menge Gründe.«

»Nenn mir zwei. Nein. Nenn mir nur einen. Ich fordere dich hiermit heraus.«

»Du forderst mich heraus?« Sie lachte, und ihre beinahe schnauzenartige Nase kräuselte sich ein bisschen, als sie ihn von oben bis unten betrachtete. »Du bist ja ein ganz Süßer.«

Schließlich musste Crush einfach fragen: »Wer bist du?«

»Wenn ich nicht immer noch verkatert wäre, würde ich dir jetzt mein sinnlichstes Lächeln schenken und dir antworten: ›Dein zum Leben erwachter Traum‹. Aber, hey, ich bin echt zu müde, um mir so viel Mühe zu machen, und mal ehrlich: Muss man sich überhaupt so viel Mühe machen – für einen Bären?«

»Bist du immer so beleidigend?«

»Beleidigend? So bin ich, wenn ich nett bin. Ich hab dir sogar ein Kompliment gemacht.«

»Ja. Ich bin so gemütlich wie ein Kissen.«

»Yep. Und zwar eins von diesen ganz prall gefüllten. Oder wie einer von diesen riesigen Teddybären, die man als Kind geschenkt kriegt. Mein Dad hat mir die immer gekauft und mir dann gezeigt, wie man sie richtig verprügelt.«

»Ich bin kein …«

Sie hob einen Finger in die Luft. »Merk dir, was du sagen wolltest.« Dann streckte sich die verrückte Katze auf seinem Schoß aus, griff auf den Boden hinunter und holte ein Telefon aus ihrer Jeanstasche.

Genervt und geradezu ekelhaft angetörnt knurrte Crush: »Geh von mir runter.«

»Schhh«, fauchte sie und setzte sich mit ihrem Hintern auf seinen Schoß. »Das ist geschäftlich.«

Hatte sie ihm gerade wirklich bedeutet zu schweigen? Das hatte sie nicht, oder?

»Yep?«, sagte sie ins Telefon, und ganz offensichtlich war es ihr völlig egal, dass sie beide immer noch nackt waren und sich absolut nichts zwischen ihrem Hintern und seinem Schwanz befand. »Jetzt? Ich muss eigentlich zu meinem Kind nach Hause.«

Kind? Die Frau hatte ein Kind, trieb sich aber trotzdem auf irgendwelchen Partys herum, betrank sich und folterte ihn mit ihrem Hintern auf seinem Schwanz?

Crush dachte an all die beschissenen Eltern, mit denen er sich im Laufe seiner Jahre als Polizist hatte herumschlagen müssen, und fauchte zurück: »Du hast ein Kind?«

Sie nickte, und während am anderen Ende der Leitung jemand weitersprach, flüsterte sie: »Ich muss nach Hause. Ich stille noch.« Dann, als Crush sich ganz sicher war, dass sein Schädel explodieren würde, lachte sie leise und formte mit den Lippen ein stummes »War nur Spaß«.

Heilige Scheiße, wer war diese Frau?

»Okay, okay. Ich setze Smith darauf an. Du weißt doch, wie sehr sie diese Jobs am Morgen liebt. Ich weiß, dass sie nicht für dich arbeitet, aber betrachte es einfach als Outsourcing. Wir wissen beide, dass sie den verdammten Auftrag erledigen kann. Außerdem muss sie endlich lernen, dass man nicht immer aus nächster Nähe töten kann.« Da er keine Ahnung hatte, wovon sie da eigentlich redete, war Crush erleichtert, als sie ihm zuzwinkerte. Gut. Sie machte nur Spaß. Es wäre nämlich wirklich schwierig, eine Frau zu verhaften, die nackt auf seinem Schoß saß. »Okay. Gut. Ich kümmere mich drum.«

Sie beendete das Gespräch und warf das Telefon wieder auf ihre Jeans. »Ich muss los.«

»Ja. Du musst nach Hause zu deinem Kind

»Ja, zu ihr auch.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber sie ist ziemlich selbständig. Sie kommt schon fast an den Herd ran.«

Crush hielt es nicht mehr länger aus und stieß sie von seinem Schoß. Nicht so fest, wie er es gern getan hätte – verdammt seien seine Moralvorstellungen –, aber wenigstens saß sie nicht mehr auf ihm und er konnte von ihr weg.

Er schnappte sich seine Klamotten und stakste zur Tür.

»Willst du meine Nummer denn gar nicht?«, fragte sie ihn. »Vielleicht könnten wir uns das nächste Mal ja betrinken und wirklich Sex haben. Falls du dir Sorgen wegen des Kindes machst, ich kann ihr ein bisschen Cognac ins Milchfläschchen mischen, dann ist sie die ganze Nacht total weggetreten.«

Crush wollte etwas sagen, aber er wusste, dass er nur etwas vollkommen Unangemessenes und Gemeines erwidern würde, und das brachte er einfach nicht über sich. Also stürmte er stattdessen aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

Tragischerweise stand jedoch Desiree MacDermott vor der Tür, und ihre grünen Augen weiteten sich, als ihr Blick langsam an seinem langen, nackten Körper hinunterwanderte, während er ziemlich dämlich mitten in ihrem Flur stand.

