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Mori-Joe – auf magischen Pfaden

Eine Lektüre zum interkulturellen Lernen
und zur Persönlichkeitsentwicklung

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Claude-Hélène Mayer

Mori-Joe – auf magischen Pfaden

Eine Lektüre zum interkulturellen Lernen
und zur Persönlichkeitsentwicklung

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Waxmann 2014

Münster • New York

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Print-ISBN 978-3-8309-3109-6
E-Book-ISBN 978-3-8309-8109-1

© Waxmann Verlag GmbH, 2014
www.waxmann.com
info@waxmann.com

Umschlaggestaltung: Inna Ponomareva, Münster
Illustrationen: Jörg Plannerer
Titelbild: © malydesigner – Fotolia.com
Satz: Stoddart Satz- und Layoutservice, Münster
Druck: Media-Print, Paderborn

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier,
säurefrei gemäß ISO 9706

Printed in Germany

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten.
Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des
Verlages in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung
elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Für
Blanchie, Lolo und Ecee

Inhalt

Prolog

Das Elefantenwolkenauge

Farewell – Abschied

Wege … und Umwege

Ein Ort zwischen den Orten

Big Mama

Farbige Landschaften oder wo „Hottentotten“ und „Buschmänner“ zu Hause sind

Hinter Gittern oder die Sonnenseite des Tablemountain

Wenn Träume wahr werden

Kosmische Reisen

Auf dem Kopf des Löwen

Eintausend Schritte

Einer von ihnen

Affen

Überraschung!

Indien in Kwa-Zulu-Natal

Die Magie des Wassers

Berufung

Weihnachten bei den Zulu

In der Kornkammer Südafrikas

Goldrausch

Meine Mum, die Hexe

Dunkle Kräfte und heilige Mächte

Nur für Eingeweihte

Energiewirbel in der verlorenen Stadt

Schokoladenschätze in der Kalahari

Von kulturellen Grenzgebieten und neuen Welten

Epilog

Eine kleine Bedienungsanleitung dieser Lektüre zur interkulturellen Persönlichkeitsentwicklung

Hoopes’ Model zur interkulturellen Persönlichkeitsentwicklung

Das Hoopes-Modell in der biographischen Erzählung

Der Gebrauch des Modells der interkulturellen Persönlichkeit in dieser Lektüre

Zur Kritik am Modell der interkulturellen Persönlichkeitsentwicklung

Zitierte Literatur

Weiterführende Literatur

Du siehst Dinge und fragst „Warum?“

Aber ich träume von Dingen, die es nie

gegeben hat, und frage: „Warum nicht?“

George Bernhard Shaw

Prolog

Der Fußabdruck eines Elefanten hat einen Durchmesser von fünfzig Zentimetern. Mit achtsamer Langsamkeit bewegt er sich vorwärts. Stampfend. Tänzelnd. Das grobe Savannengras knickt unter der Last des Fußes ächzend beiseite oder ergibt sich seinem Schicksal, platt an den Erdboden gedrückt zu werden. Knirschend. Knacksend. Stöhnend. Kleine Büsche und Sträucher weichen seiner Last. Nachgiebig. Sich beugend. Der Elefant bewegt sich majestätisch durch weite Landstriche, immer auf der Suche nach Wasser und Buschwerk. Sein Blick schweift durch die Landschaft. Gutmütig und wach. Insekten flirren um ihn herum. Die dicke, gräuliche Elefantenhaut schützt ihn vor der brennenden Sonne des Sommers und der Kühle des Winters.

Viele Geschichten umgeben ihn, den Elefanten. Sie sprechen von seiner gewaltigen Kraft, seiner Gutmütigkeit und seinem Erinnerungsvermögen. Elefanten vergessen nichts.

Seine Ohren sind ruhig angelegt, während er die langen Grashalme mit seinem Rüssel in sein Maul transportiert und zermalmt. Nur wenn Gefahr droht, stellt er seine Ohren auf. Sein Rüssel durchwühlt die langen Grashalme und arbeitet sich an den Büschen und Sträuchern entlang. Witternd. Spürend. Auswählend. Kleiner und kleiner werden die Gräser, das Blattwerk, die Äste in seinem Maul, während er ruhig und gelassen im Schatten einer Schirmakazie verweilt. Sein Blick ist wach, seine Augen tiefgründig.

