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Anmerkung der Herausgeber: Michelles Einschätzung in Bezug auf eine mögliche Übertötung in diesen Fällen verschob sich ein wenig, nachdem sie diese Passage geschrieben hatte. Später kam sie zu dem Schluss, dass der Golden State Killer nicht mehr Gewalt als nötig aufgewendet hatte, um zu töten. Diese Information zog sie aus Gesprächen mit aktiven Ermittlern, darunter Paul Holes (der sagte, verglichen mit anderen Tatorten, die er analysiert hatte, sei das Maß an Brutalität bei den Schlägen »nicht ungewöhnlich« gewesen). Der Eindruck des Chaotischen am Tatort bei einem Mord durch Erschlagen kann im ersten Moment den Eindruck einer Übertötung erwecken, was wahrscheinlich bei einigen der Taten des GSK geschehen ist.
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Der folgende Abschnitt wurde aus Michelles Notizen zusammengesetzt.
Alle Namen der Familie Moore sind Pseudonyme.
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Alle Namen der Familie Williams sind Pseudonyme.
Dieser Überfall war der einzige des EAR im südlichen Sacramento, von dem man weiß. Die Praxis des Zahnarzts, der die Bürgerwehr mitgegründet und 10000 Dollar Belohnung ausgesetzt hatte – worüber die Medien in der Woche vor dem Angriff ausführlich berichtet hatten –, lag nur einen guten halben Kilometer entfernt. Vielleicht Zufall, vielleicht auch nicht.
Dieses Kapitel wurde aus Michelles Notizen und frühen Entwürfen ihres Artikels In the Footsteps of a Killer zusammengefügt. Geschrieben für das Los Angeles Magazine, erschien er ursprünglich im Februar 2013 und wurde später durch eine Online-Version ergänzt.
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Dieses Kapitel wurde aus Michelles Notizen zusammengesetzt.
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Von allen Einzelermittlungen war die in Ventura fraglos die verworrenste. Michelle hatte geplant, sie ausführlicher zu behandeln. Dass es dazu nicht kam, lag an den anhaltenden Schwierigkeiten, an die Akten heranzukommen.
2014 zahlte Michelle dem Gericht von Ventura County 1400 Dollar für Kopien der Abschriften von Joe Alsips Voranhörung. Sämtliche 2806 Seiten mussten von Mikrofilm auf Papier gedruckt werden. Als die Sekretärin Michelle den dicken Stapel frisch gedruckten Archivmaterials überreichte, sah sie sie halb erstaunt, halb vorwurfsvoll an.
In den Abschriften sprangen ihr sofort die verheißungsvollen Details ins Auge, die in den offiziellen Berichten ausführlicher dokumentiert waren, was Michelle nur noch versessener auf die Akten aus Ventura machte. Im Januar 2016 bekam sie die Unterlagen endlich in die Hände – drei Dutzend Kartons mit Material über den Golden State Killer, als freundliche Leihgabe des Orange County Sheriff’s Department. Einen Großteil der Akten – in denen es vor allem um den zu Unrecht verdächtigten Joe Alsip ging – konnte sie vor ihrem Tod noch lesen, aber ihr blieb keine Zeit mehr, um die neuen Erkenntnisse in ihre Geschichte zu integrieren.
Ein ausführlicherer Bericht über die Ermittlungen im Fall Smith und die Anklage gegen Joe Alsip findet sich in Colleen Casons hervorragender Artikelserie The Silent Witness, erschienen im November 2002 im Ventura County Star.
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Teile dieses Kapitels wurden aus verschiedenen Entwürfen von Michelles Artikelserie In the Footsteps of a Killer zusammengefügt.
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Der folgende Abschnitt wurde aus Michelles Notizen und einem »Writer’s Cut« zusammengesetzt, den sie in der digitalen Ausgabe der Zeitschrift Los Angeles als Fortsetzung von In the Footsteps of a Killer veröffentlichte.
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Dieses Kapitel ist ein Auszug aus einem frühen Entwurf von Michelles Artikel In the Footsteps of a Killer.
Dieser Fall gab den Impuls für die California Proposition 69, einen 2004 angenommenen Gesetzesentwurf, der vorschrieb, von allen Straftätern sowie Erwachsenen und Jugendlichen, denen bestimmte Verbrechen (z.B. Sexualdelikte, Mord, Brandstiftung) vorgeworfen wurden, DNA-Proben zu nehmen. Der Bruder des ermordeten Keith Harrington, Bruce Harrington, unterstützte die Initiative mit fast zwei Millionen Dollar.
