Über das Buch:
Zwei Frauen auf der Suche nach sich selbst:
Julia gehört zur besseren Gesellschaft und hat sich in den Kopf gesetzt, den Geistlichen Nathanael Green zu erobern. Doch der ist gar nicht angetan von der verwöhnten Tochter aus gutem Haus. Seine Ablehnung fordert Julia heraus, über den Sinn ihres Lebens nachzudenken. So beschließt sie gegen den Willen ihrer Eltern als Krankenschwester in einem Feldlazarett Nathanaels Anerkennung zu erringen.
Der barsche Dr. MacGrath, den ein dunkles Geheimnis umgibt, macht der zarten jungen Frau die Arbeit schwer. Die verwundeten Soldaten aber schätzen ihren aufopferungsvollen Dienst. Bald lernt sie die junge Phoebe kennen, die sich als Mann verkleidet in die Armee geschmuggelt hat. Beide Frauen verbindet der Wunsch, sich und der Welt etwas zu beweisen.
Als sich die Ereignisse überstürzen und Julia hinter das Geheimnis des Doktors kommt, stellt sich die entscheidende Frage: Können die beiden Frauen ihr Schicksal der guten Hand Gottes überlassen?

Über die Autorin:
Lynn Austin ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Illinois. Ihre große Familie, die vier Generationen umfasst, ist ebenso Aufgabe wie Inspiration für sie. Wenn ihr nach dem Tagesgeschäft noch Zeit bleibt, ist sie als Vortragsreisende unterwegs und widmet sich der Schriftstellerei.

Kapitel 7

Washington City
Februar 1862

Am Morgen ihres Termins mit der Leiterin des Krankenpflegedienstes stand Julia in ihrem Hotelzimmer vor dem Spiegel und legte ihre Ohrringe, Ketten und anderen Schmuckstücke ab. Sie band sich das Haar zu einem Knoten zusammen, wobei sie sich weigerte, die Hilfe ihres Mädchens in Anspruch zu nehmen. Rigide steckte sie ihre wilden, federnden Locken, von denen jeder sagte, dass sie damit wie ein Engel aussehe, am Hinterkopf fest. Sie schrubbte ihr Gesicht, bis es glänzte, und widerstand der Versuchung, Farbe auf Lippen und Wangen aufzutragen. Nachdem sie das einfache braune Musselinkleid angezogen hatte, das genau Miss Dix’ Richtlinien entsprach, erkannte Julia die Frau, die sie aus dem Spiegel anstarrte, kaum wieder. Alles an ihr, was sie als wohlhabende Dame der gehobenen Gesellschaft gekennzeichnet hatte, war verschwunden.

Einerseits fühlte sie sich nackt, plump und gewöhnlich. Nichts unterschied sie jetzt mehr von Inga, ihrer Bediensteten. Andererseits jedoch fühlte Julia sich auch frei. Es war, als hätte sie die verwöhnte, selbstsüchtige Julia Hoffman, die sie in letzter Zeit immer weniger hatte leiden können, abgelegt. Im Spiegel sah sie einen veränderten Menschen – zumindest äußerlich. Vielleicht würde sie mit der Zeit auch innerlich ein ganz neuer Mensch, ein Mensch, den Nathanael achten konnte.

„Ach, Julia! Was für ein scheußliches Kleid“, sagte ihre Tante, als sie aus dem angrenzenden Zimmer hereingerauscht kam. „Du kannst unmöglich in einem solchen Ding aus dem Haus gehen. Das ist eine Schande!“

„Dieses Kleid ist ganz neu, Tante Eunice. Und es ist vollkommen anständig.“

„Nicht für eine Frau mit deiner gesellschaftlichen Stellung. Wieso um alles in der Welt willst du so etwas tragen? Ganz ohne Spitze, ohne Besätze, ohne gescheite Falten. Das ganze Kleid besteht vielleicht gerade mal aus vier oder fünf Metern Stoff. Du meine Güte! Keine Reifröcke? Du siehst wie ein gewöhnliches Dienstmädchen aus. Die Leute werden einen ganz falschen Eindruck von dir bekommen.“

„Du tust gerade so, als wäre ich splitternackt“, sagte Julia gereizt. „Dabei ist das die Pflichtkleidung für Krankenschwestern.“

„Dann verstehe ich nicht, warum du überhaupt eine werden willst.“

Julia fielen spontan mehrere Antwortmöglichkeiten darauf ein: weil sie ein Leben wie das ihrer Tante nicht verstehen konnte; weil das Leben einer Krankenschwester einen Sinn hatte; weil sie auch ohne Spitzen und Reifröcke ein wertvoller Mensch war. Stattdessen sagte sie: „Wir beeilen uns besser, sonst kommen wir zu spät zu unserer Verabredung.“

Der Türsteher des Hotels winkte eine Droschke für sie herbei und sie fuhren durch die schlammigen Straßen quer durch die Stadt zum Haus von Miss Dorothea Dix. Die Leiterin des Krankenpflegedienstes erwartete sie bereits. Sie führte sie in einen dunklen, winzigen Salon und bat sie, sich zu setzen. Dann gab sie dem Mädchen die Anweisung, Tee zu bringen.

