Impressum:
Selbstfindung durch Glauben
Christsein als Alternative
von Klaus P. Fischer
1. Auflage vom 1. Septemmber 2014
ISBN: 978-3-7357-7125-4
(Hrsg.) Adlerstein Verlag
Hans-Jürgen Sträter
Wacholderstr. 26
26639 Wiesmoor
Tel: 049445815
Fax: 049445839
Email: kontakt@adlerstein.de
Internet: www.adlersteinverlag.de
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH
Norderstedt
Alle Rechte vorbehalten

INHALT

  1. WOFÜR IST DER GLAUBE GUT?
  2. ´URKNALL` DER LIEBE?
  3. IST MIT DEM TOD ALLES AUS?
  4. DAS ABRAHAM MODELL
  5. GEHEIMNIS DES GLAUBENS
  6. MITAUFERSTANDEN
  7. DIE ERWECKUNG DES JÜNGLINGS VON NAIN
  8. DIE MEDIZIN DES HEILERS
  9. „WILLST DU GEHEILT WERDEN?“
  10. MARTA UND MARIA
  11. MITGEGANGEN - MITGEHANGEN
  12. DER CHRIST UND SEIN KREUZ
  13. DIE UNMÖGLICHE BEDINGUNG
  14. VOM REALISMUS DES GLAUBENS
  15. „ALLER AUGEN WARTEN AUF DICH“
  16. ABGESTIEGEN ZU DEN TOTEN
  17. DER MENSCH DEM MENSCHEN EIN WOLF?
  18. NÄCHSTENLIEBE – GEHT DAS?
  19. DER SPRUNG ÜBER DEN SCHATTEN
  20. PLANET DER EINSAMEN
  21. VOM REICHTUM DER ARMUT
  22. DER GEIST ALS WIDERSACHER DES VORURTEILS
  23. EIN PAPST ALS VORBILD IM GLAUBEN
  24. DER GEIST WEHT WO ER WILL
  25. VATER UNSER HEUTE

VORWORT

Vor etlichen Jahren machte das Wort „alternativ“ die Runde. Nicht wenige Menschen suchten nach einer „alternativen“ Lebensweise, alternativ zur bürgerlichen, kapitalistischen, selbstzufriedenen Gesellschaft; alternativ auch zur Option für Gewalt und Ausbeutung im Konflikt der Systeme, alternativ auch zur rücksichtslosen Ausbeutung der Rohstoffe des Planeten.

In jenen Jahren galt als „Alternativer“ jemand, der sich schon durch die Art, sich zu kleiden, von der sogenannt normalen Gesellschaft unterschied, aber auch ein „Aussteiger“, der aus den regulären Lebensoptionen der Gesellschaft ´ausstieg`, um sich an deren Rand oder außerhalb für ein frugales, aber selbstbestimmtes Leben niederzulassen.

Auch die Christen waren von Anfang an „Alternative“ zu ihrer jeweiligen Gesellschaft, was ihnen damals und bis heute nicht selten Benachteiligung, ja Verfolgung einbrachte und einbringt.

Allerdings wollten und wollen heute nicht wenige den Eindruck vermeiden, aus dem Rahmen des Normalen zu fallen, und sind sehr darauf bedacht, in der Gesellschaft nicht als anomal aufzufallen.

Doch andere, zunehmend junge Menschen haben das Gefühl, die Leistungs- und Konsumgesellschaft vermittle ihnen wesentlich nur materielle, diesseitige Normen, lasse sie jedoch, bei all ihrer weltanschaulichen Offenheit, in Fragen nach Lebenssinn und ethisch-humanen Bezügen allein: Hauptsache sei, dass man in seinen jeweiligen Pflichtbereichen so gut wie möglich ´funktioniere`, Persönliches sei eben „privat“ und dürfe Funktion und Leistung nicht berühren; vielmehr müsse jemand, um vorwärts zukommen, die Bereitschaft haben, „mit den Wölfen zu heulen“ und notfalls Skrupel zu unterdrücken. Denn – so soufflieren die Meinungsmacher – „jede(r) ist ersetzbar“. Auch lebt in der säkularen Gesellschaft eine sich verstärkende Neigung, Gott und Glaube als überflüssig, für das reibungslose Funktionieren sogar schädlich zu suggerieren.

