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Die einzige Art, gegen die Pest zu kämpfen,

ist die Ehrlichkeit.

Albert Camus


Kristjan Knall kommt vom Kampfstern Ironika und landete im trostlosesten Jahrzehnt der Geschichte, den 80ern, in Berlin.

Er studierte was Langweiliges und arbeitete was Grässliches, darum muss er Dampf ablassen. Den bekommt Berlin (in Berlin zum Abkacken und 101 Gründe Berlin zu Hassen), Europa (Europa ist geil, nur hier nicht) und die lesende Welt insgesamt (Stoppt die Klugscheißer) ab.

Er hasst den Kapitalismus und mag Schokoladenkuchen. Er glaubt, dass Kunst furchtbar ist, Literatur aber das kleinste Übel, zumindest wenn man sie übers Knie bricht.

In der Edition Subkultur sind von ihm das Sachbuch Neukölln - Ein Elendsbezirk schießt zurück und der Aufklärungs-Bestseller Heldenhass erschienen.

Kristjan Knall

Marx’ Rache


Endlich Corona!


www.edition.subkultur.de

KRISTJAN KNALL: „Marx’ Rache - Endlich Corona!“

1. Auflage, Juli 2020, Edition Subkultur Berlin

© 2020 Periplaneta - Verlag und Mediengruppe / Edition Subkultur

Inh. Marion Alexa Müller, Bornholmer Str. 81a, 10439 Berlin

www.subkultur.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, Vervielfältigung, Digitalisierung, kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Die Handlung ist erfunden, die handelnden Personen sind es ebenfalls. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen oder Ereignissen wäre rein zufällig. Parallelen mit toten Personen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sind contentrelevant und orientieren sich nicht an der jeweiligen realen Person, sondern an der öffentlichen Wahrnehmung der intermedialen Darstellung derselben und den daraus resultierenden Klischees. Darüber hinaus beruft sich der Autor und die Person, die hinter dem Klischee des Autors sich befindet, auf die Kunst- und Satirefreiheit.

Lektorat und Projektleitung: Laura Alt

Cover, Satz & Layout: Thomas Manegold

print ISBN: 978-3-948949-00-6,

epub ISBN: 978-3-948949-01-3

Einleitung

Wer nicht hören will, muss fühlen. Oder krank werden. Deswegen habe ich euch Rackern das Coronavirus geschickt. Ihr habt mich wie Dreck behandelt. Wie einen Aussätzigen. Ihr habt mich verarmen lassen, vereinsamen, mich lächerlich gemacht. Erst Jahre später habt ihr zögerlich angefangen, meine Brillanz zu erkennen. Schlimmer noch, ihr habt meine Lehre verworfen. Ich habe euch die Anleitung zur perfekten Gesellschaft hinterlassen. Doch ihr bekämpft euch wie Tiere, beutet euch aus wie im finstersten Mittelalter, errichtet Werbeterrorregime. Ihr verdreht das Wenige, was in eure Betonköpfe passt, in sein Gegenteil.

Nein, ich bin nicht Gott. Aber ihr anscheinend immer noch Idioten. Ich bin das genaue Gegenteil. Das Einzige, was ich mit ihm gemeinsam habe, ist, dass ich tot bin. Ich bin Karl Marx.

Ja, ich schreibe euch aus dem Himmel. Ja, es ärgert mich, dass es den gibt. Ja, es ärgert mich, dass ich hier bin. Nein, ich kann euch keine Details erzählen, sonst tut ihr das, was ihr immer tut: schummeln. Nur so viel: Es ist nicht so, wie ihr es euch vorstellt. Nicht der christliche Harfe-auf-einer-Wolke-Kitsch. Sonst wäre Jimi Hendrix nicht hier. Und Andreas Baader. Und meine Frau, Jenny von Westphalen.

Lügen

Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht.

Mark Twain

„Corona gibt es nicht!“

Womit habt ihr es verdient, dass ich mich erneut an euch wende? Dass ich versuche, euch an der Sonne meiner Weisheit euch wärmen zu lassen, ohne dass ihr euch verbrennt? Dass ich meinem schändlich inkompetenten terrestrischen Boten helfe, damit er ein paar Wochen der Prokrastination entfliehen kann? Weil ich ein Herz habe. Weil ich nicht mit ansehen kann, wie ihr wieder scheitert.

