Max Horkheimer | Theodor W. Adorno
Dialektik der Aufklärung
Philosophische Fragmente
Fischer e-books
Max Horkehiemer (1895-1975) war ab 1930 Ordinarius für Sozialphilosophie uhd Direktor des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main. 1933 emigrierte er und führte - gemeinsam mit Adorno, Marcuse, Pollock und anderen - die Arbeit des Instituts in New York fort. In den fünfziger und sechziger Jahren bekleidete er wieder eine Professur in Frankfurt. Max Horkheimers »Gesammelte Schriften« liegen im Fischer Taschenbuch verlag vor.
Theodor W. Adorno (1903-1969), war bis 1933 Privatdozent für Philosophie in Frankfurt am Main, emigrierte über England in die Vereinigten Staaten und arbeitete dort am exilierten Institut für Sozialforschung. Nach dem Krieg setzte er seine Lehrtätigkeit an der Frankfurter Universität fort und übernahm 1958 die Leitung des Instituts für Sozialforschung.
Noch während des Zweiten Weltkriegs in den Vereinigten Staaten entstanden, 1947 als Buch erschienen, mit der Neuausgabe von 1969 endgültig zum einflussreichsten Werk der »Frankfurter Schule« geworden: eine Sonderausgabe zum hundertsten Geburtstag Theodor W. Adornos am 11. September 2003.
Covergestaltung: Buchholz / Hinsch / Hensinger
Fotos: S. Fischer Verlag
Copyright by Social Association, Inc., New York 1944
Für die deutsche Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1969
Digitalisierung: pagina GmbH, Tübingen
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ISBN 978-3-10-400214-9
Voltaire, Lettres philosophiques xii. Œuvres complètes. Ed. Garnier. Paris 1879. Band xxii. S.118.
Bacon, In Praise of Knowledge. Miscellaneous Tracts Upon Human Philosophy. The Works of Francis Bacon. Ed. Basil Montagu. London 1825. Band i. S 254f.
Vgl. Bacon, Novum Organum a.a.O. Band xiv. S.31.
Bacon, Valerius Terminus, of the Interpretation of Nature. Miscellaneous Tracts a.a.O. Band i. S.281.
Vgl. Hegel, Phänomenologie des Geistes. Werke. Band ii. S.410f.
Xenophanes, Montaigne, Hume, Feuerbach und Salomon Reinach sind sich darin einig. Vgl. zu Reinach: Orpheus. From the French by F. Simmons. London und New York 1909. S.6ff.
Bacon, De augmentis scientiarum a.a.O. Band viii. S.152.
Les Soirées de Saint-Pétersbourg. 5 ième entretien. Œuvres complètes. Lyon 1891. Band iv. S.256.
Bacon, Advancement of Learning a.a.O. Band ii. S.126.
Genesis i, 26.
Archilochos, fr. 87. Zitiert bei Deussen. Allgemeine Geschichte der Philosophie. Band ii. Erste Abteilung. Leipzig 1911. S.18.
Solon, fr. 13,25 folg. a.a.O. S.20.
Vgl. etwa Robert H. Lowie, An Introduction to Cultural Anthropology. New York 1940. S.344f.
Vgl. Freud, Totem und Tabu. Gesammelte Werke. Band ix. S.106ff.
A.a.O. S.110.
Phänomenologie des Geistes a.a.O. S.424.
Vgl. W. Kirfel, Geschichte Indiens, in: Propyläenweltgeschichte. Band iii. S.261f., und G. Glotz, Histoire Grècque. Band i. in: Histoire Ancienne. Paris 1938. S.137ff.
G. Glotz a.a.O. S.140.
Vgl. Kurt Eckermann, Jahrbuch der Religionsgeschichte und Mythologie. Halle 1845. Band i. S.241, und O. Kern, Die Religion der Griechen. Berlin 1926. Band i. S.181f.
So beschreiben Hubert und Mauß den Vorstellungsgehalt der »Sympathie«, der Mimesis: »L’un est le tout, tout est dans l’un, la nature triomphe de la nature.« – H. Hubert et M. Mauß, Théorie générale de la Magie, in: L’Année Sociologique. 1902–3. S.100.
Vgl. Westermarck, Ursprung der Moralbegriffe, Leipzig 1913. Band i. S.402.
Vgl. Platon, Das zehnte Buch des Staats.
Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie. Fünfter Hauptabschnitt. Werke. Erste Abteilung. Band ii. S.623.
A.a.O. S.626.
Vgl. E. Durkheim, De quelques formes primitives de classification. L’Année Sociologique. Band iv. 1903. S.66ff.
G. Vico, Die Neue Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur der Völker. Übers. von Auerbach. München 1924. S.397.
Hubert et Mauß a.a.O. S.118.
Vgl. Tönnies, Philosophische Terminologie, in: Psychologisch-Soziologische Ansicht. Leipzig 1908. S.31.
Hegel a.a.O. S.65.
Edmund Husserl, »Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie«, in: Philosophia. Belgrad 1936. S.95ff.
Vgl. Schopenhauer, Parerga und Paralipomena. Band ii. § 356. Werke. Ed. Deussen. Band v. S.671.
Ethica. Pars iv. Propos xxii. Coroll.
Odyssee, xii, 191.
A.a.O. xii, 189–90.
Hegel, Phänomenologie des Geistes a.a.O. S.146.
»The supreme question which confronts our generation today – the question to which all other problems are merely corollaries – is whether technology can be brought under control … Nobody can be sure of the formula by which this end can be achieved … We must draw on all the resources to which access can be had …« (The Rockefeller Foundation. A Review for 1943. New York 1944. S.33ff.)
Nietzsche, Nachlaß. Werke. Band xiv. S.206.
A.a.O. Band xv. S.235.
Nietzsche a.a.O. Band ix. S.289.
Hölderlin, Patmos. Gesamtausgabe des Inselverlags. Text nach Zinkernagel. Leipzig o.J. S.230.
