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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

Subscribed: Why the Subscription Model Will Be Your Company’s Future – and What to Do About It

ISBN 978-0-525-53646-8

Copyright der Originalausgabe 2018:

Copyright © 2018 by Tien Tzuo.

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition published by arrangement with Portfolio, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Peguin Random House LLC.

Copyright der deutschen Ausgabe 2019:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Übersetzung: Matthias Schulz

Covergestaltung: Holger Schiffelholz

Gestaltung und Herstellung: Daniela Freitag

Satz: Martina Köhler

Lektorat: Karla Seedorf

Druck: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-86470-609-7

eISBN 978-3-86470-610-3

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Tel: +49 9221 9051-0 • Fax: +49 9221 9051-4444

E-Mail: buecher@boersenmedien.de

www.plassen.de

www.facebook.com/plassenverlag

Für meine Frau Mariana,
die mich ermutigte, den Sprung zu wagen
.

Und meine Tochter Ciana –
du gibst allem einen Sinn
.

INHALT

EINFÜHRUNG

TEIL 1:

DIE NEUE SUBSKRIPTIONS-WIRTSCHAFT

KAPITEL 1:

Das Ende einer Ära

KAPITEL 2:

Einzelhandel neu gedacht

KAPITEL 3:

Das neue Goldene Zeitalter der Medien

KAPITEL 4:

In der Luft, auf der Schiene, auf der Straße

KAPITEL 5:

Unternehmen, die früher als Zeitungen bekannt waren

KAPITEL 6:

Schlucken Sie den Fisch – Lektionen aus der Wiedergeburt der Technologiebranche

KAPITEL 7:

Das Internet der Dinge und der Aufstieg und Untergang der Fertigung

KAPITEL 8:

Das Ende des Besitzes

TEIL 2:

ERFOLGREICH IN DER NEUEN SUBSKRIPTIONS-WIRTSCHAFT BESTEHEN

KAPITEL 9:

Der „WTF“-Moment

KAPITEL 10:

Innovation – Für immer im Beta bleiben

KAPITEL 11:

Marketing – Die vier P werden neu gedacht

KAPITEL 12:

Vertrieb – Die acht neuen Wachstumsstrategien

KAPITEL 13:

Die Finanzabteilung – Der neue Architekt der Geschäftsmodelle

KAPITEL 14:

IT – Abonnenten statt Artikelnummern

KAPITEL 15:

Mit dem „PADRE“-Modell eine Abo-Kultur aufbauen

ANHANG:
Der Subscription Economy Index

DANKSAGUNG

QUELLEN

EINFÜHRUNG

Vor ein paar Jahren schrieb ich für das Magazin Fortune1 einen Beitrag, in dem ich vom Besuch einer Business School abriet. Meine These: Das sei Zeitverschwendung, weil die Business Schools seit 100 Jahren praktisch nur eine Idee verkaufen würden, dass nämlich jedes Unternehmen nur ein einziges Ziel verfolgt – ein Erfolgsprodukt zu entwickeln und dann möglichst viel von diesem Produkt zu verkaufen. Das senkt die Fixkosten und macht es möglich, über die Margen konkurrieren zu können. Dieses Geschäftsmodell habe sich totgelaufen, die Dinge hätten sich geändert, argumentierte ich.

Mein Ansatz war ein anderer: Ein Unternehmen solle sich die Wünsche und Bedürfnisse eines bestimmten Kundensegments ansehen und dann eine Dienstleistung schaffen, die diesen Kunden anhaltenden Wert bietet. Die Idee dahinter: Kunden sollten Abonnenten werden und auf diese Weise wiederkehrende Einnahmen generieren. Den Kontext für diesen Wandel bezeichnete ich als „Subskriptions-Wirtschaft“.

Oh Mann, was musste ich mir alles anhören wegen diesem Artikel. „Glaubst du wirklich, wir hätten es nicht kapiert, Tien? Glaubst du, wir würden den Unterschied zwischen einem Produkt und einer Dienstleistung nicht begreifen? Glaubst du, so etwas ist in der Business School kein Thema?“ Das waren nur eine kleine Auswahl der Kommentare. Dass ich noch immer sehr viel mit meiner alten Business School zusammenarbeite, hat die Dinge auch nicht gerade erleichtert. Jedes Jahr halte ich dort Vorträge und helfe bei einigen Kursen aus. Da war schon der eine oder andere scheele Blick dabei.

Ich gebe es ja zu: Einige Kritiker hatten recht. Ich habe meinen Abschluss an der Business School Ende der 1990er-Jahre gemacht. Seit damals dürfte sich der Lehrplan hier und da schon verändert haben, aber ich wette, dass der Großteil unverändert geblieben ist, vor allem in den Einführungskursen. Ich glaube das nicht nur, ich weiß es. Tag für Tag sehe ich von klugen jungen MBA-Absolventen geführte Unternehmen gegen die Wand fahren, während sie magischen Verkaufsschlagern nachjagen. Sie sind nicht konkurrenzfähig, weil sie verkehrt herum aufgebaut sind – erst kommt das Produkt, dann der Kunde. Diese Reihenfolge muss umgedreht werden. Keines dieser Unternehmen hat eine Vorstellung davon, wem sie ihre Produkte verkaufen möchten.

Sehen Sie sich Ihre jüngste Kreditkartenabrechnung an und zählen Sie durch, für wie viele Buchungen Sie Ihre Kreditkarte gar nicht zücken mussten. Wahrscheinlich stehen da monatliche Zahlungen für Netflix und Spotify Premium, möglicherweise noch eine Gebühr für Dropbox, denn Sie sind ja (spätestens nach der Lektüre dieses Buches) mit allen Wassern gewaschen und speichern deshalb Ihre Dateien in der Cloud. Vielleicht erhalten Sie regelmäßig Essensoder Snackboxen, haben ein Moviepass2-Abo abgeschlossen, möglicherweise unterstützen Sie auch auf Patreon einen Podcast. Ihnen geht es weniger darum, Dinge zu besitzen als darum, auf Dienste zugreifen zu können, die Ihre Bedürfnisse abdecken.

Und was ist mit Ihrem PC bei der Arbeit? Ertönt beim Hochfahren noch immer ein Jingle und dann sieht man eine Landschaft mit rollenden grünen Hügeln, während sich am unteren Bildschirmrand schleppend ein halbes Dutzend langsamer, anfälliger Anwendungen aufbaut? Ich hoffe sehr, dass dem nicht mehr so ist. Möglicherweise läuft es bei Ihnen längst viel einfacher ab: Sie melden sich an, es erscheinen ein paar simple Apps auf dem Desktop und ein Browser. Vielleicht ist Ihr Unternehmen für seinen E-Mail-Verkehr auf Gmail umgestiegen, sodass Sie nicht mehr alle halbe Jahre Ihre alten Outlook-Dateien löschen müssen. Vielleicht nutzt die Firma auch Box für die Dateispeicherung, und wo früher der Serverraum war, findet man heute Tischtennisplatten und eine Lounge-Ecke.

