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Johannes Krüger

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse

 


Impressum

Covergestaltung:      Johannes Krüger

Bearbeitung:             Johannes Krüger

Digitalisierung:      Gunter Pirntke

Herausgeber:      BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke

ISBN:                   9783955016913

2014 andersseitig.de



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 Vorrede zur ersten Ausgabe

Das Bedürfnis, meinen Zuhörern einen Leitfaden zu meinen philosophischen Vorlesungen in die Hände zu geben, ist die nächste Veranlassung, daß ich diese Übersicht des gesamten Umfanges der Philosophie früher ans Licht treten lasse, als mein Gedanke gewesen wäre.

Die Natur eines Grundrisses schließt nicht nur eine erschöpfendere Ausführung der Ideen ihrem Inhalte nach aus, sondern beengt insbesondere auch die Ausführung ihrer systematischen Ableitung, welche das enthalten muß, was man sonst unter dem Beweise verstand und was einer wissenschaftlichen Philosophie unerläßlich ist. Der Titel sollte teils den Umfang eines Ganzen, teils die Absicht anzeigen, das Einzelne dem mündlichen Vortrage vorzubehalten.

Bei einem Grundrisse kommt aber dann mehr bloß eine äußerliche Zweckmäßigkeit der Anordnung und Einrichtung in Betrachtung, wenn es ein schon vorausgesetzter und bekannter Inhalt ist, der in einer absichtlichen Kürze vorgetragen werden soll. Indem gegenwärtige Darstellung nicht in diesem Falle ist, sondern eine neue Bearbeitung der Philosophie nach einer Methode aufstellt, welche noch, wie ich hoffe, als die einzig wahrhafte, mit dem Inhalt identische anerkannt werden wird, so hätte ich es derselben dem Publikum gegenüber für vorteilhafter halten können, wenn mir die Umstände erlaubt hätten, eine ausführlichere Arbeit über die anderen Teile der Philosophie vorangehen zu lassen, dergleichen ich über den ersten Teil des Ganzen, die Logik, dem Publikum übergeben habe. Ich glaube übrigens, obgleich in gegenwärtiger Darstellung die Seite, wonach der Inhalt der Vorstellung und der empirischen Bekanntschaft näherliegt, beschränkt werden mußte, in Ansehung der Übergänge, welche nur eine durch den Begriff zu geschehende Vermittlung sein können, so viel bemerklich gemacht zu haben, daß sich das Methodische des Fortgangs hinreichend sowohl von der nur äußerlichen Ordnung, welche die anderen Wissenschaften aufsuchen, als auch von einer in philosophischen Gegenständen gewöhnlich gewordenen Manier unterscheidet, welche ein Schema voraussetzt und damit die Materien ebenso äußerlich und noch willkürlicher, als die erste Weise tut, parallelisiert und, durch den sonderbarsten Mißverstand, der Notwendigkeit des Begriffs mit Zufälligkeit und Willkür der Verknüpfungen Genüge geleistet haben will.

Dieselbe Willkür sahen wir auch sich des Inhalts der Philosophie bemächtigten, auf Abenteuer des Gedankens ausziehen und dem echtgesinnten und redlichen Streben eine Zeitlang imponieren, sonst aber auch für eine selbst bis zur Verrücktheit gesteigerte Aberwitzigkeit gehalten werden. Statt des Imposanten oder Verrückten ließ der Gehalt eigentlicher und häufiger wohlbekannte Trivialitäten, sowie die Form die bloße Manier eines absichtlichen, methodischen und leicht zu habenden Witzes barocker Verknüpfungen und einer erzwungenen Verschrobenheit, sowie überhaupt hinter der Miene des Ernstes Betrug gegen sich und gegen das Publikum erkennen. Auf der andern Seite sahen wir dagegen die Seichtigkeit den Mangel an Gedanken zu einem sich selbst klugen Skeptizismus und vernunftbescheidenen Kritizismus stempeln und mit der Leerheit an Ideen in gleichem Grade ihren Dünkel und Eitelkeit steigern. – Diese beiden Richtungen des Geistes haben eine geraume Zeit den deutschen Ernst geäfft, dessen tieferes philosophisches Bedürfnis ermüdet und eine Gleichgültigkeit, ja sogar eine solche Verachtung gegen die Wissenschaft der Philosophie zur Folge gehabt, daß nun auch eine sich so nennende Bescheidenheit über das Tiefste der Philosophie mit- und absprechen und demselben die vernünftige Erkenntnis, deren Form man ehemals unter den Beweisen begriff, abzuleugnen sich herausnehmen zu dürfen meint.