Der folgende Abschnitt ist ein Auszug aus einem frühen Entwurf von Michelles Artikel In the Footsteps of a Killer.
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Für diesen Abschnitt wurden Teile einer Tonaufzeichnung transkribiert, die auf der Fahrt nach Davis entstand.
Damit meint Holes den Fall in Dana Point. Manche halten Dana Point irrtümlich für einen Teil von Laguna Niguel.
Die sogenannte »Macdonald triad« besagt, dass Tierquälerei, Brandstiftung und Bettnässen über das Kleinkindalter hinaus sexuell gewalttätiges Verhalten als Erwachsener voraussagen.
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»John Doe« ist vor allem in den USA ein üblicher Platzhaltername für fiktive oder nicht identifizierte Personen (Anm. d. Übers.).
Michelle McNamara starb am 21. April 2016.
Als Michelle starb, hatte sie die Hälfte von Ich ging in die Dunkelheit geschrieben. Um das Buch für die Veröffentlichung vorzubereiten, arbeiteten Michelles wichtigster Rechercheur, Paul Haynes, auch bekannt als »der Kleine«, und der renommierte investigative Journalist Billy Jensen, der mit Michelle befreundet war, zusammen, um das von Michelle hinterlassene Material zu ordnen und das Buch zu Ende zu schreiben. Das folgende Kapitel haben Haynes und Jensen gemeinsam verfasst.
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Diese Adressverzeichnisse und Telefonbücher wurden mithilfe einer Texterkennungssoftware, auch OCR genannt (optical character recognition), digitalisiert, die das Bild des gescannten Materials in Text umsetzt. Weil dabei ein digitales Auge analoges Material in unterschiedlicher Druck- und Scanqualität liest, wimmelt das Ergebnis von Transkriptionsfehlern. Das reicht von der Verwechslung zum Beispiel der Buchstaben D und O bis zu chaotischen Ansammlungen von Satzzeichen, Symbolen und anderen verirrten nicht alphanumerischen Zeichen. Es erforderte Hunderte Stunden, diese Scans jahrzehntealter Bücher in lesbare und einheitlich formatierte Namenslisten zu verwandeln.
Short Tandem Repeats (STR) sind kurze DNA-Sequenzen auf dem Y-Chromosom, über die man die männliche Abstammungslinie verfolgen kann.
2005 erschien Colleen Fitzpatricks Buch Forensic Genealogy.
Autosomale DNA ist die DNA, die von beiden Elternteilen vererbt wird. Sie ist auf 22 Chromosomen organisiert. Das 23. Chromosomenpaar sind die Geschlechtschromosomen.
Weder Butler noch Dienstmagd noch Blut auf der Treppe.
Weder exzentrische Tante noch Gärtner noch Freund der Familie
Lächeln zwischen all dem Krimskrams und Mord.
Nur ein Haus in der Vorstadt mit offener Tür
Und ein Hund, der Eichhörnchen verbellt, und die Autos
Auf der Straße. Die Leiche schon kalt. Die Ehefrau in Florida.
Dazu folgende Spuren: der Kartoffelstampfer in der Vase,
Das Foto des Basketballteams der Wesleyan University
Zerfetzt verstreut im Flur mit Scheckbelegen;
Der nicht abgeschickte Fan-Brief an Shirley Temple,
Der Hoover-Anstecker am Aufschlag der Toten,
Der Zettel: »So getötet zu werden, macht mir nichts aus.«
Kein Wunder, dass der Fall nie gelöst wurde
Oder dass der Schnüffler Le Roux unheilbar verrückt
Allein in einem weißen Hemd in einem weißen Raum hockt
Und schreit, die Welt sei verrückt, die Spuren
Führten ins Nichts oder zu Mauern, so hoch, dass man ihre Kronen nicht sieht;
Immerzu schreit er, es herrsche Krieg, schreit, nichts ließe sich lösen.
Weldon Kees, »Krimi-Club«
Eine 23-jährige Frau (in diesem Buch »Sheila« genannt) wird in ihrem Bett von einem maskierten Eindringling vergewaltigt. Es sollte der erste von Dutzenden Überfällen eines Mannes werden, den Presse und Polizei später als den »East Area Rapist« bezeichneten.
Der East Area Rapist (EAR) schlägt ein fünftes Mal zu und überfällt die 30-jährige Hausfrau Julie Miller.[1] Der Vergewaltiger wartet, bis der Ehemann des Opfers zur Arbeit geht, und dringt Minuten später ins Haus ein. Während der gesamten Tortur befindet sich der dreijährige Sohn des Opfers im Schlafzimmer.
