Für Nick und Ben, in Dankbarkeit, Liebe und Zärtlichkeit.

Die Autorin

Sarah Peyton ist zertifizierte Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation und lehrt im Bereich der Neurowissenschaften. Sie vermittelt, wie unsere Sprache unser Denken über die Welt und unsere Art, auf sie zu reagieren, beeinflusst. Sie gibt Seminare im In- und Ausland, um mitfühlendes Verständnis für die Folgen zu schaffen, die Beziehungstraumata auf das Gehirn haben.

Sarah Peyton
Selbstresonanz – Im Einklang mit sich und seinem Leben
Erkenntnisse aus Neurobiologie, Gewaltfreier Kommunikation und Traumaforschung

Über dieses Buch

Resonanz als Weg der Heilung 

Mit einem anderen Menschen in Resonanz zu sein bedeutet: Er versteht uns voll und ganz und betrachtet uns mit emotionaler Wärme und Großzügigkeit. Auch mit sich selbst kann man in Resonanz sein. Man kommt in Verbindung mit dem Körper, versteht, was im Gehirn passiert und kann die innere Stimme transformieren. 

Die innere Stimme kann sehr kalt und kritisch sein. Verändert sie sich, wird also der innere Dialog eher warm und freundlich, hat dies Auswirkungen auf die Funktionsweise des Gehirns. Deshalb ist Sprache für Sarah Peyton ein wichtiger Ansatzpunkt zur Aktivierung der eigenen Selbstheilungskräfte. 

Das Buch bietet: 

Sarah Peyton ist zertifizierte Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation. Sie lehrt Neurowissenschaften und beschäftigt sich mit der Frage, wie unsere Art über die Welt zu denken sich auf die Welt auswirkt.

Copyright: © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2019

Copyright: © der Originalausgabe: 2017 by Sarah Peyton

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel „Your Resonant Self. Guided Meditations and Exercises to Engage Your Brain’s Capacity for Healing“ bei W. W. Norton & Company, Inc., 500 Fifth Avenue, New York, NY 10110.

Illustrationen: Travis Kotzebue

Übersetzung: Christine Sadler

Coverfoto: © Josef – stock.adobe.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2019

ISBN der Printausgabe: ISBN 978-3-95571-834-3

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-938-8 (EPUB), 978-3-95571-940-1 (PDF), 978-3-95571-939-5 (MOBI).

Liste der Meditationen

1.1 Atmen (1–5 Minuten)

2.1 Eine Zelle

3.1 Den resonierenden Selbstbeobachter finden

4.1 Empathie für den inneren Kritiker

5.1 Das pränatale Selbst

6.1 Der Prozess des Zeitreisens

7.1 Nachträgliches Einüben

8.1 Den eigenen sicheren Ort finden

9.1 Das abgespaltene Selbst zur Heimkehr einladen

10.1 Bindung in der Gemeinschaft

11.1 Eine der Geschichten des erbarmungslosen Ruhezustandsnetzwerks transformieren

11.2 Das Willkommensfenster für Emotionen erweitern

12.1 Mit einer Depression arbeiten, die auf ein erbarmungsloses Ruhezustandsnetzwerk zurückgeht

12.2 Sanft einer Depression begegnen, die auf lebenslange Einsamkeit zurückgeht

13.1 Einem heftigen Verlangen mit Sanftheit und offener Neugier begegnen

14.1 Meditation zur Unterstützung von Freude

 

Sie finden sämtliche Meditationen (als Download und zum Anhören) unter http://www.junfermann.de. Gehen Sie dafür auf die Einzelansicht dieses Buches und schauen Sie dort unter „Mediathek“.

Danksagung und: Wie dieses Buch geboren wurde

Im August 2012 kamen drei Frauen zu mir und sagten: „Sarah, wir wollen ein Buch, und wir wollen, dass du es schreibst, und wir werden dich dabei unterstützen.“ Zuvor hatte ich sieben Jahre lang das Wissen um die heilende Wirkung von resonanten Worten bei emotionalem Schmerz verknüpft mit Erkenntnissen aus der interpersonellen Neurobiologie. Dieser Wissenschaftszweig sorgt für ein immer tieferes Verständnis des Einflusses, den Beziehungen auf das Gehirn haben.

Ich spürte ein Flattern in meiner Brust und eine Mischung aus Freude, Furcht und Schmerz. Dass mir verlässliche Unterstützung angeboten wurde, überraschte mich, fühlte ich mich doch beim Schreiben so einsam. Vor Antritt dieser sieben Jahre langen Reise hatte es sich in der Innenwelt meines Kopfes nicht gut leben lassen. Der Gedanke, während des Schreibprozesses Zeit allein mit meinem Gehirn zu verbringen, war deshalb ein wenig beängstigend. War ich ausreichend geheilt, um leben zu können, was ich vermittelte? Oder würde ich mir selbst so schonungslos kritisch gegenüberstehen, dass ich jeden Satz verreißen und nie über den ersten Absatz hinauskommen würde? Ich gab meinen Freundinnen recht – das Buch musste geschrieben werden. Aber konnte ich es tun?

Die Frauen sagten, sie würden mit mir telefonieren, als Gruppe oder einzeln. Ich würde so mit ihnen sprechen, statt allein zu schreiben, und auch sie würden sich Notizen machen. Sie fanden für unser Vorhaben den Namen Pusteblumen-Projekt, in Anspielung an die Art, wie die Samen des Selbstmitgefühls von einer Person zu anderen fortgetragen werden, dort Wurzeln schlagen, erblühen und sich weiter verbreiten.

Diese drei Frauen waren Tamyra Freeman, die Initiatorin des Vorhabens, Deb Solheim, die mich auf meiner Reise begleitet hat, und Mika Maniwa, die ihre Fähigkeit mitbrachte, eine warmherzige Gemeinschaft aufzubauen und zu bewahren. Tamyras Kompetenz im Projektmanagement half uns, die unvorstellbare und überwältigende Aufgabe, „ein Buch“, in realisierbare Einheiten und Kapitel aufzuteilen. Deb hatte gemeinsam mit mir den Stoff, aus dem das Buch werden sollte, sechs Jahre lang in einem Frauengefängnis unterrichtet. Mika war die tragende, ermutigende und unterstützende Säule, wenn es darum ging, diesem Stoff für das breite Publikum Leben einzuhauchen.

Zu Beginn des Arbeitsprozesses hielt mich dieses Team an der Hand, bei jedem Schritt des Weges – als sei ich ein Kleinkind, das Laufen lernt. In wöchentlichen Telefonsitzungen boten die Frauen mir emotionale Unterstützung für den Umgang mit meinen Ängsten und meiner Scham. Ich sollte ihnen etwas über die Inhalte erzählen und sie schrieben unsere Gespräche nieder. Als die Kapitel Form annahmen, lasen sie wiederholt jedes Wort und trugen so dazu bei, dass das Buch rund und vollständig werden konnte.

