Witzenbacher_Cover.jpg

Marc Witzenbacher

Beter, Mönche und Gelehrte

Porträts engagierten Christseins

Butzon & Bercker

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio­grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum.gif

PDF ISBN 978-3-7666-4261-5

EPUB ISBN 978-3-7666-4259-2

MOBI ISBN 978-3-7666-4260-8

© 2014 Butzon & Bercker GmbH, Hoogeweg 100,47623 Kevelaer, Deutschland, www.bube.de

Alle Rechte vorbehalten.

Satz und Umschlaggestaltung: Friedrich Lurz

Vorwort

Lebensbilder haben ihren besonderen Reiz. Schon in der Antike interessierten sich die Menschen, wie andere gelebt haben, was sie dachten, wie sie ihren Alltag meisterten. Und bis heute gehört die Sparte „Biografie“ zu den am meisten gefragten Publikationen in den Buchhandlungen und Kiosken. Ob die wissenschaftliche Biografie oder das Klatschblatt der Reichen und Schönen: Wie andere leben, will man wissen. Was macht das Leben der anderen eigentlich so spannend? Der eine orientiert sich daran, versucht den fremden Lebensentwurf nachzuahmen und bestimmte Gedanken, Handlungsweisen und Entscheidungen in das eigene Leben zu integrieren. Der andere erfährt aus dem Scheitern des anderen, worin er sein eigenes Leben ändern muss.

Beispiele und Lebensbilder können uns darin helfen, unser Leben als Christen zu gestalten. Dabei geht es nicht um pure Information oder das bloße Nachahmen eines Lebenslaufs, sondern solche Lebensbilder wollen uns anregen, Impulse schenken und uns zeigen, wie vielfältig sich der christliche Glaube im Leben eines Einzelnen ausdrücken kann.

Daher ist die Rubrik „Engagiertes Christsein“ auch ein fester Bestandteil des monatlich erscheinenden Stundenbuchs MAGNIFICAT. Dort werden Menschen aus allen Zeiten und Traditionen vorgestellt, die ihren Glauben konsequent gelebt haben, für die Geschichte der Kirche einen wesentlichen Meilenstein markieren oder bis heute wichtige Dienste und Aufgaben im kirchlichen Leben übernehmen. Eine Auswahl der in dieser Rubrik erschienenen Texte sind nun leicht überarbeitet in diesem Buch versammelt worden. Sie zeigen ein buntes Panorama des kirchlichen und christlichen Lebens quer durch die Kirchengeschichte – auch durch alle Konfessionen. Immer wieder verbindet sie die eine Frage, wie sich der christliche Glaube im Alltag bewährt, welche Antworten Menschen unterschiedlicher Zeiten auf die jeweils aktuellen und immer drängenden Fragen der Zeit gefunden haben. Neben den Lebensbildern werden in MAGNIFICAT immer wieder auch Heilige Orte vorgestellt. Wie die Lebensbilder besitzen sie eine besondere Ausstrahlung, haben Menschen zu allen Zeiten Kraft und Inspiration verliehen. Ob es der Friedhof oder eine bestimmte Kirche ist. An manchen Orten dieser Welt ist uns Gott besonders nahe, und das spürt man deutlich. Teilweise pilgern seit Jahrhunderten Menschen zu diesen Orten, weil sie ahnen, dass sich dort das Heilige in besonderer Weise zeigt.

Die Lebensbilder und Orte sind nach verschiedenen Kategorien geordnet. Die Auswahl allerdings mag teilweise etwas willkürlich erscheinen. Doch orientiert sich die Vorstellung der jeweiligen Personen und Orte in der Rubrik „Engagiertes Christsein“ in der Regel an den Monatsthemen der Ausgaben des Stundenbuchs MAGNIFIACT. So mag für den einen oder anderen eine bestimmte Person oder ein Ort fehlen, die er in der Kategorie erwartet hätte. Dies hängt eben nicht daran, dass die Personen oder Orte nicht für wichtig gehalten wurden, sondern dass sie vielleicht in anderen Zusammenhängen im Stundenbuch noch beschrieben werden. Von daher versteht sich diese Sammlung auch als Einladung, das Stundenbuch MAGNIFICAT als regelmäßige Inspiration und Anregung für das persönliche Gebet und geistliche Leben zu nutzen.

Marc Witzenbacher

„Und ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1, 8) – Leidenschaft für ­Christus in aller Welt

Bereits in seinen Anfängen verstand sich das Christentum nicht als Kreis von Eingeweihten, sondern als Gemeinschaft von Zeuginnen und Zeugen des auferstandenen Jesus Christus. Von ihm hatten sie den Auftrag, die Frohe Botschaft in alle Welt zu tragen und seine Zeugen zu sein bis an die Enden der Welt. Glaube ist seinem Verständnis nach immer missionarischer Glaube. Die Kirche schließt ihre Botschaft nicht ein, grenzt sich nicht ab, sondern lädt stets dazu ein, sich der Nachfolge Jesu Christi anzuschließen und nach seinen Worten und Geboten das Leben zu gestalten.

