Dieser Band ist Teil der Schriftenreihe „Innovation Research Lab Arbeitsberichte“ des Forschungsbereichs Innovation Research Lab der Salzburg Research. Die Schriftenreihe dokumentiert Ergebnisse aus Forschungs- und Innovationsprojekten.

© Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH – September 2019

ISBN 978-3-750482-87-6

Mag. Dr. Markus Lassnig; Petra Stabauer, BSc Msc; Luisa Friebel, BA

Geschäftsmodell-Konzept für nachhaltige IT-unterstützte kulturtouristische Angebote von Burgen, Schlössern und Residenzen

Band 9 der Reihe „Innovation Research Lab Arbeitsberichte“, herausgegeben vom Forschungsbereich Innovation Research Lab der Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH

Verlag und Herstellung: Book on Demand, Norderstedt Umschlaggestaltung: Daniela Gnad, Salzburg Research.

Diese Publikation wurde im Rahmen des Projektes „ViSIT – Virtuelle Verbund-Systeme und Informations-Technologien für die touristische Erschließung von kulturellem Erbe“ (visit.uni-passau.de) umgesetzt, welches aus Mitteln des Förderprogrammes Interreg Bayern-Österreich 2014 – 2020 unterstützt wird.

Der Band steht unter der Lizenz CC BY-ND Salzburg Research (ausgenommen Buch-Cover) (URL zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/)
Das Buch-Cover enthält folgende Bildrechte: Festung Kufstein Breitbildformat oben: (c) Festung Kufstein; Veste Oberhaus Breitbildformat Mitte: (c) Oberhausmuseum Passau / Fa. Eichberger; Harnisch: © Oberhausmuseum Passau / 3D-Scan: Benedikt Krieger / Foto: Atelier Kaps (Josef Lang); Votivkrone: © Oberhausmuseum Passau / 3D-CT: Fraunhofer Anwendungszentrum CT in der Messtechnik Deggendorf / Fotomontage: Universität Passau, Lehrstuhl Digital Humanities (Malte Rehbein); Rekonstruktionsmodell der Veste: © Oberhausmuseum Passau / CAD-Modell/Rekonstruktion: Clemens Knobling.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

INHALTSVERZEICHNIS

  1. Einleitung
  2. Charakteristika und Trends im Kulturtourismus
  3. Anforderungen der Stakeholder an die digitale Inwertsetzung des Kulturerbes
  4. Digitale Geschäftsmodell-Konzepte für Kulturerbe
  5. Fazit
  6. Literaturverzeichnis
  7. Die Reihe „Innovation Research Lab Arbeitsberichte“

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Angesprochene Burgen und Festungsanlagen im Inn-Salzach-Donau-Raum
Abbildung 2: Mannigfaltige Kulturtouristen
Abbildung 3: Beispiel des Ablaufs eines Gamification-Konzeptes inklusive Rewards in Museen
Abbildung 4: Prozesse im Hintergrund eines Gamification-Konzeptes mit Rewards in Museen
Abbildung 5: Der Roboter Pepper im Hotel „Übergossene Alm“
Abbildung 6: Die virtuellen Fernrohre in der Festung Kufstein
Abbildung 7: Die Nachstellung einer Gerichtsverhandlung mit einer Holoprojektion im Gefängnisturm
Abbildung 8: Landkarten-Elemente zur geografischen Verortung in Passau
Abbildung 9: Der Aussichtsturm der Veste Oberhaus
Abbildung 10: Das AR-Fernrohr „Inscope“ (MKT AG, Olching) am Aussichtsturm der Veste Oberhaus
Abbildung 11: Die Sicht aus dem AR-Fernrohr am Aussichtsturm der Veste Oberhaus
Abbildung 12: Business Model Canvas nach Osterwalder & Pigneur
KURZFASSUNG

Heutige Touristen sind reiseerfahrener, weltgewandter, technologieaffiner und fordernder als je zuvor – und auch gebildeter! Auch für die Burgen, Schlösser und Residenzen im Inn-Salzach-Donau-Raum liegt die Messlatte bei den klassischen Top-Spots Alhambra, Uffizien, Louvre, Guggenheim sowie aktuellen Best Practices in den Messner Mountain Museen, in hochkarätigen Nationalparkzentren aber auch in Disney World, den Universal Studios und ähnlichem mehr. All diese international renommierten Museen und Freizeiteinrichtungen steigern die Erwartungshaltungen der Besucher gegenüber regionalen Kultureinrichtungen wie Burgen oder Festungsanlagen.

