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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2021 Hein Paler

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH Norderstedt

ISBN: 9 783750 448292

Hinweise zu Klammern und Anführungszeichen

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Literatur zum Thema

Hunt, Tristram: Friedrich Engels, Berlin 2017

Jones, Gareth Stedman: Karl Marx, Frankfurt a.M. 2017

Enzensberger, Hans Magnus (Hrsg.): Gespräche mit Marx und Engels, Band 1 und Band 2, Frankfurt a.M. 1973

Schubert, Käte (Hrsg.), Heiteres und Bissiges von Marx und Engels, Berlin (Ost) 1987

Die Rechtschreibung der Zitate wurde nicht verändert.
Währungsangaben entsprechen grob dem Wert von 2010.

Inhalt

  1. 1789 – 1843
  2. 1844 – 1867
  3. 1868 – 1883

Sehr geehrte Damen!

In diesem Buch über Karl Marx wird von Freunden die Rede sein, von Lehrern, Studenten, Professoren, Journalisten, Revolutionären, Parteigenossen. Wo bleiben die Studentinnen, Lehrerinnen, Parteigenossinnen…? Sie waren im 19. Jahrhundert die Ausnahme. Es soll kein Affront gegen Sie sein, geschätzte Leserinnen, wenn zu 90 Prozent des Textes nur von Männern die Rede sein wird.

So sehr Marx Revolutionär war, die Emanzipation der Frau war kein Thema für ihn [eher für Friedrich Engels]. Das 19. Jahrhundert teilte die Welt der Familien noch in innen [= Frau] und außen [= Mann] ein, so wie Schiller es im "Lied von der Glocke" beschrieb:

"Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau (...)

Und herrschet weise im häuslichen Kreise (...)

Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben,

Muß wirken und streben (...)"

In Karl Marx´ Welt waren alle Gymnasiallehrer und Professoren Männer. Auch als Reporter und Redakteur hatte er nur Umgang mit Männern. Und alle, auf die er sich beim Aufbau eines sozialistischen Systems bezog [Saint-Simon, Owen...] oder mit denen er in Konkurrenz stand [Weitling, Proudhon...] waren männlich.

Die für sein Leben bedeutsamen Frauen gehörten zur Familie: Seine Mutter, seine Frau, seine drei Töchter,

sowie das von 1845 bis zu seinem Tode 1883 für die Familie arbeitende Dienstmädchen Helene Demuth. Auch seine Schwestern waren für Marx nur Teil der Familie: geistige Anregungen oder Impulse gaben sich die Geschwister nicht.

Zwar führte Marx auch mit Frauen politische Gespräche oder korrespondierte mit ihnen über komplexe Themen [Z.B. Vera Sassulitsch]. Doch das waren Ausnahmen. {Übrigens mussten sich Studentinnen noch im 20. Jahrhundert anhören, sie nähmen qualifizierten jungen Männern die Studienplätze weg.}

Drei schriftliche Zeugnisse aus Marx´ direktem Umfeld verdeutlichen damalige Denkstrukturen. Er selbst schrieb 1868 in einem Brief über die Bedeutung der Frauen:

"Jeder, der etwas von der Geschichte weiß, weiß auch, daß große gesellschaftliche Umwälzungen ohne das weibliche Ferment unmöglich sind. Der gesellschaftliche Fortschritt läßt sich exakt messen an der gesellschaftlichen Stellung des schönen Geschlechts (die Häßlichen eingeschlossen)."

Marx´ Ehefrau Jenny fasste im Mai 1872 ihre Erfahrungen so zusammen: "Uns Frauen fällt in all diesen Kämpfen der schwerere, weil kleinlichere Teil zu. Der Mann erkräftigt sich im Kampf mit der Außenwelt, erstarkt im Angesicht der Feinde, und sei ihre Zahl Legion, wir sitzen daheim und stopfen Strümpfe. Das bannt die Sorgen nicht, und die tagtägliche kleine Not nagt langsam, aber sicher den Lebensmut hinweg. Ich spreche aus mehr als 30jähriger Erfahrung (...)"