Niemals und unter keinen Umständen hätte ich dieses Buch geschrieben, wenn es Penny Walden nicht gäbe, die bereits alles wusste, was hier steht, noch bevor ich es in Forschungsarbeiten fand. Sie ist und bleibt meine geliebte Freundin und meine Inspiration. Mein Mann, Matt Wood, und mein jüngerer Sohn, Nick Wood, sind meine Quellen der Freude, des Spiels und der Erholung, die das Schreiben möglich machen. Susan Fusillo und Carol Ferris, die Worte reichen nicht aus, um zu sagen, was ich gern ausdrücken würde.

Während ich dieses Buch schrieb, starb mein Adoptivsohn, Benjamin Brick, im Alter von 32 Jahren an den Folgen eines Kindheitstraumas. Alles, worüber ich hier geschrieben habe, lernte ich in der Hoffnung, seinen Entwicklungsverlauf zu stoppen. Wir haben ihn verloren, doch ich hoffe, dass diese Darstellung andere auf der Suche nach einem einfacheren Weg unterstützen wird.

Bonnie Badenoch ist mein Vorbild, wenn es darum geht, die hier vorgestellte Methode zu leben, zu vermitteln und darüber zu schreiben. Sie empfahl das Manuskript meinem amerikanischen Verleger Norton. Danke, Bonnie, dass du die Rolle der Hebamme übernommen hast.

Alan Fogel, Psychologieprofessor und neurowissenschaftlicher Berater, und Deborah Malmud, Vizepräsidentin des Verlags Norton, ich weiß nicht, ob euch jemals für eure Arbeit als Doulas gedankt wurde, doch gilt euch mein demütiger Dank für eure Hilfe bei der Geburt dieses Buchs.

Travis Kotzebue möchte ich für die zauberhaften Abbildungen danken sowie dafür, dass er sie so bereitwillig angefertigt und zur Verfügung gestellt hat

Vor mehr als zehn Jahren hatte ich das große Glück, Susan Skye über die Neurowissenschaft der Traumaheilung mit resonanter Empathie sprechen zu hören. Ich besuchte alle ihre Vorträge und wurde recht bald ihre Schülerin, und blieb es fünf Jahre lang. Sie hat das Programms „New Depths“ kreiert, das sich auf neurowissenschaftliche Erkenntnisse und die Praxis der Gewaltfreien Kommunikation stützt und das wir viele Jahre lang gemeinsam unterrichtet haben.

Dan Miller und Gloria Lybecker, danke für eure Unterstützung, euer Mentoring und eure beständige Freundschaft. Dasselbe gilt für Patrice Schanck, die nicht sterben wollte, ohne dieses Buch gesehen zu haben, die wegen einer Krebserkrankung jedoch am 18. September 2016 von uns ging.

Zutiefst dankbar bin ich den neurowissenschaftlichen Forschern Michael Andresen und Laura Paret, die wertvolle Zeit auf mehr Klarheit und eine größerer Genauigkeit mehrerer Kapitel dieses Buchs verwendeten. Für etwaige Ungenauigkeiten oder mangelnde Klarheit bin ganz allein ich verantwortlich.

Ein Dank geht an die Frauen der Justizvollzugsanstalt Coffee Creek Correctional Facility in Oregon und die Männer des Gefängnisses Twin Rivers Unit in Washington. Ihr habt mir geholfen, die Vermittlung der hier vorgestellten Methode zu verbessern. Dafür bin ich euch zu ewigem Dank verpflichtet.

Danken möchte ich auch den Menschen, die mit diesem Ansatz im Ausland arbeiten: Olga Nguyen in Russland und Malaysia; Pernille Plantener und Joanna Berendt in Dänemark und Polen; Yuko Goto, Tsyuoshi Goto, Ken Anno und Shigeko Suzuki in Japan; Nat Fialho Bravo in Portugal und Vera Heim und Sylvie Hoerning in der Schweiz. Ich hoffe, dieses Buch bietet euch Unterstützung und Nahrung.

Und denen in Nordamerika: Amanda Blaine, Carolyn Blum, forest chaffee, Gail Donohue, Leigh Galbraith, Sandra Harrison, Satori Harrington, Clemie Hoshino, Celeste Kersey, Susan Jennings, Mika Maniwa, Jim Manske, Jori Manske, Vika Miller, Marilyn Mullen, Wendy Noel, Klarissa Oh, Mali Parke, Darilyn Platt, John Porter, Sam Qanat, Rosemary Renstad, Katherine Revoir, Peggy Smith, Sharran Szeleke, Kangs Trevens, Jessica Van Hoogevest und Angela Watrous – danke für eure Empathie, eure Unterstützung und euer Engagement für diese Methode und ihre Weitergabe.

Ebenfalls würdigen möchte ich die Gruppe von Zweitlesern: Melissa Banks, Bruce Campbell, Sofia Campbell, Susan D. Dixon, Alfred Joyell, Daniel Kingsley, Becky Lewis, Carol Lindsay, Alison McDonald, Jean McElhaney, Jonna Morgan, Dianna Myers, Nina Otazo, Bev Parsons, Carl Plesner, Shana Ritter, Rita Schmidt, Sharon Seymour, Peggy Smith, Philip D. Stewart, meine geliebte Carmen Votaw sowie Carla Adwell Webb. Danke für eure Sorgfalt und eure wohlüberlegten Kommentare.

Die anderen Stimmen, denen ich für diese Jahre der Liebe und Unterstützung danken möchte, sind mein Bruder James Peyton, Elena Peyton-Jones, Jennifer Jones, Kathryn Krogstad und Mikaela Wyman, außerdem Mari Alexander, Chuck Blevins, Eric Bowers, Jocelyn Brown, Phyllis Brzozowska, Janice Eng, M’Lyss Fruhling, Turiya Gearhart, Annie Harkey-Power, J.J. Jackson, Finn Ludlow, Daliah Lundquist, Frith Maier, Kristin Masters, Jane Peterson, Pam Raphael, Art Resnick, Evie Rolston, Kerridwyn Schank, Michael Smyth, Noah Smyth, Liam Smyth, Tryg Steen, Kelly Stevens, Anastasia Stevens, Carolyn Stuart, Lia Stuart, Colleen Tootell, Elena Veselago, Kelly Wilson, Elizabeth Wood, Pat Wood und Charles Wohl.