Dieser Prozeß hat sein unmittelbares Zeugnis gefunden im Anfang des zwanzigsten Gesanges. Odysseus bemerkt, wie die Mägde nachts zu den Freiern schleichen, »Und das Herz im Innersten bellt’ ihm./So wie die mutige Hündin, die zarten Jungen umwandelnd,/Jemand, den sie nicht kennt, anbellt und zum Kampf sich ereifert,/So in dem Busen ihm bellt’ es, vor Grimm ob der schändlichen Frevel./Er schlug an die Brust und strafte das Herz mit den Worten:/Dulde nun aus, mein Herz! noch Härteres hast du geduldet,/Jenes Tags, da in Wut der ungeheure Kyklop mir/Fraß die tapferen Freund’; allein du ertrugst, bis ein Ratschluß/Dich aus der Höhle geführt, wo Todesgraun du zuvorsahst!/Also sprach er, das Herz im wallenden Busen bestrafend;/Bald nun blieb in der Fassung das Herz ihm, und unerschüttert/Dauert’ es aus. Doch er selbst noch wälzete sich hierhin und dorthin« (xx, 13/24). Noch ist das Subjekt nicht in sich fest, identisch gefügt. Unabhängig von ihm regen sich die Affekte, Mut und Herz. »Im Anfang des y bellt die kradie oder auch das etor (die beiden Wörter sind synonym 17.22), und Odysseus schlägt an seine Brust, also gegen sein Herz und redet es an. Herzklopfen hat er, also regt sich der Körperteil wider seinen Willen. Da ist seine Anrede nicht eine bloße Form, wie wenn bei Euripides Hand und Fuß angeredet werden, weil sie in Tätigkeit treten sollen, sondern das Herz handelt selbständig.« (Wilamowitz-Moellendorff, Die Heimkehr des Odysseus. Berlin 1927. S.189.) Der Affekt wird dem Tier gleichgesetzt, das der Mensch unterjocht: das Gleichnis von der Hündin gehört derselben Erfahrungsschicht an wie die Verwandlung der Gefährten in Schweine. Das Subjekt, aufgespalten noch und zur Gewalt gegen die Natur in sich gezwungen wie gegen die draußen, »straft« das Herz, indem es zur Geduld angehalten und ihm, im Vorblick auf die Zeit, die unmittelbare Gegenwart verwehrt wird. Sich an die Brust schlagen ist später zur Geste des Triumphs geworden: der Sieger drückt aus, daß sein Sieg stets einer über die eigene Natur ist. Die Leistung wird vollbracht von der selbsterhaltenden Vernunft. »… zunächst dachte der Redende noch an das ungebärdig klopfende Herz; dem war die metis überlegen, die also geradezu eine andere innere Kraft ist: sie hat den Odysseus gerettet. Die späteren Philosophen würden sie als nus oder logistikon dem unverständigen Seelenteile gegenübergestellt haben.« (Wilamowitz a.a.O. S.190.) Vom »Selbst« – autos – aber ist an der Stelle erst im Vers 24 die Rede: nachdem die Bändigung des Triebs durch die Vernunft gelungen ist. Mißt man der Wahl und Folge der Worte Beweiskraft zu, so wäre das identische Ich von Homer erst als das Resultat der innermenschlichen Naturbeherrschung angesehen. Dies neue Selbst erzittert in sich, ein Ding, der Körper, nachdem das Herz in ihm gestraft ward. Auf jeden Fall scheint die von Wilamowitz im einzelnen analysierte Nebeneinanderstellung der Seelenmomente, die oftmals zueinander reden, die lose ephemere Fügung des Subjekts zu bestätigen, dessen Substanz einzig die Gleichschaltung jener Momente ist.
Den Zusammenhang von Opfer und Tausch hat gegen Nietzsches materialistische Interpretation Klages ganz magisch aufgefaßt: »Das Opfernmüssen schlechthin betrifft einen jeden, weil jeder, wie wir gesehen haben, vom Leben und allen Gütern des Lebens den ihm umfaßbaren Anteil – das ursprüngliche suum cuique – nur dadurch empfängt, daß er beständig gibt und wiedergibt. Es ist aber nicht vom Tauschen im Sinne des gewöhnlichen Gütertauschs die Rede (der freilich uranfänglich gleichfalls vom Opfergedanken die Weihe erhält), sondern vom Austausch der Fluiden oder Essenzen durch Hingebung der eigenen Seele an das tragende und nährende Leben der Welt.« (Ludwig Klages, Der Geist als Widersacher der Seele. Leipzig 1932. Band iii. Teil 2. S.1409.) Der Doppelcharakter des Opfers jedoch, die magische Selbstpreisgabe des Einzelnen ans Kollektiv – wie immer es damit bestellt sei – und die Selbsterhaltung durch die Technik solcher Magie, impliziert einen objektiven Widerspruch, der auf die Entfaltung gerade des rationalen Elements im Opfer drängt. Unterm fortbestehenden magischen Bann wird Rationalität, als Verhaltensweise des Opfernden, zur List. Klages selbst, der eifernde Apologet von Mythos und Opfer, ist darauf gestoßen und sieht sich gezwungen, noch im Idealbild des Pelasgertums zwischen der echten Kommunikation mit der Natur und der Lüge zu unterscheiden, ohne daß er es doch vermöchte, aus dem mythischen Denken selber heraus dem Schein magischer Naturbeherrschung ein Gegenprinzip entgegenzusetzen, weil solcher Schein eben das Wesen des Mythos ausmacht. »Es ist nicht mehr heidnischer Glaube allein, es ist auch schon heidnischer Aberglaube, wenn etwa bei der Thronbesteigung der Gottkönig schwören muß, er werde hinfort die Sonne scheinen und das Feld sich mit Früchten bedecken lassen.« (Klages a.a.O. S.1408.)
Dazu stimmt, daß Menschenopfer im eigentlichen Sinn bei Homer nicht vorkommen. Die zivilisatorische Tendenz des Epos macht sich in der Auswahl der berichteten Begebenheiten geltend. »With one exception … both Iliad and Odyssey are completely expurgated of the abomination of Human Sacrifice.« (Gilbert Murray, The Rise of the Greek Epic. Oxford 1911. S.150.)
Schwerlich auf der ältesten. »Die Sitte des Menschenopfers … ist unter Barbaren und halbzivilisierten Völkern viel verbreiteter als unter echten Wilden, und auf den niedrigsten Kulturstufen kennt man sie überhaupt kaum. Es ist beobachtet worden, daß sie bei manchen Völkern im Laufe der Zeit immer mehr überhandgenommen hat«, auf den Gesellschaftsinseln, in Polynesien, in Indien, bei den Azteken. »Bezüglich der Afrikaner sagt Winwood Reade: ›Je mächtiger die Nation, desto bedeutender die Opfer‹.« (Eduard Westermarck, Ursprung und Entwicklung der Moralbegriffe. Leipzig 1913. Band i. S.363.)
Bei kannibalischen Völkern wie denen Westafrikas durften »weder Weiber noch Jünglinge … von der Delikatesse genießen.« (Westermarck a.a.O. Leipzig 1909. Band ii. S.459.)