Endlich sah ihm seine Polizeikollegin ins Gesicht. »Hi, äh … Crushek. Wie geht’s?«

»Gut. Danke, dass du mich zu eurer Party eingeladen hast.«

»Jederzeit.«

»Okay.« Sie blieben noch eine Sekunde im Flur stehen, dann sagte Crush: »Tschüss.«

»Tschüss.«

Und mit all der Würde, die er um sechs Uhr morgens nackt im Haus einer Kollegin aufbringen konnte, obwohl er noch immer einen Kater und einen halben Ständer hatte – weil selbst völlig degenerierte Menschen am frühen Morgen höllisch sexy sein konnten –, eilte Crush zu seinem Truck und in die absolute Freiheit.

Marcella »Eisenfaust« Malone – Tigerin, bei KZS unter Vertrag stehende Beschützerin des Katzenvolkes, professionelle Eishockeyspielerin für die Gestaltwandler-Meistermannschaft der Carnivores und Faustkampf-Champion der Malone-Familie – hörte, wie sich die Schlafzimmertür wieder öffnete, aber sie konnte einfach nicht aufhören, so hysterisch zu lachen, dass sie zu keuchen anfing. Niemand hätte das gekonnt! Warum? Weil das hier eben einfach sensationell gewesen war!

»Cella?«

Cella hörte MacDermott zwar, aber sie konnte ihr nicht antworten. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, zu lachen und herauszufinden, wer dieser Typ eigentlich gewesen war. Cella traf nicht jeden Tag Typen, die aussahen, als gehörten sie einer mit Crystal Meth dealenden Bikergang an, aber trotzdem die moralische Standfestigkeit eines Martin Luther besaßen: diese Entrüstung und Wut darüber, dass sie ihre Tochter völlig unbeaufsichtigt ließ, und dazu dieses lange weiße Eisbärenhaar, das bis über seine Schultern reichte, dieser permanent finstere Blick, diese Narbe an seinem Hals und die tiefschwarzen Augen, die wahrscheinlich eine Menge Leute in Todesangst versetzen konnten. Wenn einen all das jedoch nicht abschreckte, schafften das bestimmt die Muskelpakete dieses über zwei Meter großen und gut und gerne einhundertdreißig Kilo schweren Kerls, da war sich Cella ziemlich sicher. Mann, war dieser Körper tausendprozentig perfekt gewesen, oder was?

Doch obwohl der Typ wirklich furchteinflößend aussah, fand Cella all dieses einschüchternde, finstere Starren und die rasende Wut einfach nur süß. Teddybärensüß. Außerdem war er so verdammt verklemmt! Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, dass Bären so verklemmt sein konnten. Wenn man sie nicht gerade erschreckte und wütend machte, waren Bären normalerweise die entspanntesten aller Gestaltwandler, von männlichen Löwen mal abgesehen. Obwohl Cella fand, dass ein himmelweiter Unterschied zwischen entspannt und einfach nur stinkend faul bestand.

Umso schlimmer für diesen armen Bären, dass diese Verklemmtheit nur Cellas schlimmste Katzeneigenschaften zum Vorschein brachte. Ehrlich gesagt, je verklemmter der Bär wurde, desto mehr Spaß hatte es ihr gemacht, mit ihm zu spielen. Sie hatte einfach nicht anders gekonnt. Er war nun mal so süß in seiner moralischen Empörung!

»Cella!«, sagte MacDermott, die nun ebenfalls lachte. »Was zur Hölle hast du bloß mit dem armen Kerl angestellt? Diesen Ausdruck hab ich vorher noch nie bei ihm gesehen. Ihm wäre beinahe eine Ader in seinem riesigen Bärenschädel geplatzt!«

Das war mehr, als sie ertragen konnte. Cella rollte vom Bett und knallte auf den Boden, was auf wundersame Weise dazu führte, dass ihr Kater sich vollkommen in Luft auflöste.

Kapitel 2

Crush träumte gerade davon, wie er dickes Eis zerbrach, indem er mit seinen Vorderbeinen daraufschlug, während ihm die Robbe unter dem Eis die Flosse zeigte. Dieser kleine Mistkerl. Dann tippte die Robbe gegen das Eis. Einmal. Zweimal. Okay, jetzt verhöhnte sie ihn auch noch?

»Crushek!«

Crush machte die Augen auf und schaute sich um. Scheiße.

Er drehte den Zündschlüssel des Trucks, um das Fenster herunterlassen zu können. »MacDermott.«

Sie sah ihn finster an, und zuerst dachte er, sie sei wütend. Dann wurde ihm jedoch bewusst, dass sie sich nur über ihn lustig machte. »Crushek«, ahmte sie seine Stimme nach. Sie lachte und legte ihre Arme auf dem Fensterrahmen ab. »Wie lange kennen wir uns jetzt schon, Crushek?«

»Ich weiß nicht.« Er dachte einen Moment lang darüber nach. »Seit dem Evans-Fall?«

»Wow. Die anderen hatten recht.«

»Recht womit?«

»Dass du die Zeit nach Fällen einteilst, nicht nach Jahren.«

»Ja, na ja … kann schon sein.« Crush hörte ein weiteres Klopfen und blickte nach vorn. »Da hockt ein Junges auf meiner Motorhaube.«

»Wir wollten spazieren gehen, damit sein Vater noch ein bisschen schlafen kann. Wenn mein Kleiner wach ist, dann will er, dass alle wach sind. Und wird ganz schön laut, wenn sie es nicht sind.«

Crush lächelte das Löwenbaby an und fragte: »Brüllt er etwa schon?«

MacDermott seufzte. »Und wie.«

 

»Wir sind da, Miss Malone.«

Cella machte die Augen auf und blickte sich um. Yep. Sie war da. »Da« war die Stadt auf Long Island, in der sie im Schoß ihrer Familie aufgewachsen war. Für die meisten Leute bedeutete »im Schoß der Familie« aufzuwachsen wahrscheinlich mit einer Mutter, einem Vater und vielleicht ein paar Geschwistern. Wenn es eine große Familie war, vielleicht auch noch mit einer Großmutter oder einem Großvater, einer kränkelnden Tante oder einem verwaisten Cousin. Aber das waren eben die meisten Leute. Doch Cella war nicht wie die meisten Leute. Sie war eine Malone. Und auch nicht irgendeine Malone, sondern eine der Malones.