Miss Dix war Anfang sechzig und eine große schlanke Frau mit der Haltung eines Generals. Oberflächlich betrachtet wirkte sie streng und brüsk, aber Julia sah Mitgefühl in ihren grauen Augen, als sie sie fragte, warum sie gekommen sei.

„Ich möchte mich um eine Stelle als Militärkrankenschwester bewerben“, erwiderte Julia.

„Wie alt sind Sie, Miss Hoffman?“

„Beinahe zwanzig. Aber ich habe Empfehlungsschreiben mitgebracht, die meine Reife und meinen Charakter bezeugen. Wenn Sie sie sehen möchten?“ Sie zog die Briefe aus ihrer Handtasche und reichte sie der Oberinspektorin.

Julia und ihre Tante saßen schweigend da, während Miss Dix die Schreiben sorgfältig studierte. Genau in dem Moment, in dem sie den letzten Brief in seinen Umschlag zurückschob, kam das Mädchen mit dem Tee. Mehrere lange, qualvolle Minuten vergingen, in denen Miss Dix drei Teetassen füllte, sie weiterreichte, dafür sorgte, dass alle mit Sahne und Zucker versorgt waren, und sich dann wieder setzte. Julia stellte ihre Tasse auf ein kleines Tischchen, unfähig, noch länger zu warten.

„Ich weiß, dass Sie sagen werden, ich sei zu jung“, platzte sie heraus, „aber Krankenschwester zu werden, ist mein sehnlichster Wunsch.“

„Darf ich fragen, warum, Miss Hoffman?“

„Ich war Zeugin der Schlacht am Bull Run, als Gast des Kongressabgeordneten Rhodes. Ich sah verletzte Männer, die Hilfe brauchten, und ich wusste nicht, was zu tun war.“

Miss Dix nickte ein wenig, als wollte sie Julia ermutigen fortzufahren.

„Mein Cousin Robert ist Leutnant bei den Unionstruppen. Im vergangenen Oktober haben wir erfahren, dass er gefangen genommen wurde. Er hat alles aufgegeben, um sein Land zu unterstützen, und das möchte ich auch. Ich möchte etwas für Robert und für alle anderen Soldaten wie ihn tun. Unser Pastor zu Hause hat in Philadelphia einen Ortsverband des Christlichen Hilfsvereins gegründet, und als er uns erzählte, dass Krankenschwestern gebraucht würden, verspürte ich sofort das Bedürfnis zu helfen … Es ist schwer zu erklären.“

Miss Dix nahm einen Schluck Tee und sagte dann: „Die meisten jungen Frauen in Ihrem Alter heiraten und gründen eine Familie. Haben Sie daran kein Interesse?“

Julia schüttelte den Kopf und unterdrückte ein Schaudern. Allein der Gedanke, mit einem Mann wie Arthur Hoyt eine Familie zu gründen, versetzte sie in Angst und Schrecken. „Ich würde gerne irgendwann heiraten“, sagte sie, „aber jetzt noch nicht. Ich will nicht gebunden sein, wenn es so viel Arbeit gibt. Ich will unseren Soldaten helfen.“

„Beinahe alle meine Krankenschwestern sind verheiratet“, sagte Miss Dix und blickte Julia unverwandt an. „Sie melden sich freiwillig, weil ihre Männer im Krieg sind, und sie hoffen, so in ihrer Nähe sein zu können. Alleinstehende Frauen stelle ich auch ein, aber nur, wenn sie über dreißig sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich fast alle jüngeren unverheirateten Frauen nur aus Neugier bewerben. Um es offen zu sagen, sie wollen als Krankenschwester arbeiten, um Männer kennenzulernen.“

„Ich bin nicht hier, um einen Ehemann zu finden, Miss Dix. Meine Familie ist wohlhabend und gesellschaftlich sehr aktiv. Mir hat es nie an Verehrern gemangelt, wie meine Tante Ihnen bestätigen kann.“ Sie wandte sich ihrer Tante zu, damit diese ihr recht gab, und stellte fest, dass sie in ihrem Sessel eingeschlafen war. Julia hätte am liebsten geschrien: „Hallo! Wach auf und hilf mir!“ Stattdessen stieß sie enttäuscht den Atem aus und wandte sich wieder an Miss Dix. „Ich habe davon gelesen, was Sie für die Benachteiligten geleistet haben. Sie haben eine Not erkannt und das Bedürfnis verspürt, etwas dagegen zu tun. Sie verstehen doch sicherlich, wie ich mich fühle?“