Wenn sich unsere Blicke treffen, geschieht etwas Magisches.

Wenn wir uns in die Augen sehen, öffnet sich eine neue Welt. Eine Welt, in der die Zeit keine Rolle spielt und in der wir mehr sind, als wir eben noch waren.

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Das Elefantenwolkenauge

Ungebändigt, voller Energie und sich nach dem Himmel streckend, stehen meine Haare in alle Richtungen. Wie elektrisiert. Als ob sie völlig wild und chaotisch meinen Gedanken Ausdruck verleihen wollen. Und keiner kann sie überreden, sich an die Kopfform zu schmiegen, sich doch ein wenig unauffällig und angepasst zu verhalten, auch nur ein wenig nachgiebig zu sein. So sind sie, meine Haare. Unbeeindruckt eines jeden Versuchs sie zu bitten, sie anzuflehen, sie zu beschimpfen oder sie zu besänftigen, dass sie doch endlich einmal nicht aus der Reihe tanzen.

Es soll Menschen geben, die viel Zeit und Mühen darauf verwenden, sich die Haare zu kämmen. Ich kann mich kaum daran erinnern, in den letzten Jahren eine Haarbürste in den Händen gehalten zu haben. Wozu auch?

„Das Kämmen von Haaren ist eines der unnützesten Dinge im Leben vieler Menschen“, sagt meine Mutter.

Mein Vater hingegen meint, Mädchen sollten besonders auf ihre Frisur achten. Glücklicherweise ist er nur mein Vater und hält sich normalerweise aus den wichtigen Frauenthemen heraus. Wenn es um Frauen und Männer geht und darum, wie man und frau sich in der Öffentlichkeit verhalten sollen, hat Dad manchmal etwas seltsame Ansichten. Das hat natürlich einen bestimmten Hintergrund.

Mein Vater ist in der Kultur der Shona aufgewachsen und kommt aus Zimbabwe, einem Land im Südlichen Afrika. Geboren ist er in der Republik Südafrika, die gleich an Zimbabwe angrenzt. Die Shona bilden eine große ethnische Gruppe, die vor allem in Zimbabwe, Südafrika und Botswana ansässig ist. Nach dem traditionellen Brauch der Shona gibt der Vater dem neugeborenen Kind seinen Namen. Mein Vater war jedoch weder bei meiner Geburt dabei, noch danach anwesend, und so zögerte meine Mutter nicht lange und gab mir den wundervollen Namen Moriana Josephine Philine Ramona. Typisch meine Mutter! Es muss eben immer alles ein bisschen kompliziert sein. Kurz: Mori-Joe. Zum Glück hat Mum nichts gegen praktische Abkürzungen.

Die letzten 14 Jahre habe ich mich immer wieder gefragt, warum ich eigentlich so einen Namen trage. Denn: wer heißt schon so? Mittlerweile habe ich jedoch die Vorteile des Namens zu schätzen gelernt. Mum und Freunde nennen mich Mori-Joe, Oma und Opa in Deutschland nennen mich Phili, die Verwandtschaft meines Vaters in Südafrika nennt mich Ramone. Zum Glück nennt mich niemand Joseph. Ich wechsele also meinen Namen wie andere Mädchen ihre Kleidung.

Die meisten Menschen, denen ich begegne, mögen meine Frisur. Auch meine Augen. Sie sagen, ich hätte die größten Augen, die sie je gesehen haben, kugelrund und dunkelbraun mit unendlich langen Wimpern. Man hat mir schon öfter angeboten, Werbefotos zu machen oder in Filmen mitzuspielen, aber meine Eltern meinen, es gäbe Wichtigeres im Leben, und daher führe ich ein ganz normales Leben, wie andere Mädchen in meinem Alter auch. Fast zumindest.