Quer durch alle Jahrhunderte haben sich Menschen daher auf den Weg gemacht, die Frohe Botschaft zu verkünden. Sie haben dabei teilweise größte Mühen auf sich genommen, haben sich schrecklichen Gefahren ausgesetzt, bewiesen Mut und Glaubensstärke selbst in widrigsten Zeiten. Viele gründeten missionarisch geprägte Werke und Gemeinschaften, obwohl dies gar nicht ihr ursprüngliches Ziel war.

Immer wieder blitzte in einigen Menschen der göttliche Funke besonders auf. Sie besaßen eine Strahlkraft, die andere Menschen anzog. Sie verkündeten das Evangelium insbesondere durch die Art und Weise, wie sie ihr Leben gestalteten. Sie begeisterten als Begeisterte. Sie halfen Kranken und Ausgegrenzten, weil sie davon überzeugt waren, dass Gottes Liebe keine Schranken und Grenzen kennt. Ihre Leidenschaft für Christus hat sie zu wichtigen Zeuginnen und Zeugen ihres Glaubens werden lassen. Dabei waren es nicht nur die Geistlichen oder Ordensleute, die bleibende Spuren ihres Glaubens hinterlassen haben. Auch Politiker wie Robert Schuman oder politisch engagierte Pfarrer wie Christian Führer verdeutlichen, in welch unterschiedlichen Bereichen des Lebens der christliche Glaube praktisch und konkret gelebt werden kann und damit dazu beiträgt, schon jetzt das Reich Gottes in dieser Welt sichtbar zu machen. Einige von diesen engagierten Zeuginnen und Zeugen stellt dieses Kapitel vor. Die Darstellung folgt der chronologischen Abfolge der jeweiligen Lebensdaten.

Himmelwärts und erdverbunden: Hildegard von Bingen

Bereits zu Lebzeiten sprach man davon, dass sie eine Heilige war. Hildegard von Bingen – eine Frau, an der sich die Geister scheiden, bis heute. Prophetin und Mystikerin nennen sie die einen, die anderen machen sich mit esoterischem Interesse an ihrem Werk zu schaffen und verbannen sie in das Reich der „Kräuterhexen“: Hildegard-Tee, Hildegard-Seife, Hildegard-Kräuterlikör – mit dem Namen der Nonne aus Rheinhessen lassen sich selbst die obskursten Kräutermixturen verkaufen. Die Heilkundige, die Mystikerin, die Köchin und Autorin von Rezepten, die esoterische Gesundheitsratgeberin: Diese rein naturverbundene Sicht auf Hildegard von Bingen wird dieser außergewöhnlich begabten Frau nicht gerecht. Sie komponierte, dichtete und betrieb Kirchenpolitik. Es waren Visionen, aus denen Hildegard von Bingen ihre Kraft zum schöpferischen Denken und Handeln gewann. Hildegard war eine starke Frau, eine selbstbewusste Persönlichkeit, die den Mächtigen durchaus auch ins Gewissen redete.

Vieles aus dem Werk und auch aus dem Leben der Hildegard mutet heute jedoch erstaunlich modern an und fasziniert gerade deswegen viele, eben auch der Kirche fernstehende Menschen. Ihre Rede von der „Harmonie und Symphonie der Schöpfung“ beispielsweise, ihr Wissen über die heilende Wirkung von Pflanzen, Speisen und Steinen, ihre ganzheitliche Sicht von Mensch und Kosmos lassen den zeitlichen Abstand fast vergessen, der uns von der mittelalterlichen Frau trennt.

Hildegard wurde 1098 geboren. Zur Zeit ihrer Geburt kämpften Kaiser und Papst um die Investitur, die Einsetzung von Bischöfen und Äbten, und damit zugleich um die politische Macht im Abendland. Ein Kreuzfahrerheer eroberte Jerusalem, innerhalb des Klerus herrschten teilweise unmoralische Sitten. Zur gleichen Zeit brach mit der Entstehung neuer Orden eine Blütezeit der Frömmigkeit an. Hildegard stammte aus einer adligen Landfamilie, ihre Eltern und fast alle ihrer neun Geschwister bekleideten wichtige und einflussreiche Ämter in Staat und Kirche. Hildegard, die Jüngste, sollte Gott geweiht werden. Die Eltern übergaben sie in die Obhut einer Frauenklause, die dem Mönchskloster auf dem rheinhessischen Disibodenberg angebaut worden war. Dort lernte Hildegard lesen und schreiben, sie übte in lateinischer Sprache die Psalmen und den Gesang des Stundengebets ein. Obwohl Frauen zu jener Zeit nicht die „artes liberales“, die freien Künste, gelehrt wurden, also Fächer wie Geometrie, Rhetorik und Musik, eignete sich Hildegard mit ungeheurem Wissensdurst ein fundiertes Wissen über die Heilige Schrift, Texte der Kirchenväter und weltliche Wissenschaften an. So verlebte sie zunächst ein ruhiges Klosterleben, auch wenn sie zu dieser Zeit einige innere Visionen hatte. Nach dem Tod ihrer Lehrerin Jutta von Sponheim wurde die mittlerweile achtunddreißigjährige Hildegard 1136 von ihren Mitschwestern zur neuen Meisterin gewählt. Von nun an war Hildegard mit der Erziehung ihrer Mitschwestern betraut und unterwies sie auch in weltlichen Dingen. Ihr Ruf drang immer mehr nach außen.