Die erste der berührten Erscheinungen kann zum Teil als die jugendliche Lust der neuen Epoche angesehen werden, welche im Reiche der Wissenschaft wie in dem politischen aufgegangen ist. Wenn diese Lust die Morgenröte des verjüngten Geistes mit Taumel begrüßte und ohne tiefere Arbeit gleich an den Genuß der Idee ging und in den Hoffnungen und Aussichten, welche diese darbot, eine Zeitlang schwelgte, so versöhnt sie leichter mit ihren Ausschweifungen, weil ihr ein Kern zugrunde liegt und der oberflächliche Dunst, den sie um denselben ausgegossen, sich von selbst verziehen muß. Die andere Erscheinung aber ist widriger, weil sie die Ermattung und Kraftlosigkeit zu erkennen gibt und sie mit einem die philosophischen Geister aller Jahrhunderte meisternden, sie und am meisten sich selbst mißkennenden Dünkel zu bedecken strebt.

Um so erfreulicher ist aber wahrzunehmen und noch zu erwähnen, wie sich gegen beides das philosophische Interesse und die ernstliche Liebe der höheren Erkenntnis unbefangen und ohne Eitelkeit erhalten hat. Wenn dies Interesse sich mitunter mehr auf die Form eines unmittelbaren Wissens und des Gefühls warf, so beurkundet es dagegen den inneren, weitergehenden Trieb vernünftiger Einsicht, welche allein dem Menschen seine Würde gibt, dadurch am höchsten, daß ihm selbst jener Standpunkt nur als Resultat philosophischen Wissens wird, somit dasjenige von ihm als Bedingung wenigstens anerkannt ist, was es zu verschmähen scheint. – Diesem Interesse am Erkennen der Wahrheit widme ich diesen Versuch, eine Einleitung oder Beitrag zu seiner Zufriedenheit zu liefern; ein solcher Zweck möge ihm eine günstige Aufnahme verschaffen.

Heidelberg, im Mai 1817

 

Vorrede zur zweiten Ausgabe

Der geneigte Leser wird in dieser neuen Ausgabe mehrere Teile umgearbeitet und in nähere Bestimmungen entwickelt finden; dabei bin ich bemüht gewesen, das Formelle des Vertrags zu mildern und zu mindern, auch durch weitläuftigere exoterische Anmerkungen abstrakte Begriffe dem gewöhnlichen Verständnisse und den konkreteren Vorstellungen von denselben näherzurücken. Die gedrängte Kürze, welche ein Grundriß nötig macht, in ohnehin abstrusen Materien, läßt aber dieser zweiten Auflage dieselbe Bestimmung, welche die erste hatte, zu einem Vorlesebuch zu dienen, das durch mündlichen Vortrag seine nötige Erläuterung zu erhalten hat. Der Titel einer Enzyklopädie sollte zwar anfänglich einer minderen Strenge der wissenschaftlichen Methode und einem äußerlichen Zusammenstellen Raum lassen; allein die Natur der Sache bringt es mit sich, daß der logische Zusammenhang die Grundlage bleiben mußte.

Es wären nur zu viele Veranlassungen und Anreizungen vorhanden, die es erforderlich zu machen schienen, mich über die äußere Stellung meines Philosophierens zu geistigen und geistlosen Betrieben der Zeitbildung zu erklären, was nur auf eine exoterische Weise, wie in einer Vorrede, geschehen kann; denn diese Betriebe, ob sie sich gleich ein Verhältnis zu der Philosophie geben, lassen sich nicht wissenschaftlich, somit überhaupt nicht in dieselbe ein, sondern führen von außen her und draußen ihr Gerede. Es ist mißliebig und selbst mißlich, sich auf solchen der Wissenschaft fremden Boden zu begeben, denn solches Erklären und Erörtern fördert dasjenige Verständnis nicht, um welches es allein zur wahrhaften Erkenntnis zu tun sein kann. Aber einige Erscheinungen zu besprechen mag nützlich oder vonnöten sein.

