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Illustrationen: Rudi Döpper

Copyright 2012

Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 978-3-8482-5537-5

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SCHÖN, SCHÖNER, AM SCHÖNSTEN

„Spuck doch mal´n bisschen auf meine Hufe“, sagte Edwina das Erdferkelmädchen zum Kurti. Sie fand nämlich, dass es an der Zeit war, etwas Glanz in die Sache zu bringen. Ein Bein nach dem anderen hielt sie dem Kurti hin, der ein Chamäleon war und jede Menge Spucke vorrätig hatte. Dann polierte sie flink mit einem Stück Mooskissen nach und hörte erst auf, als alle vier Hufe aussahen wie frische Lakritzen. Das gefiel ihr. Edwina nickte fröhlich sich selbst und ihren hübschen schwarzen Hufen zu. Dabei kam ihre Nase ins Wippen.

Ach, diese Nase!

Wie alle Erdferkel trug auch Edwina eine Röhre im Gesicht, wo sie doch viel lieber einen kleinen Stupser gehabt hätte. Wie die beiden Schildkrötenmädchen. Oder, wenn´s denn hätte sein müssen, eine winzige Kugel. So wie die Mäusejungs. Aber eine Backofenröhre auf keinen Fall. Auf gar keinen Fall.

„Onkel Friedwart!“, brüllte sie nach oben. Dorthin, wo das alte Faultier hing und vor sich hin döste. „Onkel Friedwart, stimmt das, dass Schlafen schön macht? Sag es mir, ich muss es wissen“, drängte sie. Und hätte er nicht gleich geantwortet, dann hätte sie vielleicht noch aufgestampft, wer weiß. Aber der Faultiermann ließ sofort ein „Ja!“ hören und verdrehte dabei vor lauter Entzücken die Augen.

„Schlafen macht schön, ganz ohne Frage. Ausreichend Schlaf macht aus dir sogar eine Schönheitskönigin.“

„O!“, hauchte Edwina. „So richtig mit Krönchen und Schärpe?“

Sie guckte etwas misstrauisch, und die anderen Tierchen riefen im Chor: „Glauben wir nicht, glauben wir nicht!“

„Dann werde ich euch zum Beweis eine Geschichte erzählen“, brummte Friedwart von Schnorch. Passt nur ordentlich auf, ihr ungläubigen Kinder, ihr! Ich bringe nun die Vorkommnisse um den 1. Internationalen Schönheitswettbewerb der Wald- und Wiesentiere zu Gehör.“ Er räusperte sich und begann mit seiner dunklen, samtigen Stimme:

„Irgendjemand, ich glaube es war der Hahn, war auf die Idee gekommen, einen Schönheitswettbewerb zu veranstalten. Alle stimmten begeistert zu, weil es so etwas bei uns im Wald noch nie gegeben hatte. Und weil der Herr Gorilla, der im Zirkus arbeitet und die tollsten Verbindungen hat, für diesen Wettstreit kolossale Preise stiftete.“

„Was gab´s denn?“, piepste es von unten. Das war der braune Mäuserich, der wollte es immer so genau wie möglich.

„Für die Siegerin eine Reise nach Honolulu, für die Zweite einen Modellhut und für die Dritte einen Sack Möhren. Wie bereits erwähnt, es waren kolossale Preise! Also... Der Wettbewerb wurde überall groß angekündigt, der gesamte Wald wurde festlich geschmückt. Zudem wurde eine Musikkapelle engagiert. Kinder, ich wiederhole, es war d i e Sache! Die Jury, die die Kandidatinnen auf ihre Schönheit hin bewerten sollte, wurde auf das Sorgfältigste zusammengestellt. Ihr gehörten je eine Dame und ein Herr jeder Tiergattung an, damit es auch gerecht zuging. Niemand Geringerer als der Urwaldkönig persönlich, Seine Majestät König Leonhard Löwe, beaufsichtigte diesen edlen Wettstreit.“

„Und die Schönheitskandidatinnen, waren die auch so toll, Onkel Friedwart?“, echote es.