Sie richtete sich gähnend auf, stieß die Autotür auf und stieg aus. »Danke, Mario.« Katzenhaft Security, KZS, war die internationale Organisation zum Schutz aller Katzen, für die sie arbeitete, seit sie die Marines verlassen hatte. Von allen KZS-Vergünstigungen – und das waren eine ganze Menge – war der Fahrdienst Cellas Favorit. Sie nutzten die besten und schnellsten Fahrzeuge der Welt und statteten sie mit bewaffneten und gut trainierten Katzen aus. Nicht zuletzt dank der unglaublichen Bezahlung war es einer der besten Fahrerjobs, die man kriegen konnte – aber es war auch einer der tödlichsten. Cella mochte gar nicht daran denken, wie oft sie nach einem erledigten Auftrag schon zu ihrem Wagen zurückgeeilt war, nur, um ihren Fahrer tot hinter dem Steuer zu finden. Dieses Szenario war immer dann besonders nervtötend, wenn sie sich auf unvertrautem oder fremdem Gebiet befand.

Sie winkte Mario noch einmal zu, und mit ihren Stöckelschuhen und ihrer Tasche in der Hand ging sie die Straße hinunter zum Haus ihrer Eltern. Mario hätte sie auch bis direkt vor die Tür fahren können, aber wer die Wahrheit über ihre unmittelbare Nachbarschaft kannte, begab sich nicht freiwillig dorthin. Und ihr Fahrer, ein Rotluchs aus Massapequa, wusste über ihre Straße Bescheid.

»Morgen, Cella!«, riefen ihr mehrere fröhliche Stimmen zu.

»Hey, Tante Kathleen, Tante Marie, Tante Karen.«

Es musste in der vergangenen Nacht geschneit haben, wenn auch nicht sehr stark. Trotzdem fühlte sich die Kälte gut unter Cellas nackten Füßen an. Das war die Jahreszeit, die ihresgleichen mochte. Die Löwen und Geparden konnten ihren Sommer behalten, denn der Winter gehörte den Sibirischen Tigern. Schnee, beißende Kälte und harsche Winde. Wundervoll.

»Guten Morgen, kleine Marcella.«

»Morgen, Onkel Aidan, Onkel Ennis, Onkel Tommy.«

Als Cella das Haus ihrer Eltern erreichte, ging sie durch das seitliche Tor in den Garten und am Haus entlang nach hinten. Ihre Tochter, die sich in der Kälte ebenso wohl fühlte wie Cella, saß ganz allein an einem der Tische auf der Terrasse, ein großes Glas Milch neben sich, während auf der Tischplatte Buntstifte und Malbücher verstreut lagen. Cella setzte sich neben sie, lehnte sich zu ihr und kniff ihr wunderschönes Kind in die Wange.

»Wie geht’s meinem kleinen Mädchen?«

Goldene Augen, genau wie ihre eigenen, blickten Cella prüfend an, bevor eine entschieden unkindliche Stimme antwortete: »Nettes Kleid, Ma. Ist dein Revier immer noch unten an den Docks?«

Klugscheißerin.

 

Crush lehnte sich ein kleines Stück aus dem Fenster und sah zu MacDermotts Füßen hinunter. Dort saßen ganz still ihre vier Hunde. Und warteten. Auf sie. »Das ist beeindruckend.«

»Es ist ein Talent, das gebe ich gerne zu.«

Crush lehnte sich wieder zurück. »Dann bist du also zufällig vorbeigekommen?«

»Nein. Normalerweise gehen wir in die andere Richtung. Aber eine meiner Nachbarninnen hat angerufen. Sie weiß, dass ich Polizistin bin. Anscheinend hängt hier ein Meth-Dealer rum, der alle bedroht. Ein großer, alter, furchteinflößender Typ in einem blauen Pick-up.«

»Ich bin nicht alt. Ich bin noch nicht mal vierzig. Im Gegensatz zu einigen anderen.«

»Wenn du über mein wahres Alter sprechen willst, dann auf deine eigene Gefahr, Kumpel. Aber ich bin mir sicher, dass es an den Haaren liegt. Obwohl der Teil mit ›groß und furchteinflößend‹ ja stimmt.«

»Danke.«

Sie lachte und reichte ihm etwas, das in ein Küchentuch eingewickelt war. »Ein Maismuffin?«

»Ich hatte keine Honigbrötchen.«

»Ich bin kein Grizzly, MacDermott. Ich bin ein Eisbär, und ich bin kein Fan von Honig.«

»Okay. Na ja, Walrossspeck hatte ich jedenfalls auch nicht rumliegen.«

Gott, er benahm sich wirklich wie ein Idiot. »Mac…«

»Ich hab einfach nur gedacht, du hättest vielleicht Hunger.«

Oh-oh. Er wusste, was es bedeutete, wenn ihr Bronx-Akzent herauskam. Natürlich fiel er ihm nur auf, weil sich MacDermott in der Zeit, in der sie nicht in New York gelebt hatte, weil sie bei den Marines gewesen war, einen seltsam neutralen Akzent angeeignet hatte. Wenn sie jedoch wütend wurde … war Vorsicht geboten. Und was noch schlimmer war: Sie zeigte mit ihrem behandschuhten Finger auf ihn.

