Über das Buch:
Daisy von Arnim ist davon überzeugt: Gott ist im Alltag erlebbar! Schon oft durfte sie in ihrem Leben die Erfahrung machen, dass Gott da war.

In ihrem neuesten Buch erzählt sie von den großen und kleinen Wundern in ihrem Leben. Von Momenten der Bewahrung, der Fürsorge, der liebevollen Zuwendung. Von Alltagswundern, durch die Gott seit ihrer Kindheit immer wieder aufs Neue sein »Ich bin da« in ihr Leben hineingesprochen hat. Damit möchte die Apfelgräfin ihre Leser ermutigen, die Augen zu öffnen für die Segensspuren, die Gott in ihrem eigenen Leben hinterlassen hat.

Über die Autorin:
Daisy Gräfin von Arnim ist gelernte Buchhändlerin. Nach der Wende zog sie mit ihrem Mann Michael ins Boitzenburger Land in der Uckermark, wo die Familie von Arnim jahrhundertelang beheimatet war. Dort betreibt die Unternehmerin das Apfel-Delikatessengeschäft „Haus Lichtenhain“.

Die Regentonne

Der Tierpark Sagerheide war ein wahres Kinderparadies. Wir hatten alle Freiheiten zum Spielen – in einem festgelegten Bereich, der sich, je älter wir wurden, weiter ausdehnte. Jeden Tag waren wir draußen. An Spielkameraden mangelte es uns selten. Alle kamen nur zu gerne zu uns.

Ich muss noch sehr klein gewesen sein, ca. vier oder fünf Jahre alt, schätze ich. Nicht so richtig irgendetwas spielend, war ich mal hier und mal dort, stromerte ziellos durch unseren Garten. Direkt am Haus gab es eine in die Erde versenkte Regentonne. Sie war einfach da. Heute wäre man wahrscheinlich vorsichtiger, aber damals schien sich keiner der Erwachsenen Gedanken zu machen, was für eine Gefahrenquelle diese Regentonne bot. Es gab auch kein Verbot, sich ihr zu nähern, zumindest nicht, soweit ich mich erinnern kann. In der Tonne wurde das Regenwasser vom Hausdach zum Blumengießen aufgefangen. Wir Kinder hatten diesen Ort bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich als Spielmöglichkeit entdeckt.

Aus irgendeinem Grund – ich weiß auch nicht mehr wieso – schlenderte ich zu der Regentonne und erblickte darin das vertraute Karomuster der Spielhose einer meiner Spielkameraden. Ohne mir etwas dabei zu denken, lief ich zu einem Absperrseil weiter, über das man herrlich hin und her hopsen konnte. Während ich so über das Seil sprang, schoss mir plötzlich, wie ein Blitz, der Gedanke durch den Kopf: Das war doch nicht nur die Hose, sondern das war mein ganzer Spielkamerad! Ich rannte ins Haus und schrie nach meiner Mutter. Diese lief augenblicklich zur Tonne und zog das Kind heraus. Als erfahrene Krankenschwester machte sie sofort Wiederbelebungsversuche.

Die Minuten, bis der Krankenwagen kam, dehnten sich zu Stunden. Erst eine gefühlte Ewigkeit später trafen die Rettungssanitäter ein. Jetzt rächte es sich, dass wir weitab vom nächsten Dorf, geschweige denn der nächsten Stadt wohnten.

Glücklicherweise überlebte mein Spielkamerad. Nach ein paar Tagen im Krankenhaus war er wieder ganz der Alte. Er hatte doch nur sein Spielzeug, das in die Regentonne gefallen war, wieder herausholen wollen!

Für mich waren die Tage, die er im Krankenhaus verbrachte, eine Zeit wundervoller Sonderbehandlungen und ich durfte Gummibonbons satt essen.

Unendlich dankbar bin ich heute noch dafür, dass Gott mir diesen Gedankenblitz an dem Absperrseil, über das man so schön hüpfen konnte, geschenkt hat. Eins war mir damals als kleines Mädchen schon klar: dass Gott es war, der mir diesen Gedanken so ganz plötzlich gegeben hatte. Ich hätte ja auch einfach weiter gedankenversunken hin und her hopsen können. Die Schuldgefühle, die mich mein Leben lang begleitet hätten, obwohl ich noch so klein war, wären für mich sicherlich unerträglich gewesen. Wie dankbar bin ich für die Bewahrung meines Spielkameraden, der heute ein erfolgreicher und sehr kluger Manager ist.

