INHALT
Gebrauchsanweisung
Erklärt unsere Welt
Das Weltentstehungsmodell
Das Ende-der-Geschichte-Modell
Das »Is the New«-Modell
Das 3 T-Modell
Das Rhizom-Modell
Das Back-of-the-Napkin-Modell
Das Globalisierungsmodell
Das Braess-Paradoxon
Das Boom-Bust-Modell
Das Finanzkrisenmodell
Das Korruptionsmodell
Das Herrschaftsmodell
Das Pioneer-Modell
Das 3+1-Modell
Das Wissenschaftsmodell
Erklärt Meine Welt
Das Monogamie-Modell
Das Sinn-des-Lebens-Modell
Das Erziehungsmodell
Das Vorurteilsmodell
Das Markenmodell
Das Counter-Culture-Modell
Das Jumping-the-Shark-Modell
Das Othering-Modell
Das TV-Serien-Modell
Das Zitierautoritäten-Modell
Verändert Meine Welt
Das Entscheidungsmodell
Das Multitasking-Modell
Das Nachhaltigkeitsmodell
Das Un-Glücks-Modell
Das Change-Modell
Das Grundeinkommen-Modell
Die Latte-Macchiato-These
Das Web 2.0-Modell
Das Investment-Modell
Das Sterbemodell
Das Objektivitätsmodell
Verändert unsere welt
Das G-0-Modell
Das Transparenz-Modell
Das Diktatoren-Modell
Das Schwarmintelligenz-Modell
Das Religionsmodell
Das Präemptionsmodell
Das Klimakatastrophen-Modell
Das Innovationsmodell
Der Hype-Cycle
Der Kondratieff-Zyklus
Moores Gesetz
Das Singularitätsmodell
Das Genetifizierungsmodell
Das Zukunftsmodell
Das Weltuntergangsmodell
ANHANG
Das Anti-Change-Modell
Modellschule
Quellenverzeichnis und Bildnachweise
Dank
Schlussbemerkung
Die Autoren und Zeichner
Ebenfalls von Roman Tschäppeler und Mikael Krogerus

Gebrauchsanweisung

WORUM ES GEHT

Dieses Buch handelt von Veränderungen. Von den kleinen, scheinbar bedeutungslosen des Alltags und von den großen, unbegreiflichen der Weltgeschichte. Und es handelt von dem schleichenden Gefühl, dass es an uns ist, etwas zu tun. Doch wer verändern will, muss zuerst verstehen.

Warum haben wir immer weniger Zeit? Wieso ist alles so kompliziert geworden? Ist die Demokratie das richtige System? Wer regiert die Welt? Warum gehen wir fremd? Wieso ist das Fliegen so billig geworden?

Wir haben für dieses Buch Experten aufgesucht, Theorien studiert und Wissen hinterfragt. Wir wollten einige der grundlegenden Umwälzungen verstehen, einordnen – und darstellen. Das Ergebnis ist ein visueller Reiseführer durch unsere Zeit. Eine Zusammenstellung praktischer Modelle, handfester Theorien und gewagter Gedankenexperimente, die unsere Welt erklären. Die 52 Modelle sind natürlich nur eine Auswahl. Nicht alle sind von letztem Ernst. Und es sind keine vollständigen Darstellungen der Theorien, sondern 52 Stichwortgeber, Denkanstöße, Appetitanreger.

Dieses Buch ist der Versuch, Theorien auf engstem Raum in eine verständliche Sprache zu übersetzen. Will man etwas erklären, muss man sich beschränken. Erwarten Sie also keine akademischen Abhandlungen und auch keine modischen Infografiken. Freuen Sie sich vielmehr auf überraschend einfache Erklärungen für unsere unerklärliche Welt in einem Buch, bei dem man nie weiß, was auf der nächsten Seite passieren wird.

WARUM MODELLE?