1141 erhielt Hildegard nach ihren eigenen Aussagen von Gott den Auftrag, ihre Visionen schriftlich festzuhalten. Sie zögerte zunächst aus Angst vor ihren Mitschwestern und dem Gerede der Leute. Doch schrieb sie letztlich doch auf, was sie aus den Visionen erfuhr. Zehn Jahre arbeitete sie an ihrer ersten Schrift mit dem Titel „scivias“ – „Wisse die Wege“. Hildegard entfaltet darin das Bild einer Welt, in der die Menschen und der Kosmos untrennbar mit Gott verbunden sind. In 26 Visionen stellt sie das gesamte Schöpfungs- und Erlösungswerk dar. Nach wie vor zerrissen sie aber Zweifel, ob ihre Visionen tatsächlich echt waren. So schrieb sie an Bernhard von Clairvaux, der ihr freundlich und zustimmend antwortete und sie in ihrer Arbeit bestärkte. Hildegard wagte sich darauf erstmals mit ihrem Werk an die Öffentlichkeit. Auf der Trierer Synode 1147 las Papst Eugen III. sogar aus ihrem Werk vor und ermutigte sie in einem Brief zur Fortsetzung ihres Werkes. Aus der Seherin wurde eine beglaubigte Prophetin. Die Anerkennung von Papst und Synode veränderten das Leben der Hildegard nachhaltig. Sie geriet in das öffentliche Interesse. Zahlreiche Menschen pilgerten auf den Disibodenberg, um sich Rat bei Hildegard zu holen. Mehrere adlige Frauen schlossen sich der Frauenklause an. Der Platz wurde eng, so fasste Hildegard den Entschluss, das Disibodenberger Kloster zu verlassen und ein eigenes Kloster auf dem Rupertsberg zu eröffnen, einem unbesiedelten Hügel an der Mündung der Nahe in den Rhein bei Bingen, etwa 30 Kilometer entfernt vom Disbodenberg. Es begannen die Jahre der Selbstentfaltung Hildegards, das Kloster blühte auf. Hildegard begann weiter zu schreiben und verfasste ein Buch über den Widerstreit zwischen Tugenden und Lastern. Im Zentrum stehen die Auseinandersetzung des gläubigen Menschen mit Gut und Böse und seine Verantwortung für die Weltordnung. Und Hildegard schrieb Briefe. Über 300 sind erhalten, darunter Briefe an die Mächtigsten ihrer Zeit, wie den Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Von ihm erhielt das Kloster Schutz, doch hinderte dies Hildegard nicht, den Kaiser für törichtes Handeln zu tadeln und sich in seine Politik einzumischen.

Hildegard unternahm Predigtreisen nach Köln, Trier und Würzburg. Sie wurde regelrecht berühmt. Und sie neigte zu unkonventionellem Handeln: 1178 brach ein schwerer Konflikt mit dem Mainzer Erzbischof aus, weil Hildegard einen exkommunizierten, jedoch kurz vor dem Tod vom Kirchenbann befreiten Edelmann auf dem Klosterfriedhof beerdigen ließ. Auch wenn sich der Konflikt schließlich löste, zehrte diese schwere Auseinandersetzung aber an den Kräften der mittlerweile über 80 Jahre alten Nonne. Am 17. September 1179 starb sie auf dem Rupertsberg.

Offiziell wurde Hildegard niemals heiliggesprochen. Mehrere Versuche kurz nach ihrem Tod scheiterten an der Kirchenpolitik. Zum einen sperrte sich das Mainzer Domkapitel, zum anderen konnte man sich einigen, wer für den Kanonisierungsprozess zuständig war. Aufgrund ihrer Verehrung und der großen Bedeutung ihres Lebens und Werkes wurde Hildegard aber in den 1584 erstmals erschienenen offiziellen Katalog der Heiliggesprochenen aufgenommen. Im Mai 2012 bestätigte Papst Benedikt XVI. ihre Aufnahme in den Heiligenkalender. Am 7. Oktober 2012 erhob der Papst Hildegard von Bingen zudem zur Kirchenlehrerin.

Johannes Calvin – Der Schweizer Reformator

Durch eine plötzliche Bekehrung änderte und unterwarf er sein Herz. Dies sei für ihn der Beginn der Reformation gewesen: eine persönliche Erfahrung und keine theoretische wissenschaftliche Spekulation. So beschreibt der Schweizer Reformator Johannes Calvin den Ursprung der reformatorischen Bewegung. Der Reformator war von Gott in einem unmittelbaren Erleben ergriffen worden. „Ich bringe mein Herz Gott zum Opfer dar“, berichtet er von seinem reformatorischen „Urerlebnis“. Er gab sich von dieser Stunde an selber auf, um Christus nachzufolgen. Jetzt wollte er nicht mehr seinen Willen, sondern den eines anderen tun: „Die Ehre Gottes und das, was zu seinem Reich gehört, muss immer zuerst kommen.“

Calvin wurde im Juli 1509 in Noyon, Frankreich, geboren. Sein Vater, Notar des Domkapitels und Vermögensverwalter des Bischofs von Noyon, bestimmte schon früh seinen Sohn zum Studium der Theologie und versorgte ihn mit zwei Pfründen der Diö­zese. 1523 begann der junge und begabte Jean, wie er von Hause aus hieß, sein Studium in Paris. Schon damals beschloss er für sich eine ausgesprochen asketische Lebensführung, die ihm schließlich die Gesundheit deutlich gefährdete. 1528 schloss er sein Studium ab und ging anschließend nach Orléans, um dort – ebenfalls auf Wunsch seines Vaters – ein Jurastudium aufzunehmen. 1531 starb der Vater und Calvin ging zurück nach Paris, um seine humanistischen Studien fortzuführen.