Jenny von Westphalen: „Unsinn.“

Karl Marx: „Hat man denn nirgends seine Ruhe!“

Jenny: „Man sieht ja, was letztes Mal daraus geworden ist, wenn ich dich auf dem Dachboden werkeln lasse.“

Karl: „Die Idee war wahrhaft großartig …“

Jenny: „… und du hast sie so meisterhaft verquast und phänomenal unverständlich formuliert, dass du sofort vergessen wurdest. Da hättest du gleich das Manuskript auf Google Translate ins japanische und rückübersetzen lassen können: Der Kampf der Kirschblüte ist der Weg zum Tempel! Licht ist schneller als Ton. Daher wirken manche Menschen intelligent, bis sie den Mund öffnen.“

Karl: „Lass mich wenigstens das erste Kapitel machen!“

Jenny: „Als ob der Herr nicht immer seinen Willen bekäme.“

Also … Ich konnte mir euer Elend einfach nicht mehr ansehen. Umweltverschmutzung. Der Fiat Multipla. Eine Wirtschaft, die nur den Reichsten zugutekommt. Das Wenige, was der reaktionäre Bismarck, der Erfinder der Dolchstoßlegende, an Sozialstaat eingeführt hat, Arbeitslosenversicherung, Krankenkasse, das Ende der Schuldhaft, das alles schafft ihr einem Anfall von Wahn wieder ab. Grassiert bei euch wieder die Syphilis?

Alexander G., in Badehose: „Was haben Sie denn gegen Herrn Bismarck? Der hat große Errungenschaften für das …“

Karl: „Wollen Sie mich veräppeln? Wissen Sie, wie der als hochverschuldeter Student seinen Vater zwingen wollte, ihm weiter Geld zu zahlen? Er wollte damit drohen, Muslim zu werden!“i

Alexander G.: „Ich würde zahlen!“

Karl: „Das glaube ich, Sie sind auch dement. Wie sagte Karl Kraus? Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge einen Schatten. Wo ist eigentlich Ihre Hose?“

Alexander G.: „Das war die Antifa! Polizei!“

Karl: „Ja, bringen Sie den bitte eine Etage tiefer, in den neuen Bereich. Der gehört hier nicht hin.“

Jenny: „Na, lehn dich mal nicht zu weit aus dem Fenster.“

Karl: „Was? Ich bin hier mit gutem Grund, niemand hat der Welt so viel …“

Jenny: „Ich meine beim Betteln.“

Karl: „Wie bitte? Ich würde nie …“

Jenny: „Erinnerst du dich? Als du Student warst, aber wie ein Wohlhabender leben wolltest? Als ein Verwandter starb und du erben konntest, nanntest du das ein Happy Event.“ii

Karl: „Ich glaube eben an die Wiedergeburt!“

Jenny: „Als Schwein, bei dir.“

Also … schenke ich euch Corona. Was tut ihr? Wie Bishop Gerald O. Glenn der New Deliverance Evangelistic Church in Richmond haltet ihr die Messe trotz Verboten ab. Ihr sagt: „Ich glaube fest, dass Gott stärker als dieses elende Virus ist. Ihr könnt mich so zitierten“. Ihr sterbt.iii Als gute Christen glaubt ihr an die unbefleckte Empfängnis, als gute Mormonen, dass Gott als Joseph Smith jr. 1827 in den USA geboren wurde, als gute Buddhisten an die Wiedergeburt als Ratte, als gute Muslime an fliegende Pferde auf dem Weg nach Mekka. Nur an eins glaubt ihr nicht: das Offensichtliche.

Als Corona in China eskalierte, sendete der chinesische Arzt Li Wenliang über eure Zwitschermaschine Twitter einen Hilferuf an die Welt. Als ihr die Dramatik nicht verstandet, versuchte er, in der einzigen Sprache zu euch zu sprechen, die ihr versteht: Emoji. Er fügte einen Hund an, der die Augen nach hinten rollt und die Zunge heraushängen lässt.iv Die Nicht-Genossen der Nicht-Kommunistischen Partei in China agierten wie gewohnt: Sie versagten auf ganzer Linie. Die Staatssicherheit schickte ihm ein Schreiben in bester Stiefvater-Intonation: „Wir warnen Sie ernsthaft: Wenn Sie so stur bleiben, so frech und diese illegalen Aktivitäten fortsetzen, werden Sie vor Gericht landen – haben Sie das verstanden?“ „Ja, ich verstehe“, ist in Lis Handschrift auf den Brief geschrieben. Es waren einige seiner letzten Worte. Für jeden der wenigen denkenden Menschen war klar, dass in China eine Seuche ausbrach. Eure Reaktion? Ihr hieltet das Ganze für ein Videospiel.