Miss Dix musterte sie lange. „Ich glaube, dass Sie es ernst meinen. Diese Briefe bezeugen Ihren hervorragenden Charakter. Aber eine Krankenschwester einzustellen, die so jung ist wie Sie und noch dazu hübsch und unverheiratet, würde gegen sämtliche Regeln verstoßen, die ich aufgestellt habe.“

„Können Sie nicht eine Ausnahme machen? Bitte?“

Die ältere Dame schüttelte den Kopf. „Nein, das kann ich nicht.“

„Bitte … ich flehe Sie an.“

„Es tut mir sehr leid.“

Julia wagte es nicht weiterzusprechen, weil sie befürchtete, dass sie sonst in Tränen ausbrechen würde. Stille legte sich über den Raum, unterbrochen nur vom sanften Schnarchen ihrer Tante und dem vornehmen Klappern von Miss Dix. Julia wusste, dass sie sich verabschieden sollte, aber ihre Enttäuschung lähmte sie so, dass sie nicht einmal die Kraft hatte, ihre Tasse hochzuheben und zu leeren, geschweige denn, aus ihrem Sessel aufzustehen.

Miss Dix blickte zu Tante Eunice hinüber und lächelte ein wenig. „Ich weiß, wie enttäuschend es ist, wenn die Dinge nicht so laufen, wie man es sich erhofft hat“, sagte sie. „Ich habe lange dafür gearbeitet, eine Truppe von ausgebildeten Militärkrankenschwestern zusammenzustellen, die kompetent und effizient arbeiten … aber wussten Sie, dass es Krankenhausärzte gibt, die mein System immer wieder umgehen? Manche Ärzte scheinen den Gedanken nicht ertragen zu können, dass eine Frau das Sagen hat, und es bereitet ihnen großes Vergnügen, meine Anweisungen außer Kraft zu setzen.“

Julia blickte auf. Miss Dix sah sie unverwandt an, und ihre grauen Augen funkelten. Julia hatte das Gefühl, dass die andere Frau ihr etwas mitteilen wollte, aber sie wusste nicht, was.

„Wie … wie setzen diese Ärzte denn Ihre Anweisungen außer Kraft?“

„Nun, wenn ein einzelner Arzt beschließt, meine Regeln zu ignorieren, kann er eine Frau auch direkt als ihm zugeteilte Krankenschwester einstellen – ohne dass ich etwas dagegen unternehmen kann.“

„Und manche Ärzte tun das?“

„O ja. Das passiert immer wieder. Sie können meine Regeln und Entscheidungen missachten und als Militärkrankenschwester registrieren, wen sie wollen.“

Julias Puls beschleunigte sich, als ihre Hoffnung wieder aufflackerte. Sie warf einen Blick auf ihre Tante, um sich zu vergewissern, dass sie noch schlief. „Es tut mir leid zu hören, dass diese Ärzte gegen Ihren Wunsch Krankenschwestern einstellen. Darf ich fragen, ob es einen bestimmten Arzt gibt, der sich Ihnen auf diese Weise widersetzt?“

Miss Dix lächelte. „Ich mag Sie, Julia. Sie erinnern mich an mich selbst in jungen Jahren – nur dass ich nicht halb so hübsch oder privilegiert war, wie Sie es sind. Wäre ich es gewesen, dann hätte ich lieber gut geheiratet und eine Familie gehabt, glaube ich.“

„Das wäre sicher sehr schön für Sie gewesen, aber für unser Land wäre es ein großer Verlust gewesen.“

„Danke, meine Liebe.“ Miss Dix stellte ihre Tasse zurück auf das Tablett. Dann nahm sie die Briefe von ihrem Schoß und reichte sie Julia. „Sie sind gänzlich ungeeignet, Miss Hoffman. Sie sind jung, hübsch und unverheiratet – alles, was wir bei einer Krankenschwester nicht schätzen.“ Sie machte eine Pause und fuhr dann fort: „Dr. James McGrath würde nichts lieber tun, als mich zu ärgern, indem er Sie engagiert. Er ist ungehobelt, unorthodox und unerträglich grob. Nur wenige der Krankenschwestern, die ich in sein Krankenhaus im ehemaligen Fairfield-Hotel schicke, halten es lange bei ihm aus – wahrscheinlich stellt er auch deshalb seine eigenen Pflegekräfte ein.“

Julia wiederholte im Geiste den Namen des Arztes und den des Krankenhauses, um sie sich einzuprägen.

„Noch etwas Tee?“, fragte Miss Dix und hob die Teekanne. Julias Löffel fiel geräuschvoll auf den Boden. Tante Eunice riss die Augen auf. Sie blinzelte die anderen beiden Frauen an, als wolle sie vorgeben, nicht geschlafen zu haben, während sie versuchte, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.

