Die fabelhafte Geschichte von Anne Kaffeekanne

Fredrik Vahle

Die fabelhafte Geschichte von Anne Kaffeekanne

Mit farbigen Bildern von Susanne Göhlich

FISCHER E-Books

Inhalt

Über Fredrik Vahle

Fredrik Vahle, geboren 1942, singt seit über vierzig Jahren Kinderlieder und begeistert Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Der ›Vater des neuen Kinderlieds‹ wurde für seine Musik u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Lieder wie ›Anne Kaffeekanne‹, ›Die Rübe‹ und ›Der Cowboy Jim aus Texas‹ werden in jedem Kinderzimmer und Kindergarten gesungen.

 

Susanne Göhlich, geboren 1972 in Jena, lebt in Leipzig. Neben dem Studium der Kunstgeschichte in Leipzig begann sie zu zeichnen, und dabei ist sie dann auch geblieben. Inzwischen ist sie freie Illustratorin für Plakate, Kinder- und Schulbücher.

 

Weitere Informationen, auch zu E-Book-Ausgaben, finden Sie bei www.fischerverlage.de

Impressum

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2014

Covergestaltung: Regina Solf unter Verwendung einer Illustration von Susanne Göhlich

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-7336-0034-1

Ein schöner Name, finde ich. Kurz und bündig. Als würde etwas in Schwung kommen.

Eigentlich heiße ich Anna Katharina. Aber das ist mir irgendwie zu umständlich. Das hat schwere Füße. Mein Vater wollte, dass ich Katharina heiße. Meine Mutter war für Susanne. Zuerst haben sie sich gestritten. Doch am Ende ist Anna Katharina rausgekommen. Ein Glück, sonst würde ich heute ›Kati‹ oder ›Susi‹ genannt und wäre so geworden wie meine kleinen Schwestern. Bei denen war alles einfacher. Die hießen von Anfang an Kiki und Veronika.

 

Also, manchmal denke ich mir was Lustiges aus. Neulich haben Oma und ich uns verkleidet. Ich hatte einen bunten Umhang vom letzten Fasching an und Zebrastrümpfe. Dann habe ich noch so einen spitzen Hut dazu gefunden, und den hab ich mir aufgesetzt, und dann bin ich auf dem Besenstiel immer um meine Oma rumgesaust. Das war was! Meine Oma hat gesagt: »Du hast ja ein Tempo drauf, als wolltest du zum Nordpol und in die Wüste fliegen!«, und ich habe gesagt: »Na klar, da komm ich überall hin …!«

 

 

Manchmal können Menschen ja auch fliegen … ohne Flügel und ohne Flugzeug. Nein, nicht als Drachenflieger, sondern im Traum.

Ich bin schon oft im Traum geflogen, und da weiß ich ganz genau, dass ich fliegen kann. Ich nehme Anlauf,

Aber wenn ich aufwache, habe ich immer wieder vergessen, wie man das macht. Manchmal denke ich auch, ich hab’s nicht vergessen. Dann setze ich mich auf einen Stuhl, mache die Augen zu, atme tief durch und denke ganz stark, dass ich fliege. Ich stelle mir vor, ich schwebe über den Garten und über den Teich. Und dann geht’s erst richtig los: übers Haus und dreimal im Kreis herum, und schließlich, wenn ich so richtig in Schwung bin, sssssst – hoch hinaus. Dann fliege ich über die ganze Stadt und überallhin, auch an den Nordpol und in die Wüste. Und manchmal erlebe ich Sachen … also wirklich …

Aber egal, wohin ich fliege – meine Kaffeekanne habe ich immer dabei.

Zum Fliegen muss man sich nur leicht machen und alles, was schwer ist, hinter sich lassen. Die Vögel können das. Vögel mit Übergewicht habe ich noch nie gesehen. Und wenn ich dann wieder landen will, mache ich gaaanz langsam die Augen wieder auf.

 

Meine beiden Schwestern hatten die ganze Zeit draußen gespielt. Aber als sie das Getrampel und das laute Lachen hörten, sind sie reingekommen. Und sind dann auch mit herumgehüpft. Nur verkleiden wollten sie sich

Das ging noch eine ganze Weile so weiter, und wie immer kam zum Schluss mein Mädchenfreiheitslied.

Keine Knöpfe im Ohr

und kein Handy an der Backe,

kein Geklecker, kein Gemecker,

aber immer zicke, zacke.

Immer cool sein bringt Erkältung –

ich will, wo’s schön warm ist, hin.

Brauchste gar nicht groß zu gucken:

Du bist du, weil ich ich bin!