Wann Calvin seine reformatorische Bekehrung hatte, ist historisch nicht mehr eindeutig festzumachen, vermutlich in den Jahren 1533 oder 1534. Die Reformation hatte sich schon in zahlreichen Gebieten ausgebreitet. So setzte sich Calvin in Paris intensiv mit Luthers Thesen auseinander und mischte sich in den Streit des Wittenberger Mönchs mit der Kirche ein. Calvin rieb sich sehr an den Thesen Luthers, teilte aber sein Anliegen und gewann ähnliche Einsichten. Außer der Tatsache seiner Bekehrung gewährt der Schweizer Reformator allerdings kaum einen Einblick in sein Privatleben. Ein Zug, der den ganzen calvinistischen Zweig der Reformation prägen sollte. Jedenfalls hatte er sich in diesen Jahren den reformatorischen Ansichten verschrieben und betrachtete sich als „Protestanten“. 1534 verließ er Paris, weil der König den Protestanten drohte, sie zu verhaften und in die Kerker zu stecken. Calvin verzichtete auf seine Pfründe und damit auf ein Einkommen und ging nach Basel, wo er sich unter einem Decknamen dem Studium der Bibel und der Kirchenväter sowie der Schriften Luthers widmete. Dort schrieb er auch schon die ersten Teile seines theologischen Hauptwerkes „Unterricht in christlicher Religion“ (Institutio Christianae Religionis), das 1536 mit einer Vorrede an den französischen König Franz I. in Paris publiziert wurde. Calvin rief den König dazu auf, die neue Sicht des Evangeliums anzunehmen oder zumindest zu tolerieren. Diese erste Fassung war noch ganz an der Form des klassischen lutherischen Katechismus orientiert. Zeit seines Lebens schrieb Calvin an diesem Werk weiter, ergänzte und korrigierte es.

Über Ferrara, wo Calvin bei der Herzogin Renata Unterschlupf fand, Frankreich und Straßburg gelangte der Reformator schließlich nach Genf, wo er, abgesehen von drei Jahren Wirken in Straßburg, bis zu seinem Tode bleiben sollte. Calvin traf dort mit Wilhelm Farel zusammen, der als Evangelist tätig war und in Calvin einen Verbündeten suchte, um die Reformation in Genf einzuführen. Calvin ließ sich überreden und sah darin seine künftige Lebensaufgabe.

So lehrte Calvin in Genf die Heilige Schrift und unterrichtete Kinder und Erwachsene ohne Bezahlung, weitgehend anonym; der Stadtrat nannte ihn einfach „den Franzosen“. Mit den Stadtoberen hatte Calvin auch viel Ärger, schließlich wies man ihn aus. Calvin reiste zunächst nach Basel und fand dann in Straßburg Zuflucht. Drei Jahre musste Calvin im „Exil“ verbringen. In dieser Zeit nahm Calvin an zahlreichen Disputationen und den so genannten Religionsgesprächen teil. Auf diesen Treffen, an denen führende reformatorische Theologen teilnahmen, lernte Calvin die unterschiedlichen kirchlichen Verhältnisse kennen, mit Philipp Melanchthon verband ihn anschließend eine enge Freundschaft. Allerdings konnte auch diese Freundschaft nicht verhindern, dass sich Calvin insbesondere zu Luther und seinen Lehren distanzierte. Calvin entwickelte seine eigene Theologie weiter und suchte dabei weiterhin die Einheit der Kirche, sogar mit den Katholiken verhandelte er weiter, aber für Luther und seine Theologie hatte er meist nur polemische Sätze übrig.

Calvin blieb sein ganzes Leben ein streitbarer Mann. Auch mit den Stadtoberen der Stadt Genf sowie den altkirchlichen Autoritäten geriet Calvin zeitlebens in Konflikt, auch wenn er 1541 auf Wunsch der Genfer Bürgerschaft wieder zurückkehrte. Genf wurde nun Ausgangspunkt der calvinistischen Bewegung, die bald ganz Westeuropa und später sogar Amerika erfasste. Neben der organisatorischen und seelsorglichen Arbeit hielt Calvin unermüdlich Vorlesungen und legte die Bibel aus. Für Calvin ist die ganze Bibel Offenbarung Gottes in seiner souveränen Majestät. Dabei band er seine Auslegungen immer an die kirchliche Praxis und verfiel niemals einem blinden Biblizismus. Reformation ist für Calvin eine Erneuerung der Kirche sowie eine Neuordnung der Gesellschaft. Calvin wandte das Evangelium auf alle Bereiche des Lebens an – Sexualität, Familienleben, Erziehung, Fürsorge – und machte es so zur Grundlage einer neuen Ordnung menschlichen Zusammenlebens. 1564 starb Calvin in Genf.