Parallel dazu stellt der Trend zur Digitalisierung für die Kulturerbestätten eine große Chance und eine beachtliche Herausforderung gleichermaßen dar. Wie können Burgen, Schlösser und Residenzen nachhaltige IT-unterstützte kulturtouristische Angebote schaffen? Der vorliegende Arbeitsbericht bietet eine Hilfestellung bei der Beantwortung dieser Frage. Er entstand im Rahmen des Projektes „ViSIT – Virtuelle Verbund-Systeme und Informations-Technologien für die touristische Erschließung von kulturellem Erbe“, welches im grenzüberschreitenden Programm Interreg Bayern-Österreich gefördert wurde. Weiterführende Informationen zum Projekt finden sich unter visit.unipassau.de.

Am Beginn des vorliegenden Arbeitsberichtes werden aktuelle Ergebnisse der Trendforschung zum Kulturtourismus analysiert. Kulturtourismus wird hier eher weit definiert – nicht nur eingeschränkt auf Hochkultur und klassische Festspiele, weil das schlicht viel zu kurz greifen würde. Die Entwicklung des Kulturtourismus in den letzten Jahren wird skizziert – mit einer ganz zentralen Erkenntnis: Es handelt sich um einen beachtlichen Wachstumsmarkt! Daneben sind die grundlegenden Charakteristika des Kulturtourismus für die Destinationen sehr attraktiv: So ist Kulturtourismus relativ saisonunabhängig, er wirkt stark befruchtend für das Verhältnis zwischen Touristen und Einheimischen, er verursacht vergleichsweise wenig Friktionen mit anderen Gästegruppen und er ist destinationsgebunden. Damit ist gemeint, dass Kulturtouristen ihre Destination ganz bewusst auswählen und bei der Wahl des Reiseziels nicht nur Urlaub zu möglichst niedrigen Kosten irgendwo suchen. Der durchschnittliche Kulturtourist mag damit zwar etwas weniger preissensibel als der klassische Massentourist sein, aber er ist auch sehr anspruchsvoll und fordernd – auch was die digitalen Komponenten des Angebotes von Burgen, Schlössern und Residenzen betrifft. Nicht zuletzt ist der Kulturtourismus existenzsichernd für Kultureinrichtungen! Vor diesem Hintergrund gibt es eine ganz klare Empfehlung, kulturtouristische Angebote weiter zu forcieren und auch ihre Digitalisierung voran zu treiben.

Welche Punkte sind nun zu beachten, will man Kulturerbestätten erfolgreich digital inwertsetzen? Jegliche IT-Lösung1 sollte die Partizipation von Besuchern ermöglichen – der Informationsaustausch sollte in beide Richtungen funktionieren, die Besucher dürfen nicht fälschlich als rein passive Rezipienten der Informationen gesehen werden. Die digitale Lösung soll für alle Altersklassen offen sein und sie soll auf spielerisches Lernen beziehungsweise Erfahren setzen. Im Fachjargon Edutainment genannt – als Kombination aus Education und Entertainment – mit der Empfehlung, auch Gamification-Elemente zu benutzen. Der Unterhaltungsfaktor steht dabei nicht im Widerspruch mit einem gewissen Lernwettbewerb oder einer Prämierung der besten Teilnehmer. Dafür sollen bewusst Anreize gesetzt werden, zum Beispiel indem Reward-Systeme eingeführt werden. Ziel ist die Schaffung eines möglichst starken Erlebnisfaktors, wobei thematisch inszeniert werden sollte – ohne allerdings die Authentizität des Angebotenen aus dem Auge zu verlieren.

Weiters soll das Konzept des Storytelling verfolgt werden, es soll den Besucher Inspiration bieten und sie zu „Insidern“ machen. Die Kuratierung von Ausstellungen könnte auch einem Open Innovation Ansatz folgen, wo Besucher in die thematische Ausrichtung und Ideenentwicklung eingebunden werden. Was immer an digitalen Inhalten angeboten wird, soll auch zum Teilen anregen – Stichwort Sharing in Social Media – und soll grundsätzlich durchgängig gestaltet sein. Die Nutzung von virtueller und augmentierter Realität bietet sich an. Jede digitale Visualisierung oder grundlegende Gestaltung muss klar zweckorientiert erfolgen und nicht rein technologiegetrieben. Die Orientierung innerhalb der Festungsanlagen soll digital unterstützt werden und Indoor- und Outdoor-Bereiche auf den Burgen und Schlössern verbinden. Das IT-System soll das Alleinstellungsmerkmal von Burgen und Festungen als optimale Aussichtspunkte, von denen aus die Besucher die Region überblicken können, stärken.

Zu guter Letzt soll die digitale Lösung dabei helfen, Attraktionen in einem Verbund zu schaffen. Schließlich erwarten die anspruchsvollen Kulturtouristen von heute ein inhaltlich klar verortetes, in einem größeren historischen Bezugsrahmen eingebettetes, erlebnisverdichtetes Angebot, welches einzelne Burgen, Schlösser und Residenzen für sich alleinstehend nur schwer bieten können. Die Lösung liegt in einem Netzwerk, das die Kulturerbestätten sowohl inhaltlich-kuratorisch als auch technologisch verbindet. Denn ein solcher Verbund aus Burgen und Festungen ergibt für den Besucher dann mehr als die Summe seiner Einzelteile.