Friedwart von Schnorch kam ins Schwärmen: „Die Schönsten der Schönen nahmen teil, wie eine schneeweiße Schwanendame, um nur ein Beispiel zu nennen. Ein Fräulein Giraffe mit herrlich schlankem Hals und ebensolchen Beinen, eine Madame Pfau in schillernd grünem Abendkleid, eine hochelegante schwarze Pantherin, ferner noch das zierliche Fräulein Haselmaus, das eine Melodie pfeifen und dazu auf Spitze tanzen konnte und, nicht zu vergessen, die glitzernde Pythondame, die so geschmeidig war, dass sie sich um sich selbst zu ringeln vermochte. Ja, ja....“

„Wer hat gewonnen, wer hat gewonnen?“, riefen alle, und das Erdferkelmädchen am lautesten. „Sag uns, Onkel Friedwart, wer

1. Internationale
Waldundwiesenschönheitskönigin

wurde und nach Honolulu reisen durfte, und was das mit dem Schlafen zu tun hat, bitte!!!“

„Das Warzenschwein hat gewonnen, wer sonst.“

Der Faultiermann ließ eine wirkungsvolle Pause entstehen, damit seine Zuhörer sich von dem Schock – denn es war ein Schock, da gibt es gar kein Vertun! - erholen konnten. Dann erst bequemte er sich zu einer Erklärung.

„Die Jury konnte sich einfach nicht einig werden, als es darum ging, den Titel zu vergeben. Jeder der Herrschaften war anderer Meinung und keiner bereit, auch nur einen Deut davon abzugehen. So stritten und diskutierten sie herum, Stunde um Stunde, und es wurde später und später. Schließlich wurde es den Schönheitskandidatinnen zu dumm und sie gingen, eine nach der anderen, heim.

Als der Morgen graute, war niemand mehr da. Außer der Jury, natürlich, und außer dem Warzenschwein. Das hatte auch am Wettbewerb teilnehmen wollen, war am Ort des Geschehens aber auf einen wunderbar weichen Laubhaufen gestoßen und hatte kurzerhand entschieden, ein Fünf-Minuten-Nickerchen einzulegen. Daraus war ein tiefer, fester und gesunder Schlaf geworden.

Als es dann aufwachte und sich die winzigen roten Schweinsäuglein rieb, wurde es von Seiner Majestät König Leonhard höchstselbst zur Siegerin und............................ Miss Waldundwiesenschönheit gekürt. Es bekam das Goldkrönchen aufs kahle Haupt gedrückt und die Seidenschärpe um den dicken Bauch gebunden. Weil es die einzige Kandidatin weit und breit war. Und weil es klug genug gewesen war, den hohen Wert eines erquickenden Schläfchens zu erkennen.“

Friedwart von Schnorch musterte die kleine Schar unter ihm. „Ihr seht also, was ihr tun müsst, wenn ihr einen Schönheitstitel, eine Reise nach Honolulu, einen Hut und einen Sack Möhren gewinnen wollt.“

Weil keiner was sagte und weil ihm danach war, klappte er die Augendeckel nieder. Er stieß einen Schwall Luft und ein lang gezogenes >Püüühhh< durch seine Vorderzähne. Gleich, gleich würde er im Land der Träume sein. Bevor es aber soweit war und gewissermaßen im allerletzten Moment, tat er noch etwas kund. Eigentlich war es nicht mehr als ein Genuschel, und man musste genau hinhören, um es überhaupt zu verstehen.

Edwina meinte später, es hätte geklungen wie: „Nun ist die Zeit gekommen, meinen Schönheitsschlaf zu halten. Tummelt euch und stört den alten Friedwart nicht!“

MOND MIT HAFERFLOCKEN

Die Tierkinder standen wieder mal um den Faultierbaum herum. Sie kicherten, weil Friedwart von Schnorch zwischen den Schnarchgeräuschen auch kurze spitze Pfeiftöne von sich gab. Und überlegten, wie sie ihn wach kriegen könnten.

„Anschubsen“, schlug das cremefarbene Erdferkelmädchen vor.

„Nö. Geht nicht. Er hängt zu hoch. Da kommen wir nicht ran.“ Streifenhörnchen Peter hatte einhundertprozentig Recht. Friedwart baumelte nämlich gut zwei Meter über ihnen.

„Aber jetzt geht´s“, gab Edwina zurück. Gemeinsam mit Klara schleppte sie einen Stock herbei. Damit ließ sich der alte Faultiermann ganz hervorragend anschubsen. Erst leicht. Da pendelte er sachte hin und her und wurde kein bisschen wach. Dann fest. Da pendelte er schwungvoll wie Großmutters Standuhr. Dann ganz doll.

Da pendelte er so fix wie Großvaters Standuhr. Die geht nämlich zu schnell und muss deshalb dringend zur Reparatur. Kurz bevor er sich um seinen Ast drehte, wurde Herr von Schnorch wach.