Zum Kreis der Marx-Bewunderer gehörte der Arzt Ludwig Kugelmann. Seine Tochter Franziska erinnerte sich [nach 1900] an ein Ereignis aus dem Jahr 1869: Ihre Mutter hatte gerade Marx gefragt, ober er ihr nicht eines seiner Werke empfehlen könne, damit sie sich in seine Lehre einlesen könne.

"In diesem Augenblick ertönte ein lautes Krachen, von einem Aufschrei begleitet, aus dem nebenan liegenden Eßzimmer. Meine Mutter eilte hinaus und (...) die Zurückbleibenden [hörten] meine Mutter erschreckt fragen: ´Haben Sie sich weh getan? (...) Setzen Sie sich, ich gebe Ihnen ein Glas Wein.´ (...) Nach einiger Zeit kam meine Mutter wieder herein und sagte: ´Luise stolperte auf der Schwelle und fiel mit dem großen Servierbrett ganz voll Kristall, das in tausend Scherben zersplitterte. Wie hätte sie sich verletzen können!´ (...)

´Dächten alle im Großen und im Kleinen ebenso´, sagte Marx, ´dann wäre erreicht, was wir erstreben. (...) Unsere Frau Gräfin kann ihre Zeit poetischer und heiterer ausfüllen als mit nationalökonomischen Studien.´ Er lobte Frau Kugelmann für ihr "instinktiv soziales Empfinden."

Marx´ Einstellung entsprach der seiner Epoche: Intuition war Sache der Frau, Studium Sache des Mannes.

1 1789 - 1843

Daten

Karl Marx 5. 5. 1818 [Trier] - 14 3. 1883 [London]

Karl Marx Wichtige Ereignisse
1789 Französische Revolution
1805 Trier und das Rheinland werden Teil Frankreichs
[Juden-Emanzipation: Juden dürfen als Anwälte arbeiten]
1808 Heinrich Marx arbeitet als Anwalt in Trier
1814 Heirat von Henriette Presburg [1788-1863] und Heinrich Marx [1777-1838] [Marx´ Eltern] 1815 Das Rheinland wird preußisch
1816-1819 Heinrich Marx lässt sich als Protestant taufen [Genaues Datum nicht belegt]

1818 Geburt Karl Marx [5. Mai 1818, Taufe 1824]

1830 Revolutionen: - Philippe von

Orleans wird

französischer König -

Gründung des Staates Belgien

1830 - 1835 Besuch des Josef-Gymnasiums in Trier
1835 Aufnahme des Jura-Studiums in Bonn
1836 Verlobung mit Jenny von Westphalen
1836 Wechsel zum Studium nach Berlin
1838 Tod des Vaters; Freundschaft mit dem Links-hegelianer Bruno Bauer u.a.

Karl Marx Wichtige Ereignisse

1839 Marx möchte seine Doktorarbeit im Bereich Philosophie schreiben
1840 Tod des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., sein Nachfolger wird Friedrich Wilhelm IV.
1841 Marx´ Doktorarbeit wird anerkannt [in Jena]
1842 Journalist bei der Rheinischen Zeitung [in Köln, ab Okt. Redakteur]
1843 Schließung der Rheinischen Zeitung [1. April ]
1843 Hochzeit mit Jenny von Westphalen [Juni, Bad Kreuznach]; Das Ehepaar verlässt im Oktober Deutschland und zieht nach Paris.
Dort arbeiten Arnold Ruge und Marx an den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“

1.1 Fakten, Emotionen und Vernunft
[Oder: Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit]

Dieser Text verfolgt eine simple Absicht: Leser*Innen sollen sich rasch über Karl Marx´ Leben und Werk orientieren können {Seine Familie, sein Umfeld, seine Eigenschaften, die Freund*Innen, Gegner, Organisationen, Texte…} Beachten Sie bitte: Sich umfassend über Karl Marx und seine Epoche zu informieren, könnte zu einer Passion oder zu einer Lebensaufgabe auswachsen.

Allein für das augenblickliche Projekt MEGA2{Marx-Engels-Gesamtausgabe - unter Leitung der Internationalen Marx-Engels-Stiftung in Amsterdam} ist die Herausgabe von 114 Bänden geplant. Nach über 20 Jahren Arbeit wurden davon bisher 65 erst Bände veröffentlicht.