Wilamowitz setzt den nus in »scharfen Gegensatz« zum logos. (Glaube der Hellenen. Berlin 1931. Band i. S.41f.) Der Mythos ist ihm eine »Geschichte, wie man sie sich erzählt«, Kinderfabel, Unwahrheit, oder, ungeschieden davon, die unbeweisbare oberste Wahrheit wie bei Platon. Während Wilamowitz des Scheincharakters der Mythen sich bewußt ist, setzt er sie der Dichtung gleich. Mit anderen Worten: er sucht sie erst in der signifikativen Sprache, die zu ihrer Intention bereits in einen objektiven Widerspruch getreten ist, den sie als Dichtung zu versöhnen trachtet: »Mythos ist zuerst die gesprochene Rede, ihren Inhalt geht das Wort niemals an.« (A.a.O.) Indem er diesen späten Begriff des Mythos hypostasiert, der Vernunft als sein explizites Widerspiel bereits voraussetzt, gelangt er – in unausdrücklicher Polemik gegen Bachofen, den er als Mode verhöhnt, ohne doch den Namen zu nennen – zur bündigen Scheidung von Mythologie und Religion (a.a.O. S.5.), bei der Mythos nicht als die ältere, sondern gerade die jüngere Stufe erscheint: »Ich mache den Versuch, das Werden, die Wandlungen und das Übergehen aus dem Glauben in den Mythos … zu verfolgen.« (A.a.O. S.1.) Der verstockt departementale Hochmut des Graecisten verwehrt ihm die Einsicht in die Dialektik von Mythos, Religion und Aufklärung: »Ich verstehe die Sprachen nicht, aus denen die zurzeit beliebten Wörter, Tabu und Totem, Mana und Orenda, entlehnt sind, halte es aber auch für einen zulässigen Weg, mich an die Griechen zu halten und über Griechisches griechisch zu denken.« (A.a.O. S.10.) Wie damit, nämlich der unvermittelten Meinung, »im ältesten Hellenentum lag der Keim der platonischen Gottheit«, die von Kirchhoff vertretene und von Wilamowitz übernommene historische Ansicht vereinbar sein soll, die gerade in den mythischen Begegnungen des Nostos den ältesten Kern des odysseischen Buches erblickt, bleibt unausgemacht, wie denn der zentrale Begriff des Mythos selber bei Wilamowitz der zureichenden philosophischen Artikulation enträt. Dennoch ist in seinem Widerstand gegen den Irrationalismus, der den Mythos verhimmelt, und in seiner Insistenz auf der Unwahrheit der Mythen große Einsicht unverkennbar. Der Widerwille gegen primitives Denken und Vorgeschichte läßt um so deutlicher die Spannung hervortreten, die zwischen dem trugvollen Wort und der Wahrheit stets schon bestand. Was Wilamowitz den späteren Mythen vorwirft, die Willkür der Erfindung, muß in den ältesten bereits vermöge des Pseudos der Opfer enthalten gewesen sein. Dies Pseudos ist gerade jener platonischen Gottheit verwandt, die Wilamowitz aufs archaische Hellenentum zurückdatiert.
Die Auffassung des Christentums als heidnischer Opferreligion liegt wesentlich Werner Hegemanns Gerettetem Christus (Potsdam 1928) zugrunde.
So etwa, wenn er davon absteht, den Polyphem sogleich zu töten (ix, 302); wenn er die Mißhandlung des Antinoos über sich ergehen läßt, um sich nicht zu verraten (xvii, 460ff.). Vergleiche weiter die Episode mit den Winden (x, 50ff.) und die Prophezeiung des Teiresias in der ersten Nekyia (xi, 105ff.), die die Heimkehr von der Bändigung des Herzens abhängig macht. Freilich hat der Verzicht des Odysseus noch nicht den Charakter des Definitiven, sondern lediglich den des Aufschubs: die Rachetaten, die er sich verwehrt, verübt er meist später um so gründlicher: der Dulder ist der Geduldige. In seinem Verhalten liegt noch einigermaßen offen, als naturwüchsiger Zweck, zutage, was später in der totalen, imperativischen Entsagung sich versteckt, um damit erst unwiderstehliche Gewalt anzunehmen, die der Unterjochung alles Natürlichen. Mit der Verlegung ins Subjekt, der Emanzipation vom mythisch vorgegebenen Inhalt, wird solche Unterjochung »objektiv«, dinghaft selbständig gegenüber jedem besonderen Zweck des Menschen, sie wird zum allgemeinen rationalen Gesetz. Schon in der Geduld des Odysseus, deutlich nach dem Freiermord geht die Rache in die juridische Prozedur über: gerade die endliche Erfüllung des mythischen Dranges wird zum sachlichen Instrument der Herrschaft. Recht ist die entsagende Rache. Indem jedoch solche richterliche Geduld an einem außerhalb ihrer selbst Liegenden, der Sehnsucht nach der Heimat sich bildet, gewinnt sie die Züge des Menschlichen, fast des Vertrauenden, die über die je verschobene Rache hinausweisen. In der entfalteten bürgerlichen Gesellschaft dann wird beides kassiert: mit dem Gedanken an Rache verfällt auch die Sehnsucht dem Tabu, und das eben ist die Inthronisierung der Rache, vermittelt als Rache des Selbst an sich.
Max Weber, Wirtschaftsgeschichte. München und Leipzig 1924. S.3.
Victor Bérard hat mit besonderem Nachdruck, freilich nicht ohne einige apokryphe Konstruktion, das semitische Element der Odyssee hervorgehoben. Vgl. das Kapitel »Les Phéniciens et l’Odyssée« in der Résurrection d’Homère. Paris 1930. S.111ff.
Odyssee. ix, 92f.
A.a.O. xxiii, 311.
A.a.O. ix, 94ff.
Jacob Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte. Stuttgart o.J. Band iii. S.95.
Odyssee. ix, 98f.
In der indischen Mythologie ist Lotos die Erdgöttin. (Vgl. Heinrich Zimmer, Maja. Stuttgart und Berlin 1936. S.105f.) Wenn ein Zusammenhang mit der mythischen Überlieferung besteht, auf der der alte homerische Nostos sich erhebt, so wäre auch die Begegnung mit den Lotophagen als eine Station in der Auseinandersetzung mit den chthonischen Mächten zu bestimmen.
Odyssee. ix, 105.
Wilamowitz zufolge sind die Kyklopen »eigentlich Tiere«. (Glaube der Hellenen. Band i. S.14.)
Odyssee. ix, 106.
A.a.O. 107ff.
A.a.O. 112ff.
Vgl. a.a.O. 403ff.
A.a.O. 428.
A.a.O. 273ff.
A.a.O. 278.
Vgl. a.a.O. 355ff.
»Endlich könnte die häufige Läppischkeit des Dementen im Lichte eines totgeborenen Humors erscheinen.« (Klages a.a.O. S.1469.)
Odyssee, a.a.O. 347f.
A.a.O. x, 296/7.
Vgl. a.a.O. 138f. Vgl. auch F. C. Bauer, Symbolik und Mythologie. Stuttgart 1824. Band i. S.47.
Vgl. Baudelaire, Le vin du solitaire, Les fleurs du mal.
Vgl. J. A. K. Thomson, Studies in the Odyssey. Oxford 1914. S.153.
Odyssee a.a.O. 212ff.
Murray handelt von den »sexual expurgations«, denen die homerischen Gedichte bei der Redaktion unterworfen worden seien. (Vgl. a.a.O. S.141ff.)
»Schweine sind die Opfertiere Demeters allgemein.« (Wilamowitz-Moellendorff, Der Glaube der Hellenen. Band ii. S.53.)
Vgl. Freud, »Das Unbehagen in der Kultur«, in: Gesammelte Werke, Band xiv. Frankfurt am Main 41968. S.459 Fußnote.
In einer Anmerkung von Wilamowitz wird überraschend auf den Zusammenhang zwischen dem Begriff des Schnüffelns und dem des noos, der autonomen Vernunft hingewiesen: »Schwyzer hat ganz überzeugend noos mit Schnauben und Schnüffeln zusammengebracht.« (Wilamowitz-Moellendorff, Die Heimkehr des Odysseus. S.191.) Wilamowitz bestreitet freilich, daß die etymologische Verwandtschaft etwas für die Bedeutung ergebe.
Vgl. Odyssee. x, 434.
Das Bewußtsein der Unwiderstehlichkeit hat sich später im Kultus der Aphrodite Peithon ausgedrückt, »deren Zauber keine Ablehnung duldet« (Wilamowitz-Moellendorff, Der Glaube der Hellenen. Band ii. S.152.)
Odyssee. x, 329.
A.a.O. 333ff.
A.a.O. 395f.
A.a.O. 398f.
Vgl. Bauer a.a.O. und S.49.