„Für mich keinen Tee mehr, danke“, sagte Julia und stellte ihre Tasse auf das Tablett. „Ich weiß, dass Sie sehr beschäftigt sind, Miss Dix, und ich fürchte, meine Tante und ich haben Ihre kostbare Zeit schon zu lange beansprucht.“

„Sehr schmackhaft, der Tee“, murmelte ihre Tante müde. „Sie waren sehr freundlich.“

Als sie sich erhoben, hakte Miss Dix sich zu Julias Überraschung bei ihr unter und begleitete sie zur Haustür. Als sie Julias Haube und Mantel von der Garderobe nahm und ihr beides reichte, sagte sie: „Ich wünsche Ihnen Glück, meine Liebe. Ich hoffe, Sie finden, was Sie suchen. Und ich hoffe, Sie finden Erfüllung in Ihrer Arbeit.“

„Haben Sie die denn gefunden, Miss Dix?“

„O ja. Über alle Maßen.“

Julia wusste, dass ihre Tante verwirrt war. Als sie zu der wartenden Kutsche zurückkehrten, sah sie Julia immer wieder merkwürdig an, als warte sie auf eine Erklärung. Doch sie wollte wohl nicht zugeben, dass sie das Ergebnis der Unterredung nicht mitbekommen hatte. Julia wusste, dass es falsch war zu lügen. Aber sie wollte unbedingt Krankenschwester werden und bei dem Versuch, ihr Ziel auf ehrliche Weise zu erreichen, hatte man ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen.

„War das nicht eine wunderbare Nachricht?“, fragte sie ihre Tante und wich dabei ihrem Blick ein wenig aus. „Ich kann es kaum erwarten, nach Hause zu telegrafieren und allen zu sagen, dass ich künftig als Krankenschwester arbeiten werde.“

Tante Eunice versuchte gar nicht erst, ihr Missfallen zu verbergen. „Dein Vater wird nicht begeistert sein. Er war sich ganz sicher, dass man dich abweisen würde und du unverrichteter Dinge nach Hause zurückkehren müsstest.“

„Dann hat er sich eben geirrt. Hör zu, wir sollten morgen ganz früh aufbrechen und nach einer Pension in der Nähe des Krankenhauses suchen.“

„Welches Krankenhaus war das noch, Liebes?“

„Es befindet sich im ehemaligen Fairfield-Hotel. Sie haben es in ein Krankenhaus umgewandelt.“ Die Lügen kamen ihr so schwer über die Lippen, dass sie Angst hatte, ihre Tante anzusehen. Julia war sich sicher, dass ihre Wangen sich vor Scham ganz rot färbten und sie verraten würden. Sie beschloss, ihre Tante so schnell wie möglich in den Zug nach Hause zu setzten. Denn je eher sie sie loswurde, desto früher würden hoffentlich ihre Schuldgefühle nachlassen.

Am nächsten Morgen stand Julia sehr früh auf und begann ihre Suche nach einer respektablen Pension in der Nähe des Fairfield-Krankenhauses. Diese Aufgabe erwies sich als unerwartet schwierig. Schon bald fand sie heraus, dass es beinahe unmöglich war, irgendwo in Washington ein freies Zimmer zu finden. Am Ende des zweiten Tages beschloss sie, sich darauf zu konzentrieren, ein Zimmer zu finden, das den Vorstellungen ihrer Tante entsprach – was bedeutete, dass es nur weibliche Pensionsgäste geben durfte –, unabhängig davon, wie das Zimmer aussah oder wie weit es vom Krankenhaus entfernt war.

Am dritten Nachmittag fanden sie ein freies Zimmer, aber es war klein und deprimierend. Die Möblierung bestand aus einem durchgelegenen Bett, einer Kommode mit Krug und Waschschüssel, die nicht zusammenpassten, einem kleinen Kamin mit einem blinden Spiegel darüber und einem schäbigen Flickenteppich auf dem nackten Holzfußboden. Das einzige Fenster ging auf die Backsteinmauer des nächsten Hauses hinaus. Es gab keinen Ankleideraum oder Schrank und der einzige Ort, an dem sie ihr einfaches braunes Kleid würde aufhängen können, war ein Haken an der Wand.

„Nein, nein, nein. Das ist doch furchtbar, Julia“, sagte Tante Eunice und schnalzte mit der Zunge. „Das ist nicht besser als eine Dienstbotenkammer.“

Julia dachte an ihr geräumiges Zimmer zu Hause, mit seinen dicken Teppichen, dem Himmelbett und dem Mahagonischrank, der bis zum Rand mit Kleidern und Schuhen gefüllt war, und hätte ihre Meinung fast geändert.