Aktuell bemüht sich die Neue Marx-Lektüre um eine Annäherung an Marx´ Intentionen. Die an der Neuen Marx-Lektüre beteiligten Forscher*Innen sind bestrebt, unter dem gewaltigen Berg der Texte von und über Marx seine wirklichen Absichten zu finden.

Denn zu einer Reihe wichtiger Themen finden sich in Marx´ umfangreichem Werk teils unterschiedliche, teils sogar widersprüchliche Aussagen. Schon zu seinen Lebzeiten verstanden ihn Mitstreiter und Zeitgenossen unterschiedlich. Und nach Marx´ Tod interpretier(t)en Marxisten und Sozialisten seine Aussagen in die Bezüge ihrer Zeit hinein.

Doch auch die an der Neuen Marx-Lektüre beteiligten Wissenschaftler*Innen gelangen nur zu sehr unterschiedlichen Deutungen des Marx´schen Denkens. Das ist unvermeidbar: Denn alle Leser*innen und Interpret*innen beurteilen Karl Marx aus ihrer ganz eigenen Perspektive. Jede Deutung gehört in einen speziellen Rahmen und ihre Verfasser*innen verfolgen unterschiedliche Ziele.

Gleiches gilt auch für Biograf*Innen und somit für dieses Buch.

Menschliche Perspektiven sind mit Emotionen verknüpft. Und die bestimmen unser Denken meist mehr als unser Verstand. - Prüfen Sie unbedingt für sich selbst: Fühlen [und denken] Sie Marx schwarz oder weiß?

Schwarz meint:

Marx = Kommunismus = Totalitarismus = Unterdrückung = Die Partei hat immer Recht = Nordkorea = China = Eiserner Vorhang = Millionen von Opfern…

Weiß meint:

Marx = radikaler Denker = stellte die Philosophie „vom Kopf auf die Füße“ = Marxismus als anerkannte wissenschaftliche Methode = Wegen des Neoliberalismus zeichnet sich am Horizont die Revolution des Proletariats ab…

Bei den meisten Menschen verbinden sich mit „Karl Marx“ und dem „Marxismus“ jede Menge emotionale Unwuchten. Deshalb kann keine Biografie mit einem harmlosen Einstieg beginnen. Etwa nach diesem Muster:

"Am 5. Mai 1818, einem Dienstag, erblickte das dritte Kind der Familie Marx, ein Junge namens Karl, das Licht der Welt. Seine Mutter, Henriette geb. Presburg, eine niederländische Kaufmannstochter, hatte 1814 den erfolgreichen Anwalt Heinrich Marx geheiratet. Die Familie lebte in Trier, das keine 12 000 Einwohner hatte. Die älteste Stadt Deutschlands gehörte seit 1815 zum preußischen Rheinland..."

So ein Beginn verbietet sich. Denn das Unbewusste von Millionen Menschen schaltet bei Nennung des Namens Karl Marx automatisch auf Abwehr: Marxismus? Das kann nur negativ sein! Reflexartig wird auf Bedrohungs-Abwehr geschaltet. Marx und Marxismus, das sind Inbegriffe des Bösen, ein Tabu, mit Schrecklichem verbunden. Kommunismus! Klassenkampf! Diktatur! Planwirtschaft!

Denn die Partei, die immer recht hatte, hinterließ als Beweis ihrer Unmenschlichkeit Berge von Leichen am Eisernen Vorhang. Da gab es Gulags und psychiatrische Kliniken...

Zum großen Glück ist das seit 1989/1990 Geschichte. Marxismus? Das ist vorbei. Denn er war schlecht und funktionierte niemals und nirgendwo.

Jedoch...

Immer noch und immer wieder geraten Menschen in den Bann des Marxismus. Erstens bestechen dessen historische Analyseansätze: Vorhandene Arbeitsgeräte [= Produktionsmittel] bestimmen die Möglichkeiten der Menschen zur Gestaltung ihres Daseins: Gesellschaften, denen Dampfmaschinen zur Verfügung stehen, können ihre Existenz ganz anders gestalten als solche, die nur Steine als Werkzeuge kennen.

Und je nach vorhandenen Produktionsmitteln benötigen soziale Verbände unterschiedliche Gesetze und politische

Strukturen. Das Sein bestimmt das Bewusstsein: „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“

Marx, „Zur Kritik der politischen Ökonomie“, 1859

Bertold Brecht verkürzte das auf die Formel: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral!"