Der vorliegende Arbeitsbericht wird mit der Diskussion digitaler Geschäftsmodell-Konzepte für Kulturerbeeinrichtungen abgerundet. Unter Berücksichtigung der aktuellen Tourismusstrategiepläne in Bayern, Salzburg und Tirol wird ein konkreter Vorschlag für ein Geschäftsmodell für das ViSIT-System entworfen. Nach der Methode des Business Model Canvas werden für die ViSIT-Lösung Zielgruppen identifiziert, Kundenbeziehungen und Vertriebskanäle gestaltet, das zentrale Nutzenversprechen herausgearbeitet, die notwendigen Schlüsselpartner identifiziert, Schlüsselaktivitäten und Schlüsselressourcen festgelegt, um am Ende mit der Definition von denkbaren Erlösströmen und Kostenstrukturen abgerundet zu werden. Um die Erfolgsaussichten und die einzelnen Stellschrauben am digitalen Geschäftsmodell besser bewerten zu können, erfolgt zum Abschluss noch eine SWOT-Analyse2 für das Geschäftsmodell für ViSIT.


1 IT = Informationstechnologie

2 SWOT = Strengths, Weaknesses, Opportunities and Threats

1 EINLEITUNG

Die Trends der Digitalisierung und Vernetzung verändern viele Lebensbereiche. Davon ist auch der Tourismus betroffen. Neue Reise- und Übernachtungsmöglichkeiten, sowie andere Arten an touristischem Erleben bringen neue Chancen ebenso wie Risiken. Für Touristiker ist es wichtig, die aktuellen Trends zu verfolgen und die touristischen Angebote entsprechend anzupassen. Dabei ist branchenübergreifendes Denken gefordert, da es viele Arten von Tourismus und unterschiedliche Bedürfnisse der Reisenden gibt (vgl. Riemann 2017). Das gilt ganz besonders für den Kulturtourismus, wo zwei grundsätzlich unterschiedliche Bereiche, Kultur und Tourismus, aufeinandertreffen. Kulturtourismus gerät immer mehr von einem wenig beachteten Nischenmarkt in den Fokus der Aufmerksamkeit von Touristikern, da es sich um ein Marktsegment mit einem großen Wachstumspotential handelt, vor allem wenn man über den klassisch bildungsbürgerlichen Begriff des Kulturtourismus hinaus denkt. Ebenso spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle für die Kultur. Smarte Devices und mobile Endgeräte stellen auch in der Kultur den informativen und kommunikativen Weg der Menschen dar (vgl. Dallmeier 2017). Kulturtourismus ist schon lange nicht mehr nur auf eine eher ältere, gebildete Zielgruppe beschränkt, weshalb auch digital geprägte Ansprüche immer relevanter werden.

Genau aus Gründen wie diesen befasst sich das Interreg-Projekt ViSIT mit der digitalen Inwertsetzung von Kulturerbe. Mit der Veste Oberhaus in Passau und der Festung Kufstein werden zwei Vertreter der Burgen und Residenzen des Inn-Salzach-Donau-Raumes durch multimediale Installationen und ein virtuelles Verbundsystem im Sinne einer Experience Economy neu für den Tourismus erschlossen – weitere Standorte wie Golling, Salzburg, Berchtesgaden, Tittmoning und Burghausen werden dabei ebenfalls mit gedacht beziehungsweise künftig eventuell eingebunden. Das Projekt macht diese Burganlagen als Zeugen einer gemeinsamen, grenzübergreifenden Geschichte für Besucher auf innovative IKT3-gestützte Weise erlebbar und erschließt so allen Standorten neue Publikumskreise.

Abbildung 1: Angesprochene Burgen und Festungsanlagen im Inn-Salzach-Donau-Raum
(Quelle: © Oberhausmuseum Passau / Grafik: Georg Thuringer)

Zwischen dem Kultursektor und dem Tourismus gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte. Werden diese positiv genutzt, so ergibt sich eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Damit das gelingt, bedarf es eines möglichst weitreichenden gegenseitigen Verständnisses. Das klingt zwar logisch, ist in der konkreten Umsetzung aber durchaus mit Herausforderungen verbunden. Das vorliegende Dokument soll bei der Verständigung zwischen der Kultur-, der Informationstechnologie- und der Tourismuswelt helfen, um die Anforderungen zu skizzieren, die nicht zuletzt von digitalen Konzepten für die Inwertsetzung von kulturellem Erbe für den Tourismus erfüllt werden müssen.


3 IKT = Informations- und Kommunikationstechnologie

1.1 Ausgangslage für Burgen, Schlösser und Residenzen