Die 28-jährige Fiona Williams[2] und ihr Mann Phillip sehen sich dem EAR bei seinem 22. bekannten Überfall gegenüber – dem siebten, bei dem der Mann anwesend ist.
Die offizielle Anzahl der Fälle erreicht 40, als der EAR ein weiteres Paar überfällt: die 23-jährige Kathy[3] und ihren Mann David[4].
Die 32-jährige Esther McDonald[5] wird nachts geweckt, gefesselt und vergewaltigt, was sie zum 43. Opfer des EAR macht.
Eine mögliche Verbindung zu mehreren Einbrüchen und dem Mord an Claude Snelling wird untersucht.
Der Original Night Stalker (ONS) will ein Paar in seinem Haus angreifen; das Paar kann fliehen.
Der ONS ermordet Dr. Robert Offerman und Debra Alexandria Manning.
Der ONS ermordet Charlene und Lyman Smith.
Der ONS ermordet Patrice und Keith Harrington.
Der ONS ermordet Manuela Witthuhn.
Der ONS ermordet Cheri Domingo und Gregory Sanchez.
Der ONS ermordet Janelle Cruz.
Sheila* (Sacramento, 1976)
Jane Carson (Sacramento, 1976)
Fiona Williams* (South Sacramento, 1977)
Kathy* (San Ramon, 1978)
Esther McDonald* (Danville, 1978)
Claude Snelling (Visalia, 1978)†
Katie und Brian Maggiore (Sacramento, 1978)†
Debra Alexandria Manning und Robert Offerman (Goleta, 1979)
Charlene und Lyman Smith (Ventura, 1980)
Patrice und Keith Harrington (Dana Point, 1980)
Manuela Witthuhn (Irvine, 1981)
Cheri Domingo und Gregory Sanchez (Goleta, 1981)
Janelle Cruz (Irvine, 1986)
Jim Bevins – Ermittler, Sacramento County Sheriff’s Department
Ken Clark – Detective, Sacramento Sheriff’s Office
Carol Daly – Detective, Sacramento County Sheriff’s Department
Richard Shelby – Detective, Sacramento County Sheriff’s Department
Larry Crompton – Detective, Contra Costa County Sheriff’s Office
Paul Holes – Forensiker, Contra Costa County Sheriff’s Office
John Murdock – Leiter des kriminaltechnischen Labors des Contra Costa County Sheriff’s Office
Bill McGowen – Detective, Visalia Police Department
Mary Hong – Kriminaltechnikerin, kriminaltechnisches Labor Orange County
Erika Hutchcraft – Ermittlerin, Büro des Staatsanwalts von Orange County
Larry Pool – Ermittler, Countrywide Law Enforcement Unsolved Element (CLUE), Orange County Sheriff’s Department
Jim White – Kriminaltechniker, Orange County Sheriff’s Department
Fred Ray – Detective, Santa Barbara County Sheriff’s Office
* Pseudonym
† Nicht eindeutig dem Golden State Killer zugeordnet.
Vor dem »Golden State Killer« gab es das Mädchen. Michelle wird Ihnen von ihr erzählen. Die junge Frau Anfang zwanzig wurde in eine Gasse an der Pleasant Street gezerrt, ermordet und wie Unrat liegen gelassen. Das geschah in Oak Park, Illinois, wenige Straßen von Michelles trubeligem, irisch-katholischem Elternhaus entfernt.
Michelle, das jüngste von sechs Kindern, unterzeichnete ihre Tagebucheinträge mit »Michelle, Schriftstellerin«. Sie sagte, dieser Mord habe ihr Interesse an Kriminalfällen geweckt.
Wir hätten ein gutes (wenn vielleicht auch seltsames) Paar abgegeben. Zur gleichen Zeit fühlte ich mich als Teenager in Kansas City, Missouri, ebenfalls als aufstrebende Autorin, nur verpasste ich mir in meinem Tagebuch einen hochtrabenderen Namen: »Gillian die Große«. Wie Michelle wuchs ich in einer großen irischen Familie auf, besuchte eine katholische Schule, hegte eine Faszination für das Dunkle. Mit zwölf las ich eine gebraucht erstandene Ausgabe von Truman Capotes Kaltblütig und bin seitdem dem Genre »True Crime« treu geblieben.