Was bei diesem Bestreben nicht so offensichtlich ist: wo Gott und Glauben als überflüssig angesehen werden, wird bald auch der einzelne Mensch überflüssig und sein Schicksal uninteressant.

Die meisten von uns können nicht außerhalb der Gesellschaft leben. Doch können wir in der Weise „alternativ“ werden, dass wir lernen, uns ein eigenes Urteil zu bilden – ein eigenes Urteil auch aus den Quellen des Glaubens, um daraus Kraft und Mut zu schöpfen zu kritischer Distanz und Eigenverantwortung mit der Courage, gewonnene Einsichten auch an geeigneter Stelle in Vorgänge und Mechanismen der Gesellschaft mit einzubringen. So könnten wir beitragen, sie humaner zu gestalten, nämlich im Sinne der „Menschenfreundlichkeit Gottes“, wie er sie in Jesus Christus gezeigt hat.

Denn Jener, der ´Ur-Christ` schlechthin: Jesus Christus, er verstand die Menschen, ging auf sie zu, beriet und heilte viele, brachte ihnen sein befreiendes Wissen um Gott und von Gott nahe.

Freilich konnte er es nicht hindern, dass er sich damit auch Feinde schuf.

Die ihm folgen, müssen damit rechnen, ebenfalls von manchen abgelehnt, als „Toren“ oder „Narren“ abgetan (1Kor 4,10. 13) zu werden. Es ist dies das Kreuz der Nachfolge, wie es schon Paulus an sich selbst erfahren hat.

Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt. Die Frage des Philippus an den äthiopischen Kämmerer: Verstehst du auch, was du liest ... hörst, überliefert bekommen hast? (Apg 8,30), diese Frage gewinnt in jeder Generation neue Aktualität. Sie ist nie endgültig – im buchstäblichen Sinn endgültig – beantwortbar. Christlicher Glauben weiß und ringt um das „Gotteswort im Menschenwort“. Jeder Zeit ist das Bemühen aufgegeben, mit ehrfürchtigem Tastsinn das lebendige Gotteswort unterscheiden zu lernen von erstarrten Formen vergänglichen, menschlichen Meinens, Deutens und Denkens. Das wird in diesen kurzen Überlegungen versucht. Vielleicht sind sie eine kleine Hilfe für den Auftrag an Christen, allezeit bereit zu sein zur Rechenschaft über die Hoffnung, die in ihnen lebt (1Petr 3,15).

Hinweis: Bibelzitate sind, wo nicht anders angegeben, vom Verfasser übersetzt.

WOFÜR IST DER GLAUBE GUT?

Die Frage klingt für ernsthafte Christen unziemlich. Aber so kann der Gläubige von heutigen Menschen gefragt werden. Eine Frau berichtete, sie habe in ihrer Gruppe junger Erwachsener Aufsehen erregt, als sie offenbarte, dass sie Gottesdienste besuche und sich auch religiös weiterbilde. Kopfschütteln und erstauntes Fragen: Aber was bringt dir das? Was gibt dir das?

Viele Menschen, die den Kirchen fern stehen, bekamen an einem – oft frühen – Punkt ihrer Lebensgeschichte das Gefühl: Der Glaube (der Eltern, Großeltern, der Pfarrer, des Papstes usw.) gibt mir nichts, bringt mir nichts. Im Fernsehen, in Talkshows wird die Frage, was einem der Glaube bringe, regelmäßig gestellt, sobald jemand bekennt, er/sie habe eine christliche Bildung genossen, nehme Glauben ernst, praktiziere ihn.

So manche Moderatorin, mancher Moderator reagiert dann verwundert nach dem Motto: Glauben, das haben wir doch eigentlich hinter uns!