Ich verbringe viele Stunden mit Malka in der Natur. Malka hat ähnliche Haare wie ich, nur goldiger. Wenn es möglich ist, streunen wir jeden freien Nachmittag im Wald herum und hören den Bäumen zu. Manchmal reden wir auch mit den Baumgeistern. Neulich haben Mum, Malka und ich ihnen sogar einen Engel gebastelt und diesen an einem besonderen Ort aufgestellt. Einem außergewöhnlichen, heiligen Ort. Es ist ein Ort, an dem wir mit denen sprechen, die vorbeikommen – seien sie sichtbar oder unsichtbar. Ein Ort, an dem mein ganzer Körper kribbelt, wenn ich einen Schritt vor den anderen setze. Ein Ort, an dem mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft, wenn ich mich diesem Platz nähere. Ein Ort, an dem ich mich eins fühle, mit Gott und der Welt. Ein Ort, an dem ich einfach die Augen schließe und Malka und ich den moosigen Waldboden am Körper spüren.

Mum meint, dieser heilige Ort sei eine Einflugschneise für Außerirdische, für Geister und durchlässige Lichtwesen, die sie auch Astralwesen nennt.

„Astralwesen sind Wesen aus einer anderen Welt, die meist durchsichtig sind – nur manchmal nehmen sie eine Gestalt an, die auch Menschen sehen können. Unser heiliger Ort ist perfekt für Astral- und Zeitreisen, bei denen man genau diesen Wesen begegnen kann. Das heißt, von hier aus kann man direkt in andere Welten und Zeiten reisen oder sie in unser Diesseits holen.“

Mum strahlt, wenn sie vom heiligen Ort erzählt und fährt fort:

„Die Energie ist an diesem Platz so gebündelt, dass man wunderbar mit anderen Wesen, aber auch mit den eigenen Vorfahren kommunizieren kann. Dabei ist es im Prinzip völlig unwichtig, ob diese Wesen tot oder lebendig sind, von diesem Planeten oder von einem anderen Stern kommen, in Engelsform oder in göttlicher Natur erscheinen. Sie kommen aus der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft – an diesem Platz im Wald ist die Zeit zeitlos.“

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Wir haben diese wundervolle Stelle den Ort der vier magischen Elefanten genannt. Denn hier bilden vier mächtige, uralte Ahornbäume einen Kreis, so, als ob vier tonnenschwere, unbewegliche Elefanten über Zeit und Raum herrschten. Ihre Äste sind so ineinander verschlungen, als ragten sie wie vier lange, kräftige Elefantenrüssel in die Mitte des Platzes. So, als wollten sie auf etwas hindeuten. Anmutig und ohne jegliche Bewegung, aber ersichtlich für jeden, der ihre Zeichen lesen kann. Und Mum kann ihre Zeichen lesen, denn sie ist in der Tradition der Elefantenmagie geboren. Aber das ist nur ein Teil meiner Geschichte.

****

Es war an einem warmen Sommertag vor zwei Jahren, als Mum, Malka und ich unsere Decke im Zentrum der vier magischen Elefanten aufschlugen. Wir lagen auf unserer Decke, die Blicke in den Himmel gerichtet, und ruhten uns aus. Die Wolken zogen dahin und wir versuchten im Wettbewerb ihre Formen zu erraten. Malka kaute genüsslich an ihrem Knochen und streckte alle Viere von sich. Nach einiger Zeit, als ich schon lange in Führung lag, zogen sich die Wolken blitzschnell zusammen und der Himmel verdunkelte sich. In genau dieser Sekunde riefen Mum und ich gleichzeitig aus: „Ein Elefantenauge!“

Was dann geschah, ist kaum zu beschreiben. Es war, als würde das Auge spiralförmig, wie ein großes dunkles Loch vom Himmel auf die Erde stürzen und direkt auf uns zukommen. Es war, als wolle es uns einsaugen, uns in den Himmel heben. Ich fühlte mich schwerelos, als flöge ich. Aus dem Nichts heraus sah ich eine Elefantenherde durch die afrikanische Steppe ziehen. Meine Füße standen im kniehohen Steppengras. Ein Elefant stupste mich mit seinem Rüssel an, umschlang meinen Bauch mit festem Griff, so dass ich kaum noch Luft bekam, und setzte mich behutsam auf einem anderen Elefanten ab. Fast wie im Spagat saß ich auf dem breiten Rücken, spürte den runzligen Körper unter mir und ließ mich durch die afrikanische Savanne tragen. Es kam mir vor wie eine lang bekannte Ewigkeit, als ginge dieser Moment niemals vorbei. Als würde die Zeit für immer stillstehen.