Heutzutage fühlt sich das alles ganz anders an. Warum ist das so? Weil wir meiner Ansicht nach an einem Wendepunkt in der Unternehmensgeschichte stehen, vergleichbar mit nichts seit den Zeiten der Industriellen Revolution. Vereinfacht gesagt bewegt sich die Welt weg von Produkten hin zu Dienstleistungen. Abonnements explodieren, weil Milliarden digitale Verbraucher Zugang dem Besitzen vorziehen, die meisten Unternehmen aber nach wie vor darauf ausgelegt sind, Produkte zu verkaufen. Sie sind nicht gut auf die nächsten 100 Jahre Geschäftemacherei eingerichtet, was dazu führt, dass sich enorme Möglichkeiten bieten. Wenn Sie mit Ihrem Unternehmen nicht jetzt auf dieses Geschäftsmodell umsteigen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie in einigen Jahren gar kein Geschäft mehr haben, das Sie umstellen könnten.

WARUM DIESES BUCH, WARUM JETZT?

Die ersten Anzeichen konnte man bereits vor zehn Jahren beobachten. Damals verschickte Netflix noch immer monatlich DVDs per Post, aber schon das reichte aus, um Blockbuster2 das Wasser abzugraben und unsere Art und Weise, Medien zu konsumieren, zu verändern. Das Zeitalter des Online-Streamings stand kurz bevor (Reed Hastings nannte sein Unternehmen nicht umsonst Netflix). Zipcar war ein interessantes neues Konzept, das zunächst als auf Stundenbasis arbeitender Wettbewerber zu Hertz und Budget angesehen wurde, aber es war bereits abzusehen, wie sich im Bereich Pkw und Transport neue Ideen auftaten – Ideen, aus denen Uber und Lyft später Kapital schlagen sollten. Und natürlich war gerade das iPhone auf den Markt gekommen. Damals war es eher ein Stück Unterhaltungselektronik, eine Sammelstelle für Plug-&-Play-Apps, aber es gab bereits das Potenzial für Geolocation-Dienste, die Identifizierung mittels Telefon sowie für Kurznachrichtendienste. Die Nutzungsbandbreite nahm zu, die Plattformkosten sanken, was den Weg für den nächsten logischen Schritt bereitete – digitale On-Demand-Dienstleistungen. Sie schossen wie Pilze aus dem Boden.

Damals beschlossen wir, ein neues Unternehmen ins Leben zu rufen und es Zuora zu nennen. Wir planten eine brandneue Plattform für Abonnement-Abrechnung und -Finanzierung. Wie so viele Unternehmen damals (Zendesk im Bereich Kundendienst, Okta im Bereich Passwörter, Xero bei der Buchhaltung) versuchten wir, eine Lösung für ein großes, langweiliges und nerviges Problem anzubieten. Ein Geschäftsprozess, den alle hassen, der unglaublich komplex ist und enorm viel Geld schluckt, stellt für jeden Unternehmer eine tolle Gelegenheit dar. Behalten Sie bitte im Hinterkopf, dass wir hier über die späten 2000er-Jahre sprechen, uns also mitten in der Weltwirtschaftskrise befanden. On-Premise-Software hatte es schwer, im Einzelhandel kam es zu Blutbädern, der Autoabsatz brach völlig ein, das Anzeigengeschäft löste sich in Luft auf.

Vielen Firmen und Investoren zog es 2008 den Boden unter den Füßen weg und ihnen wurde klar, dass sie mit einer eigenen Version des Hollywood-Wirtschaftsmodells arbeiteten: Man pumpt enorme Summen in die Entwicklung eines Produkts und betet dann, dass es ein Erfolg wird. Wenn es nicht klappt – Pech gehabt. Diese Unternehmen durchblickten ihre Finanzen nicht, ihren Prognosen fehlte jegliche Vorhersagbarkeit. Sie begannen jedes Quartal mit leerem Konto und mussten kämpfen und weiter kämpfen, bis sie ihre Vorgabe erreicht hatten. Beim Subskriptions-Modell läuft das anders: Ein zehn Millionen Dollar schweres Unternehmen mit 80 Prozent Abo-Einnahmen beginnt jedes Jahr mit acht Millionen Dollar in der Bank. Stellen Aktienkurse vorwärts gerichtete Prognosen dar, dann sind Abos vorwärtsgerichtete Umsatzmodelle.

Den Zuora-Gründern war all dies natürlich bekannt. Ich hatte das große Glück, als Mitarbeiter Nummer 11 zu Salesforce zu stoßen, und trug dazu bei, aus der Firma im Verlauf der nächsten zehn Jahre einen milliardenschweren Konzern zu formen. Wir alle, die wir früh bei Salesforce begannen, kamen aus der traditionellen On-Premise-Softwarebranche. Wir alle hatten dieses Geschäft ziemlich über. Firmen wie Oracle, Siebel und andere stellten unserer Meinung nach ein unnötig kompliziertes Produkt her, das von einer söldnerartigen Vertriebsmannschaft verkauft und von einer parasitären Industrie für Systemintegration beworben wurde. Der Millennium-Bug war gerade das Thema. Auf jeden Entwickler kamen zehn Vertriebsleute. Die Hälfte der Anwendungen schaffte es nicht bis zur Marktreife und selbst bei den Produkten, die als „Erfolg“ eingestuft wurden, gab es genügend Endnutzer, die das Produkt hassten. Die Branche hatte ihre Kunden völlig aus den Augen verloren, sie hatte keine Ahnung, wer diese Kunden waren, was sie Tag für Tag taten, was ihnen an ihren IT-Systemen gefiel und was sie daran aufregte. Die Zeit war reif für einen Wandel.

Wir arbeiteten in der kleinen Mietwohnung von Marc Benioff und wollten eine neue Form der Nutzererfahrung kreieren, etwas, das so reibungslos und so intuitiv ablief wie das Kaufen eines Buches bei Amazon. Doch je intensiver wir uns damit befassten, desto klarer wurde, dass wir all unsere Denkprozesse auf den Kopf stellen mussten. Wir mussten Sinn und Zweck eines Software-Unternehmens von Grund auf überdenken und die über allem stehende Frage neu formulieren – von „Wie viele Produkte kann ich verkaufen?“ hin zur Frage „Was will mein Kunde und wie kann ich es ihm als intuitive Dienstleistung liefern?“.