„Anhalten!“, brüllte er. „Stopp! Alle Maschinen zurück!“

Sie packten gemeinsam den Stock und bremsten den Schwung auf diese Art ab. Natürlich waren sie begierig, eine neue Geschichte zu hören. Was hatte es mit dem >Stopp!< und dem >Maschinen zurück!< auf sich? Das, bitteschön, wollten sie genau wissen.

„Erzähle, erzähle!“, quietschten sie im Chor.

Friedwart von Schnorch räusperte sich und begann:

„Ich habe mich früher einmal für die Raumfahrt interessiert, müsst ihr wissen. Habe tagtäglich eine Riesenschüssel voll klebrigem Haferschleim zum Frühstück gegessen, nur weil in den Haferflockentüten Sammelbilder steckten. Da stand alles über Astronauten und Kosmonauten und Raketen drauf. Als ich schließlich alle Haferflockenbilder komplett hatte, war ich eine Art Raumfahrtspezialist geworden. Daher war es mein größter Wunsch, eine echte Raumfahrtstation zu besuchen. Das könnt ihr doch wohl nachvollziehen, oder?“

„Können wir!“, kreischte es.

„Nachdem ich das Bahngeld zusammen gespart hatte, machte ich mich auf den Weg in die Hauptstadt. Dort war der Sitz der Raumfahrtbehörde, ein Weltraumlabor und eine Raketenabschussrampe und alles, was dazu gehört. Mit meinen Sammelbildern in der Hosentasche schlich ich mich rein. Am Pförtner vorbei, husch-husch, dem erstbesten Astronauten hinterher. Ich wollte nämlich unbedingt ein Autogramm von ihm unters Bild haben.

´Hallo, Mister Astronaut`, rief ich. Doch er drehte sich nicht um. Wahrscheinlich hörte er mich gar nicht, weil er einen Helm, dick wie ein Goldfischglas, auf dem Kopf trug. Also folgte ich ihm. Doch weil alles so aufregend war, dass ich dauernd nach links und nach rechts gucken musste, verlor ich ihn schließlich aus den Augen.

Mittlerweile war es spät geworden und ich – ein Knabe noch! – müde. Ich kroch in eine warmes Kämmerlein, streckte mich aus und schlummerte ein. Ich wachte erst wieder auf, als die Rakete, in der ich Unschuldslamm saß, die Erdatmosphäre verlassen hatte und im luftleeren Raum schwebte.

´Stopp!´, protestierte ich. ´Alle Maschinen zurück!` Allerdings war es dafür längst zu spät, denn ich war schon zu weit geflogen und die Erde nur noch ein winziger blauer Ball. Dagegen war der Mond dicht vor mir. Groß, rot und zum Greifen nah. Wie eine Martins-Laterne. Ich machte also das Beste aus meiner Lage, schlüpfte in einen der silbernen Raumfahrtanzüge, die in der Raketenkapsel am Kleiderhaken hingen, und bereitete alles für die Landung vor. Zum Glück hatte ich noch meine Haferflockensammelbilder bei mir. Da stand alles drauf, was erledigt werden musste, da konnte ich gar nichts falsch machen.“

Der Faultiermann ließ eine Pause folgen, um die Fragen seiner jungen Zuhörerschaft zu beantworten. Aber es kamen keine. Alle hingen atemlos und gebannt an seinen Lippen.

„Ich für mein Teil“, fuhr er daher fort, „kann dem Mond nicht viel abgewinnen Krater, Steine und kein einziger Baum. Schrecklich öde, alles in allem. Nur diese grünen Männlein waren recht amüsant, das will ich gerne zugeben. Erst spielten wir miteinander ein wenig Verstecken, dann >Bäumchenwechsle-dich<. Anschließend verabschiedeten wir uns artig. Die grünen Kerlchen gaben mir noch selbstgebackene Haselnusshalbmonde mit. Ich ließ ihnen dafür meine Sammelkarten da. Kurz darauf startete ich meinem Rückflug zur Mutter Erde. Dank meiner frisch erworbenen Erfahrungen landete ich weich und ohne jede Komplikation direkt im Weiher neben meinem Elternhaus.“

„Und die Weltraumbehörde, Onkel Friedwart? Was war mit der?“

Friedwart von Schnorch schüttelte betrübt den pelzigen Kopf. „Die Weltraumbehörde hat in sämtlichen Zeitungsberichten vom >Fehlstart einer unbemannten Rakete< gesprochen.

Tsss, tsss, tsss, es ist ungeheuerlich, wie wenig diese angeblichen Wissenschaftler vom Mondflug verstehen! – Ich kann es mir nur damit erklären, dass sie alle zu selten Haferflocken essen.“