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Cover

Vorwort

PR Planetenroman 2: Die Show der Sterne

Rückentext

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Nr. 1328 – Die Harmonie des Todes

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Epilog

Nr. 1667 – Die Früchte des Wissens

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Nr. 1668 – Die Türme von Canaxu

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

PR Planetenroman 31: Die Ferrol-Dolche

Rückentext

Die Milchstraße in Trümmern

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Nachwort

Eine Reise mit Robert Feldhoff

Nr. 1987 – Der Mörderprinz

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Glossar

Nr. 1988 – Die Diener der Materie

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

Glossar

Der Gestalter des Perryversums

Bildergalerie

Impressum

 

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Kompakt 4

 

Robert Feldhoff im Rückblick

 

Eine kleine Werkschau zum fünften Todestag des PERRY RHODAN-Autors

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 

mit diesem PERRY RHODAN-Kompakt wollen wir an einen Autor erinnern, der schon in jungen Jahren die PERRY RHODAN-Serie durch seine Romane und Ideen bereicherte. Robert Feldhoffs früher Tod im Jahr 2009 schockierte damals die Leser – auch deshalb, weil der Schriftsteller in der Öffentlichkeit stets aktiv, gesund und sportlich wirkte.

Mit diesem E-Book blicken wir auf seine Arbeit zurück: Wir präsentieren fünf Heftromane, die sein Werk besonders repräsentieren, sowie zwei Planetenromane – darüber hinaus gibt es Fotos und ergänzende Texte. Der Autor engagierte sich über zwanzig Jahre lang für die größte Science-Fiction-Serie der Welt, er setzte schon in jungen Jahren erste Akzente.

Zu Beginn des Jahres 1987 ließ ein neuer Autor die PERRY RHODAN-Leser aufhorchen: Er hieß Robert Feldhoff, war vorher durch Artikel in der kritischen Zeitschrift »Science Fiction Times« aufgefallen und lieferte ein Taschenbuch und vor allem einen Heftroman, die sehr gut ankamen. Mit der Geschichte des Meistersängers Salaam Siin, die als »Harmonie des Todes« veröffentlicht wurde, zeigte der junge Autor, dass er das PERRY RHODAN-Universum auf seine Art und Weise interpretieren würde.

In den folgenden Jahren wurde Robert Feldhoff, Jahrgang 1962, zum Senkrechtstarter der PERRY RHODAN-Serie. Seine Romane gefielen den Lesern, weil er es schaffte, die klassischen Serienelemente mit neuen Ideen, ungewöhnlichen Personen und beeindruckenden Beschreibungen zu verbinden. Beispiele dafür waren Romane wie »Die Früchte des Wissens« und »Die Türme von Canaxu«, die einen faszinierenden Schauplatz mit interessanten Aliens vorstellten.

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Gute Laune: Trotz der anstrengenden Autorenkonferenz im Sommer 2003 gab's für den Exposéautor Robert Feldhoff viel zu lachen.

Als Dr. Florian F. Marzin, der Chefredakteur der Serie, den jungen Autor zu Beginn der 90er-Jahre in die Exposéarbeit einband, war klar, dass Robert Feldhoff in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen sollte. Ab 1993 wirkte er bei den Exposés mit, anfangs eher im Hintergrund. Als im Sommer 1995 die Planungen für den neuen Zyklus ab Band 1800 begannen, war Feldhoff bereits federführend beteiligt.

Zusammen mit Ernst Vlcek konzipierte er den Thoregon-Zyklus, der ab 1996 veröffentlicht wurde. Ab dem Band 2000 war er allein für die Handlungskonzeption der PERRY RHODAN-Serie verantwortlich. Er entwickelte neue Handlungsschauplätze, veränderte durch seine Ideen buchstäblich die Kosmologie des PERRY RHODAN-Universums und fügte komplett neue Elemente hinzu.

Trotz aller Exposéarbeit lieferte er immer wieder Romane voller bizarrer Szenen. »Der Mörderprinz« und »Diener der Materie« sind Beispiele für Romane, die den bisherigen Serienkosmos erweiterten. Seine Helden waren oft gescheiterte Figuren, die hohe Ziele hatten und sich selbst im Weg standen.

Auch in abgeschlossenen Taschenbüchern wie »Die Show der Sterne« blickte er gern auf die »Randgruppen« im PERRY RHODAN-Universum, zeigte in diesem Fall eine Strip-Show, die mit einem Raumschiff von Planet zu Planet zieht. »Die Ferrol-Dolche« hingegen war ein klassischer Action- und Krimi-Roman, mit dem der Autor einen besonderen Schauplatz der Serie in neuem Licht präsentierte. (Diese Band war als Nummer 31 der Planetenromane eingeplant – wir präsentieren ihn an dieser Stelle inklusive der Bearbeitung durch und des Nachworts von Dr. Rainer Nagel.)

Für die PERRY RHODAN-Serie war Robert Feldhoff auch außerhalb der Exposé- und Romanarbeit extrem wichtig. Er legte die Grundzüge für das neue Computerspiel fest, er wirkte an den Vorarbeiten für den geplanten – und leider bisher nicht verwirklichten – PERRY RHODAN-Film mit und engagierte sich mit Marketingideen. Die erfolgreichen Taschenbuch-Miniserien, die in Zusammenarbeit mit dem Heyne-Verlag erschienen, wuchsen ebenso auf seiner Ideenfülle wie die Serie PERRY RHODAN-Action.

Zu Beginn des Jahres 2009 erkrankte der Autor, als sein letzter Roman kam der Roman »Evolux« unter der Bandnummer 2450 in den Handel. Exposés verfasste er weiterhin, ebenso Konzepte – trotzdem musste er bald die Exposéführung abgeben. Bis zuletzt nahm er Anteil an der größten Science-Fiction-Serie der Welt; per Mail und per SMS kommunizierte er mit der Redaktion.

Am frühen Morgen des Montag, 17. August 2009, erlag Robert Feldhoff seiner schweren Erkrankung. Seine Beisetzung fand im engsten Familien- und Freundeskreis in Oldenburg statt. Und jetzt sind schon wieder fünf Jahre vergangen ...

 

Klaus N. Frick, im August 2014

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Band 2

 

Die Show der Sterne

 

Sie reisen von Stern zu Stern – und geben ihre Vorstellung jedem, der dafür bezahlt

 

Robert Feldhoff

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Im 28. Jahrhundert nach Christus: Längst hat sich die Menschheit in der Galaxis ausgebreitet. Zahlreiche Siedlerwelten existieren am Rand des Solaren Imperiums, nur lose mit der Zivilisation der Erde und Perry Rhodan verbunden. Auf einigen dieser Welten hat sich erstaunlicherweise ein längst vergangen geglaubter Moralbegriff durchgesetzt.

Eine dieser Welten ist Cocomare, und dort lebt Gary Sporter, ein ziellos durchs Leben schlendernder Mann. Als er die »beste Strip-Show des bekannten Universums« sieht, verändert dies sein Leben: Er beschließt, ein Teil dieser Show zu werden und endlich eigene Abenteuer zwischen den Sternen zu erleben ...