Als Salesforce an den Start ging, war allen rasch klar, dass man es hier mit etwas Neuem zu tun hatte – keine gewaltigen Installationen mehr, keine Berge an Hardware. Es war Software als Dienstleistung und kein statisches Produkt. Das versetzte uns in die Lage, uns neue Ansätze für die Vermarktung und den Verkauf einfallen zu lassen und ein tatsächlich auf Abonnements basierendes Unternehmen zu betreiben. Wir entwickelten Ideen wie nutzungsabhängige Preismodelle, mehrstufige Ausgaben, Customer-Success-Organisationen, Dinge, die heutzutage bei Software-als-Service-Unternehmen (SaaS) zum üblichen Vorgehen gehören. Als wir damals Salesforce aufbauten, gab es dergleichen überhaupt nicht, wir mussten das alles erst erfinden.

Es bringt aber auch Nachteile mit sich, wenn man mit allem bei null anfangen muss. So wussten wir, dass wir bei Backoffice-Systemen einen völlig neuen Weg würden einschlagen müssen, damit dieses neue Geschäftsmodell funktionierte. Was wir benötigten, war dem Modell eines Telekommunikationsunternehmens oder eines Verlages ähnlicher. Damit kannte ich mich seit meinen Tagen bei Oracle aus, derartige Modelle gab es jedoch nicht als Bausatz. Was es gab, war für Telefon-Riesen oder Energiekonzerne ausgelegt, also mussten wir uns alles selbst bauen. Es kostete uns jedes Jahr Millionen Dollar, das Rechnungswesen, den Handel, die Angebotsseite und überhaupt die gesamte Infrastruktur auf- und auszubauen. Rasch erkannten wir, dass wir hier ein Problem hatten, aber uns war auch klar, dass es keine gute Idee war, ein Entwicklerteam von der Arbeit an unserem Kernprodukt abzuziehen und darauf anzusetzen, eine eigene Abrechnungslösung zu entwickeln.

2007 sprach Marc mit K. V. Rao und Cheng Zou von WebEx und bat mich zu dem Treffen dazu. Die Hälfte des Meetings ging schließlich für unser Gejammer über das Abrechnungssystem drauf. Marc schimpfte darüber, dass er für diese blöde selbst gebaute Abrechnungslösung ein paar Millionen Dollar würde in die Hand nehmen müssen, und Zou erklärte: „Ja, genau. Wir haben dasselbe Problem. Der reinste Albtraum. Wir haben 40, 50 Leute, die daran arbeiten.“ Dann sagte Rao: „Mann. Wenn Salesforce und WebEx dieses Problem haben, dann ist das vielleicht eine gute Geschäftsidee.“ Vielleicht, ja.

Während der nächsten Monate diskutierten wir weiter. Rao war sehr angetan von der Idee einer auf die Abrechnung von Abonnements spezialisierten SaaS-Firma, während ich noch nicht völlig überzeugt war. Wir standen vor denselben Fragen wie alle potenziellen Start-up-Unternehmen: „An wen werden wir verkaufen? Wie groß ist dieser Markt tatsächlich? Wird es ein Software-Unternehmen sein, das nur an andere Software-Unternehmen verkauft, oder verbirgt sich dahinter eine größere Chance?“ Je mehr ich darüber nachdachte, desto deutlicher wurde mir bewusst, dass die Idee des Abo-Modells nichts war, was ausdrücklich auf den Softwaremarkt beschränkt war. Gleichzeitig wurde mir klar, dass mir alles, was ich bei Salesforce lernte – nicht nur die technologische Seite, sondern auch all die Innovationen, das Marketing und der Vertrieb -, in sämtlichen Abonnement-Unternehmen branchenübergreifend von Nutzen sein würde.

Heute kann Zuora tausende Kunden aus Dutzenden Branchen vorweisen. Wir arbeiten mit Streaming-Unternehmen, mit Verlagen, mit Zeitungen, mit herstellenden Betrieben, mit Anbietern von Online-Learning-Diensten, mit Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft. Wir kooperieren mit Firmen, die gewaltige Traktoren bauen, ebenso wie mit kleinen Infrastruktur-Start-ups, die Cannabis vertreiben. Unsere Kunden lassen Flugzeuge aufsteigen, bringen Züge aufs Gleis oder bewegen Automobile. Tagtäglich managen wir Milliarden Dollar an Abonnement-Umsätzen. Infolgedessen wissen wir sehr viel über dieses Modell und wie es sich auf alle möglichen Bereiche anwenden lässt. So haben wir herausgefunden, dass Unternehmen mit Abo-Modellen ihren Umsatz mehr als neunmal so schnell steigern wie die Firmen im S&P-500-Aktienindex (im „Subscription Economy Index“ am Ende des Buches finden Sie aktuelle Zahlen zu diesem Thema). Unsere Entwicklungsabteilung hat sehr ausführlich zu speziellen Zielen geforscht, die Sie – abhängig von der Größe und Art Ihres Unternehmens – anpeilen sollten, außerdem hat sie individuelle Bedrohungen ausgemacht, die Sie nach Möglichkeit vermeiden sollten.

WAS SIE IN DIESEM BUCH LERNEN WERDEN

Ich habe aufgehört mitzuzählen, wie oft am Ende meiner Präsentationen jemand zu mir kommt und von mir Grundlegendes dazu wissen möchte, wie man ein traditionelles, produktbasiertes Unternehmen auf ein Abo-Umsatzmodell umstellt. Wettbewerber können vielleicht Ihre Produkteigenschaften abkupfern, aber an die Erkenntnisse, die Sie aus einem aktiven, loyalen Abonnentenstamm ziehen, kommen sie nicht heran. Ich denke, was Sie suchen, ist mehr Klarheit, was die Funktionsweise des Modells angeht und wie Sie es am besten auf Ihr Unternehmen übertragen können. Ein paar Benchmarks aus der Wirtschaft können nicht schaden, ebenso wenig relevante Fallstudien und Beispiele für Best Practices. Genau das ist das Ziel dieses Buches.