Das ist doch höchstens was für Kinder (wie Sigmund Freud lehrte). Nicht wenige Erwachsene gehen in einen Weihnachtsgottesdienst „der Kinder wegen“, fürs Gefühl ... Was immer einer sagt und unternimmt in der Welt der Erwachsenen (der ernüchterten Realisten), muss sich nach verbreiteter Einschätzung zumindest für eines dieser vier Dinge lohnen („es bringen“): Geld, Erfolg, Ansehen, Spaß („fun“) ...

Nicht nur in Talkshows, auch in privaten Unterhaltungen wird ein bekennender oder bekannt gewordener Christ alsbald gefragt: „Was ´bringt` Ihnen/dir das?“ Und wenn er nicht abschwächend reagiert, wird von ihm Rechenschaft über den Glauben erwartet (vgl. 1Petr 3,15f).

Es wird uns Heutige nicht verwundern, dass sich Christen früh bemüht haben, das Gut-sein-für – den Nutzen – des Glaubens zu begründen.

So z.B. Augustinus. Er schrieb gegen Ende des 4. Jahrhunderts eine anspruchsvolle Abhandlung über den Nutzen des Glaubens (De utilitate credendi).

Anlass, dieses Buch zu schreiben, war ein Jugendfreund, welcher der Weltanschauungsgemeinschaft der Manichäer angehörte, deren Mitglied auch Augustinus für einige Jahre gewesen war.

Die Manichäer hingen einer damals verbreiteten, aus Persien stammenden Erlösungslehre an, wonach die tätige Erkenntnis die Menschen aus dieser Welt des Stoffes nach und nach befreie, um, vom Kreislauf der Seelenwanderung erlöst, beim Tod in die himmlische Licht-Welt eingehen zu können. Augustinus selbst hatte einst den Freund für die Manichäer geworben. Als er selber Christ geworden war, wollte er seinen Freund auch für das Christentum zu gewinnen. Die Hürde war jedoch die christliche Forderung zu glauben.

Die Manichäer setzten allein auf rationale Erkenntnis, lehnten das Christentum wegen der Glaubens-Forderung ab. Daher konzentriert Augustin sein Bemühen darauf, dem Freund das „Glauben“ als alltägliche Angelegenheit begreiflich zu machen. Denn das meiste, was wir zu wissen meinen, beruht auf Glauben:

Wir wissen etwas, indem wir einer Autorität (z.B. einer medizinischen, astronomischen, wirtschaftlichen usw. Autorität) glauben.

Unsere Schulbildung beruht weitgehend auf Glauben (das wenigste, was uns die Lehrer ´beibringen`, haben wir selbst gesehen, erlebt, gefunden, begriffen – Schülern bleibt gewöhnlich nichts anderes übrig, als nicht von ihnen selbst erkannte oder erfahrene Sachverhalte und Tatsachen sich durch „Lernen“ anzueignen).

Deshalb, so Augustinus, sei auch Glaube, wie ihn die Kirche verlangt, etwas alltäglich Vertrautes – nur dass wir in diesem Fall eben Jesus, den Aposteln, den Predigern usw. glauben, dass Gott existiert, und von ihnen entgegennehmen, wie Gott uns gegenüber eingestellt ist und was er mit uns vorhat.1

Allerdings konnte Augustinus seinen Freund nicht gewinnen; dieser wurde, im Gegenteil, zu einem Spötter über Glauben und Kirche. Aber Augustin schrieb ja sein Buch nicht nur für den Freund, sondern auch für weitere Kreise, die ähnliche Vorbehalte gegen Glauben hatten.

Auch heute gibt es in der westlichen Welt viele, die rationales Wissen, eben „Wissenschaft“, über den Glauben stellen. Auch ihnen könnte man versuchen beizubringen, wie lebenspraktisch Glauben schon im allgemeinen ist und was glauben im christlichen, zumal biblischen Sinne genau bedeutet.

Vor wenigen Jahrzehnten veröffentlichte der bekannte evangelische Theologe Heinz Zahrnt ein Buch mit dem Titel Wozu ist das Christentum gut?