»Ich hab nur versucht, nett zu sein, verdammt. Nächstes Mal mach ich mir nicht mehr so ’ne verfluchte Mühe!«

MacDermotts Hunde knurrten ihn an, und der Kleine haute gegen die Windschutzscheibe, während er etwas von sich gab, das man wohl als Babygebrüll bezeichnen musste.

Crush drehte sich zu der Vollmenschen-Frau um und hob eine Augenbraue. »Du hast ja wirklich ein ziemlich wildes Königreich unter dir, MacDermott.«

Sie schnaubte, und dann lachten sie beide. Okay. Er mochte MacDermott. Sie gehörte zu den wenigen Leuten – Vollmenschen oder Gestaltwandler –, die ihm nicht auf die Nerven gingen.

»Tut mir leid«, lenkte Crush schließlich ein. »Jelly Shots sind nicht meine Freunde.«

»Ich hab Mace gesagt, dass er keine machen soll. Ich hab ihn gefragt: ›Was ist das hier? Ein Verbindungshaus?‹ Hey, willst du zum Frühstück mit reinkommen?«

»Nee. Ich muss wirklich los. Hab heute ein Spiel.«

»Gott, spielst du immer noch in diesem miesen Hockeyteam?«

Er hätte gern mit ihr über die Fähigkeiten seines Gestaltwandler-Teams beim NYPD diskutiert, aber eigentlich … waren sie wirklich mies. Die Gestaltwandler-Feuerwehr und -Rettungssanitäter machten sie regelmäßig fertig.

Sie tätschelte seinen Arm. »Geht’s dir gut?«

»Ich bin nur verkatert. Als ich rausgegangen bin, wollte ich nur für ein paar Minuten die Augen zumachen, und bevor ich mich versah …«

»Nein, nein. Ich meine … als du gestern Abend hergekommen bist. Du warst nicht dein übliches finster dreinblickendes, unkommunikatives Selbst. Du hast depressiver gewirkt als dein finster dreiblickendes, unkommunikatives Selbst. Kann ich vielleicht irgendwas für dich tun?«

Crush sah ihr in die Augen und atmete langsam aus. »Nur, wenn du mich aus dieser Sache rausholen kannst.«

»Dich aus welcher Sache … oh.« Sie grinste. »Du hast von der Versetzung gehört, hm?«

»Ja. Ich hab davon gehört. Ich hab wirklich gute Beziehungen. Also, kannst du mich da rausholen oder nicht?«

»Warum denkst du, ich könnte dich da rausholen?«

»Hab gehört, du hättest Einfluss.«

»Crushek, in der Gestaltwandler-Einheit des NYPD bin ich nur die verrückte Vollmenschen-Frau, die penetrant nach Katze riecht und um die jeder einen großen Bogen macht, wenn sie wütend wird.«

Er musste lachen. »Ein Raubtier weiß immer, wann es flüchten muss, MacDermott.«

 

Cella lehnte sich zurück und grinste ihre achtzehn Jahre alte Tochter Meghan an. Okay. Cella hatte den Bären richtig angelogen. Sie hatte es sich einfach nicht verkneifen können. Den Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen, als er gedacht hatte, sie hätte ihre noch nicht einmal den Windeln entwachsene Tochter ganz allein gelassen, während sie auf einer Party feierte, hatte ihr den Morgen wirklich versüßt.

Na ja, eigentlich … hatte ihr das Erwachen auf dieser herrlichen nackten Bärenhaut den Morgen versüßt. Der Rest war in Wahrheit nur die Glasur auf dem Kuchen gewesen.

Cella betrachtete das Malbuch, mit dem ihre Tochter beschäftigt war, und bemerkte: »Wie ich sehe, stellen sie euch in dieser Privatschule, für die ich bezahle, vor echte Herausforderungen.«

»Ich hab heute Morgen auf die Kinder aufgepasst«, erwiderte Meghan und meinte damit ihre Cousins und Cousinen. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit nicht von ihrer Beschäftigung ab und fügte hinzu: »Und wir haben gemalt.«

»Aber die Kinder sind jetzt weg.«

»Ich mag es nicht, Dinge anzufangen und sie dann nicht zu Ende zu bringen.« Sorgfältig fügte sie der Sonne am oberen Rand der Seite ein wenig Orange hinzu, wobei sie natürlich aufpasste, nicht über die Linien zu malen. Cella erinnerte sich voller Wärme an ihre eigenen Malbücher. Nichts war zwischen den Linien geblieben. Sie hasste Linien. Hasste Grenzen. Unglaublich, dass sich Cella bei den Marines so gut gemacht hatte. Niemand hatte daran geglaubt, am allerwenigsten ihre Familie. Sie waren sich so sicher gewesen, dass sie schon während der Grundausbildung das Handtuch werfen würde, dass sie noch nicht einmal ein Veto eingelegt hatten, als sie sich verpflichtet hatte. Vielmehr … hatten sie sie alle ausgelacht. »Unsere Cella Malone? Ein Marine? Klar, sicher.« Aber die Marines hatten Cella die Freiheit gegeben, die sie sonst nirgendwo hätte finden können. Freiheit von ihrer Familie. Von den Malones. Wenigstens für eine Weile.