Ich verschlinge Bücher über reale Kriminalfälle, aber dabei vergesse ich nie, dass ich damit die wahren Tragödien anderer Menschen als Literatur konsumiere. Und wie jede verantwortungsbewusste Konsumentin versuche ich, kritisch auszuwählen. Ich lese nur gute Autoren, das heißt solche, die anspruchsvoll, tiefgründig und voller Menschlichkeit schreiben.
An Michelle führte also kein Weg vorbei.
Ich hatte immer den Eindruck, dass bei den guten True-Crime-Autoren die menschliche Seite deutlich unterschätzt wird. Michelle McNamara versetzte sich mit erstaunlichem Talent nicht nur in die Gedankenwelten von Mördern, sondern auch in die der Polizisten, der Opfer und der trauernden Angehörigen. Als Erwachsene las ich regelmäßig ihren beeindruckenden Blog True Crime Diary. »Schreib ihr doch mal«, drängte mich mein Mann immer wieder. Sie stammte aus Chicago, ich lebte in Chicago, wir beide waren Mütter, die einen ungesund großen Teil ihrer Zeit damit verbrachten, die dunklen Seiten der Menschheit zu betrachten.
Ich widerstand dem Drängen meines Mannes. Ansatzweise nahe kam ich ihr allenfalls, als ich einmal ihre Tante auf einer meiner Lesungen kennenlernte. Sie lieh mir ihr Handy, und ich schrieb Michelle eine Kurznachricht, die eindeutig nicht zu einer Schriftstellerin passte, so etwas wie: »Sie sind total cool!!!«
Ehrlich gesagt war ich nicht ganz sicher, ob ich diese Autorin kennenlernen wollte. Ich fühlte mich ihr unterlegen. Als Romanautorin erfinde ich meine Figuren einfach. Michelle dagegen musste sich mit realen Tatsachen befassen und der Chronologie der Ereignisse folgen. Sie musste das Vertrauen argwöhnischer, abgespannter Ermittler gewinnen, sich durch Berge von Unterlagen wühlen, die vielleicht die entscheidende Information enthielten, musste bei Angehörigen und Freunden der Opfer um Verständnis bitten, wenn sie mit ihren Fragen alte Wunden aufriss.
All das tat sie mit einer gewissen Größe. Sie schrieb nachts, wenn ihre Familie schlief, in einem Zimmer, dessen Boden mit dem Bastelpapier ihrer Tochter übersät war, und notierte sich mit Buntstift Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch Kaliforniens.
Als True-Crime-Leserin kenne ich einen Haufen übler Verbrecher, aber den Mann, den Michelle später den Golden State Killer nannte, lernte ich erst kennen, als Michelle über diesen albtraumhaften Täter schrieb. Er war für fünfzig Vergewaltigungen und mindestens zehn Morde in Kalifornien in den Siebzigern und Achtzigern verantwortlich. Der Fall war Jahrzehnte alt. Zeugen und Opfer waren weggezogen oder verstorben oder hatten mit ihm abgeschlossen. Er erstreckte sich über mehrere Zuständigkeitsbereiche im südlichen und auch nördlichen Teil Kaliforniens und füllte unzählige Akten, die noch nicht von den Segnungen der DNA-Analyse profitiert hatten. Nur sehr wenige Autoren würden sich eines solchen Falls annehmen, noch weniger wären dabei erfolgreich.
Michelle arbeitete dabei mit einer unglaublichen Hartnäckigkeit. Ein typisches Beispiel waren die Manschettenknöpfe, die 1977 an einem Tatort in Stockton gestohlen worden waren und die sie auf der Website eines Retro-Ladens in Oregon auftrieb. Und nicht nur das, sie konnte einem auch sagen, dass »Jungennamen mit dem Anfangsbuchstaben N recht selten vorkamen; in den Dreißiger- und Vierzigerjahren, in denen der ursprüngliche Besitzer wahrscheinlich geboren wurde, tauchte in den Listen der hundert beliebtesten nur einmal ein solcher Name auf«. Das war wohlgemerkt kein Hinweis, der zum Mörder führte, der Hinweis führte zu den Manschettenknöpfen, die der Mörder gestohlen hatte. Diese Akribie, wenn es um Einzelheiten ging, war typisch für sie. Wie Michelle schrieb: »Einmal habe ich einen ganzen Nachmittag lang so viele Details wie möglich über einen Spieler der Wasserpolomannschaft von 1972 der Rio Americano High School herausgefunden, weil er auf seinem Jahrbuchfoto aussah, als wäre er schlank und hätte kräftige Waden« – ein mögliches körperliches Merkmal des Golden State Killer.