Gleichzeitig versuche ich, eine Lücke zu füllen. Es gibt nämlich überraschend wenig anständige Ressourcen zu diesem Thema. Wenn Sie etwas über Mitgliedsprogramme im Verbraucherbereich oder Subscription-Box-Modelle suchen, finden Sie reichlich Material, ebenso gibt es jede Menge über SaaS, wenn man jedoch aus Unternehmenssicht nach einer grundsätzlichen Anleitung sucht, wie der Umstieg auf wiederkehrende Umsätze gelingt, dann ist das Ende der Fahnenstange sehr rasch erreicht. Abonnements waren zuletzt ein großes Thema in der Presse, aber ich werde Ihnen hier das wichtigste Material zusammentragen, die Gesetzestafeln sozusagen. In Teil 1 dieses Buches sehen wir uns an, inwieweit Abonnements einige Branchen verändert haben. In Teil 2 geht es dann mehr um taktisch-operative Einzelheiten, die relevant sind, wenn Sie unternehmensweit das Abo-Modell anwenden. Im Folgenden einige Aspekte, die ich behandeln werde:

imageWie das Abo-Modell jede Branche auf dem Planeten verändert, darunter auch den Einzelhandel, den Journalismus, die verarbeitende Industrie, die Medien, das Transportwesen und Firmensoftware;

imagedas grundlegende Finanzmodell und die wichtigsten Wachstumskennzahlen für abo-basierte Unternehmen;

imagewie das Subskriptions-Modell Ihre Herangehensweise in Sachen Entwicklung, Vermarktung, Vertrieb, Finanzierung und IT-Fragen beeinflusst;

imagedie acht zentralen Wachstumsstrategien sämtlicher mit Subskriptions-Modellen arbeitenden Firmen und

imageein auf Abo-Firmen zugeschnittenes operatives Grundgerüst, bei dem die Kunden im Mittelpunkt stehen.

Eines möchte ich klarstellen: Es handelt sich hier nicht einfach um eine weitere Story, die nur für das Silicon Valley von Relevanz ist, abgesehen davon ist das auch kein Buch über das Silicon Valley (davon gibt es bereits reichlich). Das hier ist eine Business-Story. In vielerlei Hinsicht begünstigt dieses Buch die alteingesessenen Firmen, die „Platzhirsche“, denn all dem Gerede über technologische Disruption liegt letztlich eine ganz einfache, aber sehr mächtige Idee zugrunde: Die Unternehmen fangen endlich an, ihre Kunden zu begreifen.

Lernt man endlich seine Kundschaft kennen, hat das für ein Unternehmen umwälzende Folgen. Das wirkt sich auf jede einzelne Funktion aus. Bei einem Abo-Modell fängt Ihr Entwicklungsteam plötzlich an, auf der Grundlage der Nutzerdaten neue Dienstleistungen zu entwickeln und nicht mehr wie zuvor auf die lauteste Stimme im Raum zu hören. Ihr Finanzteam hat im Wettlauf gegen den Kundenschwund die Nase vorn und kann neue Ideen ausprobieren. Ihr Kundendienst reagiert nicht mehr auf Tickets, sondern berät proaktiv. Das Marketing kann die Preispolitik an den Wert koppeln und kreative neue Pakete und Dienstleistungen entwickeln. Auf einmal werden Sie nicht mehr durch Backend-Prozesse gelähmt, die nicht angepasst oder skaliert werden können. Die operativen Abläufe sind nicht länger linear wie bei einer Eimerkette. Ihr Unternehmen ist flexibel, aber klar strukturiert, liefert reproduzierbare Ergebnisse und kann optimal reagieren. Vor allem aber steht immer und jederzeit der Kunde im Mittelpunkt.

TEIL 1

DIE NEUE SUBSKRIPTIONS-WIRTSCHAFT

KAPITEL 1

DAS ENDE EINER ÄRA

Wie sieht digitaler Wandel aus? Lassen Sie uns zunächst eines ganz deutlich machen: „Digitaler Wandel“ ist ein ausgesprochen schwammiger Ausdruck. Der Begriff klingt sehr pfiffig und wird viel in Meetings verwendet, er taucht in McKinsey-Berichten auf und in Artikeln der Harvard Business Review. Wenn dieses Wort fällt, nicken viele Menschen reflexhaft mit dem Kopf, aber ob sie tatsächlich alle wissen, was damit gemeint ist? „Digitaler Wandel“ kann alles bedeuten oder nichts.

Ich möchte Ihnen erklären, was er meiner Ansicht nach aussagt. Sie kennen vermutlich die Statistik: Von den Unternehmen, die im Jahr 2000 auf der „Fortune 500“-Liste standen, existiert mittlerweile nicht einmal mehr die Hälfte.1 Einfach weg! Fusioniert, aufgekauft, bankrott, wie auch immer, sie sind von der Liste verschwunden. 1975 betrug die Lebenserwartung eines „Fortune 500“-Unternehmens 75 Jahre, heute bleiben einem 15 Jahre, seine Zeit ganz oben zu genießen, bevor die Lichter ausgehen. Woran liegt das? Es bringt wenig, nach Gründen für das Scheitern zu suchen und nachzusinnen, welche Firmen es alles erwischt hat, wir sollten uns vielmehr die Konzerne genauer ansehen, die noch immer ganz vorne dabei sind.

Große Hersteller wie GE und IBM schafften es 1955 auf die allererste Liste und sie haben sich bis heute gehalten. Ist Ihnen aufgefallen, dass diese Firmen nicht mehr viel über ihre Großrechner, Kühlschränke und Waschmaschinen reden? Sie sprechen vielmehr davon, „digitale Lösungen anzubieten“, was auf eine – zugegebenermaßen arg jargonbehaftete – Art und Weise nichts anderes heißt als: Die Hardware ist nur Mittel zum Zweck. Oder noch anders formuliert: Diese Firmen konzentrieren sich heute darauf, ihren Kunden zu Resultaten zu verhelfen, anstatt ihnen einfach nur die Gerätschaften zu verkaufen.

In der ersten „Fortune 500“-Liste lag GE 19552 auf Platz 4, und während ich dieses Buch im Herbst 2017 schreibe, rangiert das Unternehmen auf Platz 13. GE wurde 1889 als Edison General Electric Company gegründet. Es stellte damals Glühbirnen, elektrische Armaturen und Dynamos her und bot sie zum Verkauf an. Heute erzielt GE den Großteil seines Umsatzes mit Dienstleistungen, nicht mit Produkten. Während der Übertragung der Oscar-Verleihung schaltete GE Werbespots mit dem Slogan „Das Digitalunternehmen. Das auch ein Industrieunternehmen ist“.3 Diese Neuausrichtung hat es GE erlaubt, zu überleben und seinen Platz auf der „Fortune 500“-Liste zu verteidigen.

