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Inhalt

Ein vergeigtes Quallenkompott

Eins, zwei, drei, keine Hexerei!

Ein Taifun auf dem Schulhof

Verdutzt und zugenäht!

Lehrer und andere Verrückte

Eine Superheldin macht „Zisch!”

Radau im Rathaus

Eine luftige Schule

Wo der Wind weht

Vom Quatsch zum Quantensprung

Neue Freundschaft

Supertrumpf!

Bernhard bleibt besonnen

Mond- oder Bauchlandung?

Rettung mit Rechnung

Stress mit dem Kongress

Vom Guten und Bösen

Eine Lehrerin wird locker

 

Leseprobe – Ein heißer Sommer

Ein vergeigtes Quallenkompott

Karla Kolumna, die Reporterin der „Neustädter Zeitung“, machte sich Sorgen. Schon seit Tagen düste sie mit ihrem Roller durch die Straßen und suchte nach Neuigkeiten. Doch es passierte nichts. Alles ging seinen ruhigen Gang auf den Straßen, in den Häusern, ja sogar im Rathaus. Dazu zwitscherten die Vögel, die Blumen blühten und die Bienen summten. Karla seufzte. Wie bitte schön sollte sie bei so viel Idylle zu einer Schlagzeile kommen? Sie konnte ja schlecht schreiben: „Sensationell! Wieder nichts passiert in Neustadt!“

Oder vielleicht doch? Gerade als die Reporterin überlegte, ob das nicht möglicherweise sogar die schönste Nachricht für ihre Leser wäre, hörte sie ein merkwürdiges Brummen über ihrem Kopf.

Na so was! Da düste ja Bibi Blocksberg, die kleine Hexe, mit ihrem Freund Florian durch die Luft. Aber keineswegs auf Kartoffelbrei wie sonst. Oh nein! Die beiden flogen völlig frei umher – ganz ohne Besen und nur mit wedelnden Armen und fröhlichem Jauchzen.

„Bibi! Florian! Seid ihr jetzt unter die Vögel gegangen? Ahahaha!“, rief die Reporterin nach oben.

„Nein, wir benutzen düsenbetriebene Stiefel“, lachte Florian und flog zusammen mit Bibi in einer eleganten Kurve auf Karla zu.

Düsenbetriebene Stiefel? Erst jetzt bemerkte die Reporterin, dass die Schuhe von Bibi und Florian laut brummten und hinten aus dem Absatz kleine Dampfwölkchen ausstießen. „Oha!“, staunte Karla. „Wo kann man denn sowas kaufen?“

Bibi lachte und landete mit Florian vor dem Roller der Reporterin. „So was kann man nicht kaufen, Frau Kolumna. So was kann man nur hexen!“, erklärte sie.

Karla war begeistert und verlangte sofort, dass Bibi ihr auch so ein Paar düsenbetriebene Stiefel herbeihexte. „Damit könnte ich eine aufsehenerregende Reportage aus der Vogelperspektive machen und hätte eine tolle Schlagzeile“, malte sie sich aus.

Doch Bibi musste die Journalistin enttäuschen. „Tut mir leid, Frau Kolumna. Erstens braucht man etwas Übung, um mit den Düsenstiefeln zu fliegen. Und zweitens kann ich die Stiefel sowieso nur in der Größe von Tita Taifun hexen. Und die ist Ihnen sicher zu klein.“

„Tita Taifun? Wer ist das denn?“, fragte Karla verblüfft.

„Wie bitte? Sie kennen Tita nicht?“, rief Florian empört und erklärte Karla, dass Tita eine Superheldin sei, die ganz viel Wind machen könne.

„Und obwohl sie genauso alt ist wie wir, kämpft sie bereits gegen Bösewichte!“, sagte Bibi, und Karla kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Eine Superheldin im Alter der Kinder! Und sie kannte sie nicht! Das musste sich schleunigst ändern!

„Wo wohnt sie denn? Hier in Neustadt?“, erkundigte sich die Reporterin.

„Nein, in Orkan City“, antwortete Bibi.

„In einem Palast, der komplett aus Windmauern gebaut ist!”, fügte Florian hinzu.

In einem Windpalast in Orkan City? Das hörte sich wirklich fantastisch an. Karla wurde immer neugieriger. „Und wo liegt das genau?“, fragte sie, als die Schulklingel auf der anderen Straßenseite den Unterrichtsbeginn mit schrillem Ton ankündigte.

„Tut mir leid, Frau Kolumna, wir müssen los!“, entschuldigte sich Florian.

„Aber wenn Sie wollen, können Sie mit uns zur Schule kommen. Wir halten heute gleich in der ersten Stunde ein Referat über die Superheldin. Da erfahren sie alles über Tita und die anderen Comicfiguren“, schlug Bibi der Reporterin vor.

Comicfiguren? Karla stutzte für einen Moment, dann lachte sie laut auf. „Ach so! Tita ist eine Comicfigur! Das hätte ich mir ja gleich denken können. Deshalb hat sie so einen merkwürdigen Namen!“, rief Karla und klatschte sich mit einer Hand auf ihren Helm. „Viel Glück bei eurem Referat. Ich glaube, ich mache mich lieber auf die Suche nach wirklichen Sensationen“, verabschiedete sie sich dann von den Kindern und düste los.