Prolog

 

Mit rasanter Geschwindigkeit breitete sich die Menschheit in der Milchstraße aus – wohl selten zuvor war ein junges Volk mit derartig ungestümer Energie ins All aufgebrochen. Nicht alle Welten schlossen sich dem Solaren Imperium an, das von Perry Rhodan geleitet wurde, und nach einigen hundert Jahren starteten sogar von den »neuen« Menschenwelten kleine Flotten von Siedler-Raumschiffen, die ihrerseits Kolonien gründeten.

Das Sternenreich der Menschheit wuchs, und es zerfiel zugleich. Im 28. Jahrhundert gab es neben dem Solaren Imperium eine Vielzahl von kleinen Staaten und Imperien unterschiedlichster politischer und sozialer Ausrichtung, alle besiedelt von Menschen und den Abkömmlingen der Terraner. Auf Tausenden von Planeten entwickelten sich neue Sitten und Gebräuche, und manche Kolonie verlor sogar die Bindung zur Erde.

Die Verbindung zwischen diesen Welten war dünn; manche lagen am Rand des menschlichen Siedlungsgebietes, Zigtausende von Lichtjahren von der Erde entfernt. Zwischen ihnen verkehrten Frachtraumschiffe, wenige Raumtransporter, gelegentlich ein Schiff der Raumflotte. Selten, sehr selten kam es vor, dass sich Reisende unterschiedlichster Art zwischen den Sternen bewegten: Schausteller des 28. Jahrhunderts, Tänzer und Zirkusartisten ...

 

(aus: Hoschpians Chroniken des 28. Jahrhunderts n. Chr.; Kapitel 12.2., Zersplitterung)

1.

 

Gary kündigte seine Stellung an dem Tag, als in der Stadt der Sommer begann. Auf Cocomare waren die Sommer wunderschön, und er hatte nicht die Absicht, seine Tage mit Buchhalterei und Gesetzestexten zu verbringen.

An diesem Abend besuchte er Oswald.

Sein Freund war als der fetteste Mann im Viertel bekannt, mit spiegelnder Glatze und einer Knollennase, die das ganze Gesicht bedeckte. Augen und Mund wurden durch sie an den Rand gedrückt, sodass jeder, der Oswald ansah, in seinen Zügen etwas suchte, was nicht vorhanden war. Aber Gary wusste, dass hinter Oswalds Gesicht eine Seele von Mensch steckte. Und darauf kam es an; sogar bei einem Mann, der als Angestellter der Finanzbehörden zu den meistgehassten Leuten der Stadt zählte.

»Gary! Setz dich! Ich bin gleich so weit.«

Gary nahm auf einem der Hocker Platz, schaute aus dem Fenster über die Dächer der Stadt und ließ vom Servo kühle Drinks kommen. Coco City, die Stadt am Ende der Welt ... Es war die einzige größere Stadt auf Cocomare. Eine Million Siedler konzentrierten sich in diesem Ballungsraum, weil den Rest des Planeten nur noch Farmland und Urwald bedeckten. Auf einer dieser Farmen war Gary aufgewachsen. Er hasste es, zu viel freies Land um sich zu sehen, er hasste die Gesellschaft der Ernteroboter, und er hasste es, mit Beginn der Regenzeit seine Tage auf den Feldern zu verbringen. Seine Eltern hatten ihn in die Stadt geschickt, und er hatte gelernt, seinen Lebensunterhalt als Buchhalter eines Anwalts zu verdienen. Aber das hatte er sich nie erträumt. Es war ihm nie gelungen, einen Zipfel vom Glück festzuhalten.

Es fehlte ihm der Mut, Cocomare zu verlassen. Und doch saß er oft auf einem Hügel am Rand von Coco City und starrte zu den Sternen hoch. Manchmal sah er auf dem alten Raumhafen die Schiffe von fernen Welten landen. Kugelraumer von Arkon und von der Erde kamen, dazu sanken uralte Keilschiffe von Terra nieder, die Walzen der Springer tauchten auf, mit Waren voll bepackt bis an die Grenzen der Ladekapazität, und manchmal schwebte ein riesenhafter Diskus von Gatas oder Latos über dem Raumhafen, still und elegant und tödlich wirkend. Doch niemals blieb eines der Schiffe länger, als nötig war.

Gary hatte nie ein Raumschiff von innen gesehen. Nur zu gern wäre er eine oder zwei Stunden lang durch die Korridore geschlendert, hätte einen Hauch von dem geatmet, was er für das freie Leben der Raumfahrer hielt. Heute hier zu sein, morgen auf einem ganz anderen Stern und am Tag darauf sich den Gefahren des Zentrumskerns zu stellen.

Er hätte einiges dafür gegeben, hätte man ihn die Wunder von Arkon, Sphinx oder der fernen Erde schauen lassen. Die Holowürfel, die es in jeder Mediothek zu leihen gab, mit ihren Berichten über Perry Rhodan und seine unsterblichen Gefährten, sie bildeten nur unvollkommenen Ersatz. Was wären dagegen die Arkaden von Arkon I gewesen, die Trichterbauten und der Kristallpalast? Oder das wimmelnde Leben von Gatas, als Mensch unter Milliarden und Abermilliarden tellerköpfiger Blues ... Oder die Türme und Gleiterhochstraßen von Terrania, die Ströme von Besuchern, die das Herz der Stadt belebten, die ...

»Gary!«

Er hob den Kopf und sah Oswald vor sich stehen.

»Du träumst schon wieder, Gary«, sagte der andere vorwurfsvoll. »Träumen führt zu nichts. Du setzt dir bloß Flausen in den Kopf, weißt du?«

»Ist es Dummheit, von hier wegzuwollen?«

»Es ist Dummheit, wegzuwollen und nicht zu gehen. Du hast Geld genug, oder?«

»Ach ...«

»Trink aus, ich muss heute noch was erleben.«

Oswald zwängte sich in seine Weste aus exotischem Leinen, die ihn wie einen weitgereisten Abenteurer aussehen ließ, und versetzte Gary einen Stoß. »Was ist, zum Donner? Du machst ein Gesicht, als müsstest du auf die Farm zurück.«

»Vielleicht muss ich das auch.«

»Wie?«

»Ich hab's getan. Ich hab's wirklich getan.«

»Was getan? Gekündigt?«

»Stimmt.«

»Na bravo! Dann komm zu uns! Die Finanzbehörde sucht immer gute Leute.«

»Dann hätte ich genauso gut meine bisherige Arbeit behalten können. Nie mehr Steuerakten und Buchungsbelege! Nein, Oswald, vielen Dank.«

Der andere prüfte sein Äußeres im Spiegel, dann zog er ein zufriedenes Gesicht und meinte: »Nichts mehr zu retten ... So gesehen mache ich einen guten Eindruck, oder?«

Gary sah nur für eine Sekunde hin. »Hervorragend. Jede Frau wird Mitleid kriegen.«

»Sieh nicht so von oben auf mich herab. Jeder muss es versuchen, so wie er kann. Und nun hör auf, Trübsal zu blasen. Wenn ich dich mit dem Gesicht mitschleppe, läuft im Leben nichts. Raff dich endlich auf, sonst kannst du hierbleiben.«

 

Über Coco City senkte sich Ausgehstimmung. Die Farbe des Himmels wechselte in abendliches Rot, von draußen drang durch das geöffnete Fenster Gelächter herein. Der Antigravschacht trug die beiden Freunde ins Erdgeschoss. Die Hitze des Tages war längst vergangen, doch der Straßenbelag strahlte noch immer Wärme ab.