»So.« Ihre Tochter schob das Malbuch von sich weg. »Fertig.« Sie legte den Buntstift auf den Tisch. Wenn Cella weg war, würde Meghan zurückkommen und sämtliche Buntstifte wieder in den Kasten räumen – in ihrer ursprünglichen Reihenfolge. »Hast du schon gefrühstückt?«

»Na ja …«

»Ich mach dir was.«

»Warum fragst du mich überhaupt, wenn du mir sowieso was machst?«

»Weil es höflich ist.« Meghan lehnte sich zu Cella und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Hast du dich gestern Abend auf deiner Party gut amüsiert?«

»Ach, es war okay. Hauptsächlich vollmenschliche Polizisten mit ihren Vollmenschen-Frauen.«

»Sind deine Katzenkillerfreunde und diese Hündin denn nicht gekommen?«

»Erstens sind die – wir – keine Katzenkiller. Genau genommen sind wir Killerkatzen. Und diese Hündin hat mir schon ein paarmal das Leben gerettet. Das solltest du respektieren.«

»Ich weiß wirklich nicht, warum du diesen Job immer noch machst. Du brauchst das Geld doch nicht mehr.«

»Was? Glaubst du vielleicht, die Boston University bezahlt sich von selbst? Und wo wir gerade davon sprechen: Hast du die Unterlagen abgegeben?«

»Ja, natürlich.«

»Ich will nicht für eine Wohnung in dieser Gegend bezahlen, Meghan. Sorg dafür, dass du ein Zimmer im Wohnheim bekommst.«

»Können wir später darüber sprechen?«

»Warum bist du denn so gereizt?« Cella runzelte die Stirn. »Du bist in letzter Zeit immer so gereizt.«

»Ich bin überhaupt nicht gereizt.«

»Du bist total gereizt. Zumindest mir gegenüber.«

»Das mache ich nicht mit Absicht. Ist einfach alles ziemlich stressig im Moment.«

»Es ist dein letztes Halbjahr, Meghan. Das College hat dich bereits angenommen, und du bist richtig gut in der Schule. Du solltest dich von überhaupt nichts stressen lassen. Entspann dich einfach. Versuch, die Zeit zu genießen. Ich weiß wirklich nicht, von wem du diese innere Anspannung hast, aber ganz eindeutig nicht von den Malones. Und von deinem Vater auch nicht. Ich weiß nämlich noch genau, wie der mit siebzehn war.«

»Du erzählst mir jetzt aber nicht noch eine Dad-und-Haschisch-Geschichte, oder? Weil ich mir meinen Vater wirklich nicht als einen dieser Loser vorstellen will.«

»Dein Vater war nie ein Loser. Und außerdem ist er dieser Phase irgendwann entwachsen. Schau ihn dir doch mal an: ein verantwortungsbewusster Buchhalter, der kurz davor ist, die Katze seiner Träume zu heiraten.«

Wie immer, wenn Cella Brians bevorstehende Hochzeit erwähnte, zeigte sich dieser merkwürdige Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Tochter. Cella glaubte allmählich, dass sie wegen dieses großen Ereignisses aufgewühlt war. Es war zwar nicht untypisch für einen Teenager, sich so zu fühlen, aber … aber Meghan war alles andere als typisch. Und sie musste einfach verstehen, dass sich deswegen nicht alles verändern würde. Jedenfalls nicht zwischen ihr und ihrem Dad.

Cella warf ihre Schuhe auf den Tisch und nahm die Hände ihrer Tochter in ihre. »Erzähl’s mir, Meghan.«

»Was denn?«

»Ich erwähne deinen Dad, und du wirst total komisch.« Cella neigte den Kopf zur Seite und betrachtete das wunderschöne Mädchen, das sie über alles liebte. »Ist es wegen der Hochzeit?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Du weißt, dass sich dadurch zwischen dir und deinem Dad gar nichts ändert, oder? Er liebt dich, Meghan, und Rivka auch.«

»Du magst Rivka doch nur, weil sie auch eine Katzenkillerin ist.«

»Und du liebst Rivka, und wir sind keine Katzenkiller. Also hör auf, uns so zu nennen. Wir sind Beschützerinnen des Katzenvolkes. Genau wie die Marines oder …«

»Die CIA?«

»Na, du musst ja nicht gleich so fies werden.« Mit einem Mal sehr müde von diesem ewig gleichen alten Streit – genau wie Cellas Mutter Barb war auch Meghan kein Fan ihrer Karriere als Mitarbeiterin bei Katzenhaft –, ließ Cella die Hände ihrer Tochter los. »Weißt du, Meghan, ich versuche nur, dir zu helfen und dir zu zeigen, dass ich immer für dich da bin.«

Meghan verdrehte die Augen. »Ma … findest du wirklich, dass ich der Typ bin, der schreit ›Setzen wir uns hin und reden über unsere Gefühle‹ – oder auch du selbst?«

»Ich versuche nur einen anderen Ansatz. Ich versuche … du weißt schon … eine richtige Mutter zu sein. Aufmerksam und liebevoll und … und all diesen anderen Scheiß.«

»Ma, du bist der Hockey-Enforcer für einen Typen mit dem Spitznamen ›der Marodeur‹, du tötest auf Anordnung aus tausend Metern Entfernung und du bist genau die Art von Mutter, die ich nicht in der Nähe meiner männlichen Freunde wissen möchte, weil die sonst nur auf deine Brüste starren und sabbern würden – darin liegen deine Stärken. Also entfernen wir uns nicht allzu weit davon, okay? Sehr schön. Und jetzt backe ich dir ein paar Waffeln. Du isst was, und dann kannst du nach oben unter die Dusche gehen und diesen Gestank von … von was auch immer abwaschen.«

»Bär«, gab Cella zu.