A.a.O. xxiii, 93ff.
Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre. Jubiläumsausgabe. Stuttgart und Berlin o.J. Band i. 16. Kapitel. S.70.
Odyssee. xxiii, 210ff.
Vgl. Thomson a.a.O. S.28.
»Diese schaut’ ich, Thränen im Blick, und bedauerte herzlich;/Dennoch verwehrt’ ich auch ihr, ob zwar voll inniger Wehmut,/Näher dem Blute zu gehn, bevor ich Teiresias fragte.« (Odyssee. xi, 87ff.)
»Dort erblick’ ich die Seele der abgeschiedenen Mutter;/Doch wie sprachlos sitzt sie am Blut, und den eigenen Sohn nicht/Achtet sie anzuschaun, noch irgend ein Wort zu reden./Sprich, wie beginn’ ich, Herrscher, daß jen’ als solchen mich kenne?« (A.a.O. 141ff.)
»Ich kann daher nicht umhin, das Ganze des elften Buches mit Ausnahme einiger Stellen … für ein nur in der Lage verschobenes Bruchstück des alten Nostos und somit des ältesten Theiles der Dichtung zu halten.« (Kirchhoff, Die homerische Odyssee. Berlin 1879. S.226.) –
»Wathever else is original in the myth of Odysseus, the Visit to Death is.«
(Thomson a.a.O. S.95.)
Odyssee. xi, 122f.
Er war ursprünglich »Gatte der Erde« (vgl. Wilamowitz, Glaube der Hellenen. Band i. S.112ff.) und ist erst spät zum Meergott geworden. Die Prophezeiung des Teiresias mag auf sein Doppelwesen anspielen. Denkbar wäre, daß seine Versöhnung durch ein Erdopfer, weit weg von allem Meer, auf der symbolischen Restauration seiner chthonischen Macht beruht. Diese Restauration mag die Ablösung der Beutefahrt zur See durch den Ackerbau ausdrücken: die Kulte des Poseidon und der Demeter gingen ineinander über. (Vgl. Thomson a.a.O. S.96. Fußnote.)
Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen. Leipzig o.J. S.208. Nahe verwandte Motive sind aus der Antike überliefert, und zwar gerade von der Demeter. Als diese »auf der Suche nach ihrer geraubten Tochter nach Eleusis« gekommen war, fand sie »Aufnahme bei Dysaules und seiner Frau Baubo, verweigerte aber in ihrer tiefen Trauer, Speise und Trank zu berühren. Da brachte sie die Wirtin Baubo zum Lachen, indem sie plötzlich ihr Kleid aufhob und ihren Leib enthüllte.« (Freud, Gesammelte Werke. Band x. S.399. Vgl. Salomon Reinach, Cultes, Mythes et Religions. Paris 1912. Band iv. S.115ff.)
Hölderlin, Der Herbst a.a.O. S.1066.
Odyssee. xxii, 473.
Wilamowitz meint, das Strafgericht sei »vom Dichter mit Behagen ausgeführt«. (Die Heimkehr des Odysseus a.a.O. S.67.) Wenn freilich der autoritäre Philologe sich dafür begeistert, das Gleichnis des Dohnenstiegs gebe »trefflich und … modern wieder, wie die Leichen der gehenkten Mägde baumeln« (a.a.O., vgl. auch a.a.O. S.76), so scheint das Behagen zum guten Teil sein eigenes. Die Schriften von Wilamowitz gehören zu den eindringlichsten Dokumenten der deutschen Verschränkung von Barbarei und Kultur. Sie liegt auf dem Grunde des neueren Philhellenismus.
Auf die tröstende Intention des Verses macht Gilbert Murray aufmerksam. Seiner Theorie zufolge sind in Homer durch zivilisatorische Zensur Folterszenen getilgt. Stehen geblieben seien der Tod des Melanthios und der Mägde. (A.a.O. S.146.)
Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Kants Werke. Akademie-Ausgabe. Band viii. S.35.
Kritik der reinen Vernunft a.a.O. Band iii. (2. Aufl.) S.427.
A.a.O.
A.a.O. S.435f.
A.a.O. S.428.
A.a.O. S.429.
A.a.O. Band iv. (1. Aufl.) S.93.
Kritik der Urteilskraft a.a.O. Band v. S.185.
A.a.O.
Metaphysische Anfänge der Tugendlehre a.a.O. Band vi. S.449.
Spinoza, Ethica, Pars iii. Praefatio.
Kritik der reinen Vernunft a.a.O. Band iii. (2. Aufl.) S.109.
Histoire de Juliette, Hollande 1797. Band v. S.319f.
A.a.O. S.322f.
A.a.O. S.324.
Kritik der praktischen Vernunft a.a.O. Band v. S.31, 47, 55 u.a.m.
Nouveaux Essais sur L’Entendement Humain. Ed. Erdmann. Berlin 1840. Buch i. Kapitel ii. § 9. S.215.
Vgl. Heinrich Manns Einleitung zur Ausgabe im Inselverlag.
Metaphysische Anfänge der Tugendlehre a.a.O. Band vi, S.408.
Juliette a.a.O. Band iv. S.58.
A.a.O. S.60f.
Spinoza, Ethica. Pars iv. Prop. liv. S.368.
A.a.O. Schol.
Metaphysische Anfänge der Tugendlehre a.a.O. Band vi. S.408.
A.a.O. S.409.
Juliette a.a.O. Band ii. S.114.
A.a.O. Band iii. S.282.
Fr. Nietzsche, Umwertung aller Werte. Werke. Kröner. Band viii. S.213.
Juliette a.a.O. Band iv. S.204.
E. Dühren hat in den »Neuen Forschungen« (Berlin 1904. S.453ff.) auf die Verwandtschaft hingewiesen.
Nietzsche a.a.O. Band viii. S.218.
Juliette a.a.O. Band i. S.315f.
Genealogie der Moral a.a.O. Band vii. S.321ff.
Juliette a.a.O. Band i. S.300.
Histoire de Justine. Hollande 1797. Band iv. S.4. (Auch zitiert bei Dühren a.a.O. S.452.)
Genealogie der Moral a.a.O. Band vii. S.326f.
Justine a.a.O. Band iv. S.7.
Nachlaß a.a.O. Band xi. S.214.
Genealogie der Moral a.a.O. Band vii. S.433.
Juliette a.a.O. Band i. S.208ff.
A.a.O. S.211f.
Jenseits von Gut und Böse a.a.O. Band iii. S.100.
Nachlaß a.a.O. Band xii. S.108.
Juliette a.a.O. Band i. S.313.
Ethica. Pars iv. Appendix. Cap. xvi.
A.a.O. Prop. L. Schol.
A.a.O. Prop. L.
Juliette a.a.O. Band ii. S.125.
A.a.O.
Nietzsche contra Wagner a.a.O. Band viii. S.204.
Juliette a.a.O. Band i. S.313.
A.a.O. Band ii. S.126.
Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen a.a.O. Band ii. S.215f.
A.a.O.
Nachlaß a.a.O. Band xi. S.227f.
Also Sprach Zarathustra a.a.O. Band vi. S.248.
Genealogie der Moral a.a.O. Band vii. S.421.
Juliette a.a.O. Band iii. S.78f.
A.a.O. Band iv. S.126f.