Eine halbe Stunde waren sie zu Fuß unterwegs. Dort, im Vergnügungsviertel, begann die Zone der Lichter, der gedämpften Musik aus jeder halb geöffneten Schwingtür. Manchmal drehte sich Gary nach Frauen um; so lange, bis es Oswald zu viel wurde und er ihn böse in die Seite stieß. »Du benimmst dich wie ein verdammter Rüpel.«

»Auf Terra könnte ich hinterhersehen, wem ich will.«

»Du bist aber nicht auf Terra. Außerdem kannst du auch auf Terra nicht jeden mit Blicken belästigen, wenn's dir gefällt.«

»Woher willst du ...«

»He!«, rief Oswald aufgeregt. Dass er den Freund mitten im Satz unterbrochen hatte, störte nicht. Er spuckte in beide Hände und rieb sich über die Glatze, als ob er das polierte Spiegeln in strahlenden Glanz verwandeln wollte. »Da hinten sind Moa und Suky. Hinterher, Gary! Sie sind ins ›Corona Bay Fever‹ gegangen!«

»Hör schon auf. Suky kann ich nicht leiden, und Moa will mich nicht. Also was soll's?«

»Was für eine Frage! Denk mal an deinen Freund!«

Hinter Oswald betrat Gary das Lokal, mit übler Laune und bösem Gesicht. Die beiden Frauen verschwanden irgendwo hinten, im Dunkel der Tanzfläche. Die schwüle Atmosphäre des »Corona« umfing sie wie ein Mantel, als wären sie aus der Realität in einen Albtraum getreten. Stroboskopische Blitze hellten für Sekundenbruchteile Gesichter auf. Menschen bewegten sich in den kurzen Intervallen. Sogar Mitglieder von Fremdvölkern gab es: zwei Springer mit roten Bärten, die von einem der Handelsschiffe stammten, und eine Gruppe Blues, deren zirpendes Gespräch wie ein Netz den Klangteppich umfing. Die Kellnerrobots schwebten unsichtbar über den Köpfen; es reichte aus, die Hände nach oben zu recken und seinen Wunsch zu murmeln. Die Bedienung erfolgte prompt. In der Luft lag das süßliche Aroma von Coco-Drinks, außerdem der Geruch von Schweiß und Erregung. Tausend Füße bewegten sich, verursachten ein ständiges Scharren, das sogar durch die hämmernde Musik hörbar war.

Oswald hielt zwei Quoss-Getränke in der Hand, bevor Gary protestieren konnte. »Hier!«, brüllte er durch den Lärm. »Nimm schon!«

Um Alkohol handelte es sich nicht; dafür um eine populäre Modedroge von Aralon, die Körper und Geist in erwartungsvolle Aufnahmebereitschaft versetzte. Gary wusste, dass man von Quoss süchtig werden konnte. Aber in diesem Augenblick war es ihm egal. Um das fürchterliche Gefühl der Nutzlosigkeit loszuwerden, kippte er den Drink in einem Zug. Es dauerte keine zwei Minuten, bis er sich besser zu fühlen begann. Die Musik wühlte sein Innerstes auf, versetzte es in zuckende Vibration, im Kopf dagegen entstand diese gewisse Gleichgültigkeit, die er früher so gemocht hatte.

Oswald rammte ihm den Ellenbogen in die Seite. »He, Gary ... Dahinten sind die beiden wieder.«

In einer stillen Ecke trafen sie aufeinander. Oswald präsentierte vier Gläser Quoss, verteilte das Zeug an Gary und die beiden Frauen und zog dann mit Suky zur Tanzfläche ab.

Moa und Gary blieben zurück. Die junge Frau war knapp 1,70 Meter groß, mit dunklen Haaren und dunkler Haut, schräg gestellten Augen und rundem Mund. Ihre Kleidung wirkte konservativ; es war das Braun der Farmer, kombiniert mit modischen Accessoires und einer leichten roten Jacke. Sie schaute ihn nicht mal an.

»Netter Laden!«, rief er in ihr Ohr, einfach um höflich zu sein.

»Ich kann's nicht leiden.«

Die Worte las er mehr oder weniger von den Lippen ab. Gary schaute erstaunt in ihre Augen – zum vielleicht ersten Mal, weil er Moas Blick bisher gemieden hatte.

»Wieso bist du dann hier?«, fragte er.

»Weil Suky mich immer mitschleppt. Deswegen.«

Diesmal war Gary an der Reihe, Quoss zu besorgen. Sie tranken langsam ihre Gläser aus, doch Oswald und Suky blieben in den Lichtblitzen des Stroboskops verschwunden. Farbige Energiewände trennten plötzlich die Gruppen voneinander. Wie die Moleküle einer Flüssigkeit wurden sie durcheinandergewirbelt. Ein verwirrender Reigen begann, währenddessen man vorbeihuschende Gesichter nur schemenhaft erkennen konnte. Das war eine der Attraktionen des »Corona Bay Fever«; auf Arkon oder Terra seit Jahren aus der Mode, aber genug für Coco City.

Als die Energiewände erloschen, hatte das Wirbeln aufgehört. Am selben Ort befand sich nur noch die Tanzfläche, alles andere in der Bar hatte sich verändert: sowohl die Dekoration als auch die Standorte der Menschen. Gary und Moa saßen jetzt in der äußersten Ecke. Auf der Tanzfläche drehte sich Oswald suchend in die Runde; er hielt aber sogleich beide Hände in die Höhe. Aus dem Nichts erschienen zwei gefüllte Gläser.

»Die beiden amüsieren sich gut«, sagte sie.

»Wieso verschwinden wir zwei dann nicht?«

Misstrauisch schaute sie auf. »Soll das ein Angebot sein?«

»Natürlich.«

»Du bist deiner selbst sehr sicher.«

»Nein. Das scheint nur so.«

»Ich mag deine Sicherheit nicht ... Oder ich mag es nicht, wenn ich belogen werde.«

»Ich habe dir gesagt, wie es ist, Moa. Es war keine Lüge dabei.«

»Okay, Gary. Verschwinden wir.«

Das Lächeln, das sie ihm schenkte, war nicht von der strahlendsten Art, aber es war immerhin etwas. Gary bahnte einen Weg durch das Getümmel. Nahe hinter ihm kam Moa, und irgendwie brachte er es fertig, das Gefühl sogar zu genießen. Dabei war er so sicher gewesen, dass sie ihn nicht leiden konnte. Die Abneigung hatte auf Gegenseitigkeit beruht, bis vor ein paar Minuten.

Gemeinsam verließen sie das »Corona Bay Fever« und traten auf die abgekühlte Straße hinaus. Der Verkehr hatte nachgelassen, es waren kaum noch Leute unterwegs. In der lauen Sommernacht wirkte das ungewöhnlich, doch es versetzte ihn in eine romantische Stimmung, die er nur selten erreichte. Vom Eroberer der Nacht blieb wenig übrig. Und irgendwie schien Moa das auch zu spüren – ihm war, als bröckele der Widerstand in ihr. Vielleicht lag es wirklich daran, dass seine Fassade nicht mehr das Bild unangreifbarer Sicherheit bot. Vielleicht vermittelte ihr das ein Gefühl, es mit einem fassbaren Menschen zu tun zu haben.