Eine abschließende Bemerkung an meine Freunde, die geschlechtsneutrale Formulierungen befürworten: Dieses Buch war euch zu Ehren ursprünglich in geschlechtsgerechter Sprache geschrieben. Sie schaffte es nicht uneingeschränkt durch den Redaktionsprozess, doch hoffe ich, ihr werdet sie trotzdem hören.

Vorwort

Menschen, die aus einer Mischung aus Leidenschaft, Weisheit und persönlicher Erfahrung heraus schreiben, haben ihren Lesern etwas Einzigartiges zu bieten. Ihre Worte sind von einer Ganzheitlichkeit und Aufrichtigkeit, dass sie etwas verändern, wenn sie unseren Geist und unser Herz erreichen. Sarah ist solch ein Mensch.

Als ich sie vor acht Jahren kennenlernte, merkte ich, dass sie alles wissen wollte. Sofort vergrub ich mich in die einschlägigen Forschungsergebnisse, um ihre Fragen beantworten zu können. Sie hatte ihre Freude an den Nuancen der Hirnforschung (und vielen anderen Dingen) und zeigte ein besonderes Talent dafür, aus den von ihr zusammengetragenen Stücken eine Synthese zu bilden. Und als sie entdeckt hatte, wie Gehirne unabhängig voneinander und in Beziehungen funktionieren, begann sie auf dieser Basis eifrig zu üben. Mit Bescheidenheit und Humor erzählte sie von Hürden genauso wie von Erfolgen, von ihren anhaltenden Wunden genauso wie von ihrer Heilung. Dies machte sie zu einer außerordentlichen Freundin und Lehrerin, deren eigene Verletzlichkeit anderen die Sicherheit gab, sich ebenfalls zu öffnen. Als ich hörte, dass sie darüber nachdachte, ein Buch zu schreiben, freute ich mich sehr, den Kontakt zum Verlag Norton herstellen zu können und so dazu beizutragen, dass ihre Stimme bekannter wird.

Mit diesem Buch haben wir nun die Frucht dieser Jahre des Studiums und der Praxis vor uns liegen. Es soll jedem von uns helfen, eine mitfühlendere und sanftere Beziehung zu seinen inneren Stimmen zu entwickeln und damit Zugang zum Weg der Heilung zu finden. Diese Fähigkeit zu entwickeln heißt in der Folge unweigerlich, mehr Verständnis und Zuwendung für andere aufzubringen. Hierfür könnte es keinen geeigneteren Zeitpunkt geben als jetzt. Was unser angeborenes Potenzial für Verbindung und Empathie sowie die Wertschätzung von Unterschieden angeht, steht unsere Welt vor ernsthaften Herausforderungen. Ich glaube, das spüren wir alle, ganz unabhängig davon, wie wir meinen, dass sich die Probleme unserer Gesellschaft lindern ließen. Sarah bietet uns Übungen der Selbstwärme an – eine Grundlage und Unterstützung, um auf unseren angeborenen Drang nach Heilung zugreifen zu können. Dieser ist möglicherweise ein wesentlicher Bestandteil dauerhafter kultureller Veränderung. Wegen der Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, stellt er fürwahr eine außerordentliche und besonders hilfreiche Ressource dar.

In jedem Kapitel werden klar formulierte Kernkonzepte mit geführten Meditationen und der Vorstellung wichtiger Teile des Gehirns verbunden. Ein wunderbarer Aufbau, bei dem zuerst unser Verstand angesprochen wird und wir dann Gelegenheit haben, uns durch wiederholte Beschäftigung mit den Meditationen in die Erfahrung zu vertiefen. Wir werden eingeladen, langsam und wohlwollend in das Reich unserer Innenwelt vorzudringen. Durch die neurowissenschaftlichen Informationen, die bisweilen mit schönen Illustrationen versehen sind, können wir uns ein Bild davon machen, was sich im Zuge dieser Erfahrungen in unserem verkörperten Gehirn und unserem Beziehungsgehirn abspielt. Es zeigt sich, dass unser Gehirn unser Wohlergehen in hohem Maße unterstützt und eindeutig für Heilung zugänglich ist. Deshalb erzeugen diese Abschnitte bei uns möglicherweise noch mehr Hoffnung und Dankbarkeit als die wissenschaftlichen Erkenntnisse. Ich kann mir vorstellen, jedes Kapitel mehr als einmal zu lesen, um die Informationen wiederholt aufzunehmen und die Meditationen mehrmals zu üben, bevor ich fortfahre. Es wäre wahrscheinlich sogar nützlich, jeweils zu überprüfen, wann unsere Innenwelt für das nächste Kapitel bereit ist. Das entspricht vielleicht nicht unseren üblichen Lesegewohnheiten, es wäre aber sicherlich eine respektvolle Vorgehensweise zum Erwerb genau der Fertigkeit, die Sarah uns anbietet – tiefes Zuhören, tief im Inneren.

In diesem Buch werden mehrere zentrale Ideen untersucht. Erstens sind wir dafür gemacht, uns in jeder Phase unseres Lebens zu verbinden. Gibt es keine anderen Menschen, die uns diese Verbindung bieten können, haben wir die Möglichkeit, unser eigener mitfühlender Selbstbeobachter zu werden. In diesem Zustand ist unser Geist in der Lage, mit einer Erfahrung beschäftigt zu sein und sich gleichzeitig selbst mit Freundlichkeit zu begegnen. Das ist eine Fähigkeit, die sich kultivieren lässt. Niemand ist folglich von der Heilung ausgeschlossen, weil es ihm an Begleitung fehlt. (Allerdings kann ich sagen, dass Sarah durch ihre von Mitgefühl durchdrungenen Worte eine überaus wunderbare und resonante Weggefährtin auf dieser Reise ist.)

Das zweite Prinzip, das unseren Weg erleichtern kann, lautet folgendermaßen: Jede Stimme, egal, wie schmerzlich oder verstörend, hat die Absicht, zu helfen. Allein diese Erkenntnis wirkt sich beruhigend auf den Krieg aus, der in unserem Inneren tobt – zwischen den Teilen von uns, die wir lieben oder zumindest tolerieren, und denen, die wir hassen und loswerden wollen. Wenn wir uns der Möglichkeit öffnen, dass jeder Teil seinen Wert hat, beginnt sich etwas Gewaltiges zu verändern. Sarahs unerschütterliche und mitfühlende Beschäftigung mit diesen häufig ungewollten Teilen ist eine wertvolle Ermutigung für uns, ebenfalls nachgiebig zu werden und uns ihnen zu öffnen.