Worauf ich überhaupt in meinen philosophischen Bemühungen hingearbeitet habe und hinarbeite, ist die wissenschaftliche Erkenntnis der Wahrheit. Sie ist der schwerste Weg, aber der allein Interesse und Wert für den Geist haben kann, wenn dieser einmal auf den Weg des Gedankens sich begeben, auf demselben nicht in das Eitle verfallen ist, sondern den Willen und den Mut der Wahrheit sich bewahrt hat; er findet bald, daß die Methode allein den Gedanken zu bändigen und ihn zur Sache zu führen und darin zu erhalten vermag. Ein solches Fortführen erweist sich, selbst nichts anderes als die Wiederherstellung desjenigen absoluten Gehalts zu sein, über welchen der Gedanke zunächst hinausstrebte und sich hinaussetzte, aber eine Wiederherstellung in dem eigentümlichsten, freisten Elemente des Geistes.

Es ist ein unbefangener, dem Anschein nach glücklicher Zustand noch nicht gar lange vorüber, wo die Philosophie Hand in Hand mit den Wissenschaften und mit der Bildung ging, eine mäßige Verstandesaufklärung sich mit dem Bedürfnisse der Einsicht und mit der Religion zugleich zufriedenstellte, ebenso ein Naturrecht sich mit Staat und Politik vertrug und empirische Physik den Namen natürlicher Philosophie führte. Der Friede war aber oberflächlich genug, und insbesondere jene Einsicht stand mit der Religion wie dieses Naturrecht mit dem Staat in der Tat in innerem Widerspruch. Es ist dann die Scheidung erfolgt, der Widerspruch hat sich entwickelt; aber in der Philosophie hat der Geist die Versöhnung seiner mit sich selbst gefeiert, so daß diese Wissenschaft nur mit jenem Widerspruche selbst und mit dessen Übertünchung im Widerspruche ist. Es gehört zu den üblen Vorurteilen, als ob sie sich im Gegensatz befände gegen eine sinnige Erfahrungskenntnis, die vernünftige Wirklichkeit des Rechts und eine unbefangene Religion und Frömmigkeit; diese Gestalten werden von der Philosophie anerkannt, ja selbst gerechtfertigt; der denkende Sinn vertieft sich vielmehr in deren Gehalt, lernt und bekräftigt sich an ihnen wie an den großen Anschauungen der Natur, der Geschichte und der Kunst; denn dieser gediegene Inhalt ist, sofern er gedacht wird, die spekulative Idee selbst. Die Kollision gegen die Philosophie tritt nur insofern ein, als dieser Boden aus seinem eigentümlichen Charakter tritt und sein Inhalt in Kategorien gefaßt und von solchen abhängig gemacht werden soll, ohne dieselben bis zum Begriff zu führen und zur Idee zu vollenden.

Das wichtige negative Resultat, in welchem sich der Verstand der allgemeinen wissenschaftlichen Bildung befindet, daß auf dem Wege des endlichen Begriffs keine Vermittlung mit der Wahrheit möglich sei, pflegt nämlich die entgegengesetzte Folge von der zu haben, welche unmittelbar darin liegt. Jene Überzeugung hat nämlich das Interesse an der Untersuchung der Kategorien und die Aufmerksamkeit und Vorsicht in der Anwendung derselben vielmehr aufgehoben, statt die Entfernung der endlichen Verhältnisse aus dem Erkennen zu bewirken; der Gebrauch derselben ist, wie in einem Zustande der Verzweiflung, nur um so unverhohlener, bewußtloser und unkritischer geworden. Aus dem Mißverstande, daß die Unzureichendheit der endlichen Kategorien zur Wahrheit die Unmöglichkeit objektiver Erkenntnis mit sich bringe, wird die Berechtigung, aus dem Gefühle und der subjektiven Meinung zu sprechen und abzusprechen, gefolgert, und an die Stelle des Beweisens treten Versicherungen und die Erzählungen von dem, was sich in dem Bewußtsein für Tatsachen vorfinden, welches für um so reiner gehalten wird, je unkritischer es ist. Auf eine so dürre Kategorie, wie die Unmittelbarkeit ist, und ohne sie weiter zu untersuchen, sollen die höchsten Bedürfnisse des Geistes gestellt und durch sie entschieden sein. Man kann, besonders wo religiöse Gegenstände abgehandelt werden, finden, daß dabei ausdrücklich das Philosophieren beiseite gelegt wird, als ob hiermit alles Übel verbannt und die Sicherung gegen Irrtum und Täuschung erlangt wäre, und dann wird die Untersuchung der Wahrheit aus irgendwoher gemachten Voraussetzungen und durch Räsonnement veranstaltet, d. i. im Gebrauch der gewöhnlichen Denkbestimmungen von Wesen und Erscheinung, Grund und Folge, Ursache und Wirkung und so fort, und in dem üblichen Schließen nach diesen und den anderen Verhältnissen der Endlichkeit vorgenommen. »Den Bösen sind sie los, das Böse ist geblieben «, und das Böse ist neunmal schlimmer als vorher, weil sich ihm ohne allen Verdacht und Kritik anvertraut wird; und als ob jenes Übel, das entfernt gehalten wird, die Philosophie, etwas anderes wäre als die Untersuchung der Wahrheit, aber mit Bewußtsein über die Natur und den Wert der allen Inhalt verbindenden und bestimmenden Denkverhältnisse.