„Bitte, Liebes“, flehte ihre Tante. „Vergiss diese fixe Idee und komm mit mir nach Hause, wo du hingehörst.“

„Das Zimmer reicht völlig aus“, sagte Julia. Sie verbarg ihre Zweifel hinter einem Lächeln, nach dem ihr nicht war. „Wozu brauche ich ein größeres Zimmer? Ich arbeite künftig den ganzen Tag im Krankenhaus und bin daher sowieso nur nachts zum Schlafen hier. Und dabei habe ich die Augen geschlossen.“

„Aber wo willst du all deine Kleider aufbewahren? Und was ist mit deinem Mädchen? Wo soll es schlafen?“

„Inga fährt morgen mit dir nach Hause, Tante Eunice.“

„Das kann nicht dein Ernst sein. Wer wird dir die Haare frisieren? Und dir mit deinen Reifröcken helfen?“

Julia seufzte. Genau das war einer von Nathanaels Kritikpunkten gewesen – dass sie unfähig oder nicht willens sei, die einfachsten Dinge selbst zu erledigen. Gerade deshalb hatte sie doch begonnen, diesen langen, steinigen Weg zu beschreiten. „Ich kann mir selbst die Haare machen“, sagte sie. „Miss Dix’ Krankenschwestern sollen schlicht aussehen. Und Reifröcke werde ich keine tragen, erinnerst du dich?“

Tante Eunice ließ erschöpft die Schultern hängen. „Das ist einfach zu viel. Ich muss mich setzen.“ Aber in dem düsteren Raum gab es keinen Stuhl und Julia wusste, dass ihre Tante niemals die Ungehörigkeit begehen und sich auf das Bett einer anderen Person setzen würde.

„Komm, wir sagen der Vermieterin, dass ich das Zimmer nehme“, sagte Julia. „Dann können wir zum Hotel zurückfahren und uns ausruhen.“

„Du kannst hier nicht wohnen, Julia. Es gibt nicht einmal einen Stuhl.“

„Ich werde die Vermieterin darum bitten. Bitte, Tante Eunice. Du weißt, dass dies ein anständiges Haus ist. Es wurde uns empfohlen. Und außerdem gibt es keine anderen Zimmer. Lass es mich einige Monate lang ausprobieren. Wenn ich unglücklich bin, kann ich im April immer noch mit dem Kongressabgeordneten und seiner Frau nach Philadelphia zurückkehren.

Schließlich gab Tante Eunice nach. Glücklicherweise hatte sie nicht mehr die Kraft, länger mit ihr zu diskutieren. Julia bezahlte Kost und Logis für den ersten Monat und vereinbarte mit der Vermieterin, dass sie am nächsten Tag einziehen würde – gleich nachdem sie Tante Eunice zur Bahn gebracht hatte.

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Ihre Tante weinte, als sie sich am nächsten Tag von ihr verabschiedete. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass Julia einen Riesenfehler beging, der ihr noch schrecklich leidtun würde. „Mein einziger Trost ist“, sagte Eunice, während sie ihre Abschiedstränen trocknete, „dass ich dich in Dorothea Dix’ fähigen Händen zurücklasse.“

Noch am selben Nachmittag fuhr Julia mit einer Droschke zum Krankenhaus im ehemaligen Fairfield-Hotel. Das verwitterte zweigeschossige Gebäude sah aus, als wäre es selbst in seiner Glanzzeit kaum mehr als eine Arbeiterherberge gewesen und als könnte eine kräftige Brise es jederzeit zum Einsturz bringen. Das Geländer wackelte unter ihrer Hand, als sie die Eingangstreppe hinaufstieg. Die Tür ächzte so sehr, dass es Julia nicht überrascht hätte, wenn sie aus den Angeln gebrochen und zu Boden gefallen wäre.

Julia trat in einen dunklen, engen Durchgang mit nur wenig Licht. Als ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, entdeckte Julia gleich hinter der Eingangstür ein improvisiertes Büro und ein handgeschriebenes Schild, auf dem stand: Dr. James McGrath – stellvertretender Assistenzarzt, US-Armee. Die Bürotür stand offen, sodass Julia einen ungehinderten Blick auf den Mann werfen konnte, der hinter einem übervollen Schreibtisch saß und in einem Stapel Unterlagen blätterte.

Der Mann wirkte ungehalten, war Anfang dreißig, hatte eine gefurchte Stirn und kastanienbraunes Haar. Sein kurzer rötlicher Bart und der Schnurrbart waren ordentlich gestutzt, aber das war auch das einzig Ordentliche an ihm. Seine Kleidung war zerknittert, sein Haar zerzaust und sein Büro machte einen heruntergekommenen Eindruck. Der Arzt blieb sitzen, als Julia eintrat. Er blickte noch nicht einmal von seiner Arbeit auf.

„Wenn Sie hier sind, um einen Patienten zu besuchen, dann belästigen Sie mich nicht“, sagte er barsch. „Reden Sie mit der Oberschwester.“

„Ich bin nicht hier, um einen Patienten zu besuchen, Dr. McGrath. Mein Name ist Julia Hoffman und ich bin von Philadelphia hierher gekommen, um Ihnen meine Dienste als Krankenschwester anzubieten.“

„Wenden Sie sich an Dorothea Dix. Sie ist für die Krankenschwestern zuständig.“

„Ich war bereits bei Miss Dix.“

Er hörte auf zu schreiben und blickte endlich auf, um sie eingehend zu mustern. „Lassen Sie mich raten – Miss Dix hat Ihnen die Tür gewiesen, nicht wahr? Sie sind zu jung. Zu hübsch. Zu üppig ausgestattet.“ Als er eine entsprechende Bewegung mit den Händen machte, schnappte Julia nach Luft. Es schien ihm zu gefallen, dass er sie schockiert hatte. „Guten Tag.“ Er scheuchte sie mit einer Handbewegung fort und wandte sich wieder seinen Papieren zu.