Die dritte Botschaft lautet: Heilung ist ein allmählicher und machbarer Prozess, der seiner eigenen Logik und seinem eigenen zeitlichen Ablauf folgt. Von eher zugänglichen und tolerierbaren inneren Reisen führt uns Sarah hin zu solchen, die für viele von uns eine größere Herausforderung darstellen könnten. Ihr gütiges Verständnis, geboren aus ihrer persönlichen Erfahrung und so vielen Jahren der Arbeit mit verletzten anderen, schafft Platz für jeden von uns. In unserem eigenen Tempo können wir hier unseren Schwierigkeiten mit Mitgefühl begegnen, statt sie zu verurteilen. Und vielleicht können wir sogar sanfter mit unseren unvermeidlichen Urteilen umgehen. Solch ein weiter Raum der Akzeptanz ist eine schöne Umgebung für unsere allmähliche Entwicklung.

Ich vertraue darauf, dass dieses Buch einem jeden von uns eine gute Stütze auf seiner Reise hin zu größerer Resonanz und stärkerem Mitgefühl sein wird. Egal, wer wir sind, ob Heiler unterschiedlicher Couleur, Lehrer, Eltern, Klienten von Therapeuten, die nach dem Ansatz der Interpersonellen Neurobiologie (IPNB) arbeiten, oder einfach Menschen, die eine größere innere Harmonie finden wollen, Sarahs Angebot wird uns eine kostbare Quelle für Wachstum und Heilung sein.

Bonnie Badenoch

Vancouver, Washington

Dezember 2016

„Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren,
schmerzlicher wurde als das Risiko, zu blühen.“

Anaïs Nin

Einleitung

Wie hört sich Ihre innere Stimme an? Diejenige, die in Ihrem Kopf sitzt, die nur Sie allein hören können? Wenn Sie einen Moment innehalten, um wahrzunehmen, wie es sich anfühlt, Sie selbst zu sein, werden Sie feststellen, dass Sie eine bestimmte Einstellung zu sich haben. Vielleicht freuen Sie sich darüber, wer Sie sind, und sind glücklich, Ihre Leidenschaften zu leben und Ihren Beitrag zu leisten. (Falls es so ist, lesen Sie dieses Buch wahrscheinlich, um Ihren Beitrag für andere noch sinnvoller gestalten zu können.)

Menschen können von sich auch selbst enttäuscht sein. Sie können sich nach Erfolg oder Kompetenz oder Anmut sehnen. Sie können danach lechzen, ihre Begabungen besser zu kennen und auszudrücken. Sie können auf sich selbst böse oder niedergeschlagen sein oder mehr Kummer verspüren, als sie zu verkraften in der Lage sind. Für diese Menschen kann der emotionale Ton, der sich im Moment des Innehaltens einstellt, so überwältigend und schmerzhaft sein, dass sie es um jeden Preis vermeiden, mit ihren Gedanken allein zu sein. Das kann sogar so weit gehen, dass sie sich durch einen elektrischen Schlag – den sie vorher unter allen Umständen vermieden hätten – selbst Schmerzen zufügen. Alles ist besser, als nur dazusitzen und zu denken.1 Menschen, die mit einer Depression und mit Scham zu kämpfen haben oder mit der Gefahr, von Zorn überwältigt zu werden, eignen sich Ausweichstechniken an, die ihnen helfen zu verhindern, dass sie allein mit ihrem Gehirn sind: Sie halten sich ständig beschäftigt, spielen endlos Solitaire, sind unablässig mit ihren Smartphones in sozialen Netzwerken unterwegs, arbeiten rund um die Uhr oder entwickeln Süchte, nur um nicht zu fühlen, wie es ist, sie selbst zu sein. (Wenn ich neue Begriffe einführe, definiere ich sie und hebe sie durch Fettdruck hervor. Am Ende des Buches können Sie diese Begriffe im Glossar nachschlagen. Eine gute Arbeitsdefinition für Depression könnte beispielsweise so lauten: Ein ständiges Gefühl bzw. ein anhaltender Zustand der Traurigkeit; Verlust von Glücksgefühl und Mangel an Interesse am Leben; kann einhergehen mit Erschöpfung und einem permanenten Gefühl der Überwältigung.)

Jeder Mensch hat eine innere Stimme.2 Bei manchen drückt sie sich in Worten aus; bei anderen ist sie eher ein bestimmter Ton. Die innere Stimme kann ein kontinuierlicher Strom emotionaler Wärme sein; sie kann sich als Fluss schwieriger Emotionen äußern; bei wieder anderen erscheint sie möglicherweise emotionslos. Dann wird vielleicht analysiert, wie sich die Struktur und Planung unseres Soziallebens und unserer Beziehungen gestaltet, und kontrolliert, ob unser Leben in der Spur ist und alle beweglichen Teile in die richtige Richtung laufen.

Emotionale Wärme

Was ist emotionale Wärme? Die Erfahrung, dass ein Mensch einem anderen Zuneigung entgegenbringt, und ein Gefühl, willkommen zu sein. Auch auf körperlicher Ebene gibt es Wärme, wenn wir einander nah genug sind, um gegenseitig des anderen Körperwärme zu spüren. Dieser Begriff umfasst folglich auch Nähe und die Möglichkeit der Geborgenheit durch Körperkontakt.

Wie fühlt sie sich an? Wie eine sanfte Hitze in unserem Herzen, die sich in unserer Brust und unserem Bauch ausbreitet. Sie geht mit Entspannung und Geborgenheit einher. Sie gibt uns ein Gefühl von Zugehörigkeit.

Wo kommt sie her? Von dem Gefühl, umsorgt, bestärkt und gefördert zu werden. Wir empfinden Wärme, wenn wir wissen, dass wir wichtig sind.

Welche Kräfte, Gedanken oder Handlungen verringern die Wärme? Selbsthass, Selbstkritik und Selbsturteil reduzieren die Wärme massiv. Auch Menschen in unserer Umgebung können die Wärme mindern, wenn sie mit Augenverdrehen auf uns reagieren oder nur einen Mundwinkel heben, wenn sie mit uns reden, Menschen, die uns definieren oder etikettieren oder uns erzählen, wie wir uns fühlen. Auch wenn wir von uns selbst verlangen, perfekt zu sein, wird die Wärme reduziert.

Wie lässt sich emotionale Wärme nähren? Indem wir herausfinden, was sich für uns wirklich gut anfühlt und was für uns tatsächlich gut ist. Berührung, die sich angenehm und entspannend anfühlt, kann Wärme begünstigen. Resonanz sät Samen der Wärme und lässt diese wachsen, bis sie stark und widerstandsfähig ist. Treffen, bei denen nahrhafte und köstliche Speisen gemeinsam verzehrt werden und Menschen miteinander lachen, kann Wärme fördern. Bedingungslos akzeptiert zu werden kann uns Wärme schenken. Die Überraschung, geliebt zu werden, nährt Wärme.