„Aber Tita ist eine wirkliche Sensation!“, rief Bibi ihr etwas beleidigt hinterher. Dann stieß sie die Absätze ihrer Stiefel dreimal auf den Boden, um sie in Gang zu setzen, und düste mit Florian los. Die beiden dampften quer über die Straße in die Schule hinein, die Treppe hoch und direkt in ihr Klassenzimmer vor das Pult von Frau Müller-Riebensehl.

Das war natürlich ein Auftritt, den ihre Mitschüler nicht alle Tage zu sehen bekamen. „Wow! Genial!“, riefen sie den beiden zu, und einige klatschten und pfiffen sogar. Diejenigen, die erkannt hatten, dass Bibi und Florian nicht mit irgendwelchen, sondern den originalgetreuen Düsenstiefeln von Tita Taifun flogen, schrien sogar: „Was für ein vergeigtes Quallenkompott!“. Das war der Lieblingsspruch von Tita Taifun – egal, ob sie sich ärgerte, freute oder wütend war. „Quallenkompott“ eignete sich in Orkan City für alle Gelegenheiten.

Frau Müller-Riebensehl fand diesen Auftritt keineswegs „Wow! Genial!“ oder wie ein „vergeigtes Quallenkompott“. Die Lehrerin mit der spitzen Nase zog ihre Augenbrauen nach oben und sagte mit tadelnder Stimme: „Was soll das, Bibi Blocksberg? Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass in der Schule weder gehext noch irr in der Luft herumgeflogen wird?“

„Das ist nicht irr! Der Flug mit den düsenbetriebenen Stiefeln ist der Auftakt zu unserem heutigen Referat“, verteidigte sich die kleine Hexe.

„Düsenbetriebene Stiefel! Was ist das denn für ein Unsinn! Und von dir, Florian, hätte ich auch etwas anderes erwartet“, wandte sich die Lehrerin mit enttäuschtem Unterton an ihren Lieblingsschüler.

„Aber Sie wissen doch noch gar nicht, was Sie erwartet“, rief Florian und erinnerte Frau Müller-Riebensehl, dass Bibi und er heute ihr Referat zu „Helden unserer Zeit“ halten würden. Und ihr Held wäre Tita Taifun mit ihren Düsenstiefeln.

„Tita Taifun?“, entgegnete Frau Müller-Riebensehl verblüfft. „Wer bitte schön soll das denn sein?“

Bevor Bibi antworten konnte, meldete sich schon Moni zu Wort, die ebenfalls ein Fan von Tita war.

„Das ist eine supertolle Superheldin! Sie müssen unbedingt die 75 Comicbände von ihr lesen. Die sind so spannend, dass man manchmal sogar das Atmen vergisst“, erklärte sie ihrer Lehrerin.

„Ich vergesse niemals das Atmen und schon gar nicht wegen einer Comicfigur“, erwiderte Frau Müller-Riebensehl in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, was sie von dieser Art des Lesestoffs hielt. Nämlich nichts.

„Das Thema war ‚Helden unserer Zeit’, wandte sich Frau Müller-Riebensehl streng an Bibi und Florian. „Da erwarte ich natürlich, dass ihr über einen Forscher sprecht, der neue Medikamente entdeckt hat, oder über einen engagierten Tierschützer. Meinetwegen auch über einen herausragenden Sportler. Aber doch nicht über eine Comicfigur, die es gar nicht gibt!“ Frau Müller-Riebensehl war so empört, dass ihr grauer Dutt aufgeregt hin und her wackelte.

„Aber Tita Taifun gibt es doch – und sie ist eine Heldin unserer Zeit“, widersprach die kleine Hexe und holte ein zusammengerolltes Plakat aus ihrem Rucksack. „Sehen Sie, Frau Müller-Riebensehl. Das ist sie!“, sagte Bibi, entrollte das Plakat und zeigte der Lehrerin stolz die Zeichnung der Superheldin, die sie mit Florian angefertigt und mit allerlei hilfreichen Kommentaren versehen hatte. Neben den wilden blonden Haaren der Superheldin hatten Bibi und Florian beispielsweise „Sturmfrisur durch Wirbelspray in Form gehalten“ geschrieben, und neben ihren Düsenstiefeln stand eine genaue Anweisung, wie man damit fliegen konnte. „Dreimal mit dem Absatz auf den Boden schlagen und dann mit der Schuhspitze steuern!“

Doch es sah nicht so aus, als ob Frau Müller-Riebensehl das beeindrucken würde. Sie zog erneut ihre Augenbrauen nach oben und machte nur „Tststs!“.

Aber so leicht gab Bibi nicht auf. „Tita hilft allen Menschen. Sie ist sehr mutig und kämpft mit den tollsten Geräten gegen Bösewichte!“, erklärte sie der Lehrerin. Dabei deutete sie auf eine Art Schneebesen, der neben der Superheldin aufgemalt war. „Zum Beispiel mit diesem Molekülquirl da!“

„Molekülquirl? Was ist das denn für ein Unsinn?“, fragte Frau Müller-Riebensehl mit einem zur verächtlichen Schnute gekräuselten Mund.