Théorie de la Fête. Nouvelle Revue Française. Jan. 1940. S.49.
Vgl. Caillois a.a.O.
A.a.O. S.58f.
Nachlaß a.a.O. Band xii. S.364.
Juliette a.a.O. Band ii. S.81f.
Juliette a.a.O. Band iii. S.172f.
A.a.O. S.176f.
Edition privée par Helpey. S.267.
Juliette a.a.O.
A.a.O. S.178f.
A.a.O. S.188–99.
Juliette a.a.O. Band iv. S.261.
A.a.O. Band ii. S.273.
Juliette a.a.O. Band iv. S.379.
Aline et Valcour. Bruxelles 1883. Band i. S.58.
A.a.O. S.57.
Victor Hugo, L’Homme qui rit. Band viii. Kapitel 7.
Juliette a.a.O. Band iv. S.199.
Vgl. Les 120 Journées de Sodome. Paris 1935. Band ii. S.308.
Der Fall Wagner a.a.O. Band viii. S.10.
R. Briffault, The Mothers. New York 1927. Band i. S.119.
Nachlaß a.a.O. Band xi. S.216.
A.a.O. Band xiv. S.273.
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten a.a.O. Band iv. S.432.
Die Fröhliche Wissenschaft a.a.O. Band v. S.275. Vgl. Genealogie der Moral a.a.O. Band vii. S.267–71.
Die Fröhliche Wissenschaft a.a.O.
Vgl. Nietzsche, Nachlaß a.a.O. Band xi. S.216.
Vgl. Le Play, Les Ouvriers Européens. Paris 1879. Band i. Besonders S.133ff.
Juliette a.a.O. Band iv. S.303ff.
Les 120 Journées de Sodome a.a.O. Band i. S.72.
Vgl. Juliette a.a.O. Band ii. S.234. Anm.
La Philosophie dans le Boudoir a.a.O. S.185.
Vgl. Demokrit. Diels Fragment 278. Berlin 1912. Band ii, S.117f.
La Philosophie dans le Boudoir a.a.O. S.242.
S. Reinach, »La prohibition de l’inceste et le sentiment de la pudeur«, in: Cultes, Mythes et Religions. Paris 1905. Band i. S.157.
La Philosophie dans le Boudoir a.a.O. S.238.
A.a.O. S.238–49.
A.a.O.
Juliette a.a.O. Band iv. S.240–44.
La Philosophie dans le Boudoir a.a.O. S.263.
Aline et Valcour a.a.O. Band ii. S.181ff.
Juliette a.a.O. Band v. S.232.
Die Fröhliche Wissenschaft a.a.O. Band v. S.205.
Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen. Werke. Großoktavausgabe. Leipzig 1917. Band i. S.187.
A. de Tocqueville, De la Démocratie en Amérique. Paris 1864. Band ii. S.151.
Frank Wedekind, Gesammelte Werke. München 1921. Band ix. S.426.
Nietzsche, Götzendämmerung. Werke. Band viii. S.136.
Vgl. Freud, Das Unheimliche. Gesammelte Werke. Band xii. S.254, 259 u.a.
Kant, Kritik der reinen Vernunft. 2. Auflage. Werke. Band iii. S.180f.
Freud, Totem und Tabu. Gesammelte Werke. Band ix. S.91.
Paul Deussen, Sechzig Upanishad’s des Veda. Leipzig 1905. S.524.
ii. Kapitel. Vers 17–19.
Vor allem Brihadâranyaka-Upanishad 3, 5, 1 und 4, 4, 22. Deussen a.a.O. S.436f. und 479f.
A.a.O. S.436.
Evang. Marci. Kapitel 1. Vers 6.
Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. 2. Band. Werke. Band xiv. S.159f.
A.a.O. S.168.
Vgl. Deussen a.a.O. S.373.
Vgl. Eduard Meyer, Ursprung und Anfänge des Christentums. Stuttgart und Berlin 1921. Band i. S.90.
Diogenes Laertius, iv, 15.
Vgl. Politeia, 372; Politikos, 267ff. und Eduard Zeller, Die Philosophie der Griechen. Leipzig 1922. 2. Teil. 1. Abt. S.325f., Anm.
Vgl. Deussen, Das System des Vedanta. Leipzig 1906. 2. Aufl. S.63ff.
Hermann Oldenberg, Buddha. Stuttgart und Berlin 1914. S.174f.
Vgl. a.a.O. S.386.
A.a.O. S.393f.
Vgl. a.a.O. S.184ff. und S.424ff.
Leibniz, La Monadologie. Ed. Erdmann. Berlin 1840. § 7. S.705.
Vgl. a.a.O. § 51. S.709.
Vgl. Caillois, Le Mythe et l’Homme. Paris 1938. S.125ff.
Die Nachsokratiker. (Herausgegeben von Wilhelm Nestle) Jena 1923. Band i. 72 a. S.195.
Eclaircissement sur les Sacrifices. Œuvres. Lyon 1892. Band v. S.322f.
Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft. Werke. Band v. S.133.
Faust. Erster Teil. 4068.
Vgl. Karl Landauer, Intelligenz und Dummheit, in: Das Psychoanalytische Volksbuch. Bern 1939. S.172.
Für Friedrich Pollock
Die ›Dialektik der Aufklärung‹ ist 1947 bei Querido in Amsterdam erschienen. Das Buch, das erst allmählich sich verbreitete, ist seit geraumer Zeit vergriffen. Wenn wir den Band nach mehr als zwanzig Jahren jetzt wieder herausbringen, so bewegt uns nicht allein vielfaches Drängen, sondern die Vorstellung, daß nicht wenige der Gedanken auch heute noch an der Zeit sind und unsere späteren theoretischen Bemühungen weitgehend bestimmt haben. Kein Außenstehender wird leicht sich vorstellen, in welchem Maß wir beide für jeden Satz verantwortlich sind. Große Abschnitte haben wir zusammen diktiert; die Spannung der beiden geistigen Temperamente, die in der ›Dialektik‹ sich verbanden, ist deren Lebenselement.
Nicht an allem, was in dem Buch gesagt ist, halten wir unverändert fest. Das wäre unvereinbar mit einer Theorie, welche der Wahrheit einen Zeitkern zuspricht, anstatt sie als Unveränderliches der geschichtlichen Bewegung entgegenzusetzen. Das Buch wurde in einem Augenblick verfaßt, in dem das Ende des nationalsozialistischen Terrors absehbar war. An nicht wenigen Stellen jedoch ist die Formulierung der Realität von heute nicht mehr angemessen. Indessen haben wir den Übergang zur verwalteten Welt schon damals nicht zu harmlos eingeschätzt.
In der Periode der politischen Spaltung in übergroße Blöcke, die objektiv dazu gedrängt werden, aufeinander zu prallen, hat das Grauen sich fortgesetzt. Die Konflikte in der Dritten Welt, das erneute Anwachsen des Totalitarismus sind so wenig nur historische Zwischenfälle, wie, der ›Dialektik‹ zufolge, der damalige Faschismus es war. Kritisches Denken, das auch vor dem Fortschritt nicht innehält, verlangt heute Parteinahme für die Residuen von Freiheit, für Tendenzen zur realen Humanität, selbst wenn sie angesichts des großen historischen Zuges ohnmächtig scheinen.