Häufig kann die innere Stimme vollkommen emotionslos wirken. Aber unabhängig davon, in welchem Ton sie zu uns spricht, neigt sie dazu, sich in einem endlosen Strom des Geplappers zu ergießen – über das Gute, das Schlechte und das Abstoßende: darüber, wer wir sind, was wir getan haben, was wir vergessen haben und was die anderen Menschen in unserem Leben getan haben, nicht getan haben oder tun werden.

Sie glauben mir nicht? Unterbrechen Sie für einige Momente Ihre Lektüre und schauen Sie, was passiert. Warten Sie so lange, bis sich die Gedanken, die diese Worte hervorgerufen haben, beruhigt haben. Das Muster, das automatisch in unseren Köpfen abläuft, wenn unser Gehirn nicht gerade mit einer Aufgabe beschäftigt ist, ist unsere innere Stimme. Selbst wenn wir sie nicht hören können, ist es doch möglich, ihren Ton zu erahnen, und zwar an der Art, wie wir uns selbst behandeln oder über andere denken. Wenn wir Erfahrungen mit liebevollen und wertschätzenden wichtigen Menschen (wie Eltern, Großeltern, Lehrerinnen oder auch nur eine freundliche Nachbarin) im „Gepäck“ haben, sind unsere Gedanken durch einen leichten, sanften Ton gekennzeichnet.

Haben wir jedoch andere Lebenserfahrungen gemacht – etwa mit Eltern oder Ehepartnern, die uns verbessern wollen und nur mit uns sprechen, um uns „besser“ zu machen, die erschöpft sind und nach dem Leitsatz vorgehen, Kinder oder Partner soll man sehen und nicht hören, oder die von zu viel Geschäftigkeit umgeben oder zu überwältigt sind, um uns überhaupt zu sehen –, dann kann sich die innere Stimme ganz anders anhören. Bei vielen Menschen ist diese innere Stimme fortwährend negativ und manchmal sogar grausam.

Trotz alledem gibt es gute Nachrichten. Sie können Ihre innere Stimme hören, verstehen und sie – falls Ihnen nicht gefällt, wie sie Sie behandelt – verwandeln. Auf diesen Seiten möchte ich Sie zu Selbstmitgefühl und Selbst-Verständnis ermutigen. Menschen, die das verinnerlichen, brauchen auch nicht mehr so viel Ablenkung durch andauerndes Beschäftigtsein. Sie müssen nicht mehr ständig Fernseher, Computer oder Smartphone rund um die Uhr eingeschaltet lassen, sie brauchen weniger kulinarische Seelentröster oder regelmäßige Drinks.

Es zeigen sich andere Wahlmöglichkeiten und die Hoffnung keimt auf, auf eine neue Weise antworten zu können. Wenn die innere Stimme ruhiger und unterstützender wird, beginnen Menschen sich selbst zu mögen.

Das passiert unweigerlich, sobald eine Sache namens Resonanz ins Spiel kommt. Und das ist die Erfahrung, zu spüren, dass ein anderes Wesen uns vollkommen versteht und mit emotionaler Wärme und Wohlwollen betrachtet. Wir wissen, der andere könnte in unsere Haut schlüpfen, und unsere Gefühle und Sehnsüchte wären für ihn nachvollziehbar.

Was ist der Unterschied zwischen Empathie und Resonanz? Es gibt viele Definitionen für Empathie, darunter die, dass man sich in die Lage anderer Personen versetzt, sich in sie einfühlt, ihre Erfahrung versteht, ihren emotionalen Zustand deutet und ähnliche Emotionen empfindet. Keine dieser Erklärungen umfasst die Notwendigkeit, ein „Wir“ zu sein, das heißt, Teil einer Resonanz zu sein. Sind wir mit jemandem in Resonanz, sagt die Person, die empfängt: „Ja, du bist bei mir. Du verstehst mich.“ Dies kann verbal geschehen, es kann aber auch mit einem Seufzer und körperlicher Entspannung erfolgen. Ich kann Empathie für obdachlose Menschen empfinden, wenn ich an ihnen vorbeifahre, und sie werden es niemals wissen. Wir können aber nicht in Resonanz mit einer Person sein, solange wir keine Beziehung haben. Resonanz ist eine Erfahrung, zu der zwei Menschen gehören. Jemand kann nicht einfach behaupten, er sei mit uns in Resonanz. Es sind die Empfänger, die sagen dürfen, ob die Gegenwart oder die Sprache eines anderen sich resonant anfühlt oder nicht.

Vielleicht denken Sie: „Wenn ein besseres Gefühl von etwas abhängt, das zwischen zwei Personen passiert, bin ich geliefert. Ich habe niemand anders. Ich bin allein in dieser Welt.“ Aus diesem Grund habe ich dieses Buch geschrieben: Ich möchte Menschen die Möglichkeit geben, zu lernen, mit sich allein zu sein. Deshalb lautet der Titel Selbstresonanz. Im Einklang mit sich und seinem Leben. Um mit sich selbst resonant zu sein, müssen Sie zwei unterschiedliche Teile Ihrer selbst wahrnehmen: Ihr emotionales Selbst und Ihr resonantes Selbst. Ihr emotionales Selbst ist jenes, das sagen darf, ob der Teil von Ihnen, der versucht resonant zu sein, ins Schwarze trifft. Es ist nach wie vor eine Erfahrung, an der zwei Personen beteiligt sind, doch befinden sich diese beiden Personen in Ihnen.

Sie lesen gerade die besten Formulierungen, die ich finden konnte, um Ihr Gehirn dazu einzuladen, mit mir auf eine Lernreise zwecks Verwandlung Ihrer inneren Stimme zu gehen. Diese Reise folgt einem heilenden Weg der Verbindung mit dem Körper, der Aneignung von Wissen über das Gehirn und der resonanten Sprache. Die resonante Sprache vermittelt Menschen das Gefühl, verstanden zu werden. Ihr Ton ist gefühlvoll, sie berücksichtigt die gemeinsame Beziehung und geteilte Erinnerungen und äußert Anerkennung. Emotionen zu benennen gehört zu dieser Art von Sprache, genauso wie über Emotionen nachzudenken; sie beinhaltet Träume, Sehnsüchte, Bedürfnisse sowie Körperempfindungen; ihre Metaphern sind frisch, sie ist voller Bilder und Poesie.

Resonanzfähigkeit 0.1: Was ist eine Resonanzfähigkeit?