IBM lag 1955 auf Platz 61 der „Fortune 500“-Liste, heute findet man das Unternehmen auf Platz 32. Anfangs verkaufte IBM kommerzielle Waagen und Maschinen zur Verarbeitung von Lochkarten, heute bietet es Dienstleistungen im Bereich IT- und Quantenrechner an. IBM hat sich umwälzend verändert, von einem Produkthersteller hin zu einem Giganten der Unternehmensdienstleistungen. Heutzutage arbeitet IBM mit Watson, einer Technologieplattform, die normale menschliche Sprache versteht und mithilfe maschinellen Lernens aus gewaltigen Mengen unstrukturierter Daten Erkenntnisse ableitet. In seiner Werbung lässt IBM Bob Dylan mit einer künstlichen Intelligenz plaudern. Der Konzern ist nun im Feld der Cognitive Services aktiv – eine ganz schön aufregende Entwicklung, wenn man bedenkt, womit das Unternehmen einmal angefangen hat.

Von den Firmen, die 1955 auf der „Fortune 500“-Liste standen, sind zwölf Prozent bis heute dabei und die meisten von ihnen haben sich auf ähnliche Weise gewandelt. Xerox etwa hat mit der Herstellung von Fotopapier und Fotoausrüstung angefangen und operiert heute als Informationsdienstleister. McGraw-Hill druckt keine Lehrbücher und Magazine wie das American Journal of Railway Appliances mehr, sondern bietet Finanzdienstleistungen und adaptive Lernsysteme an. NCR verkaufte zu Zeiten des Wilden Westens Registrierkassen an Saloons, heute konkurriert man mit Firmen wie Square im Bereich digitaler Zahlungen. Dinge erwirbt man dort nicht mehr wirklich.

Und was ist mit den neueren Namen auf der Liste? Mit dem „neuen Establishment“, Konzernen wie Amazon, Google, Facebook, Apple und Netflix, den Namen also, die uns sofort vertraut erscheinen, die tatsächlich aber erst seit relativ kurzer Zeit auf der „Fortune 500“-Liste stehen? Sie sind im Eiltempo an die Spitze der Liste geschossen und es scheint nicht so, als würden sie dort in absehbarer Zukunft wieder verschwinden. Diese Firmen haben sich niemals als Produktunternehmen betrachtet, insofern war auch keine Transformation erforderlich. Vom Start weg waren diese Unternehmen voll und ganz darauf ausgerichtet, direkte digitale Beziehungen zu ihren Kunden aufzubauen. Den etablierten Konzernen ist das aufgefallen.

Wir wollen uns ein großes Unternehmen ansehen, mit dem wir alle bestens vertraut sind – Disney. Disney-CEO Bob Iger sagte vor einiger Zeit: „Es ist schon ein ziemlicher Glücksfall, wenn man wie wir Disney, ABC, ESPN, Pixar, Marvel, Star Wars und Lucasfilm hat, aber in der heutigen Zeiten reicht selbst das kaum aus, hat man nicht außerdem Zugang zu seinen Verbrauchern.“4 Abgesehen von dem, was Disney über das Publikum seiner Themenparks an Erkenntnissen gewinnt, weiß das Unternehmen aktuell kaum etwas über seine einzelnen Kunden. Kaufe ich bei Walmart eine Disney-DVD, macht mich das nicht zum Disney-Kunden, sondern zum Walmart-Kunden. Sehe ich mir in einem AMC-Kino den neuesten „Star Wars“-Film an, macht mich das zum Kunden von AMC Theaters und nicht von Disney. Für Disney scheint sich all das schon sehr bald zu ändern.

Und zu guter Letzt: Was ist mit all den jungen Emporkömmlingen, den Firmen, die schon bald ganz oben in der „Fortune 500“- Liste stehen könnten, die neuen Disruptoren wie Uber, Spotify und Box? Diese Firmen erschienen und eroberten alles im Sturm. Nicht nur, dass sie keine Produkte verkaufen, sie haben ganz neue, eigenständige Märkte erfunden, neue Dienstleistungen, neue Geschäftsmodelle und neue Technologieplattformen. Sie haben dafür gesorgt, dass viele alteingesessene Unternehmen ihnen nun hinterherhecheln. Verbraucher sind verrückt nach diesen Marken, diesen Dienstleistungen und dem Wert, den sie für uns haben – und der weit über das hinausgeht, was ein einzelnes Produkt uns je bieten könnte.

Was haben diese drei Gruppen gemein? Ob GE, Amazon oder Uber – sie alle sind erfolgreich, weil sie erkannt haben, dass wir heute in einer digitalen Welt leben und die Kunden in dieser neuen Welt anders sind. Die Art und Weise, wie Menschen einkaufen, hat sich unwiderruflich verändert. Die Konsumenten hegen neue Erwartungen. Uns ist das Ergebnis wichtiger als der Besitz. Wir haben es lieber maßgeschneidert als standardisiert. Und wir wollen ständige Verbesserungen, keine geplante Obsoleszenz. Wir wollen eine neue Art und Weise, mit Unternehmen zu interagieren. Wir wollen Dienstleistungen und keine Produkte. Der „Einer für alle“-Ansatz reicht nicht mehr aus. Um in dieser neuen, digitalen Welt überleben zu können, müssen die Firmen sich wandeln.

DIE PRODUKTÄRA UND DIE TYRANNEI DER MARGEN

Etwa 120 Jahre lang haben wir in einer Produktwirtschaft gelebt. Unternehmen entwarfen ein Produkt, stellten es her, verkauften es und verschifften physische Dinge im Rahmen eines Modells zur Wertübertragung. Alles drehte sich um Inventar, Lagerbestände und Zuschlagskalkulationen. Das Verkäufer-Käufer-Modell beruhte auf separaten, oftmals anonymen Transaktionen. „Vom Umtausch ausgeschlossen.“ – das Schild an der Registrierkasse fasste es perfekt zusammen. Erste Einzelhandelspioniere wie Sears und Macy’s veränderten die Art und Weise, wie die Gesellschaft konsumierte, aber sie besaßen nur minimale Erkenntnisse darüber, wer ihre Produkte tatsächlich erstand und wie sie dann verwendet wurden.

1913 nahm Henry Ford das erste Fließband in Betrieb, doch das war letztlich lediglich eine Erweiterung der Produktionsgrundsätze, die während der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert entwickelt worden waren. Beim Fließband ging es nicht nur darum, durch separate, sich wiederholende Aufgaben die Effizienz zu maximieren, es war auch eine Metapher dafür, wie ein Produkt bestimmen kann, wie Lieferketten, Fertigungsprozesse, Vertriebskanäle und Managementstruktur eines Unternehmens auszusehen haben.