Jimi Hendrix: „Ist das ein Witz?“

Karl: „Nein. Vielleicht sollten Sie weniger von ihren Kräutermischungen rauchen, dann würden sie den Tag nicht nur mit Geklimper, sondern mit ernsthaftem Theoretisieren verbringen!“

Hendrix: „Spießer.“

Karl: „So weit kommt’s noch, dass ich mich als Bourgeois beschimpfen lassen muss! Ich …“

Hendrix: „Entspann dich, war nur ein Spruch.“

Na gut. Aber ihr seid eine arschlose Gesellschaft. Immer mehr Menschen leben mit Ende 20 noch bei den Eltern. In vielen Gegenden Deutschlands sind es die Söhne, die nicht zu Hause rauskommen. In Österreich sind es, so ich gehört habe, die Töchter. Diejenigen, die die „Umbrella Corporation“-Verschwörungstheorie glaubten, hatten nicht einmal Beneblung als Entschuldigung. Es waren Hausfrauen, Angestellte, Wurstfachverkäufer, Menschen mitten in dem konterrevolutionären Albtraum, den ihr Leben nennt. Menschen, die ihre Jugend damit verschwendet hatten, Rechenmaschinenspiele wie Resident Evil zu spielen. Dort verbringt man seine Zeit in einem albtraumhaften Herrenhaus damit, Untote und Froschmonster zu richten, um sich bestmöglich auf die kommende Apokalypse vorzubereiten. Gegeben, die Atmosphäre und Narrative sind nicht nur mitreißend, sondern prophetisch. Die Gentechnikfirma Umbrella Corporation hat im Anwesen einen biologischen Kampfstoff entwickelt, der außer Kontrolle geraten ist und die Menschen zombiefizieren lässt. Natürlich, dachtet ihr, muss es bei Corona genauso sein. Wieso? Weil ihr „im Internet herausfandet“, dass es in der chinesischen Stadt Wuhan, wo das Coronavirus ausbrach, ein Forschungszentrum für Biotechnik gäbe. Nicht nur das, es hatte das gleiche Logo wie die Umbrella Corporation. Als wäre das nicht albern genug, glaubtet ihr dem Orakel eurer Zeit: der Weitsehgerät-Serie Simpsons. Dort wurde in zwei Folgen das Coronavirus „vorhergesehen“.v Letztlich wart ihr euch sicher, wie ihr das Coronavirus heilen könnt: durch Kokain. Das hattet ihr in einem Fernsehbericht gesehen, versehen mit dem Wahrheitssiegel eurer Zeit: Breaking News. Leider kam es aus dem Breaking News Generator.vi

Kürzlich wurde der Flynn-Effekt festgestellt. In der Vergangenheit stieg der IQ kontinuierlich. Ab dem Geburtsjahrgang 1975 geht er zurück.vii Niemand kennt den Grund, doch es wundert mich kein bisschen. Das Logo der Gentechnikfirma ist nicht einmalig, sondern schick. Viele schmücken sich mit ihm. Unter anderem eine Firma in Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam. Noch ein Land, das sich fälschlicherweise auf mich bezieht! Auf dem Foto des „Labors in Wuhan“ sind chinesische Schriftzeichen zu sehen. Leider wart ihr wie gewohnt zu faul, diese zu übersetzen. Dann hättet ihr gelesen, dass im Namen der Firma „Shang Hai Ruilan Bao Hu San Biotech Limited“ ihr Sitz genannt ist.viii Für die Lernschwachen unter euch: Shanghai. Für die Geografen: Das ist 800 Kilometer von Wuhan entfernt. So viel, wie die Sowjetmacht durchfahren muss, wenn sie Deutschland von Nord nach Süd erobert.