Mit Sprache können Menschen Verbindung herstellen, und sie können sich mittels Sprache trennen und andere von sich wegzustoßen. Eine Verbindung mit anderen oder dem Selbst entsteht, wenn die Worte resonant sind, während Worte, die kritisch, wertend oder versachlichend sind, das Gehirn spalten und Wärme im Keim ersticken. Die Art, wie Menschen sprechen, ist von Bedeutung, denn auf diese Weise offenbart sich, ob ihre Gedanken schlüssig sind, ob sie mit Integrität sprechen, wie sie ihr Gehirn benutzen und welches ihre tief verwurzelten Einstellungen zu sich selbst und anderen sind.3 Die Art, wie Menschen mit sich selbst sprechen, kann zu langfristiger Selbstunterstützung und dauerhaftem Wohlbefinden führen oder zu Stress und einem Mangel an Resilienz. Ändern Menschen die Art, wie sie mit sich selbst reden, ändern sie die Arbeitsweise ihres Gehirns. Wenn wir Wärme für das Selbst empfinden möchten, ist die Sprache ein Ausgangspunkt. Im gesamten Buch wird es immer wieder um ein Verständnis dessen gehen, wie man Sprache so verwendet, dass die Gehirnintegration unterstützt wird. Die sich hierfür bietenden Möglichkeiten nenne ich Resonanzfähigkeiten. Wenn Menschen aufhören, sich zu vergleichen und zu kritisieren, und sich einem warmen Verständnis ihrer selbst annähern, um für sich selbst zu sorgen, sind sie auf dem Weg zu einem gesunden Gehirn.

Jedes Kapitel bietet die Chance, zu erleben, wie resonante Sprache das Gehirn mittels geführter Meditationen und Empathie verändern kann. Zur Unterstützung von Selbsterkenntnis und Selbstmitgefühl werden Sie dann etwas darüber lernen, wie das Ganzkörpergehirn funktioniert.

Wir werden feststellen, dass es vollkommen nachvollziehbar ist, dass wir so sind, wie wir sind. Und unsere alte Gewohnheit, uns selbst zu verunglimpfen, ist einfach nur der beste Versuch unseres Gehirns, auf uns achtzugeben. Wenn wir das verstehen, setzt eine neue Sanftheit ein. Wir lernen Fakten über unser Gehirn und erzeugen so neue Verbindungen, die es uns ermöglichen, uns selbst auf eine wohlwollendere und entspanntere Art zu sehen. Das Gesamtbild dessen, wer wir sind, wird größer und komplexer, wenn wir berücksichtigen, wie wir verdrahtet sind, wie die Gehirne und Verhaltensweisen anderer Menschen uns beeinflussen und welche Auswirkung die Gehirne vergangener Generationen auf unsere Muster des Denkens und Fühlens haben. Daraus geht eine lebendige und warme Neugier auf die Menschen und ihr Verhalten hervor, die das Leben auf Schritt und Tritt bereichert und interessanter macht.

Während Sie lesen, werde ich Ihr Gehirn also dazu auffordern, Dinge auf neue Art miteinander zu verknüpfen. Das geschieht zum Beispiel gerade jetzt, da ich Sie bitte, sich Ihr Selbstgefühl bewusst zu machen und gleichzeitig für sich selbst Zuneigung und Neugier zu empfinden und sich selbst willkommen zu heißen. Möglicherweise sind Sie noch nie dazu aufgefordert worden, sich selbst mit emotionaler Wärme zu betrachten.

Unser Gehirn wächst und verändert sich jederzeit in Reaktion auf unsere Erfahrungen. Richten wir unsere Aufmerksamkeit (1) auf das Bild, das wir von uns selbst haben, und (2) auf unsere Fähigkeit zu sanftem Verständnis, dann kultivieren wir mit einem Mal eine neue Art, mit uns selbst umzugehen. Das ist die Essenz dieses Buches. Wenn ich diese neuen Ideen vorstelle, indem ich über sie schreibe, und Sie sich in sie vertiefen, indem Sie sie lesen, fordern wir Ihr Gehirn dazu auf, sich zu verändern. Es soll auf diese Weise zu einem Ort werden, an dem es sich besser leben lässt.

Während dieser Reise durch das Gehirn und durch die Grundlagen resonanter Kommunikation werde ich Sie darum bitten, Ihre Körperempfindungen und Ihre emotionalen Reaktionen so weit wie möglich wahrzunehmen. Je mehr Sie es sich erlauben, zu fühlen – sowohl körperlich als auch emotional –, und die Verbindungen zwischen Ihren tiefsten Sehnsüchten und Ihren Emotionen zu sehen beginnen, umso eher ist Veränderung möglich.

Dieses Buch lädt Sie dazu ein, Ihren eigenen Lernprozess zu durchlaufen und Ihre Lebensgeschichte mit neuen Augen zu betrachten. Ungeachtet dessen, was Sie vielleicht denken, werden Sie nicht durch die Geschichte definiert, die Sie bislang gelebt haben. Sie sind nicht in Stein gemeißelt oder in Eis gefroren. Wenn Sie die Geschichte der Selbstbeschuldigung und des erstarrten emotionalen Traumas (der Momente, in denen das Geschehen um Sie herum für Ihren Gehirnkörper zu schwierig, furchterregend oder schmerzhaft ist, um es zu ertragen, und es Ihnen unmöglich ist, die Erfahrung zu integrieren) finden und auflösen, werden Sie erfahren, welches wirklich Ihre wahre und große Lebensgeschichte ist. Sind einmal alle Teile, die Einfluss auf Sie haben, aufgedeckt, werden Sie das Verständnis entwickeln, dass Ihre Entscheidungen immer Sinn ergeben haben. Egal, wie oft sie sich selbst einen Idioten genannt oder Getanes bereut haben: Sobald Sie verstehen, auf welche Weise die Erstarrung und der Selbstschutz des Gehirns sich auswirken, wissen Sie auch, dass Sie immer die Ihnen bestmöglichen Schritte unternommen haben. Wir bewegen uns in Richtung Heilung und nehmen dabei eine physische Veränderung unseres Gehirns vor.

Gehirnkonzept 0.1: Neuroplastizität

Der wissenschaftliche Name für die Veränderungsfähigkeit des Gehirns ist Neuroplastizität. Lange verstand ich diesen Begriff (neuroplasticity) nicht, da ich bei Plastik (plastic) an etwas Festes und Hartes dachte. In diesem Fall aber bedeutet das Wort „formbar“. Der Ausdruck neuroplastisch meint, dass die Neurone, die Basiszellen unseres Gehirns, auf Lebenserfahrungen reagieren, indem sie wachsen und sich verändern. Auch die Art, wie sie sich miteinander verbinden, ändert sich.