Die in dem Buch erkannte Entwicklung zur totalen Integration ist unterbrochen, nicht abgebrochen; sie droht, über Diktaturen und Kriege sich zu vollziehen. Die Prognose des damit verbundenen Umschlags von Aufklärung in Positivismus, den Mythos dessen, was der Fall ist, schließlich die Identität von Intelligenz und Geistfeindschaft hat überwältigend sich bestätigt. Unsere Konzeption der Geschichte wähnt nicht, ihr enthoben zu sein, aber sie jagt nicht positivistisch nach Information. Als Kritik von Philosophie will sie Philosophie nicht preisgeben.
Aus Amerika, wo das Buch geschrieben ist, kehrten in der Überzeugung wir nach Deutschland zurück, theoretisch wie praktisch mehr tun zu können als anderswo. Zusammen mit Friedrich Pollock, dem das Buch, wie seinerzeit zum fünfzigsten so heute zu seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag, gewidmet ist, haben wir das Institut für Sozialforschung in dem Gedanken wieder aufgebaut, die in der ›Dialektik‹ formulierte Konzeption weiterzutreiben. Bei der Fortbildung unserer Theorie und den anschließenden gemeinsamen Erfahrungen hat uns Gretel Adorno, wie schon bei der ersten Fassung, im schönsten Sinn geholfen.
Mit Änderungen verfuhren wir weit sparsamer, als bei Neuausgaben von Jahrzehnte zurückliegenden Büchern üblich ist. Wir wollten nicht retouchieren, was wir geschrieben hatten, nicht einmal die offenkundig inadäquaten Stellen; den Text voll auf den gegenwärtigen Stand zu bringen, wäre ohnehin auf nicht weniger hinausgelaufen als auf ein neues Buch. Daß es heute mehr darauf ankommt, Freiheit zu bewahren, sie auszubreiten und zu entfalten, anstatt, wie immer mittelbar, den Lauf zur verwalteten Welt zu beschleunigen, haben wir auch in unseren späteren Schriften ausgedrückt. Wir haben uns im wesentlichen mit der Berichtigung von Druckfehlern und ähnlichem begnügt. Durch solche Zurückhaltung wird das Buch zur Dokumentation; wir hoffen, es sei zugleich mehr.
Frankfurt am Main, April 1969
MAX HORKHEIMER THEODOR W. ADORNO
Als die Arbeit begonnen wurde, deren erste Proben wir Friedrich Pollock widmen, hatten wir gehofft, das Ganze zu seinem fünfzigsten Geburtstag abgeschlossen vorlegen zu können. Je mehr wir aber in die Aufgabe eindrangen, desto deutlicher wurden wir des Mißverhältnisses zwischen ihr und unseren Kräften gewahr. Was wir uns vorgesetzt hatten, war tatsächlich nicht weniger als die Erkenntnis, warum die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei versinkt. Wir unterschätzten die Schwierigkeiten der Darstellung, weil wir zu sehr noch dem gegenwärtigen Bewußtsein vertrauten. Hatten wir auch seit vielen Jahren bemerkt, daß im modernen Wissenschaftsbetrieb die großen Erfindungen mit wachsendem Zerfall theoretischer Bildung bezahlt werden, so glaubten wir immerhin dem Betrieb so weit folgen zu dürfen, daß sich unsere Leistung vornehmlich auf Kritik oder Fortführung fachlicher Lehren beschränkte. Sie sollte sich wenigstens thematisch an die traditionellen Disziplinen halten, an Soziologie, Psychologie und Erkenntnistheorie.
Die Fragmente, die wir hier vereinigt haben, zeigen jedoch, daß wir jenes Vertrauen aufgeben mußten. Bildet die aufmerksame Pflege und Prüfung der wissenschaftlichen Überlieferung, besonders dort, wo sie von positivistischen Reinigern als nutzloser Ballast dem Vergessen überantwortet wird, ein Moment der Erkenntnis, so ist dafür im gegenwärtigen Zusammenbruch der bürgerlichen Zivilisation nicht bloß der Betrieb sondern der Sinn von Wissenschaft fraglich geworden. Was die eisernen Faschisten heuchlerisch anpreisen und die anpassungsfähigen Experten der Humanität naiv durchsetzen: die rastlose Selbstzerstörung der Aufklärung zwingt das Denken dazu, sich auch die letzte Arglosigkeit gegenüber den Gewohnheiten und Richtungen des Zeitgeistes zu verbieten. Wenn die Öffentlichkeit einen Zustand erreicht hat, in dem unentrinnbar der Gedanke zur Ware und die Sprache zu deren Anpreisung wird, so muß der Versuch, solcher Depravation auf die Spur zu kommen, den geltenden sprachlichen und gedanklichen Anforderungen Gefolgschaft versagen, ehe deren welthistorische Konsequenzen ihn vollends vereiteln.
Wären es nur die Hindernisse, die sich aus der selbstvergessenen Instrumentalisierung der Wissenschaft ergeben, so könnte das Denken über gesellschaftliche Fragen wenigstens an die Richtungen anknüpfen, die zur offiziellen Wissenschaft oppositionell sich verhalten. Aber auch diese sind von dem Gesamtprozeß der Produktion ergriffen. Sie haben sich nicht weniger verändert als die Ideologie, der sie galten. Es widerfährt ihnen, was dem triumphierenden Gedanken seit je geschehen ist. Tritt er willentlich aus seinem kritischen Element heraus als bloßes Mittel in den Dienst eines Bestehenden, so treibt er wider Willen dazu, das Positive, das er sich erwählte, in ein Negatives, Zerstörerisches zu verwandeln. Die Philosophie, die im achtzehnten Jahrhundert, den Scheiterhaufen für Bücher und Menschen zum Trotz, der Infamie die Todesfurcht einflößte, ging unter Bonaparte schon zu ihr über. Schließlich usurpierte die apologetische Schule Comtes die Nachfolge der unversöhnlichen Enzyklopädisten und reichte allem die Hand, wogegen jene einmal gestanden hatten. Die Metamorphosen von Kritik in Affirmation lassen auch den theoretischen Gehalt nicht unberührt, seine Wahrheit verflüchtigt sich. In der Gegenwart freilich eilt die motorisierte Geschichte solchen geistigen Entwicklungen noch voraus, und die offiziellen Wortführer, die andere Sorgen haben, liquidieren die Theorie, die ihnen zum Platz an der Sonne verhalf, noch ehe sie sich recht prostituieren kann.