Zweitens gehörten zur Entwicklungsgeschichte der Menschheit auch soziale Gegensätze wie die zwischen Herren und Sklaven, zwischen Grundherren und Leibeigenen. Das gilt auch noch heute. Die Hungernden und die Ausgebeuteten wissen das. Allerdings wissen viele nicht, dass sie ausgebeutet werden.

Überprüfen Sie einmal für ihren Staat:

Beschrieb der im 19. Jahrhundert lebende Karl Marx mit seinen Analysen von „Klassenkämpfen“ letztlich nicht aktuelle sozial-politische Realitäten des 21. Jahrhunderts?

Marx bot drittens auch die Vision einer zukünftigen Gesellschaft, in der alle nach ihren Bedürfnissen leben und nach ihren Fähigkeiten arbeiten können.

Und diese biografische Skizze? Nimmt sie für Marx Stellung? Oder gegen ihn?

Sie zählt sachliche Fakten zu Marx´ Leben und der Entwicklung seiner Lehre auf; Fakten, die für Marx sprechen und solche, die gegen ihn sprechen.

Durch den Versuch einer ansatzweise neutralen Sicht soll Leser*Innen Hilfestellung zu einem begründeten Urteil gegeben werden. {Sofern sie selbst sich von eigenen Vor-Gefühlen und Vor-Urteilen frei machen können.}

Karl Marx´ "Lehre" wurde schon zu seinen Lebzeiten unterschiedlich interpretiert. So stellte Karl Marx nach der Begegnung mit einer Gruppe von französischen Anhängern ernüchtert [und ironisch] fest:

"Wenn das Marxismus ist,

dann bin ich kein Marxist."

1.2 Einmal Jude - immer Jude!

Einmal Jude – immer Jude?

„Viele Juden und Flöhe hierselbst!“,

teilte Karl Marx am 25.8.1879 Friedrich Engels aus Ramsgate [in England] mit.

Im ersten Kapitel ging es darum, dass Emotionen kritisches Nach-Denken über Personen und ihre Leistungen abblocken können.

Das zweite Kapitel befasst sich mit einem besonderen Vorurteil. Viele packen Karl Marx in die Schublade „Jude“.

Es ist Fakt: Karl Marx wurde als Jude geboren. Weil das so ist, werden der Mensch Karl Marx und sein Werk von vielen vorschnell als „jüdisch“ abgestempelt.

Gewöhnlich wird Mitmenschen die Chance eingeräumt, sich als autonome Persönlichkeiten zu beweisen. Wer z.B. als Ägypter auf die Welt kam [oder als Chinese, Kongolese, US-Amerikaner, Brasilianer, Rumäne,...], dem wird [als Nachbar*in, als Arbeitskolleg*in…] Gelegenheit gegeben zu zeigen, dass viele Vorurteile über sein Volk für ihn persönlich nicht zutreffen.

"Juden" aber wird diese Chance verweigert. Tragen die nicht von Geburt an ein unveränderliches Brandzeichen auf der Stirn? Juden bleiben Juden, selbst wenn sie katholische Priester geworden sind. Oder wegen ihres athletischen, blonden und blauäugigen Aussehens eigentlich skandinavische Supersportler*Innen sein müssten.

"Antisemitismus ist, wenn man den Juden mehr hasst als nötig", besagt eine sarkastische Feststellung. Deren Wahrheit lässt sich am Beispiel Karl Marx demonstrieren.

Marx verstand sich nie als Jude. 1824 wurde er als Christ getauft, verstand sich im Erwachsenenalter aber als Atheist. Karl Marx war niemals Mitglied einer jüdischen Organisation und engagierte sich für keine von ihnen.

Bei der Entwicklung seiner Lehre bezog er sich weder auf die "jüdische" Rasse noch ihre Religion. Beides, Religion und das Einsortieren von Menschen in rassistische Schubladen waren für ihn Phänomene des Überbaus.

Wieso wird dann heute noch behauptet, der Marxismus sei eine jüdische Erfindung [Genauso wie der Liberalismus und der Kapitalismus]? Karl Marx´ Eltern stammten aus jüdischen Familien. Das allein lässt die „Einmal Jude – immer Jude!“-Fraktionen vermuten, dass der Marxismus auf jeden Fall etwas "Jüdisches" sein muss.