Das Produkt war das einzige Leitprinzip. Es organisierte alles entlang eines völlig geradlinigen Kurses. Die Menschen, die in die Fertigung, den Kauf und den Verkauf des Produkts eingebunden waren, waren völlig beliebig und austauschbar. Es kursierte ein Witz, Henry Fords Kunden könnten ihr Model-T-Modell in jeder beliebigen Farbe bestellen, solange sie nur Schwarz war. Was brachte diese gnadenlose Effizienz? Damit gelang es Ford, die Stückkosten enorm zu drücken, und es ermöglichte ihm, den Markt mit günstigen, langlebigen Fahrzeugen zu fluten. Das Model T war aus folgendem Grund nur in Schwarz erhältlich: Wenn alle drei Minuten ein fertiges Auto vom Fließband rollt, trocknet nur Schwarz schnell genug.

Die Logik dahinter? Hatte man sich erst einmal ein ausreichend großes Stück vom Kuchen gesichert, konnte man langsam anfangen, die Preise anzuheben und dann über die Gewinnmarge Geld zu verdienen. Die Marge war das alles bestimmende Element (und ein wenig geplante Obsoleszenz hat auch noch nie geschadet). Die Macht, über die Amerikas Großkonzerne in den Nachkriegsjahren verfügten, lässt sich kaum zu groß ansetzen. Sie organisierten sich entlang streng abgegrenzter Produktabteilungen und mussten niemandem Rechenschaft ablegen. Callcenter? Gab es nicht, ebenso wenig Kundendienstvertreter. Einen Artikel zurückgeben? So etwas kam nur in ganz, ganz seltenen Fällen vor. Bei Kunden wie unseren Großeltern funktionierte dieses Modell mehr schlecht als recht, es führte jedenfalls dazu, dass ständig Einheiten ausgeliefert wurden und das Management zufrieden war.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tauchten dann ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) auf, das verschlimmerte dieses Problem aber bloß noch. Solche Systeme waren gut darin, die Effizienz der operativen Abläufe zu messen: Rohstoffe, Inventar, Bestellungen, Versand, Lohnkosten. Sie versagten jedoch kläglich, wenn es darum ging, die tatsächliche Kundenerfahrung zu evaluieren. Aber wie sagte schon Peter Drucker, Guru des modernen Managements: Firmen neigen dazu, zu managen, was sie messen können. Also verschrieben sich die Managementteams mit Haut und Haaren dem Produkt, sowohl organisatorisch wie auch strategisch.

Zu dieser Zeit feierte die Lieferketten-Ökonomie ihren Aufstieg. Ziel war es, mit so geringen Lagerbeständen wie möglich ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage herzustellen. Es war ein Nirwana für Entwickler und Managementberater, die sich von den aus Japan kommenden neuen elektronischen Produkten und den Effizienz-Innovationen bedroht fühlten. „Just in time“ bedeutete, der Erzfeind waren nun Lager voller Produkte, die dort Staub ansetzten. „Total-Quality-Initiative“ bedeutete, die Prozessoptimierung war niemals abgeschlossen. Michael Dell hat rund um diese Disziplin ein ganzes Imperium aufgebaut.

Vor etwa 20 Jahren wachte schließlich Amerikas Unternehmensriege auf. Ihr war aufgefallen, dass diese unerbittliche Ausrichtung auf Produktivität ihren Preis hatte – es litt nämlich das Verhältnis zwischen Verkäufer und Kunden. Der Kunde war eine völlige Unbekannte, ein Punkt am Ende der Lieferkette, dessen einzige Funktion darin bestand, die vom Unternehmen hergestellten Produkte zu „konsumieren“. Wie sich nun zeigte, hatten viele dieser neuen Verbraucher Schwierigkeiten damit, ihre neuen Produkte wie gewünscht verwenden zu können. Und wie gelangten Amerikas Firmen zu dieser Erkenntnis? Die Telefonzentralen der Unternehmen erhielten aufgebrachte Anrufe.

Was unternahmen die Großkonzerne wegen dieses Problems? Sie gründeten Kundendienst-Abteilungen, ganz nach dem Motto: „Wenn man nicht mehr weiter weiß, baut man am besten ein weiteres vertikales Silo auf.“ Sie riefen Teams für Marktdienstleistungen ins Leben, setzten technische Hotlines auf, Garantieverträge und Wartungsabteilungen. Nun spielte der Kunde endlich eine Rolle, er hatte sogar seine eigene Abteilung! Und diese Abteilung saß ganz am unteren Ende der Lieferkette, kurz hinter dem Verladeplatz.

DAS ZEITALTER DES KUNDEN

Die Tage des seelenlosen, allmächtigen Großkonzerns gehören heutzutage längst der Vergangenheit an. Die Verbraucher heutzutage sind um ein Vielfaches besser informiert, meistens haben sie vor dem ersten Hallo bereits ausführlich recherchiert, abgewogen und kategorisiert. Und den meisten von ihnen, speziell jüngeren Leuten, geht es nicht mehr so sehr um das Besitzen. Ein Produktkauf ist für viele zusehends zu unnötigem Ballast geworden. Sie wollen Medien auf Abruf haben und nicht physische Produkte verwalten müssen. Deshalb sind die meisten großen Einzelhändler, mit denen ich aufgewachsen bin, mittlerweile verschwunden, Firmen wie Circuit City, Tower Records, Blockbuster, Borders oder Virgin Megastore. Auch viele Malls gibt es heute nicht mehr. Heutzutage erwarten die Menschen von Dienstleistungen unmittelbares und anhaltendes Fulfillment, seien es Mitfahrzentralen, Streaming-Dienste oder Abo-Boxen. Sie wünschen sich regelmäßig positive Überraschungen. Und wenn Sie diese Erwartungen nicht erfüllen, sind Sie ruckzuck weg vom Fenster (ganz abgesehen davon, dass Sie in den Social Media noch eine Abreibung mit auf den Weg bekommen). So einfach ist das.

Die Marktforscher von Forrester Research vertreten die These, dass wir am Anfang eines neuen 20-Jahres-Zyklus stehen, dem „Zeitalter des Verbrauchers“.5 Sie machen eine breit gefasste, systemische Verlagerung bei den Kapitalmodellen aus, eine Hinwendung zu einer neuerdings einflussreichen Konsumentengeneration, die über die Fähigkeit verfügt, jederzeit und überall Preise zu bestimmen, Kritik zu äußern und einzukaufen. Wie diese neue Kundenklasse denkt, beschreibt Forrester so: „Es herrscht die Erwartung, dass jede gewünschte Information oder Dienstleistung auf jedem passenden Gerät, in jedem Kontext auf Abruf zur Verfügung steht.“ Kunden kommen mit neuen Erwartungen (und ja, es stimmt, diese Erwartungen wurden zweifelsohne von den Millennials geschürt, aber mittlerweile teilt sie nahezu jeder). Sie wollen die Fahrt, nicht das Auto. Die Milch, nicht die Kuh. Die neue Musik von Kanye West, nicht die neue CD von Kanye West.