»Richtig. Bär. Okay, den kannst du abwaschen, und dann können du und ich so tun, als hätte diese Unterhaltung nie stattgefunden, okay? Sehr schön. Danke!«

Cella sah ihrer Tochter nach, als sie in das Haus zurückging, das sie sich mit Cellas Eltern teilten. Als Cella vor vielen Jahren zu den Marines gegangen war, war ihr bewusst gewesen, dass sie ein Risiko einging. Das Risiko, ihre Tochter zu verlieren. Aber was hätte sie denn tun sollen? Noch eine typische Malone-Tigerin großziehen? Damit das Kind am Ende den ganzen Tag mit all den anderen »Tanten« herumsitzen und Intrigen und Pläne schmieden konnte?

»Nur noch ein paar Monate, Malone«, erinnerte sie sich selbst. Nur noch ein paar Monate, dann würde ihre Tochter ausziehen, aufs College gehen und genau das tun, was sie tun wollte. Meghan stand die ganze Welt offen, ohne irgendwelche Grenzen. Genau dafür hatte Cella alles riskiert. An manchen Tagen riskierte sie auch jetzt noch alles. Und sie würde weiterhin alles riskieren, bis ihr Kind alles hatte, wovon es schon immer geträumt hatte.

Cella nahm ihre Schuhe vom Tisch und folgte ihrer Tochter ins Haus. Ihre Mutter rauschte gerade zur Seitentür an der Garage hinaus, um sich um die Hochzeit irgendeines reichen Vollmenschen zu kümmern, und küsste sie flüchtig auf die Wange.

»Könnte spät werden«, sagte sie. »Sorg dafür, dass dein Vater was isst.«

»Mach ich.«

Cella bog um die Ecke und traf ihre Tochter im Flur. Die beiden Katzen starrten einander an, bis Cella sagte: »Ich hab dich lieb, mein spöttisches kleines Kätzchen.«

»Ich hab dich auch lieb, Ma. Selbst wenn du wie eine teure Edelnutte angezogen bist.«

»Ich müsste auch teuer sein, um diese Schuhe bezahlen zu können.«

 

Crush setzte sich auf die Bank und wartete. Er war dankbar, dass MacDermott ihn geweckt hatte. Die meisten Sonntage im Winter musste er spielen, und er hasste es, auch nur ein einziges Spiel zu verpassen. Weil er nicht gut genug war, um Profi – oder auch nur Halbprofi – zu werden, spielte er Eishockey mit einer Truppe aus Gestaltwandlern aus Queens und Long Island, die in verschiedenen Polizeirevieren und Feuerwachen arbeiteten. Um ehrlich zu sein, war er kaum gut genug, um am Wochenende mit seinen Freunden zu spielen, aber zum Glück hatte er seinen Kindheitstraum, einmal der »größte Spieler aller Zeiten« zu werden, lange vor der Junior High aufgegeben. Diesen Traum hatte er denen überlassen, die tatsächlich auch das Talent dazu hatten. Stattdessen spielte Crush am Wochenende mit Leuten, die nicht interessierte, wie schlecht er war, und ansonsten war er ein glühender Anhänger der Profis, Gestaltwandler wie Vollmenschen.

»Und, wie war MacDermotts Party?«, wollte sein Partner Conway wissen.

Crush zuckte zusammen. »Ich will nicht darüber reden.«

»So gut, ja? Ich bin überrascht, dass du überhaupt hingegangen bist.«

»Warum?«

»Du bist nicht gerade dafür bekannt, auf Partys zu gehen, die nicht damit enden, dass du alle verhaftest.«

»Ich weiß, dass du davon gehört hast«, erwiderte Crush vorwurfsvoll, als Conway verstummte. »Von der Versetzung.«

»Ja, hab ich. Obwohl ich gehört habe, dass sie nur dich betrifft und nicht mich.«

»Miller will mich schon seit Jahren loswerden«, beschwerte sich Crush über seinen Captain.

»Du jagst dem Mann eine Heidenangst ein, und er hat keine Ahnung, warum. Aber du kannst ihm das auch nicht wirklich zum Vorwurf machen.«

»Doch, kann ich.«

Der Kojote schüttelte den Kopf. »Komm schon, Crushek, sei kein Idiot. Das ist deine Chance, endlich richtig Geld zu verdienen. Weißt du eigentlich, wie viel diese Abteilung ihren Detectives bezahlt?«

»Ist mir egal. Ich mache diese Scheiße weiß Gott nicht wegen des Geldes.«

»Du machst sie, damit du den knallharten Typen spielen kannst.«

»Ich bin ein knallharter Typ.«

»Aber du kannst genauso gut ein knallharter Typ sein und Geld verdienen, damit du die Hypothek für dein neues Haus bezahlen kannst. Wenn du diesen Job annimmst, kannst du vielleicht sogar in deinem Haus wohnen, statt in diesem Rattenloch, in dem du zur Tarnung haust.«

»Ich wohne in meinem …«

»Du könntest Freunde haben, die wirklich deine Freunde sind und nicht irgendwelche Leute, die du am Ende verhaften willst.«