Das schlimmste Schicksal hat dabei die Philosophie selbst unter jenen Händen zu erfahren, wenn sie sich mit ihr zu tun machen und sie teils auffassen, teils beurteilen. Es ist das Faktum der physischen oder geistigen, insbesondere auch der religiösen Lebendigkeit, was durch jene es zu fassen unfähige Reflexion verunstaltet wird. Dieses Auffassen hat jedoch für sich den Sinn, erst das Faktum zu einem Gewußten zu erheben, und die Schwierigkeit liegt in diesem Übergange von der Sache zur Erkenntnis, welcher durch Nachdenken bewirkt wird. Diese Schwierigkeit ist bei der Wissenschaft selbst nicht mehr vorhanden. Denn das Faktum der Philosophie ist die schon zubereitete Erkenntnis, und das Auffassen wäre hiermit nur ein Nachdenken in dem Sinne eines nachfolgenden Denkens; erst das Beurteilen erforderte ein Nachdenken in der gewöhnlichen Bedeutung. Allein jener unkritische Verstand beweist sich ebenso ungetreu im nackten Auffassen der bestimmt ausgesprochenen Idee, er hat so wenig Arges oder Zweifel an den festen Voraussetzungen, die er enthält, daß er sogar unfähig ist, das bare Faktum der philosophischen Idee nachzusprechen. Dieser Verstand vereinigt wunderbarerweise das Gedoppelte in sich, daß ihm an der Idee die völlige Abweichung und selbst der ausdrückliche Widerspruch gegen seinen Gebrauch der Kategorien auffällt und daß ihm zugleich kein Verdacht kommt, daß eine andere Denkweise vorhanden sei und ausgeübt werde als die seinige und er hiermit anders als sonst denkend sich hier verhalten müsse. Auf solche Weise geschieht es, daß sogleich die Idee der spekulativen Philosophie in ihrer abstrakten Definition festgehalten wird, in der Meinung, daß eine Definition für sich klar und ausgemacht erscheinen müsse und nur an vorausgesetzten Vorstellungen ihren Regulator und Prüfstein habe, wenigstens in der Unwissenheit, daß der Sinn wie der notwendige Beweis der Definition allein in ihrer Entwicklung und darin liegt, daß sie aus dieser als Resultat hervorgeht. Indem nun näher die Idee überhaupt die konkrete, geistige Einheit ist, der Verstand aber darin besteht, die Begriffsbestimmungen nur in ihrer Abstraktion und damit in ihrer Einseitigkeit und Endlichkeit aufzufassen, so wird jene Einheit zur abstrakten geistlosen Identität gemacht, in welcher hiermit der Unterschied nicht vorhanden, sondern alles eins, unter anderem auch das Gute und Böse einerlei sei. Für spekulative Philosophie ist daher der Name Identitätssystem, Identitätsphilosophie bereits zu einem rezipierten Namen geworden. Wenn jemand sein Glaubensbekenntnis ablegte: »Ich glaube an Gott den Vater, den Schöpfer Himmels und der Erde«, so würde man sich wundern, wenn ein anderer schon aus diesem ersten Teile herausbrächte, daß der Bekenner an Gott den Schöpfer des Himmels glaube, also die Erde für nicht geschaffen, die Materie für ewig halte. Das Faktum ist richtig, daß jener in seinem Bekenntnis ausgesprochen hat, er glaube an Gott den Schöpfer des Himmels, und doch ist das Faktum, wie es vom anderen aufgefaßt worden, vollkommen falsch; so sehr, daß dies Beispiel für unglaublich und für trivial angesehen werden muß. Und doch ist der Fall mit dem Auffassen der philosophischen Idee diese gewaltsame Halbierung, so daß, um es nicht mißverstehen zu können, wie die Identität, welche der Versicherung nach das Prinzip der spekulativen Philosophie sei, beschaffen sei, die ausdrückliche Belehrung und respektive Widerlegung folgt, etwa daß das Subjekt vom Objekt verschieden sei, angleichen das Endliche vom Unendlichen usf., als ob die konkrete geistige Einheit in sich bestimmungslos wäre und nicht selbst den Unterschied in sich enthielte, als ob irgendein Mensch es nicht wüßte, daß das Subjekt von dem Objekte, das Unendliche von dem Endlichen verschieden sei, oder die Philosophie, in ihre Schulweisheit sich vertiefend, daran zu erinnern wäre, daß es außer der Schule die Weisheit gebe, welcher jene Verschiedenheit etwas Bekanntes sei.