Das geliehene Rad

Eine meiner guten Schulfreundinnen zog mit ihren Eltern weit weg in den Süden Deutschlands. Mein Kummer war groß. Wie sollten wir uns künftig treffen, wenn wir in entgegengesetzten Teilen der Republik lebten? Irgendwie gelang es aber doch. Wo ein Wille ist, ist eben auch ein Weg, und meiner führte mich künftig häufiger nach Baden-Württemberg. Ich, flache Landschaften, aber Gegenwind gewohnt, war die ersten Male fix und fertig nach Spaziergängen in den Weinbergen einer Badener Kleinstadt, und gleichzeitig war ich fasziniert. Alles war irgendwie anders als bei uns in Niedersachsen und ich fühlte mich wie in einer fremden Welt. Der Dialekt, das Klima … alles fühlte sich ungewohnt, neu und aufregend an. Urlaube in den Süden organisierten meine Eltern nicht, sondern wenn überhaupt war Borkum, eine der ostfriesischen Inseln, das höchste der Gefühle.

Manchmal saß ich 12 bis 14 Stunden im Zug, um meine Schulfreundin zu besuchen. Für sie galt das umgekehrt genauso. Wir buchten nämlich beide immer die billigste Bahnfahrt, die wir finden konnten, und dann zog sich die Fahrt sehr hin.

Als ich wieder einmal eine Zeit lang bei meiner Freundin zu Besuch war, hatten wir an einem unserer Urlaubstage unterschiedliche Pläne. Ich nahm ihr Fahrrad und wollte in die Stadt zum Bummeln – für ein Landei wie mich war das immer sehr aufregend. Es gab in den Geschäften so viel zu entdecken! Der Weg in die Stadt hinunter führte über eine steile, enge, viel befahrene Straße. Das geliehene Fahrrad wurde schneller und schneller. Zu Beginn hatte ich die Situation noch gut unter Kontrolle. Doch dann versuchte ich zu bremsen. Von meinem Fahrrad zu Hause war ich es gewohnt, mit dem Rücktritt zu bremsen – aber das ging mit dem Rad meiner Freundin nicht. Als ich rückwärts trat, trat ich quasi ins Leere. Ich trat und trat, aber nichts passierte. Entsetzt fuhr ich direkt auf die stark befahrene Kreuzung zu. Plötzlich sah ich meine Freundin auf dem Bürgersteig laufen, die mir geistesgegenwärtig „Handbremse!“ zuschrie. Und zum Glück verstand ich sie. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich bei Rot über die viel befahrene Kreuzung gebrettert wäre. Der Schreck saß tief. Es war ein Wunder, kein Zufall, dass sie gerade in diesem Moment auf mich traf, dessen war ich mir damals schon sicher. Das war sekundengenaue göttliche Taktung!

Führerschein

Wenn die Jugendlichen hier in der Uckermark heute mit ihren tiefergelegten, aufgemotzten Autos und den vollen Musikbässen laut an unserem Haus vorbeifahren, ertappe ich mich dabei, wie ich omamäßig den Kopf schüttle, auch über mich, war ich doch selbst mal genauso unvernünftig und wild. Wie habe ich es geliebt, zu den Klängen von Pink Floyd, Joe Cocker oder Suzie Quatro volle Kanne Gas zu geben … bis zum Anschlag. Was waren wir cool! Dieses Gefühl von Coolness und Freiheit und Macht über die Geschwindigkeit war einfach grandios. Einfach nur Gas geben und schon ging’s los, erst mit dem ersparten Käfer, bei dem man vor lauter Rost fast auf die Straße durchsehen konnte und der nie eine volle Tankfüllung kannte, dann lange, lange nichts, bis mein Mann mir später „Hühnchen“ kaufte. Ein gelber Passat mit Fließheck, Baujahr anno dazumal vom privaten Automarkt in Wolfsburg. Ein Albtraum für meine autofixierten Brüder, aber ich liebte dieses Auto. Es war eben meins! Welche Freiheit. „Hühnchen“ war nur für Einkaufsfahrten und Fahrten zur Arbeit etc. gedacht, aber es erinnerte mich an meine wilden Zeiten.