»Wohin gehen wir?«, fragte Moa.

»Einfach geradeaus. Ich habe kein Ziel. Manchmal macht es mir Spaß, geradeaus und einfach immer weiter zu gehen.«

»Du lebst ohne Ziel, Gary.«

»Woher willst du das wissen?«

Sie lächelte, und er hatte das Gefühl, es sei das erste Mal, dass sie ihn so ansah. Dabei trat in ihre schräg gestellten Augen ein Schimmer, den er nicht zu deuten wusste; aber vielleicht war es auch der Quoss in ihren Adern, der die Netzhaut glänzen ließ. »Ich spüre es.«

»Und ich sage, du täuschst dich. Ich habe ein Ziel. Ich weiß nur noch nicht, wo es liegt und wie es aussieht. In mir gibt es eine Hirnwindung, die weiß genau Bescheid. Ich kann sie nur nicht greifen. Das ist genauso, als würden vor deinen Augen Flecken tanzen. Du kannst sie nie fixieren. Sobald du es versuchst, sind sie an den Rand deines Gesichtskreises verschwunden.«

»Ich weiß, was du meinst, Gary.«

»Wirklich?«

»Vielleicht. Ich versuche es jedenfalls.«

Er streckte die Hand aus, und ihre Finger berührten sich. Gary spürte den Stoff ihrer roten Jacke. Im Sternenlicht von Cocomare sah Moas Haut so samtig und perfekt aus, dass ihm heiß und kalt wurde. Einen Augenblick lang war sie die schönste Frau des Planeten. Und diesen Augenblick versuchte er einzufangen, solange es ging, bevor der Quoss seine Wirkung verlor und alles wieder in deprimierendem Grau ertrank. Gary hielt ihren Blick fest. Er streckte die Fingerspitzen aus und tastete über Moas Züge. Das Wunder geschah; sie ließ ihn gewähren, ohne auch nur zu zucken oder für eine Sekunde zurückzuweichen.

»Das habe ich mir lange gewünscht.«

»Wirklich, Gary?«

»Ja«, sagte er, und es war nicht einmal gelogen. »Es gibt Dinge, an die man nicht glauben kann. Eines Tages geschehen sie trotzdem. Dann fragt man sich, warum es heute erst so weit ist, und die ganze verschenkte Zeit jagt einem Schauer über den Rücken.«

»Du bist ein Poet.« Ihre Stimme klang ironisch.

»Ich bin traurig.«

»Vielleicht kann ich dich trösten.«

»Das wäre schön. Komm.«

»Wohin gehen wir?«

»Ich weiß nicht ... Irgendwohin.«

»Dann gehen wir zu mir.«

Moas Wohnung lag in einem dieser alten Bezirke, wo kaum hohe Türme standen, sondern die weitläufigen Häuser der ersten Siedler. Vor ihm erstreckte sich ein Gewirr von Dachterrassen. Es gab tausend Fenster, in die man hätte hineinsehen können, doch kein einziges war erleuchtet.

»Wir sind die beiden Letzten«, sagte sie. »Das hier ist eine sehr anständige Gegend.«

»Kannst du Gedanken lesen?«

»Deine schon. Manchmal.«

Gary strich über den groben Stoff ihrer Jacke, dann erneut über ihre Haut, und im selben Moment küsste er sie. Vielleicht war es der Zauber, der über diesen Dächern lag, oder die warme Nacht, die in den Menschen Hemmungen löste. Von diesem Augenblick an hatte Gary das Gefühl, die Handlung sei ihm aus den Händen genommen. Nicht er war es, der bestimmte, sondern Moa. Ihr Körper war perfekt. Die dunklen Haare umgaben ihr Gesicht wie ein geheimnisvoller Rahmen, die schräg gestellten Augen blitzten ab und zu, ohne zu verraten, was dahinter vorging.

Nach einer Stunde verließen sie die Terrasse müde und erhitzt. In dieser Nacht schlief er in ihrem Bett. Doch Gary wälzte sich lange herum und versuchte, sich von Moas Nähe nicht beengt zu fühlen. Es war so unmöglich, wie es stets unmöglich war, und am Ende schlief er nur deshalb ein, weil er es nicht wagte, sie zu wecken und zu gehen.

 

Als sie am nächsten Morgen die Augen öffnete, saß er schon angezogen auf einem Stuhl.

»Hast du gut geschlafen?«

»Interessiert dich das überhaupt?«

»Ja, es interessiert mich.«

»Na gut, Gary. Ich habe schlecht geträumt. Und ich würde gern wissen, wieso du aufgestanden bist.«

»Ich war nicht mehr müde. Außerdem habe ich eine Verabredung mit Oswald. Es ist spät genug.«

»Du willst gehen, nicht wahr?«

»Ja. Ich lasse dir meine Nummer hier.«

Er suchte nach Stift und Zettel und war froh, sie nicht mehr sehen zu müssen. Verschlafen, noch immer attraktiv und furchtsam. Wenn du gehst, Gary, sehe ich dich nie wieder.

»Verdammt! Du musst doch irgendwo was zum Schreiben haben!«

»In der obersten Schublade.« Moa deutete auf einen kleinen Schrank direkt neben der Ausgangstür.

Er wühlte, fand den Block und schrieb seine Nummer auf. Daneben nur der Name Gary, ohne den Familiennamen. Natürlich hätte sie auch den herausbekommen – aber das taten die Frauen nie, sobald er aus der Tür war. Als sechste Ziffer baute er absichtlich eine falsche Zahl ein. So, dass er hinterher behaupten könnte, es handle sich um einen Fehler ohne Absicht, aber doch genug, dass man ihn nicht erreichen konnte.

»Es war eine schöne Nacht, Moa. Aber ich muss mich auf den Weg machen, bevor Oswald sauer wird und verschwindet.«

»Denk nicht, dass ich dich nicht durchschauen würde. Dich und deine Ausreden. Ich glaube, Gary, du siehst schon wieder Flecken vor den Augen.«

»Das kann sein.«

»Ich glaube nicht, dass du noch mal zurückkommst. Aber wenn, dann werde ich nicht für dich da sein. Ich kann meine Kraft nicht auf ein Gespenst verschwenden.«

Als er die Tür hinter sich zuzog, war es wie eine Erleichterung. So, wie es immer war und wie es ihm immer wieder denselben Schmerz zufügte.

Daran, dass auch er den Frauen Schmerz brachte, verschwendete er keinen Gedanken. Die Luft im Freien umfing ihn mit lauwarmer Temperatur. Es war ein Vorgeschmack auf die heißen Tage, die kommen würden; denn der Sommer hatte kaum begonnen.

2.

 

Dass er gegen Mittag im Raumhafen-Café saß, war purer Zufall. An diesem Tag standen nicht mehr als fünf Schiffe auf dem Landefeld. Zwei davon gehörten den Blues. Anders als auf Terra oder Arkon ging die Begegnung zwischen Tellerköpfen und Terranern ohne Reiberei vonstatten; hier, in der tiefsten Provinz, erachtete niemand einen Streit der Mühe wert. Hier gab man weniger auf Politik als anderswo, und die Begegnung der Völker, sonst oft ein Problem, wurde auf Handel oder kurze Erholung reduziert. Ein drittes Schiff, das wie eine altertümliche Rakete aussah, wusste Gary nicht einzuordnen, es gehörte wahrscheinlich einem aufstrebenden Volk aus der Region. Und bei den beiden übrigen handelte es sich um Walzenschiffe der Springer, keines größer als 300 Meter.