Bei der Selbstbesinnung über seine eigene Schuld sieht sich Denken daher nicht bloß des zustimmenden Gebrauchs der wissenschaftlichen und alltäglichen, sondern ebensosehr jener oppositionellen Begriffssprache beraubt. Kein Ausdruck bietet sich mehr an, der nicht zum Einverständnis mit herrschenden Denkrichtungen hinstrebte, und was die abgegriffene Sprache nicht selbsttätig leistet, wird von den gesellschaftlichen Maschinerien präzis nachgeholt. Den aus Besorgnis vor größeren Unkosten von den Filmfabriken freiwillig unterhaltenen Zensoren entsprechen analoge Instanzen in allen Ressorts. Der Prozeß, dem ein literarischer Text, wenn nicht in automatischer Vorausschau seines Herstellers, so jedenfalls durch den Stab von Lektoren, Herausgebern, Umarbeitern, ghost writers in- und außerhalb der Verlagsbüros unterworfen wird, überbietet an Gründlichkeit noch jede Zensur. Deren Funktionen vollends überflüssig zu machen, scheint trotz aller wohltätigen Reformen der Ehrgeiz des Erziehungssystems zu sein. In der Meinung, ohne strikte Beschränkung auf Tatsachenfeststellung und Wahrscheinlichkeitsrechnung bliebe der erkennende Geist allzu empfänglich für Scharlatanerie und Aberglauben, präpariert es den verdorrenden Boden für die gierige Aufnahme von Scharlatanerie und Aberglauben. Wie Prohibition seit je dem giftigeren Produkt Eingang verschaffte, arbeitete die Absperrung der theoretischen Einbildungskraft dem politischen Wahne vor. Auch sofern die Menschen ihm noch nicht verfallen sind, werden sie durch die Zensurmechanismen, die äußeren wie die ihnen selbst eingepflanzten, der Mittel des Widerstands beraubt.
Die Aporie, der wir uns bei unserer Arbeit gegenüber fanden, erwies sich somit als der erste Gegenstand, den wir zu untersuchen hatten: die Selbstzerstörung der Aufklärung. Wir hegen keinen Zweifel – und darin liegt unsere petitio principii –, daß die Freiheit in der Gesellschaft vom aufklärenden Denken unabtrennbar ist. Jedoch glauben wir, genauso deutlich erkannt zu haben, daß der Begriff eben dieses Denkens, nicht weniger als die konkreten historischen Formen, die Institutionen der Gesellschaft, in die es verflochten ist, schon den Keim zu jenem Rückschritt enthalten, der heute überall sich ereignet. Nimmt Aufklärung die Reflexion auf dieses rückläufige Moment nicht in sich auf, so besiegelt sie ihr eigenes Schicksal. Indem die Besinnung auf das Destruktive des Fortschritts seinen Feinden überlassen bleibt, verliert das blindlings pragmatisierte Denken seinen aufhebenden Charakter, und darum auch die Beziehung auf Wahrheit. An der rätselhaften Bereitschaft der technologisch erzogenen Massen, in den Bann eines jeglichen Despotismus zu geraten, an ihrer selbstzerstörerischen Affinität zur völkischen Paranoia, an all dem unbegriffenen Widersinn wird die Schwäche des gegenwärtigen theoretischen Verständnisses offenbar.
Wir glauben, in diesen Fragmenten insofern zu solchem Verständnis beizutragen, als wir zeigen, daß die Ursache des Rückfalls von Aufklärung in Mythologie nicht so sehr bei den eigens zum Zweck des Rückfalls ersonnenen nationalistischen, heidnischen und sonstigen modernen Mythologien zu suchen ist, sondern bei der in Furcht vor der Wahrheit erstarrenden Aufklärung selbst. Beide Begriffe sind dabei nicht bloß als geistesgeschichtliche sondern real zu verstehen. Wie die Aufklärung die wirkliche Bewegung der bürgerlichen Gesellschaft als ganzer unter dem Aspekt ihrer in Personen und Institutionen verkörperten Idee ausdrückt, so heißt Wahrheit nicht bloß das vernünftige Bewußtsein, sondern ebensosehr dessen Gestalt in der Wirklichkeit. Die Angst des rechten Sohns moderner Zivilisation, von den Tatsachen abzugehen, die doch bei der Wahrnehmung schon durch die herrschenden Usancen in Wissenschaft, Geschäft und Politik klischeemäßig zugerichtet sind, ist unmittelbar dieselbe wie die Angst vor der gesellschaftlichen Abweichung. Durch jene Usancen wird auch der Begriff von Klarheit in Sprache und Denken definiert, dem Kunst, Literatur und Philosophie heute genügen sollen. Indem er das an den Tatsachen wie den herrschenden Denkformen negativ ansetzende Denken als dunkle Umständlichkeit, am liebsten als landesfremd, tabuiert, hält er den Geist in immer tieferer Blindheit gebannt. Es gehört zum heillosen Zustand, daß auch der ehrlichste Reformer, der in abgegriffener Sprache die Neuerung empfiehlt, durch Übernahme des eingeschliffenen Kategorienapparats und der dahinter stehenden schlechten Philosophie die Macht des Bestehenden verstärkt, die er brechen möchte. Die falsche Klarheit ist nur ein anderer Ausdruck für den Mythos. Er war immer dunkel und einleuchtend zugleich. Seit je hat er durch Vertrautheit und Enthebung von der Arbeit des Begriffs sich ausgewiesen.
Die Naturverfallenheit der Menschen heute ist vom gesellschaftlichen Fortschritt nicht abzulösen. Die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität, die einerseits die Bedingungen für eine gerechtere Welt herstellt, verleiht andererseits dem technischen Apparat und den sozialen Gruppen, die über ihn verfügen, eine unmäßige Überlegenheit über den Rest der Bevölkerung. Der Einzelne wird gegenüber den ökonomischen Mächten vollends annulliert. Dabei treiben diese die Gewalt der Gesellschaft über die Natur auf nie geahnte Höhe. Während der Einzelne vor dem Apparat verschwindet, den er bedient, wird er von diesem besser als je versorgt. Im ungerechten Zustand steigt die Ohnmacht und Lenkbarkeit der Masse mit der ihr zugeteilten Gütermenge. Die materiell ansehnliche und sozial klägliche Hebung des Lebensstandards der Unteren spiegelt sich in der gleißnerischen Verbreitung des Geistes. Sein wahres Anliegen ist die Negation der Verdinglichung. Er muß zergehen, wo er zum Kulturgut verfestigt und für Konsumzwecke ausgehändigt wird. Die Flut präziser Information und gestriegelten Amüsements witzigt und verdummt die Menschen zugleich.
Es geht nicht um die Kultur als Wert, wie die Kritiker der Zivilisation, Huxley, Jaspers, Ortega y Gasset und andere, im Sinn haben, sondern die Aufklärung muß sich auf sich selbst besinnen, wenn die Menschen nicht vollends verraten werden sollen. Nicht um die Konservierung der Vergangenheit, sondern um die Einlösung der vergangenen Hoffnung ist es zu tun. Heute aber setzt die Vergangenheit sich fort als Zerstörung der Vergangenheit. War die respektable Bildung bis zum neunzehnten Jahrhundert ein Privileg, bezahlt mit gesteigerten Leiden der Bildungslosen, so ist im zwanzigsten der hygienische Fabrikraum durch Einschmelzen alles Kulturellen im gigantischen Tiegel erkauft. Das wäre vielleicht nicht einmal ein so hoher Preis, wie jene Verteidiger der Kultur glauben, trüge nicht der Ausverkauf der Kultur dazu bei, die ökonomischen Errungenschaften in ihr Gegenteil zu verkehren.
