Lebe wild und gefährlich! Werde Begine.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

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© 2016 Ulrike Friebel

Illustration: Birte Strohmayer

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7431-4557-3

INHALT

EIN WORT ZU DEN BEGINEN

„Beginen sind Frauen, die unter einer frei gewählten Vorsteherin in Beginenhöfen ein andächtiges Leben führen, ohne einem Orden im eigentlichen Sinne anzugehören. Die ersten Gemeinschaften von Beginen entstanden im 12. Jahrhundert, ihre Blütezeit war das 13. und 14. Jahrhundert in Westeuropa.“ (Ökumenisches Heiligenlexikon)

Dass sie präsent waren im mittelalterlichen Städtebild, zeigen die vielen Spitznamen, die man ihnen gab. Bekannt sind Polternonnen, Seelschwestern und Seelfrauen.

Wie lebten die Beginen, diese schlicht gekleideten und doch so schillernden Frauengestalten des Mittelalters, Grenzgängerinnen zwischen klösterlichem und profanem Leben? Wir wissen nicht wirklich viel von ihnen, und gerade das macht sie so anziehend. Zwischen den Eckpfeilern Gemeinschaft, Selbstständigkeit und Spiritualität bleibt ein wunderbarer Freiraum für Träume, Wünsche und Projektionen für Frauen, die auf der Suche nach Alternativen zu den traditionell vorgegebenen Lebensformen sind. Den Halt einer verbindlichen Gemeinschaft zu verknüpfen mit dem heute obligatorischen Ziel der Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung, dazu ein achtsamer Umgang mit Menschen und Umwelt, das ist schon ein äußerst verlockender Entwurf.

Wussten die mittelalterlichen „Polternonnen“ wie das geht? Konnten sie Schwesternschaft ohne „Zickenalarm“ leben?

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es scheint durchaus auch immer wieder zu „Schwesternstreit“ gekommen zu sein.

Viel wichtiger ist, dass uns die „Seelschwestern“ Anlass geben, nach dem Weg in eine schwesterlich beseelte Gemeinschaft zu suchen. Schließlich hätte sich auch Columbus nicht auf die Suche nach dem Seeweg nach Indien gemacht, wenn es nicht ernst zu nehmende Hinweise gegeben hätte, dass es ihn gibt. Gefunden hat er bekanntlich etwas anderes, nicht weniger Aufregendes: eine neue Welt. Das kann uns natürlich auch passieren.

Renitenta von Holsterhausen, deren Tagebuch ich hier mit großer Freude in Auszügen veröffentliche, schrieb ihre Beobachtungen und Erfahrungen aus dem Beginenleben ein halbes Jahrhundert nach der „Entdeckung“ Amerikas auf. Sie lebte in einer Zeit, in der sich die Welt, bzw. der Blick der Menschen auf die Welt, enorm veränderte. Wenige Jahre zuvor hatte Martin Luther den finanziellen Grundlagen der Kirche und der Selbstverständlichkeit von Gehorsam und Unterordnung unter den Klerus einen schmerzhaften Kratzer zugefügt. Die relativ unbedeutende Stadt Essen, die Heimat der Renitenta, war von Pestepidemien und Feuersbrünsten heimgesucht worden. Seit langer Zeit stritten sich das Bürgertum und die Fürstäbtissinnen des Damenstifts darum, wer die Stadt regiert. Der listige oder vielleicht auch nur vergessliche Kaiser Karl V. hatte das fatalerweise Beiden zugesprochen. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis in Essen die Reformation eingeführt würde. Während die Regentinnen selbstredend beim alten Glauben blieben, zog es die Bürgerschaft unter Führung einer Handvoll reicher Kaufmannsfamilien zur evangelischen Erneuerung. Am 2. Mai 1563, also 46 Jahre nach dem Thesenanschlag, ist in der heutigen Marktkirche der erste evangelische Gottesdienst verbürgt.

Die Bedeutung der einst so mächtigen Fürstäbtissinnen schwand dahin und auch die hohe Zeit der Beginen war längst vorbei.

Renitenta von Holsterhausen gewährt uns mit ihrem oft erstaunlich aktuell erscheinenden Tagebuch wertvolle Einblicke in das Beginenleben zu Beginn der Neuzeit. Sie scheint weniger die Suche nach der spirituellen Erneuerung angespornt zu haben, als vielmehr der Wunsch nach einem besseren Leben in ansprechender Umgebung unter Frauen. Ohnehin gibt uns ihr inniges, fast freundschaftliches Verhältnis zur Jungfrau Maria zu denken. Sollte Renitenta die Gesellschaft von Frauen in jeder Hinsicht der Zugehörigkeit zu einem Manne vorgezogen haben?

Über Renitentas Herkunft und Entwicklung wissen wir wenig, abgesehen von der Trunksucht ihres Vaters und der Zahl ihrer Geschwister. Dass sie als jüngste von fünf Schwestern aufwuchs, erklärt die Gelassenheit, mit der sie das nicht immer