Gary schaute sehnsüchtig dem Verladen der Handelsgüter zu. Aus den Diskussen der Blues ergoss sich ein steter Strom voll bepackter Schwebeplattformen. In den Walzenbäuchen der Springer verschwand Hektoliter für Hektoliter der Schnaps von Cocomare, der auf anderen Welten sehr begehrt war.

In diesem Moment erschütterte ein heftiger Knall die Umgebung.

Sein erster Blick galt den Springern; dort war alles ruhig. Gemeinsam mit dem Dutzend übriger Gäste suchte er das Landefeld ab. Aber nicht einer der Raumer hatte seinen Antrieb gezündet, es hatte weder eine Explosion gegeben noch einen Zusammenstoß.

»Was ist denn?«, rief jemand.

Achselzucken allenthalben, niemand hatte die geringste Ahnung.

Im selben Moment wiederholte sich der Knall. Gary spürte die Vibration, die durch den Fußboden lief. Aus den unterirdischen Katakomben rückten die Schweber der Feuerwehr aus, jeder bemannt mit zwanzig Spezialrobotern, zwischen Landefeld und Hafengebäuden flammte ein grüner Energiezaun auf, der im Fall einer Katastrophe die Leute schützen sollte. Auch die gelandeten Schiffe umgaben sich mit Schutzfeldern.

Und endlich sahen alle, was es mit dem Lärm auf sich hatte: Aus dem Mittagshimmel über Cocomare fiel ein weißer, lohender Punkt. Binnen zehn Sekunden wurde ein scheinbar glühendes Objekt daraus, das sich mit flammenden Triebwerken und erhitzter Hülle auf Coco City niedersenkte. Ein Raumschiff! Doch ein solches Unikum hatte Gary nie zu Gesicht bekommen. Als Grundform diente eine 60-Meter-Korvette, über 500 Jahre alt und an allen möglichen Stellen auf widersinnigste Art ausgebaut. Aus der einstigen Kugelhülle ragten Erker und abgebrochene Antennen, im altertümlichen Ringwulst brannten unregelmäßig angeordnet sieben Triebwerke. Und die stotternden Geräusche, die ab und zu als ohrenbetäubender Krach endeten, ließen nicht auf geregelte Energiezufuhr schließen.

Mit angehaltenem Atem verfolgte er den Kurs oder besser: den Fall des Schiffes. Nach einer Weile wurde offenbar, dass die Besatzung den Raumhafen ins Visier genommen hatte.

»Habt ihr so was schon gesehen?«, murmelte jemand.

»Bestimmt nicht«, gab eine zweite Stimme atemlos zurück.

»Die werden doch nicht wirklich landen wollen ...«

»Ach was, wir haben ja den Energiezaun ...«

300 Meter, schätzte Gary. Der Fall verwandelte sich in eine Art kontrolliertes Gleiten – und war trotzdem einer Höllenfahrt ähnlicher als einer Landung. Aus den Triebwerken schossen lange Flammenspeere. Das gesamte Landefeld war eine Sekunde lang in grelles Licht getaucht. Und dann, er wusste nicht wie, stand die 60-Meter-Kugel plötzlich. Irgendetwas schepperte noch, ein letzter Donnerschlag betäubte kurz sein Hörvermögen, doch es ereignete sich weder die befürchtete Explosion, noch brach die Kugelzelle auseinander.

Rings um das Schiff gruppierten sich die Schweber der Feuerwehr. Aber ihr Einsatz war unnötig. Aus einem der Triebwerke kroch ein dünner Rauchfaden, ringelte sich hoch und versiegte kläglich. Nichts geschah, was zum Einsatz Anlass gab, und die einzige Bewegung, die danach für eine halbe Stunde stattfand, verursachte eine herabstürzende Panzerplatte vom oberen Pol.

Die Springer und Blues schalteten ihre Schutzfelder wieder ab. Was die Hafenverwaltung unternahm, welche Funksprüche hin und her gingen, davon bekamen Gary und die Gäste im Café nichts mit.

Erst der akustische Paukenschlag lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Kugel zurück. Furchtbares Geschepper, wie von einem überdimensionalen, verstimmten Orchester, drang aus der Schiffshülle. Und auf halbem Weg zwischen den Hafengebäuden und dem Schiff stabilisierte sich eine Leuchterscheinung. Die Qualität der holografischen Projektion erstaunte jeden, der zuvor die Landung gesehen hatte.

Aus drei umeinander kreisenden, glühenden Würfeln formte sich eine einzige weiche Form. Binnen zehn Sekunden nahm sie die Gestalt einer dreißig Meter großen Frau an. Doch das Erstaunlichste, was Gary für lange Augenblicke den Atem verschlug, war etwas anderes: Die Frau war nackt! Sie trug nicht das geringste Kleidungsstück! Ihre blauen Augen schauten milde auf die Hafengebäude herab, das ebenmäßige Gesicht verzog sich zu einem herausfordernden Lächeln. Wunderschöne, gepflegte Haare umgaben den Nacken mit einem Rahmen.

An beiden Seiten strichen Korkenzieherlocken über die Brüste. Es waren die schönsten, die Gary jemals gesehen hatte. Oder es lag nur an der Sensation dieses absolut unwirklichen, unerklärlichen Augenblicks. Er folgte ihrer Figur über den sanft gerundeten Bauch, die Schamhaare und die perfekt geformten Beine bis zu den Füßen hinunter – und wieder hinauf zu den Augen.

Niemand sprach ein Wort.

Dafür jedoch bewegten sich die Lippen der Frau. Höllischer Lärm ergoss sich über das Landefeld und die angrenzenden Gebäude.

»Mein Name ist Marcie Carmichigan! Und wenn ihr alle mich in natura sehen wollt, kommt zur besten Strip-Show des bekannten Universums!«

Der Blick ihrer verheißungsvollen, zwei Meter großen Augen schien für kurze Zeit allein auf Gary zu ruhen, und er konnte nicht anders, als trocken zu schlucken und sich auf die Lippen zu beißen.

»Vergesst nicht«, flüsterte die Frau noch einmal in ohrenbetäubender Lautstärke, »dass die beste Strip-Show des bekannten Universums euch nie gekannte Freuden bereiten wird ... Besucht meine Show! Seht meine Tänzer und Tänzerinnen, erlebt Künstler und die letzten echten Akrobaten! Und seht das Stück, das wir spielen, das von der ewigen Spannung zwischen Moral und Unmoral handelt.«

Mit diesen letzten Worten erlosch die Holografie. Wo Gary gerade noch zwei wunderschöne, turmhohe Brüste gesehen hatte, die sich mit dem Klang der Stimme sacht bewegten, starrte er nun fassungslos auf das Kugelschiff.