Wenn Autoren bei ihren Recherchen so viel Blut und Wasser schwitzen, neigen sie dazu, sich in Details zu verlieren. Ihre Fokussierung auf nackte Daten und Fakten trübt leicht ihren Blick für die Zwischentöne des Lebens.
Ich ging in die Dunkelheit dagegen ist nicht nur ein großartiger Tatsachenbericht, sondern auch eine Momentaufnahme der Zeit, des Ortes und der Menschen. Michelle erweckt die kalifornischen Wohnsiedlungen neben den Orangenhainen zum Leben, die gläsernen Neubauten, in denen die Opfer zu den Hauptfiguren ihrer eigenen Horrorgeschichten wurden, die Städte am Fuß der Berge, die jedes Jahr von Tausenden paarungsbereiten Vogelspinnen heimgesucht wurden. Und die Menschen, guter Gott, die Menschen – entspannte Exhippies; frisch verheiratete, hoffnungsvolle Paare; eine Mutter und ihre Teenagertochter, die über Freiheit und Verantwortung und Badeanzüge stritten, ohne zu wissen, dass es das letzte Mal sein würde …
Ich war von Anfang an gefesselt. Und Michelle ging es offenbar genauso. Doch ihre jahrelange Jagd nach dem Golden State Killer forderte einen hohen Tribut: »In meiner Kehle steckt fortwährend ein Schrei.«
Michelle starb überraschend mit sechsundvierzig Jahren, bevor sie dieses bemerkenswerte Buch beenden konnte. Sie werden von ihren Kollegen alles Weitere über den Fall lesen, aber die Identität des Golden State Killer zu ermitteln – die Auflösung des Krimis zu liefern –, blieb ihr versagt.
Mir war seine Identität vollkommen egal. Ich wollte, dass er geschnappt wird. Wer er ist, interessierte mich nicht. Es ist immer ernüchternd, einem solchen Mann ins Gesicht zu blicken, und noch mehr, ihm einen Namen zuzuordnen. Wir wissen, was er getan hat. Jede Information darüber hinaus wirkt unweigerlich banal, in gewisser Weise klischeehaft: »Meine Mutter war grausam. Ich hasse Frauen. Ich hatte nie eine Familie …« Und so weiter. Ich will etwas über echte normale Menschen erfahren und nicht über kaputte Typen lesen. Auch über Michelle wollte ich mehr erfahren. Während sie ihre Suche nach dieser Schattengestalt ausführlich beschrieb, hielt ich unwillkürlich Ausschau nach Hinweisen zu dieser Autorin, die ich bewunderte. Wer war die Frau, der ich so sehr vertraute, dass ich ihr in diesen Albtraum folgte? Wie war sie? Wodurch war sie so geworden? Was hatte ihr diese Größe verliehen? An einem Sommertag fuhr ich die zwanzig Minuten von meinem Haus in Chicago nach Oak Park, zu der Gasse, in der man »das Mädchen« gefunden hatte – und wo sich Michelle ihrer Berufung als Schriftstellerin bewusst geworden war. Erst vor Ort begriff ich, warum ich dort war. Ich war dorthin gefahren, weil ich mich selbst auf der Suche befand, weil ich diese bemerkenswerte Jägerin der Dunkelheit jagte.
Gillian Flynn
In diesem Sommer habe ich den Serienkiller nachts vom Spielzimmer meiner Tochter aus gejagt. Zuerst befolgte ich die abendlichen Rituale aller normalen Menschen. Putzte mir die Zähne. Zog einen Pyjama an. Aber wenn mein Mann und meine Tochter eingeschlafen waren, schlich ich mich in mein provisorisches Büro und öffnete mein Laptop – ein fünfzehn Zoll großes Fenster in eine Welt der unendlichen Möglichkeiten. In unserem Wohnviertel nordwestlich der Innenstadt von Los Angeles ist es nachts überraschend still. Manchmal hörte ich als einziges Geräusch das Tippen auf dem Touchpad, wenn ich mich per Google Street View den Auffahrten von Männern näherte, die ich nicht kannte. Ich saß fast reglos da und sprang doch mit wenigen Klicks Jahrzehnte in die Vergangenheit. Jahrbücher. Hochzeitsurkunden. Verbrecherfotos. Ich ging Tausende Seiten Polizeiakten aus den Siebzigern durch. Ich studierte Autopsieberichte. Dabei war ich umgeben von Dutzenden von Stofftieren und rosa Minibongos, aber das störte mich nicht. Ich hatte den richtigen Platz für meine Suche gefunden, einen Rückzugsort, wie ihn jede Obsession braucht. Meiner war übersät mit Malpapier, auf dem ich mit Buntstiften kalifornische Strafrechtsparagrafen notierte.