Dialog und Scharfsinn: Philipp Melanchthon

Als Philipp Melanchthon 1518 seine Antrittsvorlesung an der Universität zu Wittenberg hielt, löste sein Ruf „Zu den Quellen“ ein kleines Erdbeben aus. Der klein gewachsene und schmale Melanchthon hatte gerade die Griechisch-Professur angetreten. In den biblischen Quellen selbst zu forschen – und das auch noch in der Ursprache –, dies war für seine Kollegen der Ruf zur Revolution. Kein Wunder, dass sich Martin Luther und der erst 21 Jahre alte Philipp Melanchthon schnell nahekamen und nicht nur Freunde wurden, sondern sich gegenseitig ergänzten und stützten.

Melanchthon wurde als Sohn des Rüstmeisters Georg Schwarzerdt 1497 in Bretten geboren. Schnell wurde das außerordentliche Talent Philipps erkannt und konnte von der recht begüterten Familie auch gefördert werden. 1508 starben Vater und Mutter aber überraschend schnell hintereinander. Sein berühmter Verwandter Johannes Reuchlin nahm ihn auf und unterrichtete ihn in der Pforzheimer Lateinschule. Von ihm erhielt er auch die Übersetzung seines Nachnamens Schwarzerdt ins Griechische: „melanchthon“ bedeutet „schwarze Erde“. Bereits ein Jahr später begann Melanchthon mit gerade einmal 13 Jahren das Studium in Heidelberg, wechselte 1512 nach Tübingen, wo er die Magisterprüfung ablegte und an der Universität unterrichtete. Da Melanchthon als der beste Griechisch-Gelehrte seiner Zeit galt und die alten Sprachen perfekt beherrschte, erreichte ihn mit 21 Jahren der Ruf an die Wittenberger Universität, damals eine der modernsten in Europa.

Auch wenn er anfangs noch skeptisch war, wurde Martin Luther recht rasch enger Vertrauter und Freund Melanchthons. Melanchthon hatte bereits von Luther gehört und war auch nicht zuletzt seinetwegen nach Wittenberg gekommen. Sein Ziehvater und Lehrer Reuchlin, Humanist und den reformatorischen Ideen eher ablehnend gegen­überstehend, hatte ihn deswegen vor die Wahl gestellt: „Luther oder ich!“ Melanchthon entschied sich für Luther. Reuchlin enterbte ihn und vermachte ihm nicht seine weit über die Grenzen Deutschlands bekannte Bibliothek.

Melanchthons asketische Lebensweise blieb allerdings dem lebensfrohen und Genüssen durchaus zugewandten Luther suspekt. Er ermunterte den meist hinter Büchern sitzenden Melanchthon dazu, fröhlich zu sein und Gottes Schöpfung zu genießen. Und er sollte richtig versorgt werden: Luther brachte ihn 1521 schließlich dazu zu heiraten. Melanchthon sah diesen Schritt bis ins hohe Alter als „den größten Fehler“ seines Lebens an. Dennoch gingen aus der so ungeliebten Ehe mit Katharina Krapp drei Kinder hervor: Anna (1521), Philipp (1525) und Magdalena (1531). Melanchthons Interesse galt aber vorwiegend den Wissenschaften und der Bildung. Unermüdlich arbeitete er und trug dazu bei, der reformatorischen Bewegung Strukturen und theologische Kontur zu geben. In Kursachsen ordnete er die kirchlichen und schulischen Verhältnisse neu. Mit seinen profunden Sprachkenntnissen hatte er maßgeblichen Anteil an Luthers Bibelübersetzung.

Bei allem reformatorischen Eifer war Melanchthon stets bemüht, einen Konsens zu erreichen, und gab bis zuletzt nicht die Hoffnung auf, eine Kirchenspaltung verhindern zu können. „Wir sind zum Gespräch geboren“, war Melanchthons Lebensmotto. Und er bemühte sich beharrlich darum, seinen hitzköpfigen Freund Luther zu Gesprächen zu ermutigen und in vermeintlichen Streitpunkten einzulenken. Als Luther in Acht und Bann stand, vertrat ihn Melanchthon auf dem Augsburger Reichstag 1530. Dazu verfasste er das Augsburger Bekenntnis, ein Dokument der Einigung mit der katholischen Kirche und bis heute eine der wichtigsten evangelischen Bekenntnisschriften. Fast wäre es darüber zum Bruch mit Luther gekommen, der schließlich doch nachgab und die Freundschaft mit Melanchthon nicht verlieren wollte. 1546 starb Luther. Melanchthon wurde zur wichtigsten Person der Reformation.