»Eine Strip-Show«, sagte jemand in die Stille. »Das ist ein Ding. So was hatten wir seit hundert Jahren nicht mehr.«

 

»Komm schon, Oswald! Du musst unbedingt dabei sein!«

»Ach was, Gary ... Was glaubst du, wieso solche Shows heute keinen mehr vom Hocker reißen? Du kannst in jeder guten Holo-Video-Show mehr sehen, das garantiere ich. Und wer wäre besser geeignet, erotische Szenen darzustellen, als superklasse ausgestattete Roboter? Also lass es gut sein. Diese Strip-Show ist nichts wert.«

»Wenn alle so denken würden«, beschwerte sich Gary beleidigt, »könnten diese fliegenden Shows gleich dichtmachen.«

»Was glaubst du, wieso genau das ja auch der Fall ist?«

»Nun komm schon, Oswald! Dabei zu sein ist immer etwas anderes als das Holo-TV. Und Robs bleiben eben Robs, das ist doch nicht echt, sondern Schieberei. Wer ist scharf auf Androidensex?«

»Sieh's mal so, Gary: Eine Strip-Show, das ist nicht mehr zeitgemäß. Das stirbt aus. Sogar wir in Coco City haben andere und bessere Möglichkeiten, uns die Zeit zu vertreiben.«

»Aber erstens ist alles kalter Kaffee«, trumpfte Gary auf, »was hier passiert, und zweitens scheint es auf unserem Planeten doch ein gewisses Interesse für die Show zu geben.«

Der fette Mann drehte sich in seinem Bademantel um, warf seinem Freund einen Blick voller Zweifel zu und sagte: »So? Interesse?«

»Stimmt! Der Rat von Coco City trägt sich mit dem Gedanken, ein Auftrittsverbot zu verhängen. Sie haben noch keine Mehrheit zusammen, weil es auf Cocomare seit den Siedlerzeiten heißt: ›Freiheit für alle‹. Die Hälfte der Ratsmitglieder sagt, sie seien hierhergekommen, um sich nicht mehr über Vorschriften zu ärgern. Die andere Hälfte sagt, wir hätten sowieso doppelt so viele Gesetze wie auf Terra. Also könne man auch gleich Nägel mit Köpfen machen und die Show verbieten. Es heißt, Sitte und Anstand seien gefährdet.«

»Und wie kommst du darauf, daraus ein ›gewisses Interesse‹ herzuleiten?«

»Was verboten ist, ist immer interessant. Bessere Werbung kann sich dieser Zirkus gar nicht wünschen. Die Hütte wird voll sein, dafür garantiere ich, Oswald!«

»Hmmm ...«

»Na, komm schon! Besser als schon wieder das ›Corona Bay Fever‹ oder?«

»Ich weiß nicht ... Suky wollte heute Abend eigentlich da sein.«

»Lass sie sitzen! Wenn sie merkt, dass du ihr treu wie ein Haustier hinterherläufst, verliert sie das Interesse. Die Frauen sind so.«

»Erstens weigere ich mich, alle Frauen über einen Kamm zu scheren. Und zweitens weiß ich jetzt, wieso dich so viele Frauen ein Scheusal nennen.«

Gary grinste. »Aber recht hab ich trotzdem. Das ist simple Psychologie. Die trifft auf Männer und auf Frauen zu. – Also?«

»Na gut, ich bin dabei. Heute Abend?«

»Stimmt. Ziemlich genau in ...« Er schaute auf sein Armbandgerät. »... in einer Stunde. Es wird Zeit, Dicker!«

Oswald sprang unter die Dusche, um den Schweiß des Tages abzuwaschen. Gary blickte aus dem Fenster über die sommerliche Stadt. Ein Bild der Lähmung war es, das er sah, ein Stilleben des frühen Abends, an dem sich niemand auf den Straßen sehen ließ. Die Glassitoberflächen strahlten genügend Wärme ab, um die Temperatur eine oder zwei Stunden über dreißig Grad zu halten, dann erst würde es abkühlen und ein angenehmer Abend werden. Hoch am Himmel zogen Transportgleiter ihre Bahn – aus der Hauptstadt hinaus, irgendwohin in die ländlichen Gebiete, aus denen er stammte. Und in die er nie zurückkehren wollte.

Das Festzelt stand auf dem Germesch-Platz, in einem der Randbezirke, zwischen den Reihen der Getreidesilos und Destillerien. Hierher kam nur, wer beruflich dahin musste oder eines der vielen Sportzentren nutzen wollte. An diesem Abend jedoch saßen in der Rohrbahn viele, die weder das eine noch das andere vorhatten. In den Gesichtern machte Gary gespannte Erwartung aus.

»Gary! Wir sind da!«

Gemeinsam mit Oswald und den meisten anderen drängte er hinaus in die Germesch-Süd-Station. In weniger als 500 Metern Entfernung bogen sie zwischen zwei Siloparks ab und sahen den Platz vor sich liegen. Von überall her strebten Menschen auf einen Mittelpunkt zu, Männer und Frauen waren zu gleichen Teilen vertreten. Das sogenannte Festzelt war nichts anderes als eine schwebende, fünfzig Meter durchmessende Linse aus edelsten Kristallglasbahnen, die er in einem Wrack wie der alten Korvette nie vermutet hätte.

Gleißendes Licht ergoss sich aus diesem Überdach; und darunter hatte die Mannschaft der Strip-Show fünf Meter hohe Tribünen aufgebaut. Vier dunkle Tore bildeten den Einlass, kontrolliert von robotischen Sperren, die ein Fachmann mit drei Griffen lahmgelegt hätte. Und obenauf, auf dem Mittelpunkt der Linse, erhob sich doppelt lebensgroß das Abbild von Marcie Carmichigan. In terranischen, leuchtenden Lettern drehte sich der Schriftzug Die beste Strip-Show des bekannten Universums in alle Richtungen. Vor den Toren hatten sich gut 300 Personen versammelt. Nicht wenige Blicke hingen an der Holografie, die vom Dach herablächelte.

»He, Gary ... Diese Marcie, die ist gar nicht übel!«

»Das hab ich dir doch gesagt. Und garantiert weder ein Androide noch ein Roboter.«

»Woher willst du das wissen?«

»Weil ... Ach, ich glaube es einfach.«

Von irgendwoher ertönte leise Musik, ein hypnotischer Rhythmus, der die Leute in ihren Bann schlug. In winzigen Schritten steigerte sich die Lautstärke, und immer mehr Instrumente eines Orchesters fielen ein, um den Rhythmus zu untermalen.

»Das kenne ich«, flüsterte Oswald. »Eine Musik aus der Zeit, bevor sie auf Terra die Raumfahrt erfunden haben. Es nennt sich ›Bolero‹. Kenn ich aus einer Geschichts-Sendung.«

»Nie gehört«, wisperte Gary zurück, »aber es gefällt mir.«

Plötzlich standen die Tore offen. In vier Schlangen strömte das Publikum auf die Tribünen. Zehn Solar Eintritt wurde automatisch von den Kreditkarten abgebucht. Gary und Oswald standen weit hinten, hatten aber trotzdem Glück, im Oval einen der vordersten Plätze zu erwischen. Indessen steigerte sich der Rhythmus zu einer treibenden Melodie, und die Bassfrequenzen wühlten im Magen seine letzte Mahlzeit auf. Zwischen den Tribünen wartete die leere Bühne, ausgelegt mit einem roten Teppich, der an den Rändern blasse Flecken aufwies.