Miss Dix hatte sie gewarnt, dass der Arzt ein ungehobelter Bursche war. Doch Julia war fest entschlossen, sich nicht von ihm einschüchtern zu lassen.

„Wenn Sie mir einen Augenblick Ihrer kostbaren Zeit widmen, Dr. McGrath, werden Sie feststellen, dass ich aus einer angesehenen, wohlhabenden Familie komme. Mein Vater ist Richter Philip Hoffman und ich habe diverse Empfehlungsschreiben –“

„Briefe. Na und?“, unterbrach er sie und tunkte seine Feder ins Tintenfass. „Ihr Leute aus der feinen Gesellschaft, ihr seid ganz vernarrt in eure Empfehlungsschreiben, nicht wahr? Ich habe schon genug Papier auf meinem Schreibtisch liegen.“

„Aber wenn Sie sie lesen, werden Sie sehen, dass ich –“

„Haben Sie denn schon mal echte Krankenpflege für jemanden geleistet?“, fragte er und durchbohrte sie mit seinem Blick. „Sind Sie ausgebildet? Erfahren?“

„Ich … ich möchte es gerne lernen.“

„Ich bin Arzt, kein Lehrer“, sagte er und wandte erneut den Blick ab. „Kommen Sie wieder, wenn Sie ausgebildet sind. Guten Tag.“

Julia setzte sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und legte Haube, Mantel und Handschuhe ab, als hätte er Sie aufgefordert zu bleiben. Dr. McGrath beachtete sie nicht, sondern tat so als wäre sie gegangen, tauchte wieder seine Schreibfeder ins Tintenfass und kratzte dann damit über das Papier.

Sie blickte sich in dem unordentlichen Büro um, während sie wartete, und entdeckte dabei auf seinem Schreibtisch eine Fotografie von einer hübschen, dunkelhaarigen Frau, die ein kleines Mädchen auf dem Schoß hielt. Julia warf einen Blick auf die rechte Hand des Arztes, mit der er das Papier festhielt, und entdeckte einen goldenen Ehering. Sie nahm das Bild in die Hand, um es näher zu betrachten. „Sind das Ihre Frau und Ihr Kind?“

„Was für eine alberne Frage. Warum sollte ich mir ein Foto von der Frau und dem Kind eines anderen auf den Schreibtisch stellen?“

Julia verkniff sich eine zornige Bemerkung. „Sie sind beide sehr hübsch. Wie heißt Ihre Tochter?“

„Versuchen Sie mich zu ärgern, Miss Hoffman? Dann haben Sie nämlich großen Erfolg.“

„Nicht Miss Hoffman“, sagte sie, weil ihr plötzlich Miss Dix’ Worte wieder einfielen. „Mrs Hoffman. Ich bin verheiratet.“ Die Lüge kam ihr erstaunlich leicht über die Lippen.

„Tatsächlich?“, sagte er gelangweilt.

„Ja. Mein Mann ist Leutnant Robert Hoffman“, sagte sie und nannte damit den Namen und Rang ihres Cousins.

„Weiß der gute Leutnant, dass Sie von zu Hause weggelaufen sind, um vielbeschäftigte Ärzte zu belästigen, die zu arbeiten versuchen?“

„Ich habe nichts von Robert gehört, seit er bei der Schlacht am Ball’s Bluff im vergangenen Oktober gefangen genommen wurde. Er ist in Richmond im Gefängnis.“

Der Arzt hob den Kopf und sah sie an. Sie hoffte, seine Einstellung würde sich ändern, jetzt, wo er ihre tragische Geschichte gehört hatte. Stattdessen sagte er: „Und nun möchte die süße kleine Mrs Hoffman Krankenschwester werden.“

„Ja, Doktor. Das will ich unbedingt.“

Dr. McGrath beugte sich wieder über seine Arbeit und schrieb ganze fünf Minuten lang weiter. Julia wartete, bis er die Tinte gelöscht und das Blatt auf einen der Stapel gelegt hatte. Dann sagte sie: „Ich bitte Sie lediglich um eine Chance, Herr Doktor. Ich gestehe, dass ich nicht viel über Krankenpflege weiß, aber ich bin bereit, es zu lernen.“

Er betrachtete sie lange und stand dann abrupt auf. „Also gut. Kommen Sie mit, Mrs Hoffman.“