Denn Juden sind nun einmal Juden und bleiben es. Exemplarisch belegt ein Leserbrief aus dem Jahre 1871 in der Basler Zeitung diese Einstellung. Der Schreiber lieferte sich eine heftige Auseinandersetzung mit Karl Marx. Nachdem er in seinem Brief zuerst seine Vorwürfe gegen Marx ausführlich dargelegt hatte {Einige Anschuldigungen trafen sicher zu; Marx war kein Unschuldslamm.}, rundete er seinen Text mit folgenden Bemerkungen ab:

„(…) Selbst ein Jude, hat er [= Marx] um sich, in London und in Frankreich, vor allem aber in Deutschland, eine Menge keiner mehr oder weniger gescheiter, intriganter, beweglicher, spekulierender Juden, wie es die Juden überall sind, Handels- oder Bankagenten, Literaten, Politiker, Korrespondenten für Zeitungen aller Schattierungen , (…) einen Fuß in der Bank, den anderen in der sozialistischen Bewegung und mit dem Hintern auf der deutschen Tagesliteratur sitzend (…)

Nun, diese ganze jüdische Welt, die eine ausbeuterische Sekte, ein Blutegelvolk, einen einzigen fressenden Parasiten bildet, eng und intim nicht nur über Staatsgrenzen hin, sondern auch über alle Verschiedenheiten der politischen Meinungen hinweg – diese jüdische Welt steht heute zum großen Teil einerseits Marx, andererseits Rothschild zur Verfügung.

Ich bin sicher, daß die Rothschild auf der einen Seite die Verdienste von Marx schätzen und daß Marx auf der anderen Seite instinktive Anziehung und großen Respekt für die Rothschilds empfindet.

Dies mag sonderbar erscheinen. Was kann es zwischen dem Kommunismus und der Großbank gemeinsames geben? Oh! Der Kommunismus von Marx will die mächtige staatliche Zentralisation, und wo es eine solche gibt, muß heutzutage unvermeidlich eine zentrale Staatsbank bestehen,

und wo eine solche Bank besteht, wird die parasitäre jüdische Nation, die in der Arbeit des Volkes spekuliert, immer ein Mittel zu bestehen finden… (…)“

Der Verfasser dieses Textes verstieg sich zu pauschalen Vorwürfen wie:

„Die Juden“ rotten sich instinktiv zusammen, um andere Völker auszunutzen. Mögen Juden auch gegensätzliche Meinungen vertreten, hier pro Kapitalismus, dort pro Sozialismus, in ihren Herzen sind sie gemeinsam Juden.

Fatal war, dass 1871 die Hälfte aller Europäer, möglicherweise auch mehr, dem Zitat zugestimmt hätten. Für unsere Gegenwart sei festgehalten: Der Text fände auch heute noch Zustimmung.

Fatal war weiterhin, dass damals Bürger*Innen mit ihren jüdischen Nachbar*Innen normalen Umgang pflegten, sich gegenseitig mit Mehl oder Milch aushalfen, gemeinsam über Behörden stöhnten, den Tod von Nachbarn betrauerten

Zu bemerken ist, dass nur wenige Antijudaisten ihren Meinungen aggressive Taten folgen ließen. Unbekümmert suchten auch sie gute jüdische Ärzte auf und kauften bei jüdischen Händlern. Sehr selten wurden Scheiben bei Juden eingeworfen und noch seltener ihre Wohnungen angezündet.

Während des alltäglichen Umgangs jedoch bekamen die „Juden“ Anspielungen zu hören. Sie erfuhren feine [manchmal auch grobe] Formen der Ausgrenzung. Das war nicht böse gemeint. „Die Juden“ waren nun einmal „die Juden“, damit „anders“ und gehörten nach „draußen“.

Als er 1871 den obigen Text schrieb, wollte Michael Bakunin die Juden weder ausrotten noch in Ghettos stecken. Schließlich gab es auch jüdische Anarchisten. Und Michael Bakunin war einer der wichtigsten Theoretiker des Anarchismus.