Indem die Philosophie in Beziehung auf die ihr nicht bekannt sein sollende Verschiedenheit bestimmter so verunglimpft wird, daß in ihr damit auch der Unterschied des Guten und Bösen wegfalle, so pflegt gern die Billigkeit und Großmut geübt zu werden, daß zugestanden wird, ›daß die Philosophen in ihren Darstellungen die verderblichen Folgerungen, die mit ihrem Satze verbunden seien, nicht immer ( – also doch vielleicht auch deswegen nicht, weil diese Folgerungen nicht ihnen angehören -) entwickeln‹1. Die Philosophie muß diese Barmherzigkeit, die man ihr angedeihen lassen will, verschmähen, denn sie bedarf derselben ebensowenig zur moralischen Rechtfertigung, als es ihr an der Einsicht in die wirklichen Konsequenzen ihrer Prinzipien gebrechen kann und sowenig sie es an den ausdrücklichen Folgerungen ermangeln läßt. Ich will jene angebliche Folgerung, nach welcher die Verschiedenheit von Gut und Böse zu einem bloßen Scheine gemacht werden soll, kurz beleuchten, mehr um ein Beispiel der Hohlheit solchen Auffassens der Philosophie zu geben, als diese zu rechtfertigen. Wir wollen zu diesem Behuf selbst nur den Spinozismus vornehmen, die Philosophie, in welcher Gott nur als Substanz und nicht als Subjekt und Geist bestimmt wird. Dieser Unterschied betrifft die Bestimmung der Einheit; hierauf kommt es allein an, doch wissen von dieser Bestimmung, obgleich sie Faktum ist, diejenigen nichts, welche die Philosophie Identitätssystem zu nennen pflegen und gar den Ausdruck gebrauchen mögen, daß nach derselben alles eins und dasselbe, auch Gut und Böse gleich sei, – welches alles die schlechtesten Weisen der Einheit sind, von welchen in spekulativer Philosophie die Rede nicht sein, sondern nur ein noch barbarisches Denken bei Ideen Gebrauch machen kann. Was nun die Angabe betrifft, daß in jener Philosophie an sich oder eigentlich die Verschiedenheit von Gut und Böse nicht gelte, so ist zu fragen, was denn dies »eigentlich« heiße? Heißt es die Natur Gottes, so wird doch nicht verlangt werden, daß in dieselbe das Böse verlegt werde; jene substantielle Einheit ist das Gute selbst; das Böse ist nur Entzweiung; in jener Einheit ist hiermit nichts weniger als eine Einerleiheit des Guten und des Bösen, das letztere vielmehr ausgeschlossen. Damit ist in Gott als solchem ebensowenig der Unterschied von Gut und Böse; denn dieser Unterschied ist nur im Entzweiten, einem solchen, in welchem das Böse selbst ist. Weiter kommt nun im Spinozismus auch der Unterschied vor: der Mensch verschieden von Gott. Das System mag nach dieser Seite theoretisch nicht befriedigen; denn der Mensch und das Endliche überhaupt, mag es nachher auch zum Modus herabgesetzt werden, findet sich in der Betrachtung nur neben der Substanz ein. Hier nun, im Menschen, wo der Unterschied existiert, ist es, daß derselbe auch wesentlich als der Unterschied des Guten und Bösen existiert, und hier nur ist es, wo er eigentlich ist, denn hier ist nur die eigentümliche Bestimmung desselben. Hat man beim Spinozismus nur die Substanz vor Augen, so ist in ihr freilich kein Unterschied des Guten und Bösen, aber darum, weil das Böse, wie das Endliche und die Welt überhaupt (s. § 50 Anm. S. 132), auf diesem Standpunkte gar nicht ist. Hat man aber den Standpunkt vor Augen, auf welchem in diesem Systeme auch der Mensch und das Verhältnis des Menschen zur Substanz vorkommt und wo nur das Böse im Unterschied desselben vom Guten seine Stelle haben kann, so muß man die Teile der Ethik nachgesehen haben, welche von demselben, von den Affekten, der menschlichen Knechtschaft und der menschlichen Freiheit handeln, um von den moralischen Folgerungen des Systems erzählen zu können. Ohne Zweifel wird man sich von der hohen Reinheit dieser Moral, deren Prinzip die lautere Liebe Gottes ist, ebensosehr als davon überzeugen, daß diese Reinheit der Moral Konsequenz des Systems ist. Lessing sagte zu seiner Zeit: die Leute gehen mit Spinoza wie mit einem toten Hunde um; man kann nicht sagen, daß in neuerer Zeit mit dem Spinozismus und dann überhaupt mit spekulativer Philosophie besser umgegangen werde, wenn man sieht, daß diejenigen, welche davon referieren und urteilen, sich nicht einmal bemühen, die Fakta richtig zu fassen und sie richtig anzugeben und zu erzählen. Es wäre dies das Minimum von Gerechtigkeit, und ein solches doch könnte sie auf allen Fall fordern.