Auf den Asphaltstraßen zwischen den Feldern in Ostfriesland konnte man, auch wenn man den Führerschein noch nicht in der Tasche hatte, schon mal klopfenden Herzens eine kleine Probefahrt im Auto der Freunde wagen, die den ersehnten Schein schon hatten. Wir wurden immer kühner, hatten Spaß an der Geschwindigkeit, quetschten uns oft zu sechst in ein Auto und los ging es. Die drei einzig möglichen Kneipen mit so ähnlichen Namen wie „Fiasko“, „Das Bett“ oder „Palazzo“ hatten es uns angetan und so ging es häufig von einer zur nächsten. Dabei wurde es von Mal zu Mal später. Dass meine Mutter voller Sorgen um mich mit klopfendem Herzen wach im Bett lag, fand ich damals außerordentlich überflüssig – wie leid tut mir das heute.

Von der Innenstadt bis zu den einzelnen Wohnorten innerhalb der Stadt zogen sich lange, gerade, gut beleuchtete Strecken hin, auf denen man gezwungen war, 50 km/h zu fahren, da es ja in der Stadt war. Wie unnötig. Es ging schließlich immer nur geradeaus und die zweispurige Straße war nachts so schön leer. Also drückten wir bei einer unserer Spritztouren auf die Tube. Bis 120 km/h – wie herrlich, wie verboten, wie spät in der Nacht – dieser Nervenkitzel – was kann schon passieren?! Wir starteten Verfolgungsjagden. Und das alles als frischgebackene Pastorentochter … mein Vater war ja mit 60 Jahren noch Pfarrer in einer Gemeinde in Wilhelmshaven geworden. Irgendwann wurde es mir jedoch zu wild und ich fand eine Möglichkeit nach Hause zu kommen. Am nächsten Morgen nach dem Aufstehen erwartete mich eine schreckliche Nachricht. Beim Wenden an einer Verkehrsinsel hatte eins der Autos – das, in dem ich auch hätte sitzen sollen – die Kontrolle verloren und einer der Insassen war tot. Tot. Vorbei. Aus. Er war der lustigste Kumpel von uns allen. Wir waren sprachlos vor Trauer und einfach nur erstarrt vor Entsetzen. In der überfüllten Kirche musste mein Vater, der zu diesem Zeitpunkt bereits Pfarrer war, die Beerdigungspredigt halten. Mir hat er keine Predigt gehalten. Dafür bin ich ihm immer noch dankbar. Schließlich habe ich mir selbst genug Vorwürfe und Gedanken gemacht. Leben! Diese Kostbarkeit! Dieses Wunder an sich! Wie wichtig ist es, es zu behüten und zu bewachen. Sein Unheil nicht herauszufordern! Für jeden Tag zu danken! Die Zeit auszukosten! Zu leben!

„Gott liebt dich“

Wollen Sie ein Heft über Gott von Mutter Basilea?“ Wer das ist, habe ich erst Jahre später gelernt: eine evangelische Ordensgründerin aus Darmstadt, die wunderbare Bücher geschrieben hat. Es war in der Fußgängerzone von Wilhelmshaven, wo ich eine Berührung von Gott erfahren habe, die ich nie vergessen werde. Dazu ein kleines Heftchen mit einigen Bibelversen, die mir bescheinigten, dass Gott mich liebt und er seinen Sohn für mich gegeben hat. Dann noch eine ähnliche Situation: ein Heftchen, wo Ähnliches drinstand, mit der mich ins Herz treffenden Botschaft: „Du bist geliebt. Du bist ein geliebtes Kind Gottes. Gott liebt dich. Du bist ein Kind Gottes.“

Was? Ich? Es hat mich schwer beschäftigt und ich habe diese Heftchen lange behalten. Das tat gut, stärkte und brachte zum Nachdenken. Heute ist es für mich ein Wunder, dass mich diese schlichten Heftchen angerührt haben. Wie viele Menschen werden nie angesprochen und haben nie die Gelegenheit, mit anderen Menschen über Gott zu sprechen.