Julias Herz machte vor Glück einen Satz, als sie ihm auf die Krankenstation im ehemaligen Speisesaal des Hotels folgte. Alle Tische waren entfernt worden und der Raum war jetzt überfüllt mit Betten, in denen kranke Männer langen. Manche von ihnen unterhielten sich leise, viele husteten, die meisten lagen jedoch einfach nur da und taten nichts, vielleicht schliefen sie auch. Der Arzt blieb vor einem kleinen Schrank mit Verbandsmaterial stehen. Die Stationsschwester bemerkte ihn und eilte herüber. Sie war eine kleine, rundliche Frau mit grauen Strähnen in ihrem dunklen Haar. „Kann ich etwas für Sie tun, Dr. McGrath?“

„Nein, danke. Mrs Hoffman wird mir helfen, den Verband des Soldaten Jackson zu wechseln.“ Julia sah, wie der bemüht neutrale Gesichtsausdruck der Schwester von Sorge überschattet wurde. „Sind Sie mit ihm verwandt?“, fragte sie Julia.

Bevor sie antworten konnte, sagte Dr. McGrath: „Nein, Mrs Hoffman bewirbt sich um eine Stelle als Krankenschwester.“ Er lächelte, und Julia dachte bei sich, dass sie noch nie ein so hämisches Grinsen gesehen hatte wie das, das sich nun auf seinem Gesicht ausbreitete.

Die Miene der Stationsschwester erstarrte. Sie versuchte nicht, ihre Abneigung gegen den Doktor zu verbergen, und schritt schnell von dannen. Julias Freude begann sich zu verflüchtigen. Auch ihr wurde er Mann zunehmend unsympathisch. Er nahm eine Schere, eine braune Flasche mit Medizin und ein Päckchen Verbandmull aus dem Schrank und bedeutete Julia, sie solle ihm folgen.

Der Patient, an dessen Lager sie stehen blieben, war sehr blass und sein Körper bestand nur noch aus Haut und Knochen. Dr. McGrath begrüßte den Soldaten mit echter Wärme und lächelte, als er dem Blick des Mannes begegnete. „Wie geht es Ihnen heute, Jackson? Behandeln die Schwestern Sie gut? Ist das Essen in Ordnung?“

„Ich kann mich nicht beklagen.“

„Gut. Gut. Hören Sie, ich würde gerne einen Blick auf Ihr Bein werfen, wenn Sie nichts dagegen haben.“ Er legte die Materialien auf den Nachttisch und zog die Bettdecke zurück. Julia wappnete sich, denn sie war sich sicher, dass das Bein des Soldaten in einem Stumpf enden würde. Genau so war es.

„Das hier ist Schwester Hoffman“, fuhr der Doktor fort. „Sie wird mir helfen, den Verband abzunehmen, damit ich mir die Wunde ansehen kann.“

„Wie geht’s, Ma’am?“, sagte Jackson.

„Äh … gut, danke.“

Dr. McGrath zog einen freien Stuhl neben das Bett und forderte Julia auf, sich zu setzen. Er reichte ihr die Schere. Sie zerschnitt den Knoten des Mullverbandes und begann vorsichtig eine Lage nach der anderen zu entfernen. Es war plötzlich ganz still im Raum. Zu still. Sie bemerkte den pfeifenden Atem des Patienten, der an das Rascheln vertrockneter Blätter denken ließ.

„Woher kommen Sie, Mr Jackson?“, fragte sie, um die gespannte Atmosphäre zu entschärfen.

„Buffalo, New York, Ma’am.“

„Ich war noch nie in Buffalo, aber ich habe gehört, dass es sehr schön sein soll. Was für einer Arbeit gehen Sie dort nach?“

„Ich bin Zimmermann … oder war es jedenfalls vor dem Krieg.“

„Und haben Sie Familie dort?“

„Eine Frau und drei Kinder. Sie –“

Das war das Letzte, was Julia hörte. Als sie die letzte Lage Mull entfernte, schlug ihr ein solcher Gestank entgegen, dass sie sich fühlte, als hätte man ihr einen Faustschlag versetzt. Sie versuchte aufzustehen und dem Gestank zu entfliehen, aber der Raum begann zu schwanken und plötzlich war alles schwarz.

„Mrs Hoffman … Mrs Hoffman.“ Julia öffnete die Augen und sah in Dr. McGraths grinsendes Gesicht. Sie lag auf dem Boden vor dem Bett und er hockte neben ihr und ohrfeigte sie.

„Ah, gut. Da sind Sie ja wieder. Setzen Sie sich auf.“ Julias Kopf drehte sich, als er ihr hochhalf. Der Gestank, der sie so überwältigt hatte, war inzwischen überall. Sie hielt sich schnell die Hand vor den Mund, wodurch es ihr zum Glück gerade noch gelang, ihr Mittagessen bei sich zu behalten.

„Ist sie in Ordnung, Doc?“, fragte der Soldat Jackson.