„Das ist kein Unsinn!“, widersprach Bibi.

„Mit diesem Gerät kann Tita sogar Wände verschwinden lassen“, mischte sich jetzt Florian ein.

Doch die Lehrerin hatte endgültig genug. „Schluss jetzt, ich will von diesen Hirngespinsten nichts mehr hören! Und von einer Comicfigur schon gar nicht“, sagte sie und schickte Bibi und Florian auf ihren Platz. Dann trug sie beiden wegen Themaverfehlung eine Fünf in ihr kleines, rotes Notenbüchlein ein und begann mit einer Extrastunde Mathematik.

„Aber wir wollen das Referat von Bibi und Florian hören!“, protestierte Marita.

„Ja genau!“, fügte Moni hinzu.

„Tita, Tita!“, riefen die anderen Schüler im Chor in der Hoffnung, ihre Lehrerin damit umzustimmen.

Doch Frau Müller-Riebensehl klopfte energisch mit ihrem Zeigestab dreimal auf den Tisch und sagte in einem Ton, der allen kurz und bündig sämtliche Flausen aus dem Kopf jagte: „Wir sind hier nicht auf dem Sportplatz. Und wenn jetzt nicht sofort Ruhe herrscht, schreiben wir einen Test!“

Tatsächlich herrschte daraufhin Ruhe. Doch niemand folgte dem Unterricht oder kümmerte sich um die Sinuskurven, die die Lehrerin an die Tafel malte. Stattdessen war jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Moni und Marita blickten gähnend aus dem Fenster. Lukas kritzelte Roboter auf die Ränder seines Heftes. Selbst die strebsame Paula passte nicht auf und lernte stattdessen lieber Finnischvokabeln. Und Bibi und Florian? Die kochten natürlich vor Wut. Zwei Wochen lang hatten sie sich auf das Referat vorbereitet. Sie hatten das Plakat gestaltet, den düsenbetriebenen Stiefelflug trainiert und sich sogar verschiedene Szenen aus den Comics herausgesucht, die sie nachspielen wollten. Und jetzt so was! Kein Referat und dafür eine Fünf! Es dauerte, bis Bibi sich wieder beruhigt hatte. Dabei überlegte sie hin und her, wie sie ihre Lehrerin davon überzeugen könnte, dass Tita eine Superheldin und keineswegs eine Themaverfehlung war.

„Was meinst du, Florian? Vielleicht sollte ich Frau Müller-Riebensehl einen von meinen Comicbänden schenken, damit sie selbst nachlesen kann, wie toll Tita ist!“, schlug sie ihrem Freund in der großen Pause vor.

Florian winkte ab. „Vergiss es, Bibi! Wenn sich Frau Müller-Riebensehl einmal eine Meinung gebildet hat, bleibt sie dabei. Egal ob sie einen Comic liest oder Tita Taifun persönlich vor ihr steht!“

Bibi blickte ihren Freund plötzlich mit großen Augen an. Dann begann sie laut zu lachen. „Das ist es, Florian! Tita muss persönlich vor Frau Müller-Riebensehl stehen!“, rief sie.

„Nein, Bibi, du hast mich falsch verstanden …“, versuchte Florian zu berichtigen.

Doch Bibi hatte ihn sehr wohl verstanden. „Das ist die Lösung. Wenn Frau Müller-Riebensehl Tita persönlich kennenlernt, wird sie begreifen, dass eine Superheldin keine Themaverfehlung ist!“

Florian war von dieser Idee leider nicht so begeistert wie Bibi.

„Aber Bibi, du willst doch nicht etwa …?“

Doch! Genau das wollte Bibi!

Gleich nach der Schule flog sie deshalb mit ihren Düsenstiefel nach Gersthof und zwar so schnell wie möglich. Und Florian? Der düste seiner Freundin natürlich hinterher – allerdings mit sorgenvollem Gesicht und den schlimmsten Befürchtungen.

Eins, zwei, drei, keine Hexerei!

Zum Glück waren die Eltern der kleinen Hexe an diesem Nachmittag nicht zu Hause. Barbara war mit ihrer Freundin Amanda in den Knurzelwald zum entspannenden Hochmoorbaden gefahren. Und Bernhard war noch im Büro. Bibi konnte deshalb ohne Probleme und Heimlichtuerei ins Hexlabor gehen und im Hexbuch ihrer Mutter nach einem passenden Spruch suchen.

„Ich weiß wirklich nicht, Bibi, ob das so eine gute Idee ist“, versuchte Florian seine Freundin aufzuhalten.

Doch die kleine Hexe war nicht zu bremsen. „Das ist sogar eine sehr gute Idee“, widersprach sie und blätterte im Hexbuch. Es dauerte nicht lange, bis sie im Kapitel Bücher und wie man Figuren daraus lebendig hext’ fündig wurde.