Melanchthon war der Erste, der die evangelischen Glaubensüberzeugungen systematisch zusammenfasste. Seine „Loci communes“ von 1521, eine Dogmatik des evangelischen Glaubens, bilden bis heute eine wesentliche Grundlage evangelischer Theologie. In universeller Gelehrtheit hatte Melanchthon das gesamte Wissen seiner Zeit präsent und setzte sich unermüdlich für eine allgemeine Bildung in öffentlichen Schulen ein, was ihm den Titel des „Lehrers von Deutschland“ (praeceptor germaniae) einbrachte. Er beriet Städte bei der Gründung von Universitäten, stellte Lehrpläne auf, organisierte die Lateinschule neu als System von drei Klassen und gründete 1526 die erste evangelische Schule in Nürnberg. Bibelauslegung und das Erlernen des Katechismus bekamen in Schule und Universität einen neuen Stellenwert ebenso wie das Studium der alten Sprachen, der Geschichte und der Mathematik. Seine zahlreichen Lehrbücher für Rhetorik, Grammatik, Physik und Psychologie wurden für mehr als 200 Jahre Standardliteratur. Melanchthon erinnert die Kirche bis heute daran, dass der christliche Glaube eine fundierte Bildung für alle fordert und fördert. Melanchthon starb nach schwerer Krankheit am 19. April 1560. Seine letzte Ruhestätte hat er an der Seite seines Freundes Martin Luther in der Wittenberger Schlosskirche gefunden.

Apostel der Aussätzigen: Damian de Veuster

Als Pater Damian de Veuster am 10. Mai 1873 die „Hölle von Malakai“ betrat, zeigte sich ihm ein schreckliches Bild. Auf einer Landzunge der Insel Malakai im Hawaii-Archipel wurden die Leprakranken einfach ihrem Schicksal überlassen. Hunderte Menschen vegetierten dort vor sich hin unter übelsten hygienischen Bedingungen. Die Menschen lebten in einfachen Verschlägen aus Gras und warteten auf den Tod. Die Regierung des Inselstaates wusste sich nicht anders zu helfen, als die sich schnell ausbreitende Krankheit durch Isolation der Erkrankten einzudämmen. Mit Lepra, damals noch als Aussatz bezeichnet, hatte man keine medizinische Erfahrung und war nicht in der Lage, der Krankheit Herr zu werden. Aus Angst vor Ansteckung wurden die Kranken bei der Überfahrt vor Malaki einfach von Bord geworfen.

Für diese Menschen musste man etwas tun. Davon war der Bischof der Ordensgemeinschaft von den „Heiligsten Herzen Jesu und Mariens“ überzeugt. Die Missionare der Ordensgemeinschaft, in Deutschland unter dem Namen der „Arnsteiner Patres“ bekannt, war die seelsorgliche Betreuung der Sandwich-Inseln, wie man das Hawaii-Archipel nannte, anvertraut worden. Die Patres wollten die Leprakranken nicht einfach sich selbst überlassen. Allerdings wusste der Bischof, dass ein Einsatz auf der Insel aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr lebensgefährlich war. Keinen seiner Mitbrüder wollte er zwingen, auf die Insel zu gehen. Gleichwohl meldeten sich spontan vier Patres und erklärten sich bereit, die Leprakranken abwechselnd zu besuchen und ihnen als Seelsorger beizustehen. Der erste von ihnen war Pater Damian de Veuster, der schließlich auf eigenen Wunsch für immer auf Molokai bleiben sollte.

Damian de Veuster wurde unter dem Namen Joseph de Veuster am 3. Januar 1840 als siebtes von acht Kindern eines Bauern im flämischen Tremelo geboren. Zunächst arbeitete er nach der Volksschule auf dem elterlichen Hof, wurde dann aber von seinem Vater auf die Handelsschule geschickt, da der Junge Kaufmann werden sollte. Mit der Kirche war die Familie eng verbunden. Zwei seiner Schwestern waren in einen Orden eingetreten, sein Bruder war Mitglied des Ordens der „Heiligsten Herzen Jesu und Mariens“ in Leuven. Als Joseph 1859 mit seinem Vater den Bruder besuchte, entschloss er sich, ebenfalls in den Orden einzutreten und seine Kraft für die Mission einzusetzen. Der Orden nahm ihn auf, er erhielt den Ordensnamen Damian.

Für den Auftrag der Seelsorge im Hawaii-Archipel entsandte der Orden einige Brüder und Patres. Da Damians leiblicher Bruder aufgrund einer Krankheit nicht mitreisen konnte, nahm Damian seinen Platz ein. Viereinhalb Monate dauerte die Reise, bis die Ordensleute in der Hauptstadt Honolulu auf Hawaii eintrafen. Dort wurde Damian nach drei Monaten zum Priester geweiht und übernahm die Mission auf Puna, der größten der Sandwich-Inseln, auf der rund 30 Katholiken lebten. Damian errichtete eine Kirche und konnte eine kleine, blühende Gemeinde aufbauen. Bis er sich für den Einsatz auf der Leprainsel entschieden hatte.