Gegen Mitternacht des 3. Juli 2012 öffnete ich ein Dokument mit einer Liste aller Wertgegenstände, die er im Laufe der Jahre gestohlen hatte. Etwas mehr als die Hälfte hatte ich fett markiert – allesamt Sackgassen. Meine nächste Suche galt Manschettenknöpfen, die im September 1977 in Stockton entwendet wurden. Zu diesem Zeitpunkt war der Golden State Killer, wie ich ihn mittlerweile getauft hatte, noch nicht zum Mörder geworden. Er war ein Serienvergewaltiger, den man den »East Area Rapist« nannte. Er überfiel Frauen und Mädchen in ihren Schlafzimmern, anfangs im Osten von Sacramento County, dann drang er in die Orte im Central Valley und in der East Bay von San Francisco vor. Er war jung – zwischen achtzehn und dreißig –, weiß und sportlich. Auf der Flucht konnte er hohe Zäune überspringen. Als Ziel bevorzugte er einstöckige Häuser (möglichst das vorletzte vor der nächsten Straßenkreuzung), in Wohnvierteln der Mittelklasse. Er trug immer eine Maske.
Präzision und ein starker Selbsterhaltungstrieb gehörten zu seinen charakteristischen Merkmalen. Wenn er ein Opfer ins Visier nahm, drang er oft vorher ins Haus ein, wenn niemand dort war, betrachtete Familienfotos, machte sich mit der Raumaufteilung vertraut. Er setzte Verandalampen außer Betrieb und entriegelte Schiebetüren. Aus Waffen entfernte er die Munition. Arglose Hausbesitzer ließen ihre vorher verschlossenen Tore geöffnet, und wenn er Bilderrahmen verrückt hatte, stellten die Bewohner sie wieder an ihren Platz und dachten sich nichts dabei. Die Opfer schliefen sorglos, bis sie im grellen Licht seiner Taschenlampe erwachten. Sie waren geblendet und desorientiert. Schlaftrunkene Gedanken begannen zu rasen. Eine Gestalt, die sie nicht sehen konnten, richtete die Lampe auf sie, aber wer und warum? Ihre Angst konzentrierte sich auf die Stimme, die sie hörten, auf das kehlige Flüstern durch zusammengebissene Zähne, schroff und bedrohlich. Einige Opfer berichteten, er habe manchmal gestottert und zittrig oder mit höherer Stimme gesprochen, als habe der maskierte Fremde in der Dunkelheit nicht nur sein Gesicht verbergen wollen, sondern auch eine tiefe Unsicherheit.
Der Fall in Stockton im September 1977, bei dem er die Manschettenknöpfe stahl, war sein dreiundzwanzigster Überfall nach einer exakt eingehaltenen Sommerpause. Das Scharren der Haken an der Gardinenstange weckte eine neunundzwanzigjährige Frau um halb zwei Uhr morgens in ihrem Schlafzimmer im Nordwesten von Stockton. Sie setzte sich leicht auf. Im Licht der Verandalampe zeichnete sich eine Silhouette in der Tür ab. Das Bild verschwand, als der Strahl der Taschenlampe ihr Gesicht fand und sie blendete. Als ungebremste Macht stürmte er auf ihr Bett zu. Den letzten Überfall hatte er Ende Mai am Memorial-Day-Wochenende begangen. Nun war es Anfang September, der Dienstag nach Labor Day. Der Sommer war vorbei. Er war wieder da.
Jetzt hatte er es auf Paare abgesehen. Das weibliche Opfer versuchte dem Polizisten, der den Fall aufnahm, den üblen Körpergeruch ihres Angreifers zu beschreiben. Es fiel ihr schwer, ihn zu benennen. Er stammte nicht von mangelnder Hygiene, sagte sie. Der Geruch kam weder aus den Achseln noch aus dem Mund. Laut Polizeibericht konnte das Opfer ihn nur als einen Geruch der Nervosität beschreiben, der von keinem bestimmten Körperteil ausging, sondern aus jeder Pore strömte. Der Polizist fragte, ob sie es genauer schildern könne. Sie konnte es nicht. Weil sie so etwas vorher noch nie gerochen hatte.