Idioten gibt es immer. Leider sind sie bei euch in der Mehrheit. Nicht entschuldbar ist, dass sie im Zentralkomitee sitzen. Die Devise der Nicht-Kommunistischen Partei Chinas war: „Corona gibt es nicht.“ Seit Dezember war das Virus bekannt, alle Fakten wurden unterdrückt: Totschweigen ist die beste Medizin.ix Sie gaben es erst zu, als die Lage außer Kontrolle geriet. Dann marschierten sie autoritär durch: eine allgemeine Ausgangssperre, Einstellung der Produktion, Passierscheine in sehr vielen Farben, die sich sehr oft und sehr grundlos änderten. Die zweitbeste Medizin ist eine vorbildlich kafkaeske Bürokratie. Chinesische Statistiken waren in etwa so verlässlich wie Roulette. Jetzt, Stand April 2020 nach eurer Zeitrechnung und 1441 nach dem richtigen, dem islamischen Kalender, ist die Ausbreitung der Krankheit in China gestoppt. Der einzige Ausbruch, und hier haben sich die Nicht-Genossen einen kleinen Scherz erlaubt, kommt laut ihnen von Rückkehrern aus dem imperialistischen Ausland: Italien.

Die Führer der westlichen Welt bemühten sich, sie zu unterbieten. Es sagt eine Menge über euch aus, dass der mächtigste Mann eurer Welt zu meinen Zeiten nicht als Karikatur eines nackten Kaisers durchgegangen wäre. Seine Geheimdienste, die besten der Welt, warnten ihn lange vor der Ausbreitung in den USA vor Corona. „Als [der Sekretär] Azar ihn endlich telefonisch erreichte und mit ihm über Corona reden wollte, unterbrach ihn der Präsident und fragte, wann Vapingprodukte wieder auf Markt sein werden.“x Auf Twitter ließ er gewohnt dadaistisch verlautbaren: „Der Coronavirus ist in den USA sehr unter Kontrolle. Wir sind in Kontakt mit jedem und allen relevanten Ländern. Das Gesundheitsamt und die Weltgesundheit [-soragnisation?] haben hart gearbeitet und sind sehr klug. Der Aktienmarkt sieht mir sehr gut aus!“xi Nach eigener Aussage vertraut er den Fernsehsender Fox News mehr als den eigenen Geheimdiensten.xii Ein Sender, der unter anderem Kapuzenpullover statt Waffenbesitz für Schießereien verantwortlich macht, der arabische Reisende fragt: „Sind Sie hier, um Djihad zu machen?“, und bei dem die konservative Journalistin Liz Trotta fragen darf, wie viel Vergewaltigung zu viel Vergewaltigung ist.xiii

Politische Witze sind oft schlecht – besonders, wenn sie gewählt werden. Boris Johnson, der Vorzeigezausel meines ehemaligen Heimatlandes, des Vereinigten Königreiches, schüttelte in Krankenhäusern stolz die Hände von Coronapatienten. Das Geheimnis des Agitators ist, sich so dumm zu stellen, wie seine Zuhörer sind, damit sie glauben, sie seien so gescheit wie er. Im Gegensatz zu Trump manipuliert Johnson die Medien subtil. Wenn Trump der ist, der Frauen in den Schritt greift, ist Johnson der, der ihnen Rohypnol in ihren Cocktail mischt. In der Brexit-Kampagne 2016 ließ er einen knallroten Bus durchs Land fahren, auf dem stand: „Großbritannien überweist der EU monatlich 350 Millionen Pfund. Das können wir besser für unser Gesundheitssystem ausgeben!“ Das war nicht ein bisschen falsch, sondern komplett ausgedacht. Eine Peinlichkeit, die Boris von da an verfolgte. Bis zu einem Interview.

Reporter: „Was tun Sie, um sich zu entspannen?“

Boris, für einen Moment zögernd: „Ich mag … malen. Ich male Sachen.“

Reporter: „Was malen sie?“

Boris: „Ich male … ich male Busse.“

Der Reporter sieht Boris perplex an. Ab diesem Moment wird es noch merkwürdiger, er beschreibt, wie er die kleinen Gesichter malt, die Türen. Jeder, der das Interview gesehen hat, fragt sich, ob Boris live in die Demenz abrutscht. Das Gegenteil ist der Fall. Googelt man nun „Boris Johnson Bus“ steht nicht mehr der peinliche Fauxpas der Brexitkampagne als erstes Suchresultat, sondern das absurde Interview. Wie seine verwuschelten Haare ist das kein Zufall. Boris ist kein netter Zausel, er ist ein kalkulierender Intrigant. Nach seinen propagandistischen Krankenhausbesuchen folgte postwendend die Infektionsbestätigung. Eine Roulettespielkugel hätte das Land besser durch die Krise manövriert. Er steht damit in bester Tradition eurer Politiker. Wie Yukio Edano, japanischer Regierungssprecher und Live-Verkoster radioaktiven Gemüses aus Fukushimaxiv, oder Goran Knežević, serbischer Landwirtschaftsminister und Trinker keimbelasteter Milch, beide passionierte Grenzwerthochsetzer.xv Würdet ihr nur halb so gut wählen, wie ihr euch aufregt, wärt ihr schon lange im sozialistischen Paradies.