1873 reiste Pater Damian nach Molokai. Zunächst versuchte Pater Damian, die schlimmsten Missstände zu beseitigen. Er versorgte Wunden, organisierte Kleidung und Medikamente. Schließlich versuchte er, die Insel zu bebauen und für die kranken Menschen zu einer erträglichen Heimat zu machen. Sein handwerkliches Geschick kam ihm dabei zugute: Er legte Äcker und Gärten an, errichtete eine Wasserleitung und baute mit den Kranken feste Holzhütten. Damian hatte nach anfänglicher Angst alle Bedenken fahren lassen, die Menschen zu berühren und mit ihnen zu essen. Schließlich wollte er den Kranken ihre Würde wiedergeben und ihnen nahe sein. Zunehmend nahm die Bebauung der Insel Gestalt an. Miteinander errichteten die Bewohner eine Kirche. In ihr feierte Pater Damian bis kurz vor seinem Tod jeden Tag die heilige Messe. Sogar ein Orchester gründete er. Allerdings musste er diesem hohen Einsatz schließlich doch den Tribut zollen. Als 1884 ein Arzt auf die Insel kam, um die Krankheit Lepra weiter zu erforschen, stellte er sie auch bei Pater Damian fest. Sein Arbeitseifer wurde dadurch nicht gebrochen, bis schließlich seine Kräfte nachließen. Äußerlich schwer entstellt und völlig ausgezehrt, starb Pater Damian am 15. April 1889, dem Montag der Karwoche. Er wurde neben seiner Kirche auf Molokai begraben.

Die Nachricht seines Todes zog weite Kreise. Zahlreiche Männer und Frauen traten in den Orden ein, um besonders den Armen und Ausgestoßenen das Evangelium zu verkünden. Auch der Kampf gegen die Lepra bekam durch Pater Damians Wirken einen wichtigen Anstoß. Mehrere Organisationen begannen, sich intensiv mit der Krankheit auseinanderzusetzen und Hilfsmaßnahmen für Erkrankte zu schaffen. Schließlich beruft sich auch die „Deutsche Lepra- und Tuberkolosehilfe“ auf das Wirken des engagierten Paters. Für den Staat Hawaii steht im Washingtoner Kapitol eine Statue des „Apostels der Aussätzigen“, wie man Pater Damian nannte. 1936 wurden seine Gebeine von der Insel nach Belgien überführt und in der Krypta der Klosterkirche in Leuven beigesetzt. Papst Johannes Paul II. würdigte das Leben und Wirken Pater Damians und sprach ihn am 10. Mai 1995 selig. Seine „bedingungslose Pflege von Körper und Seele“ betonte Papst Benedikt XVI., als er ihn in Rom am 11. Oktober 2009 heiligsprach. Um Christus zu folgen, habe er nicht nur seine Heimat verlassen, sondern sogar sein Leben eingesetzt und „dafür den Lohn des ewigen Lebens erhalten“, sagte der Papst. Pater Damians Gedenktag ist der 10. Mai, der Tag, an dem er auf die Insel Molokai kam.

Verehrerin des Herzens Jesu: Margareta Maria Alacoque

Hinter der Herz-Jesu-Verehrung steht das Anliegen, in enger Verbindung mit der Liebe Jesu zu leben. Eine der wichtigsten Vertreterinnen der Herz-Jesu-Verehrung ist die französische Ordensschwester Margareta Maria Alacoque (1647 – 1690). Mit ihr verbindet sich die besondere Andachtsform, sich ganz in die Liebe Jesu zu vertiefen, die sich in dem von Liebe flammenden Herzen zeigt. Für diese Andacht gibt es eigene Gebete und Litaneien, die wöchentliche „Heilige Stunde“ als Gebetsstunde sowie ein jährliches Fest. Das Sichversenken in Szenen des Lebens Jesu war schon im 11. Jahrhundert eine gebräuchliche Form des Betens. Man stellte sich bildhaft beispielsweise die Kreuzigung Jesu vor und konzentrierte sich auf die Wunden Jesu. Sie führten letztlich zum Herz Jesu als dem Quell der erlösenden Liebe. Besonders die Franziskaner verbreiteten symbolische Abbildungen mit den fünf Wunden Jesu, auf denen das Herz Jesu zu sehen war, umwunden mit Dornen und überragt von einem Kreuz. Erst in der Neuzeit wurde das Fest des Heiligen Herzens Jesu durch Papst Clemens XIII. im Jahr 1765 auch in die Liturgie aufgenommen, zunächst noch regional beschränkt. Hierfür gaben die Visionen von Margareta Maria Alacoque den Ausschlag. Gemäß ihrer Visionen wurde es auf den Freitag nach der Fronleichnamsoktav gelegt. Seitdem verbreitete sich die Herz-Jesu-Verehrung stark, vor allem auch die Gebetsformen und Andachtsbilder, die auf Margareta Maria Alacoque zurückgehen. Pius IX. schließlich dehnte 1856 das Herz-Jesu-Fest auf die gesamte Kirche aus. Papst Leo XIII. erhob es im Jahr 1899 sogar in den höchsten Festrang und vollzog die Weihe des gesamten Menschengeschlechts an das Herz Jesu. Das Missale Romanum von 1970 führt es noch als Hochfest, doch im Zuge der Liturgischen Bewegung und der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils geriet das Fest zunehmend in den Hintergrund.