Wenn sie das Wort Gehirn hören, denken die meisten Menschen sofort an das walnussförmige Organ mit unebener Oberfläche im Inneren des Schädels. Die Zellen, aus denen dieses Organ gebildet ist, sind jedoch untrennbar mit dem im ganzen Körper verteilten Nervensystem (sämtlichen Nerven des Körpers, einschließlich der Neurone des Schädelhirns) verbunden. Je mehr das Gehirn erforscht wird, umso weniger Unterscheidungen macht man zwischen dem Schädelhirn und dem gesamten Körpergehirn. Wenn ich in diesem Buch lediglich über das im Schädel angesiedelte Gehirn schreibe, werde ich vom Schädelhirn sprechen. Verwende ich das Wort Gehirn, beziehe ich mich auf das gesamte den Körper durchziehende Nervensystem einschließlich des Gehirns im Schädel. Gelegentlich werde ich die Begriffe Gehirn im gesamten Körper, verteiltes Nervensystem oder Gehirnkörper benutzen, um Sie daran zu erinnern, dass ich tatsächlich über eine Ganzkörper-und-Schädel-Erfahrung spreche.

Das Innere des Schädelhirns ist dicht gepackt mit Milliarden von Neuronen (der am besten untersuchte Typ von Gehirnzelle) und anderen, unterstützenden Gehirnzellen.4 Diese innere Welt unterscheidet sich grundlegend von der äußeren Welt, deshalb ist es schwierig, sie mit uns vertrauten Bildern zu beschreiben. Sie funktioniert eher wie ein Quantenraum, folgt nicht den regulären physikalischen Gesetzen. Allerdings können Bilder aus der vertrauten Welt Menschen helfen, sich auf eine neue Art des Lernens einzustellen. Ich werde deshalb Vergleichsmöglichkeiten anbieten, jedoch immer mit der Einschränkung, dass sie der Komplexität des Gehirns nicht gerecht werden. Ich werde dann jeweils erklären, worin der wesentliche Unterschied besteht. Beispielsweise sehen Neurone aus wie kleine Bäume (und manche Wissenschaftler bezeichnen sie sogar so), ein jedes mit vielfachen Ästen oder Verästelungen (den sogenannten Dendriten) und einer einzelnen Wurzel (Axon genannt). Sie unterscheiden sich jedoch auf vielerlei Weise von Bäumen. Während Bäume mittels Gasen, die sie über ihre Blätter aussenden, und chemischen Substanzen, die sie über ihre Wurzeln abgeben, miteinander kommunizieren, reihen sich die dicht gepackten Neurone in der Hirnsubstanz in jede Richtung aneinander – Äste an Wurzeln – und nutzen unterschiedliche chemische Stoffe, um sich verschiedene Botschaften mitzuteilen. Hierbei fließen Energie und Information fast immer vom Axon eines Neurons zu einem Dendriten eines anderen. Neurone sind zudem sehr viel reaktionsfreudiger und veränderlicher als Bäume. Ist an einem Baum ein Ast gewachsen, bleibt er dort, bis er abgeschlagen wird oder abfällt. Im Gegensatz dazu befinden sich die Äste von Neuronen (ihre Dendriten) in einem ständigen Wandel, der ganz und gar davon abhängt, wie wir unser Gehirn benutzen.

Alle Menschen, auch Erwachsene, bilden jeden Tag in ihrem Schädelhirn Tausende neuer Neurone.5 Man spricht hierbei von Neurogenese. Diese frischen Neurone helfen uns, neue Information und Wissen zu speichern. Hauptsächlich lernt das Gehirn jedoch durch die Bildung und Stärkung von Assoziationen zwischen bereits existierenden Neuronen. – In der mysteriösen Welt des Gehirns können Neurone und Hirnareale, die sich nicht einmal berühren, vom Gehirn als Ganzem verknüpft und gelesen werden.

Erinnerungen sind Ansammlungen zahlreicher Inputs aus vielen Quellen. Was wir „Lernen“ nennen, ist ein interneuronaler Verbindungs- und Assoziationsprozess, an dem Millionen von Zellen beteiligt sind. Die strukturelle Organisation und Reorganisation der für das Lernen verantwortlichen Neurone machen das Wesen der Neuroplastizität aus. Im Folgenden finden Sie einige Beispiele dafür, wie sich das Gehirn in Reaktion auf Lernen verändert:

Beim Lesen dieses Buches wird Ihr Gehirn neue Assoziationen herstellen – zwischen Ihren eigenen Erkenntnissen und Erfahrungen der Vergangenheit und dem, was Sie hier lernen. So entsteht neues Wissen und Sie werden auf eine Ihnen bisher völlig unbekannte Art und Weise über sich selbst denken. Aha-Momente, Situationen, in denen Dinge auf ungewohnte Weise zusammenkommen, stärken unsere neuen Assoziationen und helfen uns dabei, uns einen anderen Reim auf die Welt zu machen.

Dieses Buch konzentriert sich auf das Gebiet der interpersonellen Neurobiologie. Hier laufen die Fäden aus allen Forschungsgebieten zusammen, die das Beziehungsgehirn untersuchen (nicht nur das Gehirn allein, sondern auch die Frage, wie Gehirne einander beeinflussen). Dazu gehören etwa die kognitive und die soziale Neurowissenschaft, die Bindungsforschung und die Psychologie. Ergänzen wir diese Erkenntnisse noch um das Verständnis der Wichtigkeit der Körperstimme und das Wissen darüber, wie resonante Empatie uns unterstützt, erkennen wir so langsam die Voraussetzungen für eine Veränderung des Gehirns.

So oft wollen wir unsere Probleme ganz allein lösen, und doch ist uns dies ohne fremde Hilfe nicht möglich. Um zu heilen und zu gedeihen, brauchen wir andere Menschen und deren Freundlichkeit und Güte. Wir sind soziale Tiere, dafür geschaffen, in Gruppen zu leben wie Bienen, Ameisen oder Elefanten. Unser Gehirn ist so beschaffen, dass es von anderen menschlichen Gehirnen beruhigt wird. Unser Nervensystem ist so aufgebaut, dass wir auf menschliche Gesichter und Stimmen fokussieren, wenn wir uns sicher fühlen (es sei denn, wir haben gelernt, dass wir bei anderen Menschen niemals sicher sind; dazu gleich mehr).8 Wörter und Sprache machen es möglich, dass unsere Liebe und unsere Sorge füreinander (sowie unser Hass und unsere Verachtung) von einer Person zur anderen weitergetragen werden, vom Elternteil zum Kind, zwischen Partnern, zwischen Freunden und sogar über Entfernungen und Zeiten, über Kontinente und Generationen hinweg.