Unsere Wahrnehmung geht von Bild zu Text. Wir erinnern Zeichnungen besser als Worte, erkennen Muster eher in Darstellungen als in Sätzen. Deshalb wird in der Wissenschaft häufig versucht, die Komplexität der Wirklichkeit mit wenigen Strichen in Zusammenhänge zu stellen. Doch nicht zu allen Denkansätzen gab es auch Modelle. Zusammen mit dem Norweger Dag Grødal, der hauptberuflich die Veränderungsprozesse einer großen skandinavischen Bank visualisiert, haben wir deshalb zu jenen Theorien, zu denen wir keine Abbildungen fanden, Darstellungen entwickelt. Es sind Skizzen unserer Zeit. Versuche, mit Bildern zu erklären, was man in Worten nicht fassen kann.

Bei der Suche nach Modellen, die unsere Welt in Veränderungen erklären, wurde schnell klar, dass wir auch unsere Vorstellung von Veränderung verändern müssen. Veränderung beschreibt, anders als das Change-Management uns gerne glauben machen will, keine zeitlich begrenzte Übergangsphase von einem Zustand in einen anderen. Die Idee des Seins muss vielmehr ersetzt werden durch die Idee des Werdens. »Becoming« heißt das im Akademiker-Englisch und meint die paradoxe Gleichzeitigkeit von Stillstand und Wandel.

ANWENDUNG

Frei nach dem Philosophen Michel Foucault sagen wir: Dieses Buch ist eine kleine Werkzeugkiste. Die Modelle sind Zollstöcke, Schraubenzieher, Hammer, Bohrer, Wasserwaagen, mit denen Sie Ihre Welt vermessen, auseinanderschrauben, verändern, neu zusammensetzen können. Sie können die Kiste aufmachen und diesen oder jenen Satz, dieses oder jenes Modell herausnehmen und als Werkzeug benutzen, um die Vorstellungen, die Sie von der Welt haben, in ihre einzelnen Teile zu zerlegen. Einschließlich jener Vorstellungen, aus denen dieses Buch hervorgegangen ist.

Es gibt nichts, was man nicht erklären kann.

Dieses Buch

Erklärt unsere Welt

Das Weltentstehungsmodell

Wie alles begann

Wie alles begann

Wie die Welt entstanden ist, war schon immer Gegenstand hitziger Debatten. Welche Version sagt Ihnen zu?

Das Ende-der-Geschichte-Modell

Was passiert, wenn nichts mehr passiert?

Es gibt eine ganze Reihe Theorien, die sich direkt oder indirekt der Frage widmen: Was ist der Motor der Geschichte?

Thomas Hobbes glaubte an den Selbsterhaltungstrieb, Adam Smith an das Eigeninteresse, Karl Marx an den Klassenkampf. Georg Wilhelm Friedrich Hegel sagte, die Lokomotive, die uns von der frühzeitlichen Stammesgesellschaft über die Knechtschaft bis zur Demokratie führte, sei der »Kampf um Anerkennung«. Seiner Geschichtsphilosophie zufolge geht es in der historischen Entwicklung um die Anerkennung des Individuums. Die Geschichte endet in einem Zustand ohne politische Widersprüche, in dem das Bedürfnis der Menschen nach Anerkennung befriedigt ist: im liberalen demokratischen Staat. (Karl Marx hatte einen ähnlichen Ansatz, die von ihm beschriebene Entwicklung hat jedoch ein anderes Ziel: die kommunistische, klassenlose Gesellschaft, in der nicht Anerkennung das Schlüsselwort ist, sondern Umverteilung.) Hegel glaubte, das Ende der Geschichte sei 1806 erreicht worden, als Napoleon die Preußen bei Jena schlug und damit den Triumph der Französischen Revolution über die Aristokratie markierte. Auch Friedrich Nietzsche bezog sich auf Hegel. Er nannte die Person, die jene Hegel’sche Anerkennung erhalte, den »letzten Menschen«: »Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich: Man ist klug und weiß alles (…), man ehrt die Gesundheit. ›Wir haben das Glück erfunden‹, sagen die letzten Menschen und blinzeln.«

In den 1990ern griff der Politologe Francis Fukuyama die Idee vom Ende der Geschichte auf und proklamierte, dieses sei mit dem Ende des Kalten Krieges eingetroffen, weil nur noch ein System existiere: der liberale Kapitalismus. Er bekam viel Gegenwind. Die Anschläge vom 11. September nannten seine Kritiker »das Ende vom Ende der Geschichte«. Am deutlichsten widerlegt wurde Fukuyama durch die Tatsache, dass Großmächte wie Russland und China nach wie vor autoritäre Herrschaftssysteme sind, die mit liberaler Demokratie wenig gemein haben und trotzdem dank des Kapitalismus mächtig werden.