Auf der anderen Seite eurer Welt regiert der Trump der Truppen: Jair Bolsonaro. Als den Holzkapitalisten ihre Rodungen im Amazonasgebiet außer Kontrolle gerieten, beschuldigte er zielsicher die absurdeste Täterin: das Kind und die Umweltaktivistin Greta Thunberg. Auch sonst ist er gelinde gesagt kein Gentleman. Einer Parlamentarierin machte er folgendes Kompliment: „Ich würde sie nicht einmal vergewaltigen. Dafür sind sie zu hässlich.“xvi In der Rolle bleibend, bezeichnete er das Coronavirus als „Grippchen“ und die Maßnahmen als „Hysterie“ und „Extremismus“. „Das Virus ist da und wir werden es bekämpfen, es wird bald vorbei sein. Unsere Leben gehen weiter, gehen Sie zur Arbeit.“xvii Ein Vorzeigekapitalist.

In meiner undankbaren Heimat war es kaum besser. Gewohnt arrogant stellte der Gesundheitsminister Jens Spahn fest, man sei „gut vorbereitet“ auf Corona. Nach einer zutiefst befremdlichen Rede im Fernsehgerät watschte der Virologe Prof. Christian Drosten ihn verdient ab: Wertvolle Zeit sei verlorengegangen, das Missmanagement verursache Angst und Panik, weil sich die Menschen schlecht regiert fühlten. Mann renne der Krankheit hinterher. Später sollte sich herausstellen: Deutschland hatte größtenteils Glück. Das „German Paradox“, wie es die New York Times nennt, kommt daher, dass die erste infizierte Gruppe relativ jung war. Tiroler Skifahrer. Corona breitete sich im Berliner Club Trompete aus. Die „Bar mit Tanzfläche“ im Stil der 20er Jahre wurde vom Lebemann mit gefeierter Punk-Vergangenheit Ben Becker im Jahr 2000 gegründet. „Der Lützowplatz ist ja eigentlich eine Ungegend“, stellte der neue Eigentümer richtig fest, deswegen verabschiedeten sich die Prominenz und der Becker bald. Sein neues Publikum sind vor allem West-Berliner. „Das ist schon ein Abschleppladen“, sagt ein Mann mit Dreitagebart, der mit einem Cocktail in der Hand an der Wand lehnt. „Viele Singles hier.“xviii Touristen sind selten. Da kommt niemand einfach so vorbei. „Das hat auch Vorteile“, sagt er. „Außerdem sind wir verschont von dem spanischen Irrsinn in Kreuzberg.“xix Für Nichtstammgäste ist das medium-vorteilhaft: „Anscheinend war meine Haut nicht weiß genug für diesen Club. Sie sagten, sie wollten Leute zwischen 25 und 30, aber vor mir ließen sie vier Weiße über 50 rein. Ich war vorher mit Deutschen hier und ich wurde mit offenen Armen willkommen geheißen. Heute kam ich ohne sie und wurde vom Türsteher wie Dreck behandelt.“xx Aha, reaktionäre Töne? Ich habe dafür gesorgt, dass denen das Lachen und Feiern vergeht. Ja, ich verbringe viel Zeit auf Facebook und lese Kommentare. Was? Meint ihr, im Himmel wäre es spannend? Falsche Etage.

Ihr macht mich wahnsinnig. Ich schicke euch eine Heimsuchung und statt anständig Angst zu bekommen, erkennt ihr sie nicht. Ihr seht jede Menge Hirngespinste, aber was nicht existiert, ist Corona? Nun, ihr werdet schon sehen, wo euch eure Arroganz hinführt. Der erste Reiter der Apokalypse ist schon angekommen. Boris Becker äußerte, er sei sehr enttäuscht, dass Wimbledon nicht stattfinde. Ein Tennisturnier, das eure Staaten aussehen lässt wie eine chaotische Kindergartengruppe. Schon vor Jahrzehnten versicherten die Organisatoren sich gegen Seuchen – und strichen dank Corona 141 Millionen Dollar ein.xxi Es führt kein Weg daran vorbei: Die Räterepublik muss vom richtigen Becker ausgerufen werden.