Keine Schuhe an den Füßen,

aber ab ins nasse Gras –

schwupp, sind wir auf Wolke sieben,

ab die Post und sonst noch was!

Und ist das ein Tag gewesen,

der mir ganz vorzüglich schmeckt,

dann wird ohne Federlesen

froh der Teller abgeleckt.

Keine Knöpfe im Ohr

und kein Handy an der Backe,

kein Geklecker, kein Gemecker,

aber immer zicke, zacke.

ich will, wo’s schön warm ist, hin.

Brauchste gar nicht groß zu gucken:

Du bist du, weil ich ich bin!

Na klar, jetzt wollt ihr sicher wissen, wie das eigentlich mit der Kaffeekanne ist, oder? Also gut, Kaffeekanne hin, Kaffeekanne her – ich will’s euch verraten.

Das hat nämlich mit Frau Klatschmohn zu tun. Die wohnte in einem alten Haus. Das Rumpumpelhaus haben wir immer dazu gesagt, weil neben dem Haus ein großer Haufen Blech und Eisen lag. Töpfe, Tassen und alles Mögliche an Blechzeugs. Mein Kletterbaum war auch nicht weit weg. Vor allem war da aber Igor, Frau Klatschmohns Sohn. Der konnte auf einer Trötenflöte spielen. Die hatte er sich selbst gebastelt und so lange geübt, bis er tatsächlich ganz lange Lieder spielen konnte. Die klangen leise und traurig. Und so schön, dass sie mich verzauberten. So schön traurig-leise, dass ich ziemlich oft zu Frau Klatschmohn und Igor kam.

Eines dieser Lieder war richtig poetisch. Igor sagt, wer dieses Lied kennt, braucht sich nie mehr im Leben zu langweilen.

Auch beim Nixtun –

merk dir das –

tut sich immer

irgendwas.

Tu erst mal nix,

sei einfach froh,

denn so viel

tut sich sowieso.

Denn in dir drin –

jetzt denk dir bloß –

ist immerzu

’ne Menge los.

Es atmet ein,

es atmet aus.

Geht in dich rein,

geht aus dir raus.

Gedanken kommen an

und geh’n.

Du brauchst sie nicht

im Kreis rumdreh’n.

in aller Ruh’

dein gutes, warmes

Herz dazu.

Dann ist Igor zurück nach Polen gegangen. »Ich sag nicht ade. Ich sag auf Wiedersehen«, hat er zu mir gesagt und lustig mit den Augen gezwinkert.

Mir war aber nicht zum Zwinkern zumute. Weil ich nicht »auf Wiedersehen« sagen wollte.

 

Weil ich so traurig war, bin ich gleich am nächsten Tag zu meinem Kletterbaum gegangen. Diesmal waren sogar Kiki und Veronika mitgekommen. Ausnahmsweise. Doch gleich ging es wieder los: »Eine Prinzessin muss doch nicht auf Bäume klettern«, zeterte Veronika, »die wird in der Kutsche gefahren!« Und Kiki legte sich gleich mit dem Baum an. »Na«, sagte Kiki zu dem Baum, »weißt du überhaupt, dass es das Meer gibt und dass da ein Muschelschloss steht und dass darin eine Meerjungfrau wohnt, die heute ausnahmsweise mal Landurlaub hat?«

Ich lief erst einmal um den Baum herum und guckte ihn mir von allen Seiten an. Doch was war das?

Da stand doch etwas im Gras!

Ein Kochtopf!

Und als ich den Deckel hob, war da ein Kästchen drin, und als ich das Kästchen aufmachte, war da eine noch viel kleinere Dose, und als ich diese Dose aufmachte, war da ein ziemlich kleiner Brief, und als ich den Brief aufmachte, war da ein Zettelchen, und auf dem Zettelchen stand so was wie ein Spruch, und der lautete:

Wo Kaffee war,

ist jetzt Musik.

Steig hoch hinauf,

und horch und kiek!

Es ist mein allerbestes Stück.

S’ will hoch hinaus,

drum hol’s zurück.

»Der Igor ist einer, der macht gerne komische Geschenke«, hat Frau Klatschmohn gesagt, die plötzlich hinter mir stand.

Was der Brief wohl zu bedeuten hatte? »Steig hinauf« – das habe ich gleich verstanden. Aber das mit dem Kaffee und der Musik überhaupt nicht. Außerdem gibt es auf einem Baum Äste und Blätter und wunderbare Aussicht – aber sonst, was gab es da sonst?

Also bin ich in meinen Kletterbaum hineingeklettert, wie es in dem Brief stand.

»Bleib nicht so lange oben«, hat Veronika mir noch nachgerufen.