Der Titel passte in die damalige geistige Landschaft. Im Zuge der neomarxistischen Kulturrevolution wurde alles und jedes daraufhin auf den Prüfstand gestellt, wie weit es die Gesellschaft verändere und produktiv voranbringe. So waren auch Theologen der Forderung ausgesetzt, sich gesellschaftlich zu ´legitimieren`. Aber Zahrnt war kein Ideologe im Pastoren-Talar.

Er nutzte die Chance, um viel weiter auszuholen: nämlich zu verdeutlichen, was Religion überhaupt ist, inwiefern Christentum auch Religion ist, welch lebenswichtige Bedeutung es gerade auch in der Moderne hat. Er stellt heraus, dass alle Menschen im Leben zwei entgegengesetzte Erfahrungen machen – eine negative: Leiden am Leben, Sich-wund-reiben an den Realitäten des Lebens, Enttäuschung über die arge Welt und ihre Menschen; und eine positive: die unstillbare Sehnsucht nach erfülltem, ganzem Leben, nach Geheilt-werden und Heilsein, nach einer guten Welt und einer guten, menschenfreundlichen Lebensmacht, der man gerne den Namen „Gott“ geben würde, wäre dieses Wort nicht historisch so belastet.

Dazu kommt die Erkenntnis vor allem der Älteren, die mit den Jahren deutlicher fühlen, dass das, was das Leben ihnen geboten hat und bietet, doch noch nicht alles gewesen sein kann. Der Kinderbuchtitel von Maurice Sendak: „There must be more to Life“, deutsch: „Es muss im Leben mehr als alles geben“ (Higgelti Piggelti Pop), bringt das unübertrefflich zum Ausdruck.

Zahrnt vermerkt, wie die Menschen heute scharenweise angezogen werden von Versprechungen und Angeboten für ein erfülltes, gelingendes Leben. Und er verweist darauf, dass die Menschen der Bibel Gott erfahren haben und bezeugen als Ursprung und Quelle von Leben.

In der Tat wird Gott in der Bibel entsprechend tituliert: Der lebendige Gott, besser übersetzt: der Gott des Lebens; der Gott, der Leben ist, Quelle von Leben (in hebräischen Ausdrücken: El Chaj, El Chajjim, Elohim Chajjim usw). Die Bibel will sagen, Gott sei gleichbedeutend mit Leben, und Leben sei gleichsinnig mit Gott. Das griechisch geschriebene Buch der Weisheit nennt Gott Lebensfreund (philópsychos 11,26). Auch in dem Jesus-Wort: Was nützt es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinen, doch Schaden zu leiden an seiner psyché? (Mk 8,36 Par) vertritt das Wort „psyché“ („Seele“) das hebräische Wort „nefesch“, das Lebenskraft, eben Leben bedeutet. Die Menschen der Bibel erkannten also einen inneren Zusammenhang zwischen ihrer Lebens-Sehnsucht und Gott. Deshalb steckt, unter diesem Blickwinkel, im Glauben an Gott die Ermutigung zum Leben.

Allerdings unterscheidet die biblische Erfahrung hier zweierlei Leben: das zwar vitale, aber dem Tod unterliegende Leben und das neue, aus Gott kommende, den Tod überlebende Leben. Beide Lebens-Projekte werben für sich: das eine mit kurzfristigen Versprechungen, das andere mit langfristigen Verheißungen. Darin kommt das alte Sinnbild von den zwei Wegen zum Vorschein, zwischen denen ein Mensch zu wählen hat: zwischen dem Weg des Lebens und dem Weg des Todes.

Wie leicht der eine mit dem anderen zu verwechseln ist, wie wichtig ihre Unterscheidung ist, wird in den drei Prüfungen offenkundig, die Jesus zu Anfang seines öffentlichen Wirkens zu bestehen hat: ob seine letzte Lebensgrundlage Gott sein soll oder Reichtum und Macht der Erde, dazu der Wunsch, Gott für das eigene Prestige-Bedürfnis einzuspannen (Mt 4,1-11; Lk 4,1-13).