„Sie ist okay. Wenn Sie uns einen Augenblick entschuldigen, Jackson, dann sorge ich dafür, dass sie etwas frische Luft bekommt. Ich bin gleich zurück.“

Julia spürte die Stärke in Dr. McGraths Armen und Schultern, als er sie auf die Füße zog. Der Gestank, der unter Jacksons Verband hervorgeströmt war, umfing sie wie etwas Lebendiges, er verfolgte sie förmlich. Es gab kein Entrinnen. Julia wollte von der Station laufen, bevor sie sich übergab, aber ihre Beine waren viel zu wackelig. Während Dr. McGrath sie durch die Eingangstür schob, musste sie ihren bitteren Mageninhalt ein zweites Mal hinunterschlucken. Draußen angekommen, atmete Julia tief ein und sog die feuchte Februarluft in sich auf.

„Sehen Sie“, sagte der Arzt gut gelaunt. „Ein paar Mal tief Luft holen, und schon sind Sie auf dem Heimweg. Die heutige Lektion hat sich mit dem Thema Wundbrand befasst – man kann ihn am Geruch erkennen. Ziemlich intensiv, nicht wahr?“ Sie hasste seinen spöttischen Tonfall. Kein Wunder, dass keine der Krankenschwestern ihn leiden konnte.

„Sie können mich jetzt loslassen“, sagte Julia und schob seine Hände so würdevoll wie möglich von ihrer Taille. „Mir geht es gut.“

„Natürlich.“ Er holte ihre Haube und ihren Mantel aus seinem Büro und drückte sie ihr in die Hand. „Bitte schön. Und jetzt schlage ich vor, Sie fahren zurück in Ihr schickes Haus in … Philadelphia, nicht wahr? Warten Sie dort auf Ihren inhaftierten Leutnant.“

Julia konnte vor Zorn kaum sprechen. „Wollen Sie damit sagen, dass ich nicht hier arbeiten darf?“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das immer noch wollen.“

Sie holte zitternd Luft und atmete langsam wieder aus, um sich zu beruhigen. „Doch. Das würde ich gerne. Jetzt, da ich weiß, wie Wundbrand riecht, werde ich beim nächsten Mal besser darauf vorbereitet sein.“

„Das bezweifle ich“, sagte Dr. McGrath. „Hören Sie, ich kann dieses Spielchen so lange spielen, wie Sie wollen, Mrs Hoffman.“

„Ich spiele kein Spiel.“

Er schüttelte den Kopf und setzte wieder sein hämisches Grinsen auf. „Ich glaube Ihnen nicht. Ich kann mir keinen einzigen Grund denken, warum eine wohlhabende Dame der angesehenen Gesellschaft von Philadelphia ihre Dienstboten und Diamanten und Ballkleider aufgeben sollte – und ein albernes mistfarbenes Kleid anziehen, könnte ich hinzufügen –, es sei denn, sie spielt irgendein Spiel. Meine Vermutung ist, dass Sie versuchen, jemanden zu beeindrucken.“

Julia widersprach ihm nicht, weil er recht hatte. Er versuchte sie so wütend zu machen, dass sie weglief und nicht wiederkam, aber sie weigerte sich, ihm diese Genugtuung zu bereiten. Außerdem wollte sie bleiben, trotz dessen, was er ihr gerade zugemutet hatte. Sie wollte ihm zeigen, dass sie es ernst meinte, dass ihr Mitgefühl echt war.

„Darf ich Sie etwas fragen?“, sagte sie.

„Was?“

„Wird der Soldat Jackson überleben?“

Einen schier endlosen, unangenehmen Moment lang blickte der Arzt sie an. Erst als sie sich unter seinem Blick innerlich bereits wand, schüttelte er den Kopf. „Nein. Wir haben nach seiner Frau geschickt. Sie sollte besser sofort kommen, wenn sie ihn noch einmal lebend sehen will.“

„Das tut mir leid“, sagte Julia ehrlich betroffen. „Er scheint ein netter Mann zu sein.“ Sie holte noch einmal tief Luft. „Wann soll ich morgen kommen?“

Dr. McGrath zögerte, dann sagte er: „Ich habe im Moment keine freie Stelle für eine Krankenschwester, aber wir brauchen jemanden, der sich um die Wäsche kümmert.“

Sie spürte, dass dies eine Beleidigung sein sollte, wieder eins seiner Spielchen. Doch auch diesmal war sie fest entschlossen, ihm den Triumph nicht zu gönnen. „Die Wäsche ist auch in Ordnung. Wann soll ich morgen hier sein?“

„Um sechs Uhr morgens.“

„Schön, Herr Doktor. Guten Tag.“ Julia wandte sich zum Gehen.

„Mrs Hoffman …“, rief er ihr nach, „bringen Sie morgen Ihr Riechsalz mit. Im Krankenhaus gibt es so etwas nicht und ich möchte Ihr hübsches kleines Gesicht nicht schon wieder ohrfeigen müssen.“