Wie bei anderen Taten in Stockton behauptete er, er sei auf Geld aus, ignorierte es dann aber, als er es vor sich hatte. Er wollte Gegenstände, die für seine Opfer persönlichen Wert besaßen: gravierte Eheringe, Führerscheine, Souvenirmünzen. Die Manschettenknöpfe waren ein Familienerbstück, in den Fünfzigerjahren gefertigte Unikate, auf denen die Initialen N. R. eingraviert waren. Am Seitenrand seines Berichts hatte der Polizist die Schmuckstücke grob skizziert. Ich wollte recherchieren, ob sie mit ihren Initialen vielleicht ungewöhnlich waren. Bei einer Internetsuche fand ich heraus, dass Jungennamen mit dem Anfangsbuchstaben N recht selten waren. In den Dreißiger- und Vierzigerjahren, in denen der ursprüngliche Besitzer wahrscheinlich geboren wurde, tauchte in den Listen der hundert beliebtesten Namen sogar nur ein solcher Name auf. Ich gab eine Beschreibung der Manschettenknöpfe bei Google ein und drückte die Eingabetaste.
Es ist recht vermessen zu glauben, man könne einen verwickelten Serienmörderfall aufklären, den eine Sondereinheit aus fünf kalifornischen Gerichtsbezirken mit Unterstützung des FBI nicht hatte lösen können, vor allem, wenn die Ermittlungsarbeit wie bei mir Marke Eigenbau ist. Mein Interesse an Verbrechen wurzelt in einem persönlichen Erlebnis. Als ich vierzehn war, weckte der ungelöste Mord an einer Nachbarin in mir eine Faszination für ungeklärte Fälle. Mit dem Aufkommen des Internets wuchs sich mein bloßes Interesse zu einer aktiven Beschäftigung aus. Als immer mehr offizielle Dokumente online gestellt und die Suchmaschinen weiterentwickelt wurden, erkannte ich die Möglichkeiten, die sich einem neugierigen, an Kriminalfällen interessierten Menschen boten, und schuf 2006 die Website True Crime Diary. Wenn meine Familie schlafen geht, reise ich durch die Zeit und füge mithilfe der Technologie des 21. Jahrhunderts alte Ermittlungsergebnisse neu zusammen. Ich klicke mich durchs Internet auf der Suche nach digitalen Spuren, die öffentliche Stellen übersehen haben könnten, kombiniere digitalisierte Telefonbücher, Jahrbücher und Google-Earth-Ansichten von Tatorten – ein unerschöpfliches Reservoir möglicher Hinweise für die Laptop-Ermittlerin. Und meine Theorien teile ich mit den treuen Leserinnen und Lesern meines Blogs.
Ich habe über zahllose ungelöste Verbrechen geschrieben, von Chloroform-Mördern bis zu Killer-Priestern. Der Golden State Killer allerdings hat mich am stärksten in seinen Bann geschlagen. Neben fünfzig sexuellen Gewalttaten im Norden Kaliforniens war er für zehn sadistische Morde in Südkalifornien verantwortlich. Dieser Fall erstreckte sich über ein Jahrzehnt und brachte den Staat dazu, die Gesetze über den Umgang mit DNA-Beweisen zu ändern. Weder der Zodiac-Killer, der San Francisco Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre terrorisierte, noch der Night Stalker, wegen dem die Menschen in Südkalifornien in den Achtzigern ihre Fenster verriegelten, war so aktiv. Trotzdem wurde der Golden State Killer kaum zur Kenntnis genommen. Er besaß keinen einprägsamen Namen, bis ich einen erfand. Er schlug in verschiedenen Gerichtsbezirken Kaliforniens zu, die nicht immer ihre Informationen austauschten. Als DNA-Tests enthüllten, dass Verbrechen, zwischen denen man keinen Zusammenhang vermutet hatte, einem einzigen Mann zuzuschreiben waren, lag sein letzter bekannter Mord mehr als zehn Jahre zurück, und seine Ergreifung galt nicht als dringlich. Er lebte weiter auf freiem Fuß, offensichtlich unauffällig und nicht identifiziert.