Jemand pfiff; doch die bösen Blicke der anderen Besucher brachten den Störenfried zum Schweigen. Eine Melodie wie diese hatte man auf Cocomare lange nicht gehört. Gegen die exotischen Zirpgesänge der Blues und die Märsche von Rusuma, wie sie derzeit Mode waren, nahm sich der »Bolero« wie ein filigranes Geflecht aus, das in jedem Menschen eine Saite zum Schwingen brachte. Gary musste an die Holografie der Marcie Carmichigan denken; er schluckte, schickte einen verstohlenen Blick zu Oswald hinüber und starrte wieder nach vorn. Der »Bolero« steigerte sich zu ohrenbetäubender Raserei. Und dann, von einer Sekunde zur anderen, setzte die Musik plötzlich aus.

Niemand sagte ein einziges Wort. Nicht einmal von der Industrieanlage drang Lärm heran. Garys Hals war trocken, er hätte gern einen Becher Wasser gehabt.

Plötzlich stand genau gegenüber, am Rand der Gegentribüne, eine dunkle Pforte offen. Aus dem unergründlichen Schwarz schälte sich eine menschliche Gestalt. Es war Marcie Carmichigan – und zwar das Original, keine holografische Kopie!

Sie trat mit wiegenden Schritten in die Mitte der Bühne und genoss die Blicke, die sich von überall aus dem Oval auf sie konzentrierten. Wenn Gary erwartet hatte, sie nackt zu sehen, sah er sich getäuscht. Die Frau trug einen Dress aus schwarzem, exotischem Leder, das wohl von einem Reptilienplaneten stammte. Die Arme und die Schultern blieben frei, nur von ihrem braunen, wunderschönen Haarschopf eingerahmt, und das Büstenteil ihres Anzugs ließ gerade Brustansatz genug erkennen, um etwas zu ahnen, aber nichts zu wissen.

Gary bekam feuchte Handflächen. Sechs oder sieben Meter stand sie entfernt; genau dieselbe Frau, die er als turmhohe Holografie auf dem Raumhafen gesehen hatte. Das Oberteil reichte bis zur Taille und gab den Blick auf etwas Haut frei. Das Höschen war knapp geschnitten und – mit einem Wort – atemberaubend, und ob es nun Stiefel oder Strümpfe waren, die Marcie Carmichigans lange Beine bedeckten, wusste er nicht. Sie stand auf hohen Absätzen, die ihren Po extrem zur Geltung brachten. Im Ganzen wirkte ihre Figur eher üppig als schlank. Aber erstens entsprach das Garys Geschmack. Und zweitens war es nicht allein ihr Körper, der faszinierte, sondern ihre Persönlichkeit.

An diesem Anblick war nichts Schmutziges. Nicht, wie es den Kindern von Cocomare so oft erzählt wurde ...

Mit einer einzigen spielerischen Bewegung drehte sich die Frau auf ihren hohen Absätzen einmal um sich selbst, und es schien, als fixiere sie für eine Sekunde jedes einzelne Gesicht im Publikum. Gary spürte ihren Blick fast körperlich, so sacht über sich hinwegstreichen und irgendwo in der Leere enden.

»Mein Name ist Marcie Carmichigan«, sagte sie Frau mit weicher, dennoch lauter Stimme, die von einer Verstärkeranlage bis in den obersten Winkel der Tribüne getragen wurde. Sie hielt sich nicht mit formalen Anredeformen auf und sprach das Publikum direkt an. »Ich freue mich, dass ihr alle zur besten Strip-Show des bekannten Universums gekommen seid! An diesem Abend seht ihr ein Stück, das von einem der ältesten Gegensätze handelt, die wir Menschen kennen. Moral und Unmoral, Sitten und Unsittlichkeit, dargeboten vom besten Ensemble, das je die Sterne zwischen Terra und Gatas bereist hat. – Und ich, Marcie Carmichigan, werde zwischen den Akten moderieren, erklären und euch zur Verfügung stehen. Und nun ... Vorhang auf, wie man seit tausend Jahren sagt, für unsere Show!«

Marcie Carmichigan breitete die Arme aus, schüttelte ihren Lockenkopf und entblößte eine Reihe makelloser Zähne. Ihr Lächeln war so betörend, dass Gary den ganzen Abend hätte zusehen mögen; nur indem sie erzählte und dieses Lächeln über ihre Züge huschen ließ.

Endlich erhob sich spärlich Beifall. Gary und die anderen fielen ein, und am Ende erfüllte ein Geräuschpegel die kleine Arena, der sich durchaus mit dem des »Bolero« hätte messen können. Sie hob noch einmal beide Hände und verschwand. Drei weitere Pforten standen plötzlich offen, jede entließ ein Quartett aus völlig nackten Menschen. Sechzehn Tänzer bevölkerten die Bühne, acht männlich und acht weiblich. Was sie darbrachten, ähnelte einem Ballett. Immer wieder erfolgten Tanzschritte zu rhythmischer Musik, und währenddessen bewegten sich die Tänzer in vollendeter Harmonie langsam miteinander. Die Männer waren makellos. Er oder Oswald hätten niemals mithalten können, legte man diesen Maßstab an. Dasselbe galt für die Frauen: vollendete Formen, aber bewusst nichtssagende Gesichter.

Von irgendwoher flog plötzlich ein Kleidungsstück.

Mit einem Luftstoß wirbelte es durch die Reihen der Tänzer. Unbeachtet blieb es liegen; doch kurz darauf scherte eine Frau aus dem Reigen aus, nahm die primitiv gegerbte Tierhaut an sich und spielte damit, als wisse sie nicht einmal, was Kleidung sei. Sie benutzte das Hautstück wie ein dünnes Tuch, wand es um ihren Körper, warf es in die Luft und fing es wieder auf. Und langsam, aber sicher nahm ihr Tanz eine erotische Komponente an. Der flache Gesichtsausdruck wich allmählich, die ganze Persönlichkeit der Frau kam zum Vorschein. Während die anderen um sie herumtanzten, begann sie das Kleidungsstück anzulegen ...

Gary hatte nichts in seinem Leben gesehen, was so wenig mit Sex zu tun hatte, aber sosehr danach aussah. In diesem Moment begriff er, dass nicht nur Ausziehen erotisch sein konnte, sondern Anziehen gleichermaßen. Unter den Männern der Tänzergruppe brach Streit aus. Jeder schien die Aufmerksamkeit der Frau erringen zu wollen, indem er seine Konkurrenten akrobatisch übertrumpfte. Reihenweise erlebten die Zuschauer Salti, halsbrecherische Überschläge und Sprünge, die ein normaler Mensch nur mithilfe komplizierter Technik zustande gebracht hätte. Aber in diesem Tanz hatten Antigravgeräte nichts zu suchen. Es ging nur um den Wettbewerb. Auch die Frauen nahmen daran teil, indem sie versuchten, das Kleidungsstück zu stehlen, indem sie zerrten und einander zurückstießen.

Das ganze Ballett hatte Symbolgehalt: Nackte Menschen, so reimte sich Gary zusammen, lebten miteinander in Harmonie, während Kleidung zu Streit und Missgunst führte. Der Tanz endete, indem das Kleidungsstück in sechzehn Fetzen zerrissen wurde und jeder seinen Teil der Kostbarkeit durch die Pforten in Sicherheit brachte.