Anfangs reagierten die Unternehmen größtenteils so, wie sie immer reagiert hatten – mit noch mehr Systemen. Sie legten CRM-Datenbanken für die Kundenpflege an, führten Treuepunkte ein, boten Belohnungen und Anreize für Mitgliedschaften und überschütteten die Menschen mit Umfragen zur Kundenzufriedenheit. Es galt als unumstößlicher Fakt, dass es schwieriger ist, neue Kunden zu gewinnen, als die alten zu halten, und dass negative Kundenerfahrungen viel größere Kreise ziehen als positive. Und es wurde viel von Customer Journeys gesprochen und von Net Promoter Scores.

„Der Kunde hat immer recht.“ Niemand weiß, woher dieser Satz stammt, aber bereits Ende des 19. Jahrhunderts verwendeten ihn Kaufhaus-Pioniere wie Harry Gordon Selfridge und Marshall Field. Es war damals ein völlig neuartiges Konzept (und verdrängte die allgemein im Einzelhandel vorherrschende Haltung des „Caveat emptor“, wonach der Käufer selbst bei einem Geschäft darauf zu achten hat, dass es nichts zu beanstanden gibt). Faszinierend ist jedoch, dass all diese großen „Fortune 500“-Unternehmen es dennoch nicht richtig hinbekamen. Sie entwickelten jede Menge bindende Strategien zum Thema Kundenorientierung, doch was fehlte, war ein anschauliches Verständnis von der Denkweise ebendieser Kundschaft. Nach wie vor wurden die Konzerne in den Social Media von links und rechts mit Kritik überschüttet und die Haltung der Öffentlichkeit gegenüber großen Unternehmen hatte sich nicht grundlegend gewandelt. Es reichte schlichtweg nicht.

Dann geschah etwas Komisches: Diese digitalen Disruptoren, die ich bereits erwähnt habe, Firmen also wie Salesforce und Amazon, führten das Konzept „Der Kunde kommt an erster Stelle“ auf ein ganz neues Level, indem sie tatsächlich eine echte, direkte und anhaltende Beziehung zu ihren Kunden aufbauten. Es gab keine Kundensegmente mehr – sie besaßen individuelle Abonnenten. Und jeder einzelne dieser Abonnenten verfügte über eine eigene, individuelle Homepage, eine eigene Historie seiner Aktivitäten, seine eigenen No-Gos, seine eigenen, von Algorithmen errechneten Empfehlungen, seine eigenen einzigartigen Erfahrungen. Und dank der Abonnenten-IDs verschwand auch die Notwendigkeit, sich mit all diesen langweiligen Verkaufsprozessen herumzuplagen. Vor zehn Jahren gab es kein Spotify und Netflix war ein DVD-Vertrieb. Heute sind beide Unternehmen für einen beträchtlichen Anteil am Umsatz ihrer jeweiligen Branche verantwortlich! Heute stellen sich Firmen ganz andere Fragen: Was braucht es, um langfristige Beziehungen aufzubauen? Was benötigen wir, um uns auf Ergebnisse und nicht auf Besitz zu konzentrieren? Um neue Geschäftsmodelle zu erfinden? Um unsere wiederkehrenden Umsätze zu steigern und anhaltend Wert zu liefern?

Um zurück zum Anfang zu springen: Wie sieht „digitaler Wandel“ aus? Für mich sieht er sehr nach einem Kreis aus. Warum, das möchte ich Ihnen jetzt darlegen.

DAS NEUE GESCHÄFTSMODELL

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Auch wenn Sie ansonsten den kompletten Inhalt dieses Buches wieder vergessen, behalten Sie bitte dieses Diagramm in Erinnerung. Es fasst zusammen, welchen Wandel wir derzeit durchlaufen. Auf der linken Seite sehen Sie das alte Modell. Die Unternehmen konzentrierten sich darauf, „ein Produkt auf den Markt zu bringen“ und von diesem Produkt so viele Einheiten wie möglich zu verkaufen, egal ob es sich um Autos, Kugelschreiber, Rasierer oder Laptop-Rechner handelte. Um dieses Ziel zu erreichen, schoben sie ihre Produkte in so viele Verkaufs- und Vertriebskanäle, wie es nur ging. Natürlich muss am anderen Ende auch ein Konsument sein, der all das Zeug kauft, aber oftmals war es dem Unternehmen völlig egal, wer diese Menschen waren. Hauptsache, das Lager leerte sich im gewünschten Tempo.

Das moderne Unternehmen denkt nicht so. Firmen, die heutzutage erfolgreich sind, beginnen mit dem Verbraucher. Sie sind sich darüber im Klaren, dass Verbraucher ihre Zeit auf viele unterschiedliche Kanäle aufteilen – und wo auch immer diese Verbraucher sind, wichtig ist, deren Bedürfnisse zu erfüllen. Je mehr Informationen Sie über den Kunden zusammentragen können, desto besser können Sie seine Bedürfnisse befriedigen und desto wertvoller wird die Beziehung. Das ist digitaler Wandel – weg von linearen Transaktionskanälen hin zu einer kreisförmigen, dynamischen Beziehung zu Ihrem Abonnenten.

Große Veränderungen stehen uns bevor. Wenn Sie innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre nicht herausfinden, wer Ihre Kunden sind, sind Sie zum Scheitern verurteilt. Kleinere Start-ups erledigen gewaltige Großkonzerne einfach nur aus dem Grund, dass sie wissen, an wen sie verkaufen. In der gesamten 80.000 Milliarden Dollar schweren Weltwirtschaft werden die Karten neu gemischt. Es überleben diejenigen Unternehmen, die ihren Kunden über einen langen Zeitraum hinweg folgen. Sie erwarten von ihren Kunden nicht, dass diese ihnen folgen. Weiß ein Unternehmen, was die Kunden wollen und wie sie es wollen, wird es sich gegen eine Firma durchsetzen, die viel Geld und Mühe auf ein Produkt aufwendet, das es für eine gute Idee hält, und dann noch einmal genauso viel Zeit und Mühe darauf, die Menschen vom Kauf zu überzeugen.