Plötzlich wurde mir schwarz vor Augen, ist spürte einen dumpfen Aufprall, während ich eine vertraute Stimme hörte: „Komm zurück, Mori. Es wird Zeit.“

Als ich meine Augen aufschlug und in die Nachmittagssonne blinzelte, lagen Mum und Malka schlafend neben mir auf der Picknick­decke. Aufgeregt rüttelte ich Mum wach, um ihr von meinen Erlebnissen zu erzählen.

Verschlafen murmelte sie: „Langsam, langsam. Ich brauche erst einmal einen Kaffee.“

Einige Minuten später sprudelte es bei Milchkaffee und Käsekuchen aus mir heraus. Zu meinem Erstaunen schien Mum eher unbeeindruckt.

„Weißt du, Mori, das ist der Zauber des Ortes. Er ist magisch. Von hier aus können wir reisen. Das verstehen nicht alle Menschen. Sie betrachten nur, was sie sehen. Nämlich alte, ineinander verschlungene Bäume. Sie sehen nicht die Elefanten. Sie sehen nicht die Rüssel. Sie haben vergessen, dass wir viel mehr wahrnehmen als wir erblicken. Sie haben vergessen, dass man die Herzen öffnen muss, um die Welten hinter den Wirklichkeiten zu erspähen. Und das hast du gerade erlebt. Wenn du deine Augen offen hältst, wirst du noch öfter reisen. Diese Reisen sind Teil unseres Weges; sie sind Teil unserer Persönlichkeit. Ich kenne den Ort der Indlovu sehr gut.“

„Der Indlovu?“, frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Ja, aber das ist eine andere Geschichte. Lass’ uns zusammenpacken und nach Hause gehen. Es könnte heute noch ein Gewitter geben.“

Farewell – Abschied

Wir ziehen nach Südafrika. Am Ende der Sommerferien ist es so weit und seitdem sich meine Eltern dafür entschieden haben, ist mein Vater bester Laune. Schließlich ist er in Zimbabwe aufgewachsen und leidet fortwährend unter Heimweh. Es vergeht kaum ein Tag, an dem er nicht betont, dass er nur wegen Mum und mir in Deutschland sei. Malka und ich sind unverschämter Weise nicht gefragt worden, ob wir diese Reise antreten wollen. Mum und Dad haben uns einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich hätte mit Sicherheit dagegen gestimmt.

Ich mag Deutschland. Eigentlich. Natürlich gibt es auch Dinge, die ich nicht mag. Was mich besonders wütend macht, ist die ständige Frage, woher ich komme oder warum ich so gut Deutsch spreche. Warum kann man nicht deutsch sein, wenn man eine dunklere Hautfarbe hat als andere? Wenn die Menschen schließlich feststellen, dass ich Deutsche bin, tun sie erstaunt, nach dem Motto: So etwas gibt es? Mittlerweile warte ich kaum noch ihre nächste Frage ab, die sowieso meistens lautet: „Und woher kommen deine Eltern?“.

Strahlend lächelnd, doch gleichzeitig mit voller Ernsthaftigkeit erkläre ich stets: „Ich bin so braun, weil ich zu viel Schokolade gegessen habe.“

Dabei funkeln meine Augen. Schalkhaft. Voller Herausforderung.

Egal ob groß oder klein, jung oder alt, schön oder hässlich, diese Antwort lässt die Fragenden erstaunt verstummen. Vor mir stehen sie dann mit geöffnetem Mund, hochgezogenen Augenbrauen oder weit aufgerissenen Augen. Bis sich nach endlosen Sekunden ein verlegenes Lächeln, ein schallendes Gelächter oder ein verärgerter Blick bei meinem Gegenüber einstellt. Dabei finde ich: Wer merkwürdige Fragen stellt, bekommt auch merkwürdige Antworten.