Schaut man auf das Ende von allem, ist es die Wahl zwischen Leben und Tod. Sein Kriterium für die gute Wahl spricht Jesus bei dieser Gelegenheit deutlich aus: Nicht allein vom Brot wird leben der Mensch, sondern von allem, was ausgeht vom Munde des Herrn, wird leben der Mensch (Dtn 8,3; vgl. Mt 4,4; Lk 4,4).

Es sind die nicht seltenen, in der Moderne häufiger sich auftuenden Wegkreuzungen, an denen der Christ, und wohl auch jeder Mensch, bei dem das Gewissen anschlägt, sich vor die Wahl des Weges gestellt erfährt.

Leicht sei diese Wahl nicht, so werden wir gewarnt; nur relativ wenige fänden den Weg zum wahren Leben, der durch den Tod hindurch führt (Mt 7,14). Es muss wohl jemand den Weg dieses Jesus schon ein gutes Stück mitgegangen sein, um den Weg der vielen ausschlagen und zum Weg der wenigen sagen zu können:

Du birgst Worte ewigen Lebens! (vgl. Joh 6,67)

Petrus bekennt so seine Erfahrung mit Jesus an einem Wendepunkt, als sich „viele Jünger“ von ihm abwenden. Ob diese Antwort moderne Menschen anrührt, die fragen, was das Christsein ´bringe`?

Ihnen stellt sich nämlich noch ein Dilemma, das die Alten nicht kannten: der Ort des Menschen im Weltall.


1 Der 1.Teil des Buches „Vom Nutzen des Glaubens“ enthält einige Regeln für die saubere und verlässliche Auslegung der Hl. Schrift.

´URKNALL` DER LIEBE?

Wer erstmals eine Sternwarte, ein Planetarium besucht, empfängt ein Urerlebnis, das Blaise Pascal (17.Jh) voraus ahnte:

Wenn ich die kurze Dauer meines Lebens betrachte, ... den kleinen Raum, den ich ausfülle, und selbst den, den ich erblicke, der in der grenzenlosen Weite der Räume untergeht, von denen ich nichts weiß und die von mir nichts wissen, erschrecke ich und staune, dass ich mich eher hier als dort sehe... Wer hat mich hierhin gestellt?

Auf wessen Weisung und Führung wurden mir dieser Ort, diese Zeit zugewiesen?2

Das grenzenlose All macht uns unsere „Kontingenz“ oder Zufälligkeit bewusst. Diese Erkenntnis kann deprimieren und, unter Umständen, in Resignation münden: der Physiker Steven Weinberg meint, der oft freundlichheimelige Anblick der Erde täusche: das Weltall gehe – und der Mensch mit ihm – „seiner Auslöschung durch unendliche Kälte oder unerträgliche Hitze entgegen“, es erscheine also „sinnlos“.3

Für andere ist der Mensch ein „Zigeuner“, ziellos umherirrend in einem Weltall, das taub ist und uninteressiert an seinen Hoffnungen, Taten und Leiden.

Vor der Grenzenlosigkeit des Weltalls beschleicht viele auch das Gefühl, die biblische Botschaft versinke davor ins Bedeutungslose: Was sind 2000, was 4000 Jahre der Bibel gegen die Milliarden, ja Billionen Jahre des Kosmos und seiner Prozesse!? Ist der ´Gott` des Kosmos, jene „überlegene Vernunft“, die sich im Universum „offenbart“ (Albert Einstein), nicht viel erstaunlicher, großartiger als der Gott der Bibel? Blickt die Botschaft der Bibel nicht auf ein kindliches Paradiesgärtlein, verglichen mit den Signalen des Kosmos mit der grandioskalten Schönheit rotierender, fliehender Galaxien im schwarzen, fast leeren Raum?