Die Nächste, die auftauchte, war wieder Marcie Carmichigan. »So haben wir gesehen«, sprach sie in ihrem Lederdress, »wie Äußerlichkeit in die heile Welt der Nacktheit einbricht. Wir haben gesehen, wie der Besitz an sich Neid weckt und zu Streit führt; so, wie es in der Geschichte der Menschen immer wieder geschehen ist. Aber keine Angst, ich langweile euch nicht mit Historie. Vorhang auf für ein neues Kapitel!«

Erneut sprangen zwei Gruppen von Tänzern auf die Bühne, und Marcie Carmichigan brachte es fertig, mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen wirbelnden Gliedern und Tüchern hindurchzuspazieren; so, als sei jede einzelne Bewegung minutiös einstudiert.

Der Tanz nahm Gary schier den Atem. Wieder waren es sechzehn Tänzer. Acht davon trugen nun Bekleidung, hauptsächlich halbtransparente Tücher, die eher die Aufmerksamkeit auf bestimmte Stellen lenkten, als dass sie diese verbargen. Die restlichen acht waren noch immer nackt.

»Hast du schon mal solche Frauen gesehen?«, wisperte Oswald mit aufgerissenen Augen.

»Nein.«

»Das ist besser als Androiden. Du hattest recht, Gary!«

»Pssst!«, tönte es von hinten.

Der Rhythmus ging in tiefe, getragene Klänge über. Mit langsamen, sinnlichen Bewegungen umkreisten die Tänzer einander. Streichelnde Gesten, sachtes Tasten mit den Fingerspitzen, und immer wieder wurden die Tücher beiseitegeschoben und gaben bloße Haut frei. Gary sah Schweißperlen gemischt mit Gänsehaut, die Tänzer atmeten schnell und hielten für streichelnde Hände von hinten still. Eine schwarze Frau in der Mitte der Bühne schien in der Bewegung eingefroren. Von der Seite war ein dunkler Hüne herangetreten und erforschte ihren Körper mit seinen flachen Händen.

»Die Brustwarzen ...«, murmelte Oswald fasziniert. »Sie haben sich aufgerichtet.«

»Wahrscheinlich vor Kälte.«

»Du Idiot, Gary! Im Sommer von Cocomare?«

»Psst.« Wieder die Stimme von hinten. »Haltet den Mund oder verschwindet.«

»Schon gut.«

Die streichelnde Bewegung der Tänzer nahm an Heftigkeit zu, und ebenso steigerte sich die Musik zu einem Rhythmus von zunehmender Aggressivität. Die Paare, die zuvor nahe beieinandergestanden hatten, lösten sich, gerieten erneut in Streit. Am Ende standen die bekleideten Menschen gegen die nackten. Was nun in der Mitte dargestellt wurde, ähnelte immer mehr einer Schlacht.

Plötzlich torkelte eine Gestalt auf die Bühne, die ebenfalls bekleidet war, sich aber mit wackligen Schritten bewegte und von allen Seiten Schläge abbekam. Das Gesicht war dick mit weißer Farbe bemalt, der Mund dagegen rot. Vor langer Zeit hatte Gary einen traurigen Clown in einer Holo-Aufzeichnung gesehen. Es war dieselbe Schwermut, dieselbe abgrundtiefe Verletzlichkeit, die hier offenbart wurde und die die Tänzer scheinbar so gnadenlos ausnutzten. Die einfacheren Gemüter im Publikum begleiteten jeden seiner Fehltritte mit Gelächter. Alle anderen empfanden Mitleid, eine gewisse Menschlichkeit in einem abstrakten Tanz.

Aus dem Zugang gegenüber folgte im selben Augenblick Marcie Carmichigan.

Jede Bewegung erstarb. Nur der Clown zappelte noch; er richtete sich auf, tapste unsicher zu Marcie hinüber und ließ sich von ihr in den Arm nehmen.

»Armer Clown«, sagte sie. »Der, der zwischen die Fronten gerät, hat nicht viel zu lachen, auch wenn er nur das Beste will ... Ihr seht ...«, rief die Frau, nun dem Publikum zugewandt, »... dass es die Bekleidung ist, die zwischen den Menschen Unterschiede erst entstehen lässt. Kleider machen Leute, so lautet ein uralter Satz. Und genau das ist es, was die folgende Szene euch zeigen will.«

Marcie und der traurige Clown bewegten sich zum Ausgang hin. Der kleine Mann neben ihr klammerte sich mit den Händen an ihrem Lederdress fest, und Gary hätte einiges darum gegeben, an seiner Stelle zu sein.

Die eingefrorenen Bewegungen lebten wieder auf, als hätten die Tänzer niemals unterbrochen. Wieder kam es zu wirbelnden Zusammenstößen. Der erste Kleiderfetzen flog, als eine nackte Frau einen bekleideten Mann zu fassen bekam. Seine dünne Jacke platzte der Länge nach auf. Es dauerte wenige Sekunden, dann stand er plötzlich nackt da und schlug sich auf die Seite seiner Gegner. Immer mehr neigte sich die Waagschale. Immer mehr Stofffetzen bedeckten den roten Teppich; indessen konzentrierte sich der Tanz auf ein einzelnes Paar, das als einziges noch vollständig bekleidet war und sich an den Rand des Ovals zurückgezogen hatte. Mit einem Satz kamen die Nackten über sie. Und als sich das Knäuel auflöste, stoben die Tänzer zu triumphaler Musik auseinander. Am Boden blieb die letzte Kleidung ausgebreitet zurück.

Die Botschaft der Strip-Show war klar: Nacktheit als Heilsbotschaft, als Glücksbringer inmitten einer zerstrittenen Gesellschaft. Doch erstens konnte man mit Fug und Recht zweifeln, ob eine nackte Gesellschaft wirklich eine bessere wäre. Und zweitens, so dachte Gary, ging es nicht in Wirklichkeit um diese Botschaft. Im Mittelpunkt standen nackte Männer und Frauen, woran im Prinzip auch nichts auszusetzen war; höchstens, dass nackte Körper auf die Dauer nicht erotisch wirkten, sondern langweilig. Insofern hätte die Show keine Minute länger dauern dürfen. Das prickelnde Erlebnis, das er statt Akrobatik und Choreografie erhofft hatte, war nur von Marcie Carmichigan ausgegangen. Und die hatte sich nicht einmal ausgezogen.

Unter dem Beifall des Publikums verließen die Tänzer die Bühne.

Starke Scheinwerfer flammten auf, richteten sich gegen das Kristalldach und tauchten sowohl Bühne als auch Tribünen in glutrotes Licht. Die Frau, die mit lasziven Bewegungen zum Vorschein kam, war wieder Marcie Carmichigan. Garys Herz klopfte bis zum Hals. Allein dieser Hüftschwung, die leicht geschürzten Lippen, das hintergründige Lächeln! Gegen vorher hatte sich nichts verändert. Doch in ihrem Gesicht stand etwas, irgendetwas ... Er konnte nicht sagen, was es war.

»Bürger von Coco City! Ihr habt die beste Strip-Show des bekannten Universums