„Südafrika … Afrika … der schwarze Kontinent“ murmelt Mum leise vor sich hin, als sie mit hypnotischem Blick aus dem Fenster starrt, während sie ihre Kapuzenpullis zusammenlegt.

„Für mich ist Südafrika ein riesengroßer, weicher, sonniger Softball mitten in meinem Körper“, trällere ich freudig, als ich in Mums Zimmer hüpfe.

Gleichzeitig merke ich, wie sich mein Magen zusammenzieht, als hätte ich einen großen schwarzen Stein verschluckt. Ich halte meinen Bauch, während ich mich gekrümmt wie eine vertrocknete Palme neben Mum auf das Bett fallen lasse und in Richtung Fenster schaue.

„So ist es für mich mit Afrika, mit Südafrika, aber auch mit Zimbabwe: Leichtigkeit, Wärme und Sonne auf der einen Seite und Schwere, Kokosnüsse und Vulkane auf der anderen. Mitten in meinem Magen“, flüstert Mum mit gedämpfter Stimme. Sie blickt mich sorgenvoll an.

Auch mir ist Südafrika nicht fremd, es ist vielmehr wie eine zweite Heimat für mich. Bereits früher habe ich Mum auf ihren Forschungsreisen in die unterschiedlichsten afrikanischen Länder begleitet. Dads Verwandtschaft habe ich auch besucht. Aber dieses Mal ist es anders, denn wir werden erst einmal nicht nach Deutschland zurückkehren. Wir werden bleiben.

„Ich werde nicht viel mitnehmen: einen Koffer und das alte Zelt, mit dem ich im Garten gezeltet habe“, verkünde ich.

„Und ich werde sicherlich nicht auf meinen großen, alten Tramperrucksack verzichten“, fügt Mum melancholisch hinzu, während unsere Blicke über die Klamottenberge wandern.

„Du meinst, das Exemplar aus dem letzten Jahrhundert?“, frage ich mit einem breiten Grinsen, das von einem Ohr zum anderen reicht.

„Er erinnert mich an alte Zeiten“, sagt Mum verträumt: „Er erinnert mich ans Trampen, an wilde Partys, Zeltlager und Hausbesetzungen …“. Während Mum in Gedanken an früher schwelgt, entschwinde ich langsam aus dem Zimmer.

„Auch ich werde nicht viel mitnehmen“, spreche ich vor mich hin. „Nur das Wichtigste: und das ist Malka.“

Seit meinem dritten Lebenjahr ist Malka Teil unserer Familie. Für Südafrika ist sie die Einzige, die eine Einfuhrgenehmigung braucht. Als Hund muss sie zum Amtstierarzt, um eine Bescheinigung über ihren Gesundheitszustand und ihren Impfstatus zu bekommen. Ansonsten brauchen nur meine Großeltern einen Arzt. Seit meine Eltern entschieden haben auszuwandern, rufen Oma und Opa dreimal täglich an und reden über Herzinfarkte, Nervenzusammenbrüche und Magengeschwüre. Meine Mutter spricht hingegen von Altersstarrsinn, dem Verlust von Erinnerungsvermögen und altersbedingter Orientierungs- und Urteilslosigkeit. Dad explodiert förmlich, wenn Mum so über Oma und Opa spricht. Wenn man Dad auf die Palme bringen will, muss man nur schlecht über andere reden. Das regt ihn so sehr auf, dass er anfängt, mit uns auf Shona zu sprechen. Er ist fest davon überzeugt, dass alles, was man denkt und sagt, zu einer Person doppelt und dreifach zurückkommt. Gutes und Schlechtes. Manchmal auf Umwegen und manchmal ganz direkt.

Ich denke oft an das Elefantenwolkenauge. Ob es wohl zu mir zurückkommt? Aber wie, wenn wir nicht mehr zum Ort der vier heiligen Elefanten gehen können? Plötzlich höre ich Mums Stimme: „Natürlich, mein Schatz! Elefantenwolkenaugen gibt es auch in Südafrika.“ Als ich mich umdrehe, um mit Mum zu sprechen, stelle ich fest, dass ich allein in meinem Zimmer bin. Mir bleibt der Mund offen stehen. Leide ich mittlerweile an Halluzinationen?