Er wollte eine andere Art neuer Gesellschaftsform als Marx. Konsequent lehnte Bakunin jede Bevormundung durch Staaten, Institutionen oder Parteien ab. Keiner sollte über keinen herrschen. Aber Bakunin nutzte die Gelegenheit dieses Leserbriefes, um Karl Marx als "Juden" an den Rand des gesellschaftlichen Spielfelds zu stellen.

Schließlich flogen in der 1. Sozialistischen Internationale gerade die Fetzen. Wer hatte in der Bewegung das Sagen: Bakunin oder Marx? Beide bekämpften sich, wie Bakunins Text zeigt, mit allen Mitteln.

Der abgedruckte Leserbrief vermittelt Einblick in antijüdische Denkstrukturen. Und in die Weltsicht solcher, die es ablehnen, sich auch nur ansatzweise mit Marx zu befassen, weil sie ihn in ihr Bild von dem zwängen, wie die „Juden“ nun einmal sind.

Der Atheist Karl Marx wurde ganz sicher durch die jüdische Vergangenheit seiner Eltern beeinflusst. Ungewollt und unbewusst übernahm er einige ihrer Denkansätze.

Jedoch zerbrach er komplett bisher gültige Gedankengebäude. Marx stellte sich radikal gegen den jüdischen und den christlichen Glauben. [Religion „ist das Opium des Volkes“. Karl Marx, „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“, 1843/4]

Zu rassistischen Argumenten: Es gab nie eine jüdische „Rasse“ oder Ethnie. In die „jüdischen“ Gene mischten sich im Laufe von drei Jahrtausenden die Gene vieler anderer Völker. {Schließlich sind all jene automatisch Jude, deren Mutter Jüdin ist [unabhängig vom Vater]. }

1.3 Eltern und Geschwister, Edgar und Jenny

Wollte jemand 1860 Karl Marx in London aufsuchen, erhielt er möglicherweise an der Wohnungstür die Auskunft: "Mohr ist in der Küche!" - Mohr? Wer war das denn? Mohr war Karl Marx´ Spitzname, den die Familie und die Freunde ständig verwendeten. Seine Jugendfreundin und spätere Frau Jenny von Westphalen hatte ihn so genannt, damals in Trier, als sie sich kennenlernten.

Seine Eltern begegneten sich in Amsterdam. Henriette Presburg und Heinrich Marx stammten aus jüdischen Familien.

Die Kinder von Henriette und Heinrich Marx

Geburt Tod
1 Mauritz 1815 1819
2 Sophie 1816 1886
3 Karl 1818 1883
4 Hermann 1819 1842
5 Henriette 1820 1845
6 Louise 1821 1893
7 Emilie 1822 1888
8 Caroline 1824 1847
9 Eduard 1826 1837

Marx´ Schwester Sophie heiratete einen Rechtsanwalt, Emilie einen Wasserbauaufseher, Louise den in Südafrika tätigen Verleger Juta. Nach dem Tod des Vaters Heinrich 1838 übertrug die Mutter die Regelung des Vermögens männlichen Verwandten, zum Schluss ihrem Schwager Lion Philips in Zaltbommel.

Karl Marx´ Mutter Henriette, geb. Presburg (1788 - 1863), stammte aus einer niederländischen Kaufmannsfamilie. Sie ließ sich erst 1825 taufen, nach ihrem Mann und ihren Kindern.

Zeitlebens blieb sie den Niederlanden, der Heimat ihrer Kindheit und Jugend, verbunden. In hohem Alter spielte sie mit dem Gedanken, Trier zu verlassen und zu ihrer Schwester nach Zaltbommel zu ziehen.

Heinrich Marx, Sohn eines Rabbiners, nutzte die revolutionären Möglichkeiten des Code Napoléon. Als Jude studierte er Jura [Bis dahin durften Juden das nicht.] und war ab 1808 in Trier als Anwalt tätig. 1818 wurde er zum Trierer Berufungsgericht zugelassen, 1821 als Advokat-Anwalt, im Oktober 1831 erhielt er den Titel eines Justizrats.

Außerdem war er Mitglied der noblen Trierer Kasinogesellschaft"Doch ein großer Hebel für die Moral ist der reine Glaube an Gott. [...] denn was Newton, Locke und Leibnitz geglaubt, dem darf sich jeder [...] unterwerfen."