Fukuyama verteidigte seinen Standpunkt, indem er darauf hinwies, dass die jüngste Finanzkrise zu keinen grundlegenden Änderungen in der kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung geführt habe und dass jüngere Revolutionen – wie etwa die im arabischen Raum – nach westlichen liberalen Werten strebten. Kurz: Die Geschichte sei noch immer zu Ende.

Und was jetzt? Fukuyama prophezeite für die Zeit nach dem Ende der Geschichte eine große Langeweile. Das furchtbare Gefühl, dass in einer Welt ohne Widersprüche, in der alles möglich ist, nichts von Wert sei. Welche Folgen sind denkbar?

»Es ist völlig falsch zu denken, die (arabischen) Revolutionäre wollten den gleichen liberalen Kapitalismus wie der Westen. Sie wollen mehr.« Slavoj Žižek

Stadien der Gesellschaftsentwicklung

Das Bild zeigt die Stadien der Gesellschaftsentwicklung von den ersten Stämmen bis zur Demokratie. Was war der Motor dieses Fortschritts?

Das »Is the New«-Modell

Warum X das neue Y ist

Warum X das neue Y ist

Für dieses Modell wurden bei Google auf Englisch Variationen des Satzes »x is the new …« eingegeben (z. B. »Green is the new …« oder »Bin Laden is the new …«). Sie sehen eine zufällige Auswahl.

Das 3 T-Modell

Warum Städte die neuen Nationen sind

2002 vertrat der Urbanist Richard Florida eine erstaunliche These: People follow jobs? Das war gestern. Heute gilt: Jobs follow people. Folglich gibt es im 21. Jahrhundert einen Kampf um Kreative, da Wachstum und Kreativität eng miteinander verbunden sind. Und gewinnen werden diesen Kampf nicht Nationen, sondern Städte und Regionen, in denen die »3 Ts« zusammenkommen:

Wir ergänzen die »3 Ts« noch um ein viertes:

Time-Perspective: Florida sagt auch: Kreativität wird stimuliert durch Austausch, sie findet statt in Gemeinschaften und an realen Orten. Es reicht also nicht, einen Haufen Kreativer zusammenzuwerfen, sie auszusaugen und dann neue zu holen. Kreativität entsteht nicht in Skype-Konferenzen. Kreativität entsteht durch Beziehungen zwischen Menschen. Wenn ein Unternehmen seine Angestellten mehrere Jahre binden kann, entsteht Vertrauen, entsteht Toleranz, entsteht Kreativität. Dasselbe gilt übrigens auch für Beziehungen zu Städten oder Regionen.

Wo haben Sie bislang gearbeitet? Wo würden Sie gern leben?

»4 T«-Orte

»4 T«-Orte: San Francisco, Kopenhagen, Portland, München.

Das Rhizom-Modell

Wie Sie alles in Frage stellen können

Die meisten Welterklärungsmodelle der Menschheitsgeschichte gehen von der Vorstellung aus, dass es einen Kern gibt, einen Moment, einen Ursprung, einen Anfang, eine Wurzel, von dem oder der aus sich alles linear entwickelte. Zuerst lebten wir in Höhlen, entdeckten das Feuer, erfanden dann das Rad, die Demokratie, die Aufklärung, Menschenrechte, den Mikrochip. Bildlich wird diese Entwicklung oft als Baum dargestellt mit Wurzeln, einem Stamm und Ästen, die zum Licht streben – doch so viele Verästelungen es auch gibt, alles lässt sich bis zu einem gemeinsamen Anfangspunkt zurückverfolgen. Dieses klassische epistemologische Modell, auch »Baum des Lebens« genannt, liegt der gesamten abendländischen Geistesgeschichte zugrunde: von Platons Dihairese und John Stuart Mills Homo oeconomicus über Freuds Ödipus-Komplex, der erklärt, dass alle psychischen Zustände auf ein traumatisches Moment zurückzuführen sind – die Trennung des Kindes von der Mutter – bis zu Chomskys Satz-Baum.