Wolfgang Leonhard

Meine Geschichte der DDR

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

ERSTES KAPITEL – Neuland

ZWEITES KAPITEL – Gruppenarbeit

DRITTES KAPITEL – Die Stimme der Partei

VIERTES KAPITEL – Freiheit

FÜNFTES KAPITEL – Volksbewegung

SECHSTES KAPITEL – Beton und Frühling

SIEBTES KAPITEL – Stillstand statt Wandel

ACHTES KAPITEL – Zeitenwende

NEUNTES KAPITEL – Einheit und Ausblick

Personenregister

Vorwort

Vor mehr als fünfzig Jahren erschien mein Buch «Die Revolution entlässt ihre Kinder». Ich schildere darin mein Leben in der Sowjetunion, die Nachkriegsjahre, die ich als junger Funktionär in der Sowjetzone verbrachte, und schließlich meine Abkehr vom Stalinismus. Das Buch endet mit meiner Flucht nach Jugoslawien und der Ankunft in Belgrad im März 1949.

Wenige Monate darauf wurde die DDR gegründet. Ein Staat, an dessen Vorgeschichte ich aktiv beteiligt war und dessen führende Repräsentanten ich fast alle persönlich kannte. Ein Staat, der sich «demokratisch» nannte und in Wahrheit eine bürokratische Diktatur von Moskaus Gnaden war.

Bereits in Jugoslawien, als Leiter des deutschsprachigen Programms des Belgrader Rundfunks, berichtete ich dann über die weitere Entwicklung der DDR, ich kritisierte die SED-Herrschaft, die längst die Bedürfnisse der Menschen ignorierte und sich vor allem dem Machterhalt widmete. Dabei war es mir wichtig, die DDR so sachlich und objektiv wie möglich zu betrachten, die Realität an den propagierten Idealen zu messen und nicht aus westlicher Sicht zu verdammen.

Das Thema DDR ist, neben der Geschichte der Sowjetunion, zu meinem Lebensthema geworden – als Ostexperte in der Bundesrepublik und, von 1966 bis 1987, als Professor und Kommunismusexperte an der Yale-Universität. Zur Wendezeit, im Dezember 1989, bin ich in die DDR gefahren und wurde dort als «Erster Dissident» freundlich aufgenommen. Die damaligen Diskussionen mit Bürgerrechtlern, mit ehemaligen SED-Spitzenfunktionären und mit DDR-Bürgern, die meine – offiziell verbotenen – Bücher gelesen hatten, werden für mich unvergesslich bleiben.

Ich hatte immer die Hoffnung, dass sich das DDR-Regime wandeln könnte, im Sinne der Menschen dort. Die friedliche Revolution von 1989 hat mich darin bestärkt. Nach der Wiedervereinigung verlief die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit allerdings anders, als ich es mir gewünscht hatte.

Heute, fast zwei Jahrzehnte später, ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Meine Geschichte der DDR – das sind die kritischen Betrachtungen eines Teilnehmers, der zum Beobachter wurde. Sie beginnt bereits mit der Vorgeschichte des angeblichen «realen Sozialismus» auf deutschem Boden, an der ich als Mitglied der «Gruppe Ulbricht» unmittelbar mitgewirkt habe. Und auch nachdem ich dem Stalinismus den Rücken kehrte, habe ich am Schicksal der Menschen in Ostdeutschland immer Anteil genommen. Meine Geschichte der DDR ist deshalb eine sehr persönliche geblieben.

 

Wolfgang Leonhard

Manderscheid/​Eifel, Februar 2007