In Kanada

Ja, wir hätten es nicht machen sollen. Es war wirklich dumm – aber die Verlockung groß. Nach dem Abitur hatten meine Eltern mir ein Jahr Auslandsaufenthalt in Kanada ermöglicht. Dort war es möglich, nach der Schule an der Universität erst einmal ein Jahr lang ein sogenanntes „Studium generale“ zu machen. Man bekam durch Vorträge Einblick in viele Wissensgebiete und musste Aufsätze schreiben. Solche Erfahrungen wünschte ich jedem Jugendlichen. Statt gleich eine Berufsausbildung zu machen oder zielgerichtet zu studieren und alles daranzusetzen, Karriere zu machen, sollte man erst einmal versuchen, etwas komplett anderes zu erleben.

Meine Studienfreundin Madelaine und ich hatten einige Tage frei und wollten die Gegend erkunden. Wir hatten natürlich kein eigenes Auto zur Verfügung. Die schöne Natur, die vielen Seen, die kleinen Dörfer, die endlosen Straßen, das sonnige Herbstwetter – all das ließ uns früh starten. Mit einem Bus ging es aufs Land. Wir fuhren bis zur Endstation und landeten in einem etwas langweiligen kleinen Dorf. Was nun? Das hatten wir uns anders vorgestellt. Da weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, beschlossen wir, zu Fuß in den nächsten Ort weiterzugehen. Leider war dieser ewig weit entfernt und so machte meine Freundin den Vorschlag zu trampen, falls sich die Gelegenheit dazu ergeben sollte. Meine Mutter hatte mir dies immer strengstens verboten, aber durch die weiten Strecken schien das Mitfahren per Anhalter in Kanada viel normaler zu sein. Meiner Freundin schien es überhaupt nichts auszumachen. Und ich wollte vor ihr nicht wie ein Feigling dastehen. Also machte ich mit. Tatsächlich hielt nach einiger Zeit ein Pick-up neben uns. Zwei Männer „Typ Holzfäller“ boten uns an, uns mitzunehmen. Ich wäre lieber nicht mitgefahren, sah aber keine Chance, aus der Nummer herauszukommen. Wir kletterten auf die Pritsche und ab ging es durch die kanadischen Wälder. Die endlose sandige Piste nahm kein Ende. Auf dem Pick-up wurde es bereits ganz schön kalt, als das Auto plötzlich langsamer fuhr und in einen Seitenweg einbog. Uns schwante nichts Gutes. Irgendwie gelang es uns nach einem harten Wortwechsel, dass die Männer uns gehen ließen und ohne uns weiterfuhren. Wir mussten den ganzen Weg zurück zur Hauptstraße laufen und unser Glück erneut probieren – anders wären wir aus diesem Nirgendwo nicht weggekommen. Nie wieder, nahm ich mir fest vor. Trotzdem machte ich Jahre später, dann allerdings in männlicher Begleitung, eine Trampertour ins Innere von Sardinien. Auch dort war ich im Nachhinein einfach nur behütet. Dann aber wirklich: „Nie wieder!“ In einer gewissen Lebensphase scheine ich völlig ohne Gefahrenbewusstsein gewesen zu sein. Ein Wunder, dass nichts passiert ist. Meiner Mutter habe ich diese Vorfälle nie erzählt …

Fasane

Mein Vater fuhr mit uns Kindern oft über die Dörfer im Oldenburger Land und kaufte für unseren Tierpark seltene Fasane auf, die die Menschen damals noch gerne züchteten. Es gibt wunderschöne bunte mit Namen wie Silberfasan, Goldfasan, ja sogar Diamantfasan oder Glanzfasan und, und, und. Die Welt der Vogelfreunde ist eine Welt für sich; es gibt sogar eine Fachzeitung mit dem Namen „Gefiederte Welt“, die mein Vater liebevollst sammelte und in speziellen Ordnern jahrgangsweise abheftete.

Ein besonderes Ereignis waren für uns Kinder immer die Fahrten zum Flughafen nach Bremen, wo mein Vater Hunderte Jagdfasane abholte, die in Ungarn gezüchtet worden waren. Anschließend verkaufte er sie dann an Zoos, Privatpersonen oder Jäger weiter, unter anderem zur Bereicherung der eigenen Artenvielfalt im Wald. Unser Tierpark wurde daher auch Fasanerie genannt.