Margareta Maria Alacoque wurde im Juli 1647 als Tochter eines Richters im französischen Lauthecour in der Bourgogne geboren. Als ihr Vater starb, gab ihre materiell schlecht dastehende Mutter sie in ein Internat von Klarissinnen. Mit zehn Jahren erkrankte Margareta Maria an Kinderlähmung und konnte über mehrere Jahre kaum laufen. Sie entwickelte früh eine ausgeprägte Religiosität. Margareta Maria betete viel, tat zahlreiche Bußwerke, bevorzugte Stille und Einsamkeit. Sie wünschte sich, ein Ordensleben zu führen. 1671 trat sie in den Konvent der Schwestern von der Heimsuchung in Paray-le-Monial in Burgund ein. Dort gab es bereits den Brauch der Verehrung des verwundeten Herzens Jesu. Der Orden bezog sich dabei auf die aus dem Mittelalter stammende Passionsfrömmigkeit, die sich besonders der Betrachtung der Leiden Jesu Christi widmete. Die Gründer des Ordens, Franz von Sales und Jeanne de Chantal, betrachteten besonders das Herz als das Zentrum des Menschen und den Sitz der Liebeskraft. Margareta Maria Alacoque versenkte sich sehr in diese Betrachtung des Herzens Jesu. Es setzte sich fort, was sie schon als Kind erlebt hatte: Sie hörte Stimmen und sah Visionen. Im Dezember 1673, am Fest des Evangelisten Johannes, hatte sie eine wegweisende Vision. Sie fühlte Jesus, der sie gemeinsam mit seinem Lieblingsjünger Johannes „an seinem Herzen“ ruhen ließ. Sie schaute, wie Christus ihr Herz in das seine versenkte und gab ihr „Liebesflammen in Form eines Herzens“ zurück. Er bezeichnete Margareta als „die geliebte Jüngerin meines Heiligsten Herzens“.

Später sah sie das Herz Christi in der Form, wie es bereits im Mittelalter mehrfach dargestellt wurde: mit einer Stichwunde und strahlend, von einer Dornenkrone umwunden und darüber ein Kreuz. In einer späteren Vision schaute sie Christus mit seinen fünf Wunden, ein heller Lichtstrahl floss aus seinem in der offenen Brust sichtbaren Herzen. Jesus habe sie darum gebeten, jeden Donnerstagabend eine „Heilige Stunde“ vor dem Altarsakrament zu verbringen und so im Geist mit ihm in Getsemani zu wachen. Schließlich hatte sie kurz nach Fronleichnam 1675 eine große Erscheinung, in der Christus ihr den Auftrag gab, ein besonderes jährliches Herz-Jesu-Fest einzuführen. Wer an diesem Tag die Kommunion erhalte, begehe einen Akt der Wiedergutmachung für die Schmähungen, die dem Altarsakrament zunehmend entgegengebracht worden seien.

Im Orden stand man diesen Visionen zunächst skeptisch gegenüber. Es kam sogar zu heftigen Auseinandersetzungen, die ihr schwer zusetzten und oft monatelange Krankheitsphasen mit sich brachten. Man sah in Margareta Marias Visionen schwere Täuschungen. Jedoch setzte sich auch durch die Hilfe des Paters Claude de la Colombière, dem Oberen der Jesuiten von Paray-le-Monial, diese Frömmigkeitsform durch. Er sah in Margareta Maria eine „begnadete Seele“, was ihr unter einer neuen Oberin auch mehr Ansehen verschaffte. Schließlich wuchsen ihr Einfluss und ihr Ansehen im Kloster mehr und mehr. 1685 wurde sie sogar zur Novizenmeisterin ernannt. Am ihrem Geburtstag im Jahr 1686 wurde dann im Kloster in Paray-le-Monial erstmals ein Herz-Jesu-Fest gefeiert. Margareta Maria Alacoque begann nun zunehmend auch nach außen zu wirken und setzte sich für die Herz-Jesu-Verehrung ein. Zwei Jesuitenpatres unterstützten sie darin und halfen mit, diese Frömmigkeit weiter zu fördern und zu verbreiten. Schließlich wollte man Margareta Maria 1690 sogar zur Oberin des Klosters wählen, was sie ablehnte. Im selben Jahr starb sie. Bereits bei ihrer Beerdigung wurde sie wie eine Heilige verehrt, im Jahr 1920 wurde sie heiliggesprochen, ihr Festtag ist der 16. Oktober.

Arnold Janssen: Missionar aus Leidenschaft für die biblische Botschaft

Seine Begeisterung prägt noch heute viele Menschen: In 63 Ländern der Welt sind insgesamt mehr als 6 000 „Missionare des göttlichen Wortes“ tätig, 3 500 „Dienerinnen des Heiligen Geistes“ wirken in 41 Ländern in der Verkündigung des Evangeliums und 400 „Dienerinnen des Heiliges Geistes von der Ewigen Anbetung“ in zehn Ländern begleiten den Dienst ihrer Brüder und Schwestern im Gebet. Die „steyle“ Karriere einer Bewegung, deren Ziel es war und ist, das christliche Leben der Menschen zu vertiefen.

Arnold Janssen, Gründer der „Steyler Missionare“, benannt nach ihrem Gründungsort Steyl in den Niederlanden, war erfüllt von dem Gedanken, die Botschaft des Evangeliums den Menschen in aller Welt zu verkünden. Angeleitet von der Zusage Jesu, „ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1, 7–8), breitete sich die von ihm ins Leben gerufene Bewegung in alle Welt aus.