Doch er quälte immer noch seine Opfer. 2001 nahm eine Frau in Sacramento in dem Haus, in dem sie vierundzwanzig Jahre zuvor überfallen worden war, das Telefon ab. »Weißt du noch, wie wir gespielt haben?«, flüsterte ein Mann. Sie erkannte die Stimme sofort. Mit seinen Worten spielte er darauf an, was er in Stockton gesagt hatte, als die sechsjährige Tochter des Paares aufgestanden und ihm auf dem Weg ins Bad begegnet war. Etwa sieben Meter vor ihr hatte er gestanden, mit einer braunen Skimaske und schwarzen Strickhandschuhen und ohne Hose. Er hatte einen Gürtel mit einer Art Schwert darin getragen. »Ich spiele mit Mama und Papa«, hatte er gesagt. »Komm und schau zu.«
Ich verbiss mich in den Fall, weil ich das Gefühl hatte, man müsste ihn lösen können. Das Trümmerfeld, das er hinterlassen hatte, war gleichzeitig zu groß und zu klein, es gab so viele Opfer, so viele Spuren, aber in einem relativ überschaubaren Gebiet. Dadurch wurde es leichter, Daten über potenzielle Verdächtige zu sammeln. Der Fall nahm mich bald ganz gefangen. Ich befand mich auf der Jagd, klickte fieberhaft von Seite zu Seite und tippte mich in einen Dopaminrausch. Dabei war ich nicht allein. Ich fand eine Gruppe von Fanatikern, die in einem Online-Forum zusammenkamen und Hinweise und Theorien über den Fall austauschten. Ich schob sämtliche Vorurteile beiseite und verfolgte ihre Diskussion, las alle zwanzigtausend Posts, zu denen immer neue hinzukamen. Die unheimlichen Typen mit fragwürdigen Motiven ignorierte ich und konzentrierte mich auf die echten Jäger. Gelegentlich tauchte ein neuer Hinweis im Forum auf – etwa ein Foto von einem Aufkleber auf einem verdächtigen Fahrzeug, das jemand in der Nähe eines Tatorts gesehen hatte: der Versuch von Crowdsourcing von überlasteten Ermittlern, die immer noch an dem Fall saßen.
Für mich war er kein Geist. Ich baute auf menschliches Versagen. Irgendwann hatte er einen Fehler gemacht, davon war ich überzeugt.
In der Sommernacht, in der ich den Manschettenknöpfen nachspürte, war ich seit fast einem Jahr von dem Fall besessen. Ich benutze gerne gelbe linierte Schreibblöcke, vor allem die ersten zehn Seiten, wenn alles noch ordentlich und hoffnungsvoll wirkt. Das Spielzimmer meiner Tochter war mit nur teilweise vollgeschriebenen Blöcken übersät – eine verschwenderische Angewohnheit, die meine Geistesverfassung widerspiegelte. Jeder Block war eine Spur, die ich verfolgt hatte, bei der ich aber nicht weiterkam. Rat suchte ich bei den pensionierten Ermittlern, die an dem Fall gearbeitet hatten und von denen ich viele mittlerweile als Freunde betrachtete. Sie hatten irgendwann die Hoffnung verloren, aber das hielt sie nicht davon ab, mich zu ermutigen. Die Jagd nach dem Golden State Killer, die beinahe vier Jahrzehnte andauerte, kam mir weniger wie ein Staffellauf vor, eher wie eine sonderbare Seilschaft, die versucht, einen Berg zu besteigen. Die betagten Jungs mussten aufgeben, bestanden aber darauf, dass ich weiterging. Bei einem beklagte ich mich, es käme mir vor, als würde ich nach Strohhalmen greifen.
»Soll ich dir was raten? Schnapp dir den Strohhalm«, sagte er. »Klammere dich an allem fest, was du in die Hände bekommst.«
Die gestohlenen Wertgegenstände waren mein letzter Strohhalm. Und ich war wenig optimistisch. Am Wochenende des 4. Juli wollten meine Familie und ich nach Santa Monica fahren. Ich hatte noch nicht gepackt. Die Wettervorhersage klang wenig vielversprechend. Dann sah ich es, ein einzelnes Foto unter Hunderten, die mein Laptop auf den Bildschirm geladen hatte: Manschettenknöpfe, die zur Zeichnung in der Polizeiakte passten, mit den dazugehörigen Initialen. Immer wieder verglich ich die grobe Skizze des Polizisten mit dem Bild auf meinem Monitor. Die Schmuckstücke wurden für acht Dollar in einem Retro-Laden in einer Kleinstadt in Oregon angeboten. Sofort bestellte ich sie und zahlte vierzig Dollar für eine Lieferung per Nachtexpress. Ich ging durch den Flur zu unserem Schlafzimmer. Mein Mann lag auf der Seite und schlief. Ich setzte mich neben ihn auf die Bettkante und wartete, bis er die Augen öffnete.
»Ich glaube, ich habe ihn gefunden«, sagte ich.
Mein Mann musste nicht fragen, wer »er« war.