»Ich verstehe, was du …«

»Vielleicht sogar eine Freundin. Eine, die nicht irgendwann mal Stripperin war und dir ihre tragische Lebensgeschichte auftischt.«

»Okay.« Crush betrachtete seinen zukünftigen Ex-Partner eindringlich. »Da spricht gerade deine Frau mit mir, oder? Durch dich?«

»Du weißt doch, dass sie sich Sorgen um dich macht.«

»Und mit der Stripperin war ich nicht zusammen. Ich habe nur Busfahrkarten für sie und ihre Kinder gekauft.«

»Trottel.«

Genervt gab Crush ein Knurren von sich und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Spiel zu. »Ich werde keinen Anzug tragen.«

Conway schnaubte. »Niemand in dieser Abteilung trägt einen Anzug. Und vielleicht kannst du jetzt ja sogar mit MacDermott arbeiten. Ihr zwei scheint euch ja seltsamerweise gut zu verstehen. Andererseits lebt sie aber auch mit diesem Kater zusammen, da musst du ihr natürlich wie ein willkommener Frischlufthauch vorkommen.«

»Was soll ich dort eigentlich machen? Auf Befehl töten?«

»Das machen die da nicht … glaub ich.«

»Super. Das ist wirklich beruhigend.«

»Meine Güte, Crushek, jetzt stell dich nicht so an«, schnauzte Conway ihn an. »Nichts ist schlimmer als ein jammernder Bär. Besonders ein jammernder Bär, der eine ganze Stange mehr Geld verdienen wird als ich.«

Crush erwiderte nichts, sondern skatete mit seinen Mitspielern aufs Eis, als sie an der Reihe waren. Ein paar Minuten später war Conway neben ihm und jagte dem Puck hinterher. Crush nutzte die Gelegenheit, ihn mit seinem Schläger auszuknocken.

Der Kojote verdrehte die Augen, verlor sofort das Bewusstsein und knallte aufs Eis. »Mein Gott, Crushek!«, brüllte ihr Mannschaftskapitän. »Ich dachte, wir hätten geklärt, dass du Conway nicht mehr schlägst!«

Crush zuckte mit den Schultern. »Er hat mich praktisch als Jammerlappen bezeichnet.«

 

Frisch geduscht und mit einer Jogginghose, einem Tanktop und Turnschuhen bekleidet, schlenderte Cella in die Familienküche, blieb jedoch abrupt auf der Türschwelle stehen.

Um den Küchentisch saßen ihr Vater, ihre Brüder und mehrere ihrer Tanten. Normalerweise wäre das nicht außergewöhnlich gewesen. Der Küchentisch war der Ort, an dem sich immer alle zum Quatschen, Streiten und hin und wieder auch zum Essen trafen. Der Esszimmertisch kam nur an Feiertagen oder, wie ihre Mutter es nannte, bei »einem schicken Essen« zum Einsatz. Was Cella wirklich beunruhigte, war, dass sie alle verstummten, als sie den Raum betrat, sich zu ihr umdrehten und sie anstarrten. Die Malones waren nicht dafür bekannt, zu den stilleren Katzenclans zu gehören.

»Hi«, sagte sie, während sie sich fragte, was zur Hölle hier vor sich ging.

Cellas Vater, Butch »Nice Guy« Malone, kam auf sie zu, nahm sie fest in den Arm und brummte sanft: »Vergiss nie, dass wir dich lieben, Kleines.«

»Okay«, erwiderte Cella, löste sich aus den Armen ihres Vaters und nickte ihrer Familie zu, bevor sie wieder hinausging.

Sie trottete durch den Garten hinter dem Haus, um den Familienswimmingpool mit olympischen Abmessungen herum und in den direkt anschließenden Garten der Familie ihrer besten Freundin. Cella hatte Jai Davis, eine Berglöwin, die ursprünglich aus Valley Stream, Long Island, stammte, erst kennengelernt, als sie beide siebzehn und hochschwanger gewesen waren. Sie waren schnell Freundinnen geworden, da sie beide Katzen und sehr junge Mamas waren. Nachdem ihre zwei Mädchen dann zur Welt gekommen waren, hatten die beiden sich zusammengetan und, wann immer möglich, die Verantwortung geteilt und wenn nötig für die andere den Babysitter gespielt. Es war nicht normal, dass die Malones Außenstehenden Zutritt zu ihrer Welt gewährten, aber ihr Vater hatte die Familie Davis ohne weitere Fragen akzeptiert, was wiederum bedeutete, dass auch alle anderen Malone-Männchen sie ohne Fragen anerkannten. Als dann Cellas Cousin dritten Grades ausgezogen war, um zu einem Campingplatz der Malones in Boston zurückzukehren, wodurch das Haus nebenan leer gestanden hatte, waren die Davis’ dort eingezogen.

Cella hatte allerdings bis heute keine Ahnung, wie es ihrem Vater gelungen war, nicht nur Juen Davis, Jais Mom, zu diesem Umzug zu überreden, sondern auch seine Schwestern davon zu überzeugen, Außenstehende in ihre Straße zu lassen. Aber ihr Vater konnte nun mal sehr überzeugend sein.