Unter den gegebenen Verhältnissen werden die Glücksgüter selbst zu Elementen des Unglücks. Wirkte ihre Masse, mangels des gesellschaftlichen Subjekts, während der vergangenen Periode als sogenannte Überproduktion in Krisen der Binnenwirtschaft sich aus, so erzeugt sie heute, vermöge der Inthronisierung von Machtgruppen als jenes gesellschaftliche Subjekt, die internationale Drohung des Faschismus: der Fortschritt schlägt in den Rückschritt um. Daß der hygienische Fabrikraum und alles, was dazu gehört, Volkswagen und Sportpalast, die Metaphysik stumpfsinnig liquidiert, wäre noch gleichgültig, aber daß sie im gesellschaftlichen Ganzen selbst zur Metaphysik werden, zum ideologischen Vorhang, hinter dem sich das reale Unheil zusammenzieht, ist nicht gleichgültig. Davon gehen unsere Fragmente aus.
Die erste Abhandlung, die theoretische Grundlage der folgenden, sucht die Verflechtung von Rationalität und gesellschaftlicher Wirklichkeit, ebenso wie die davon untrennbare von Natur und Naturbeherrschung, dem Verständnis näherzubringen. Die dabei an Aufklärung geübte Kritik soll einen positiven Begriff von ihr vorbereiten, der sie aus ihrer Verstrickung in blinder Herrschaft löst.
Grob ließe die erste Abhandlung in ihrem kritischen Teil auf zwei Thesen sich bringen: schon der Mythos ist Aufklärung, und: Aufklärung schlägt in Mythologie zurück. Diese Thesen werden in den beiden Exkursen an spezifischen Gegenständen durchgeführt. Der erste verfolgt die Dialektik von Mythos und Aufklärung an der Odyssee, als einem der frühsten repräsentativen Zeugnisse bürgerlich-abendländischer Zivilisation. Im Mittelpunkt stehen die Begriffe Opfer und Entsagung, an denen Differenz so gut wie Einheit von mythischer Natur und aufgeklärter Naturbeherrschung sich erweisen. Der zweite Exkurs beschäftigt sich mit Kant, Sade und Nietzsche, den unerbittlichen Vollendern der Aufklärung. Er zeigt, wie die Unterwerfung alles Natürlichen unter das selbstherrliche Subjekt zuletzt gerade in der Herrschaft des blind Objektiven, Natürlichen gipfelt. Diese Tendenz ebnet alle Gegensätze des bürgerlichen Denkens ein, zumal den der moralischen Strenge und der absoluten Amoralität.
Der Abschnitt ›Kulturindustrie‹ zeigt die Regression der Aufklärung an der Ideologie, die in Film und Radio ihren maßgebenden Ausdruck findet. Aufklärung besteht dabei vor allem im Kalkül der Wirkung und der Technik von Herstellung und Verbreitung; ihrem eigentlichen Gehalt nach erschöpft sich die Ideologie in der Vergötzung des Daseienden und der Macht, von der die Technik kontrolliert wird. Bei der Behandlung dieses Widerspruchs wird die Kulturindustrie ernster genommen, als sie es von sich aus möchte. Aber da ihre Berufung auf den eigenen kommerziellen Charakter, das Bekenntnis zur gemilderten Wahrheit, längst zu einer Ausrede geworden ist, mit der sie sich der Verantwortung für die Lüge entzieht, so hält unsere Analyse sich an den objektiv den Produkten innewohnenden Anspruch, ästhetische Gebilde und damit gestaltete Wahrheit zu sein. Sie erweist das gesellschaftliche Unwesen an der Nichtigkeit jenes Anspruchs. Mehr noch als die anderen Abschnitte ist der über Kulturindustrie fragmentarisch.
Die thesenhafte Erörterung der ›Elemente des Antisemitismus‹ gilt der Rückkehr der aufgeklärten Zivilisation zur Barbarei in der Wirklichkeit. Nicht bloß die ideelle, auch die praktische Tendenz zur Selbstvernichtung gehört der Rationalität seit Anfang zu, keineswegs nur der Phase, in der jene nackt hervortritt. In diesem Sinne wird eine philosophische Urgeschichte des Antisemitismus entworfen. Sein ›Irrationalismus‹ wird aus dem Wesen der herrschenden Vernunft selber und der ihrem Bild entsprechenden Welt abgeleitet. Die ›Elemente‹ stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit empirischen Forschungen des Instituts für Sozialforschung, der von Felix Weil gegründeten und am Leben erhaltenen Stiftung, ohne die nicht bloß unsere Studien, sondern ein gut Teil der trotz Hitler noch fortgesetzten theoretischen Arbeit deutscher Emigranten nicht möglich gewesen wäre. Die ersten drei Thesen schrieben wir zusammen mit Leo Löwenthal, mit dem wir seit den ersten Frankfurter Jahren an vielen wissenschaftlichen Fragen gemeinsam arbeiten.
Im letzten Teil werden Aufzeichnungen und Entwürfe publiziert, die teils in den Gedankenkreis der voraufgehenden Abhandlungen gehören, ohne dort ihre Stelle zu finden, teils Probleme kommender Arbeit vorläufig umreißen. Die meisten beziehen sich auf eine dialektische Anthropologie.
Los Angeles, California, Mai 1944
Das Buch enthält keinerlei wesentliche Änderungen des Texts, wie er noch während des Krieges abgeschlossen wurde. Nachträglich hinzugefügt ist einzig die letzte These der ›Elemente des Antisemitismus‹.
Juni 1947
MAX HORKHEIMER THEODOR W. ADORNO
Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinn fortschreitenden Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen. Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils. Das Programm der Aufklärung war die Entzauberung der Welt. Sie wollte die Mythen auflösen und Einbildung durch Wissen stürzen. Bacon, »der Vater der experimentellen Philosophie«[1], hat die Motive schon versammelt. Er verachtet die Adepten der Tradition, die »zuerst glauben, daß andere wissen, was sie nicht wissen; und nachher, daß sie selbst wissen, was sie nicht wissen. Leichtgläubigkeit jedoch, Widerwille gegen den Zweifel, Unbesonnenheit im Antworten, Prahlerei mit Bildung, Scheu zu widersprechen, Interessiertheit, Lässigkeit in eigener Forschung, Wortfetischismus, Stehenbleiben bei bloßen Teilerkenntnissen: dies und Ähnliches hat die glückliche Ehe des menschlichen Verstandes mit der Natur der Dinge verhindert, und ihn statt dessen an eitle Begriffe und planlose Experimente verkuppelt: die Frucht und Nachkommenschaft einer so rühmlichen Verbindung kann man sich leicht vorstellen. Die Druckerpresse, eine grobe Erfindung; die Kanone, eine die schon nahe lag; der Kompaß, in gewissem Grad bereits früher bekannt: welche Veränderung haben nicht diese drei hervorgebracht – die eine im Zustand der Wissenschaft, die andere in dem des Krieges, die dritte in dem der Finanzen, des Handels und der Schiffahrt! Und auf diese, sage ich, ist man nur zufällig gestolpert und gestoßen. Also die Überlegenheit des Menschen liegt im Wissen, das duldet keinen Zweifel. Darin sind viele Dinge aufbewahrt, welche Könige mit all ihren Schätzen nicht kaufen können, über die ihr Befehl nicht gebietet, von denen ihre Kundschafter und Zuträger keine Nachricht bringen, zu deren Ursprungsländern ihre Seefahrer und Entdecker nicht segeln können. Heute beherrschen wir die Natur in unserer bloßen Meinung und sind ihrem Zwange unterworfen; ließen wir uns jedoch von ihr in der Erfindung leiten, so würden wir ihr in der Praxis gebieten.«[2]
[3][4]