So denkt und fühlt ein breites Publikum. Vor einigen Jahren dokumentierte die Zeitschrift GEO jedoch ein Gespräch zwischen westlichen Physikern und dem Dalai Lama und monierte, seit der Aufklärung dominiere der wissenschaftliche Verstand die moderne Welt – und nähre zugleich ein Unbehagen:

Auch wenn das letzte Gen kartiert, der längste Elektronenbeschleuniger gebaut, die teuerste Weltraumstation installiert sein wird, bleiben wesentliche Fragen offen. Denn den Hunger nach Sinn kann wissenschaftlichtechnische Forschung nicht stillen.4

Betrachten wir im Foto eine Galaxie wie den Andromeda-Nebel! Er ist mehr als 2 Mio Lichtjahre entfernt. Folglich sehen wir ihn, wie er vor 2 Mio Jahren war (so lange war sein Licht unterwegs). Wir sehen ihn nicht heute, sondern in der Vergangenheit. Der Andromeda-Nebel, den wir auf dem Foto betrachten, ist gleichzeitig etwa mit der Epoche der Eiszeit: damals lebten die Australopithecinen, Hominiden – entfernte Vorfahren des homo sapiens.

So gesehen, erinnert die Andromeda-Galaxie an die lange Werdegeschichte unserer Art auf Erden. Zugleich sind wir – wie Kosmologen versichern – „Kinder des Weltalls“: im Rahmen von Geburt und Tod der Sterne rekonstruieren sie, wie die Elemente entstanden, aus denen schließlich auch wir bestehen. In dieser Hinsicht sind wir – jede(r) von uns – ein später, verschwindend kleiner Aggregatzustand des Kosmos (der interstellaren Materie) und spätes Konglomerat aus Elementen der Erde. Doch dieses Konglomerat Mensch stellt Fragen.

Es möchte wissen – wissen, woher es kommt, wer und was es ist, was es soll, wozu es ist, was aus ihm wird.

Sinnlose Fragen? Kein Geringerer als der Physiker Werner Heisenberg bestand auf dem Recht der biblischen Sprache, ihrer „Bilder und Gleichnisse“: sie wecken „das Vertrauen in die Welt“, „in den Sinn unseres Daseins in ihr“.5

Und Pascal, der geniale Mathematiker, stellte dem mathematischen Denken eine andere wichtige Gabe des Menschen gegenüber:

Das Sehen und Verstehen vom „Herzen“ her: „Das Herz hat seine Verstehensgründe, die der Verstand überhaupt nicht fasst; das Herz ist es, das Gott erspürt, nicht der Verstand“.6

Wissenschaft befasst sich mit Teilen, Ausschnitten der Welt. Weisheitliche Erkenntnis aber (sie ist dem biblischen Menschen eigen) nimmt das Ganze wahr, das Ganze, das mehr ist als die Summe der Teile: sie sieht die Teile, aber auch das Ganze in den Teilen. Wir reden von Weltall, ´Urknall`, Andromedanebel, Vergangenheit, von Australopithecinen, Erdgeschichte usw: Teilgrößen unserer Entstehungsgeschichte. Auf all das (und mehr) sind wir „Kinder des Weltalls“ bezogen. In der erwähnten GEO-Debatte einigten sich der Dalai Lama und die Physiker auf den Satz: Alles ist Beziehung (a.a.O., 150f ). „Im Anfang ist die Beziehung“. Das aber ist kein Satz des Dalai Lama oder eines Physikers. sondern Martin Bubers. Dieser jüdische Weise des 20. Jahrhunderts meint die Beziehung Ich und Du. Die Welt der Dinge, sagt er, erfahren und gebrauchen wir; dem Du begegnen wir, wenn ein Du sich uns gibt.

Denn: „Das Du begegnet mir von Gnaden – durch Suchen wird es nicht gefunden“.7 Jedes Du ist ein Geheimnis. Ihm können wir nur scheu nähern, es ansprechen, hoffend, dass es sich uns öffne.

Das Du-Geheimnis könnte weiterhelfen bei Pascals Frage: Wer hat mich hierhin gestellt – an diesen Ort, in diese Zeit, mich, ein „Nichts vor dem Unendlichen“?

Die einen sagen: Niemand! Dass wir überhaupt da sind, du und ich, ist Zufall. Eine Laune der Natur. Sind wir tot, „wird es sein, als wären wir nie gewesen“ (Wsh 2,2). Andere sagen: Es stimmt – evolutiv betrachtet, sind wir ein winziges, unwahrscheinliches Produkt: „Nichts vor dem Unendlichen“.