Dieser Wandel weg von einer Denkweise, bei der das Produkt im Mittelpunkt steht, hin zu einer, die sich um den Kunden dreht, ist eines der Hauptmerkmale der Subskriptions-Wirtschaft. Heutzutage läuft die ganze Welt „as a Service“ – das Transportwesen, das Bildungswesen, die Medien, der Gesundheitssektor, Connected Devices, Einzelhandel, Industrie. Natürlich sind Abonnements an sich nichts Neues. Als Geschäftsmodell haben sie Journalisten, Autoren, Illustratoren, Historiker und Kartografen über Hunderte von Jahren hinweg in Lohn und Brot gehalten. Abonnements halfen in den 1980er-Jahren auch, jede Menge schlechter CDs zu verkaufen (mehr dazu später).

Warum kommt es gerade jetzt zu diesem Wandel? Das hängt mit der Art und Weise zusammen, wie diese Abonnements zugestellt werden – nämlich digital -, und mit den enormen Datenmengen, die diese digitalen Abos erzeugen. Wenn man bedenkt, dass der Handel noch immer von Buchhaltungsstandards dominiert wird, die aus dem 15. Jahrhundert stammen, ist das kommerzielle Internet im Vergleich dazu verhältnismäßig jung, gerade mal um die 20 Jahre alt. Ich bin komplett ohne Online-Handel aufgewachsen und so alt bin ich nun auch noch nicht. Das iPhone ist knapp über zehn Jahre alt und nun überlegen Sie einmal, wie sehr dieses Gerät beeinflusst hat, wie wir Dienstleistungen nutzen. Die Cloud hat die Ansichten der Firmen über IT-Infrastruktur, über professionelle Dienstleistungen und über Capex (Investitionsausgaben) gegen Opex (Betriebskosten) grundlegend verändert. Diese ganze neue Welt der Connected Devices fühlt sich ohne Frage brandneu an. Wie Mary Meeker in ihren jüngsten Berichten zu Internettrends schrieb: Dass die Zahl digitaler Abonnements im Verbraucherbereich explodiert, hängt mit den massiven neuen Verbesserungen der digitalen Nutzererfahrung zusammen, insbesondere im Bereich der Mobiltelefone.6

Es fühlt sich an, als stünden wir am Anfang von etwas ganz Großem.

Also lassen Sie uns gemeinsam einige der Aspekte untersuchen, die aufzeigen, wie das Abonnement-Modell jeden einzelnen Bereich der modernen Wirtschaft verändert.

KAPITEL 2

EINZELHANDEL NEU GEDACHT

Der traditionelle Einzelhandel stirbt. Zumindest lassen die Zahlen diese Schlussfolgerung zu. In den Vereinigten Staaten schlossen 2017 mehr Läden als je zuvor, mindestens 7.000 stationäre Geschäfte machten dicht. Während der Finanzkrise von 2008 waren es knapp über 6.000 gewesen, was den bisherigen Rekord darstellte. Hinter dieser Zahl verbergen sich über 13 Quadratkilometer leer stehende Einzelhandelsfläche und die dazugehörenden Namen sind uns wohlbekannt: Staples, Kmart, JCPenney, Sears (in den 1960er-Jahren machten die Umsätze von Sears ein Prozent des amerikanischen BIP aus). Mindestens ein Dutzend hoch verschuldeter Einzelhändler suchte 2017 Gläubigerschutz. Amerika hat zu viele Geschäfte – die Private-Equity-Branche überfrachtete die großen Einzelhandelsketten mit Schulden und zwang sie, Hunderte neuer Geschäfte an Standorten mit durchwachsenen Erfolgsaussichten zu eröffnen. Es gibt in den Vereinigten Staaten über 1.000 Einkaufszentren und Experten gehen davon aus, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre ein gutes Viertel davon schließen wird (in den 1990er-Jahren erreichte die Zahl der Shoppingmalls mit etwa 1.500 ihren bisherigen Höchststand). Eine kurze Google-Suche führt zu Websites für Fans „toter Malls“ und Begriffen wie „Label Scar“ („Marken-Narbe“) für die verblassenden Markierungen, die zurückbleiben, wenn Ladenschilder entfernt werden.

Online-Handel ist die Zukunft, zumindest ist das die vorherrschende Meinung im Silicon Valley. Online-Handel oder E-Commerce macht mittlerweile über 13 Prozent des gesamten Einzelhandelsgeschäfts aus und wächst um jährlich 15 Prozent (bei stationären Geschäften sind es gerade einmal drei Prozent Wachstum). Während ich dies schreibe, macht E-Commerce etwa 450 Milliarden Dollar aus, Ende 2018 soll die Grenze von 500 Milliarden Dollar geknackt werden. Amazon beispielsweise weist allein in den USA über 90 Millionen Prime-Mitglieder auf, was etwa der Hälfte aller amerikanischen Haushalte entspricht. Diese Kunden bezahlen allein für ihre Prime-Mitgliedschaft nahezu neun Milliarden Dollar im Jahr und kaufen darüber hinaus im Schnitt für insgesamt 117 Milliarden Dollar ein. Die Beliebtheit von Online-Abonnements für Haushaltsbedarf und Routine-Einkäufe explodiert – vermutlich wird es in einigen Jahren völlig normal sein, den alltäglichen Lebensmittelkauf über das Internet abzuwickeln.

Aber Moment mal, nicht so schnell, bitte! Noch immer werden mehr als 85 Prozent aller Einzelhandelskäufe in realen Geschäften getätigt, wir sprechen hier über mehr als 5.000 Milliarden Dollar Umsatz. Und bitte nicht vergessen – diese Zahl steigt noch! In den kommenden vier Jahren wird der globale Einzelhandelssektor den Umsatz um 5.000 Milliarden auf 28.000 Milliarden Dollar steigern und der Großteil davon wird auf den stationären Handel entfallen. Parallel dazu gibt es eine weitere interessante Entwicklung: Online-Händler eröffnen Ladengeschäfte. Und zwar reichlich. Während ich dies hier schreibe, sind Unternehmen wie Trunk Club (Bekleidung), Warby Parker (Brillen), UNTUCKit (Hemden), Casper (Matratzen), Birchbox (Kosmetik), Allbirds (Schuhe), Boll & Branch (Laken), Away (Gepäck), ModCloth (Bekleidung) und Rent the Runway (Bekleidung) dabei, Hunderte neuer stationärer Geschäfte zu eröffnen. Laut dem Immobilien-Marktforscher CoStar Group hat sich die stationäre Ladenfläche von Einzelhändlern, die mit Online-Geschäften starteten, während der vergangenen fünf Jahre verzehnfacht. Was noch interessanter ist: Um Kunden in ihre Geschäfte zu locken, beschlossen die Händler, ihre Produkte nicht mehr online anzubieten. Auf Starbucks.com beispielsweise können Sie keinen Kaffee mehr kaufen.