Hat eine Person jedoch gelernt, dass sie bei anderen Menschen nicht in Sicherheit ist, kann sie u. U. nur entspannen, wenn keine Leute in der Nähe sind – in der Natur, allein oder mit Tieren. Diese Person entscheidet sich vielleicht, mit einer Therapeutin zu arbeiten, deren Schwerpunkte darin liegen, zwischenmenschliche Bindungen neu aufzubauen sowie das Vertrauen, dass der Umgang mit anderen Menschen sicher sein kann. Auch in diesem Buch finden sich Inhalte, die bei solch einem Bemühen helfen.

Resonanzfähigkeit 0.2: So, wie wir sind, ergeben wir einen Sinn

Wie wir auf unserer Reise durch das Gehirn und den Körper sehen werden, ergeben unser Denken und Fühlen – und damit auch wir – einen Sinn. Unsere Panik hat einen Ursprung, unsere Sorgen sind verständlicher, als wir auf Anhieb erkennen, und der Schmerz, den wir immer schon in uns getragen haben, erfüllt einen Zweck.

Es gibt einen Weg, die Bereiche unserer Beziehung mit dem Selbst, die schmerzhaft sind, zu transformieren. Dieser Weg ist einfach und machbar, jedoch nicht immer leicht. Doch wenn wir etwas über unsere grundlegenden Gedankenmuster lernen, wenn uns klar wird, wie jedes Gehirn sich seiner selbst bedient, um zu funktionieren, dann geht uns auf, was wir alles mit Mitgefühl betrachten können: unsere Probleme, in denen wir feststecken, unsere Unfähigkeiten, unsere Kämpfe und sogar die Taten, die wir bereuen. Damit bekommen wir zudem die Gelegenheit, jetzt Verantwortung für diese Taten zu übernehmen, Schäden auszugleichen und das Geschehene wiedergutzumachen. Auch uns selbst können wir mit Wärme und Verständnis begegnen, indem wir uns von unserer besten Seite zeigen: uns selbst, unserer Familie und der Welt gegenüber. Je besser wir unser menschliches Gehirn und seine Neigungen verstehen, umso eher können wir unseren eigenen Stimmen der Verachtung, der Ignoranz und des Urteils eine heitere Skepsis entgegenbringen.

Beim tieferen Eintauchen in diese Welt der miteinander verbundenen Gehirne werden wir entdecken, welche Prägung jede wichtige Beziehung bei uns hinterlässt. Nicht nur die Erfahrungen im Mutterleib und in unserer frühen Kindheit mit unseren Eltern und anderen Betreungspersonen beeinflussen uns zutiefst.9 Genauso können uns fürsorgliche Erwachsenenbeziehungen transformieren und so ein Trauma aus der Vergangenheit aufwiegen.10

Zehn Jahre lang bot ich zu Begin dieses Jahrhunderts einmal die Woche Kurse über das Gehirn und unsere Art des Sprachgebrauchs in verschiedenen Gefängnissen an. In diesem Buch werde ich von meinen Erlebnissen berichten und Geschichten erzählen, um zu veranschaulichen, was an Lernen möglich ist. Ich lade Sie ein, beim Lesen dieser Geschichten darüber nachzudenken, auf welche Weise ein jeder von uns durch seine eigenen Gewohnheiten und Muster gefangen ist. Die primären menschlichen Muster des Leids, wie Angst, Depression und Sucht, sind unangenehm und schmerzhaft, und Menschen, die darin gefangen sind, verurteilen sich häufig selbst dafür. Wir werden lernen, dass jedes Muster irgendwie zum Überleben beigetragen hat, auch wenn es heute nicht mehr hilfreich ist. Auf den folgenden Seiten werden wir uns diese Muster ansehen und Wege betrachten, mit ihnen zu arbeiten.

Diese Einleitung öffnet das Tor zur Reise der Heilung und zu den Veränderungen, die eintreten können, wenn wir unser eigenes Gehirn verstehen. Und dass das Gehirn sich tatsächlich verändern kann, hat Ihnen das Konzept der Neuroplastizität gezeigt. Es folgt nun ein Überblick über den weiteren Verlauf unserer Reise, bei dem wir uns jedes Kapitel einmal ansehen werden. Ich werde Ihnen im Laufe des Buches unseren physischen Gehirnkörper vorstellen, Teil für Teil, Kapitel für Kapitel, und dabei relativ neue wissenschaftliche Entdeckungen aus der Welt der sozialen Neurowissenschaft und der Bindungsforschung präsentieren. Warum tue ich das? Weil die Beschäftigung mit diesen Erkenntnissen Spaß macht. Und wenn wir wissen, wie unser Gehirn arbeitet, erhalten wir damit eine Grundlage für Selbstmitgefühl.

Wenn Sie gleich die Kapitelübersicht durchlesen, denken Sie doch einmal darüber nach, inwiefern Ihr Leben besser sein könnte, wenn Sie diese Gehirnsysteme verstehen und die Muster verändern. Mein Anliegen ist, dass wir uns selbst kennen, uns selbst lieben und freundlicher zu uns sind.

Der Weg durch das Buch

Kapitel 1: Wie wir mit uns selbst sprechen: Das Ruhezustandsnetzwerk

Dieses Kapitel hilft uns beim Umgang mit der Überzeugung, dass etwas mit uns nicht stimmt. Es erläutert, welche Rolle Selbstwärme bei der Resonanz spielt. Die geführte Meditation unterstützt beim Erlernen der grundlegenden Fähigkeit, unserer Aufmerksamkeit mit Wärme zu begegnen – ein Samenkorn, aus dem eine generelle Zuneigung für das gesamte Selbst heranwachsen kann. Wir entwickeln ein Grundverständnis der Geografie des Gehirns. Außerdem beginnen wir zu hören, auf welche Art wir mit uns selbst reden (wir lernen unser Ruhezustandsnetzwerk kennen), und stellen uns vor, wie Wärme den Ton dieser Stimme ändern könnte.

Kapitel 2: Das emotionale Gleichgewicht bewahren: Gesunde Selbstregulation

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Nutzen emotional warmer Begleitung und erklärt, wie ein liebevoller Umgang mit uns selbst uns darin unterstützt, ausgeglichen zu bleiben und resilient zu werden. Jetzt gilt es, nicht nur unserer Aufmerksamkeit mit Wärme zu begegnen, sondern auch einem Teil des Selbst. Wir lernen, was wir tun können, um uns besser einzustimmen, und sehen, wie sich Resonanz entwickelt. Die geführte Meditation fängt im ganz Kleinen an: bei nur einer Zelle. Wir erfahren, wie unsere Emotionen reguliert werden, und machen Bekanntschaft mit der Amygdala und dem präfrontalen Cortex (PFC). Außerdem lernen wir, wie wir eine gesunde Beziehung zwischen den beiden begünstigen.

Kapitel 3: Selbstfreundlichkeit entwickeln: Der resonierende Selbstbeobachter