Trotzdem war Cella noch nie dankbarer für die überzeugenden schmeichlerischen Fähigkeiten ihres Vaters gewesen als in diesem Moment, als sie die Davissche Küche betrat und fragte: »Muss ich sterben?«

Jai Davis, die am Küchentisch saß und Papierkram erledigte, blickte nicht einmal auf, als sie antwortete: »Ja. Obwohl, um genau zu sein, müssen wir das alle.«

Cella verdrehte die Augen. Das war der einzige Nachteil der Davis-Familie. Sie waren Intellektuelle. Juen Davis war Rechtsanwältin, Jais Vater war bis zu seinem Tod vor fünf Jahren Herzchirurg gewesen, und Jai selbst war orthopädische Chirurgin mit dem Spezialgebiet Gefäßchirurgie. Das war für ihren Job als Leiterin des medizinischen Teams des Sportzentrums, in dem die meisten Gestaltwandler-Spiele der Region stattfanden – die der Profis und der Amateure –, auch nötig, denn dort gab es unzählige teilweise schwere Arterienverletzungen.

»Okay«, drängte Cella, »aber sterbe ich wirklich? Du weißt schon. In diesem Moment. An einem Tumor oder so, von dem du mir nichts gesagt hast?«

Schließlich hob Jai doch den Kopf und betrachtete Cella von oben bis unten. Sie hatten dieselbe Augenfarbe: leuchtend golden, auch wenn in Jais Augen kein Grün schimmerte. Abgesehen davon hätten sie nicht unterschiedlicher sein können. Jai war ein dunkler asiatischer Typ, während Cella selbst dann nicht irischer hätte aussehen können, wenn sie direkt von Ellis Island gekommen wäre und man ihr das Wort »Irisch« auf die Stirn gestempelt hätte. »Warum glaubst du das denn?«

»Weil meine Familie mich gerade in der Küche abgefangen hat, um mir zu sagen, dass sie mich lieben. Meine Familie.«

»Meine Mutter sagt mir das andauernd.«

»Meine Mutter war nicht dabei, und deine Mutter ist eine ausgeglichene, völlig normale Frau, die sich in eine Tiergestalt verwandeln kann. Sie stammt nicht von Zigeunern ab. Genauso wenig wie dein Vater.«

»Nein. Meine Mom ist Chinesin, und Daddy stammte aus good old Jamaica. Ich dachte übrigens, die Malones bevorzugen ›fahrendes Volk‹ statt ›Zigeuner‹.«

»Ich kann meine verdammte Familie nennen, wie’s mir passt. Sieht es aus, als würde mich das im Moment auch nur einen Scheißdreck interessieren?«

»Mir ist immer noch nicht klar, warum du glaubst, dass du sterben musst.«

»Weil …« Cella rieb sich die Stirn. Sie hatte noch immer einen Kater, und allmählich verfiel sie in Panik. »Wenn die Malones zu dir kommen und nett zu dir sind, dann … stirbt jemand

 

Nach dem Abendessen mit seiner Mannschaft, bei dem sie eine weitere verheerende Niederlage gegen Gestaltwandler einer Feuerwache aus Long Island feierten, fuhr Crush nach Hause, warf seine Ausrüstung und seine Klamotten in eine Ecke und nahm eine kurze Dusche. Als er wieder sauber war, setzte er sich auf sein Bett, ein Handtuch um die Hüften gebunden und seine Handfeuerwaffe in Reichweite. Er schüttelte sein Haar trocken, bevor er sich rückwärts aufs Bett fallen ließ, langsam ausatmete und lächelte.

»Hallo, meine Schöne«, sagte er. »Heute Abend hast du Glück. Keine anderen Frauen, die mich von dir fernhalten könnten.« Er krümmte seinen Zeigefinger. »Und jetzt komm hier rüber und leiste mir Gesellschaft.«

Lola trottete zu ihm und kuschelte sich an seine Seite. Wenigstens würde Crush morgen früh nicht mit irgendwelchen wildfremden Katzen aufwachen, die sich um seinen Körper wanden. Ehrlich gesagt war das eine Erleichterung … wenn auch gleichzeitig ziemlich enttäuschend.

»Aber sabber mich heute Nacht nicht wieder voll«, warnte er Lola, die Englische Bulldogge. »Du weißt, dass ich das hasse.«

Sie schnaubte, ignorierte wie üblich, was er gerade zu ihr gesagt hatte, rollte sich auf den Rücken und zeigte ihm ihren Bauch. Genau wie die meisten anderen Tiere wusste auch Lola, was Crush war, aber sie vertraute ihm. Sie wusste, dass er ihr niemals wehtun würde.

Als Crush den rosa-weißen Bauch streichelte, den Lola ihm hinstreckte, schlief sie beinahe auf der Stelle ein. Crush selbst brauchte dafür noch eine ganze Stunde, obwohl er seine Erschöpfung bis in die Knochen spüren konnte. Aber er wusste, dass sich sein Leben in der kommenden Woche völlig verändern würde – und er war noch immer nicht glücklich darüber.

Kapitel 3

Nachdem er vier volle Tage gewartet und keine Lust mehr hatte, auch nur einen weiteren Tag – oder noch schlimmer: ein ganzes Wochenende – damit zu verbringen, jede Sekunde damit zu rechnen, dass der Amboss letzten Endes doch auf seinen Kopf fiel, ging Crush zum Büro seines Chefs und blieb schweigend in dessen Tür stehen. Miller hatte ihm den Rücken zugedreht und blätterte in seinen Akten, als er sich plötzlich anspannte und sein ganzer Körper steif wurde. Die Reaktion schockierte Crush jedoch nicht: Der Mann reagierte jedes Mal auf dieselbe Weise, wenn der Eisbär in der Nähe war.