Die Geschichte der Philosophie ist die Geschichte der Entdeckung der Gedanken über das Absolute, das ihr Gegenstand ist. So hat z.B. Sokrates, kann man sagen, die Bestimmung des Zwecks entdeckt, welche von Platon und insbesondere von Aristoteles ausgebildet und bestimmt erkannt worden ist. Bruckers Geschichte der Philosophie ist so unkritisch, nicht nur nach dem Äußerlichen des Geschichtlichen, sondern nach der Angabe der Gedanken, daß man von den älteren griechischen Philosophen zwanzig, dreißig und mehr Sätze als deren Philosopheme aufgeführt findet, von denen ihnen kein einziger angehört. Es sind Folgerungen, welche Brucker nach der schlechten Metaphysik seiner Zeit macht und jenen Philosophen als ihre Behauptungen andichtet. Folgerungen sind von zweierlei Art, teils nur Ausführungen eines Prinzips in weiteres Detail herunter, teils aber ein Rückgang zu tieferen Prinzipien; das Geschichtliche besteht eben darin, anzugeben, welchen Individuen eine solche weitere Vertiefung des Gedankens und die Enthüllung derselben angehöre. Aber jenes Verfahren ist nicht bloß darum ungehörig, weil jene Philosophen die Konsequenzen, die in ihren Prinzipien liegen sollen, nicht selbst gezogen und also nur nicht ausdrücklich ausgesprochen haben, sondern vielmehr weil ihnen bei solchem Schließen ein Geltenlassen und ein Gebrauch von Gedankenverhältnissen der Endlichkeit geradezu angemutet wird, die dem Sinne der Philosophen, welche spekulativen Geistes waren, geradezu zuwider sind und die philosophische Idee vielmehr nur verunreinigen und verfälschen. Wenn bei alten Philosophien, von denen uns nur wenige Sätze berichtet sind, solche Verfälschung die Entschuldigung des vermeintlichen richtigen Schließens hat, so fällt sie bei einer Philosophie hinweg, welche ihre Idee selbst teils in die bestimmten Gedanken gefaßt, teils den Wert der Kategorien ausdrücklich untersucht und bestimmt hat, wenn dessenungeachtet die Idee verstümmelt aufgefaßt, aus der Darstellung nur ein Moment herausgenommen und (wie die Identität) für die Totalität ausgegeben wird, und wenn die Kategorien ganz unbefangen nach der nächsten besten Weise, wie sie das alltägliche Bewußtsein durchziehen, in ihrer Einseitigkeit und Unwahrheit hereingebracht werden. Die gebildete Erkenntnis der Gedankenverhältnisse ist die erste Bedingung, ein philosophisches Faktum richtig aufzufassen. Aber die Roheit des Gedankens wird ausdrücklich durch das Prinzip des unmittelbaren Wissens nicht nur berechtigt, sondern zum Gesetz gemacht; die Erkenntnis der Gedanken und damit die Bildung des subjektiven Denkens ist sowenig ein unmittelbares Wissen als irgendeine Wissenschaft oder Kunst und Geschicklichkeit.

Die Religion ist die Art und Weise des Bewußtseins, wie die Wahrheit für alle Menschen, für die Menschen aller Bildung ist; die wissenschaftliche Erkenntnis der Wahrheit aber ist eine besondere Art ihres Bewußtseins, deren Arbeit sich nicht alle, vielmehr nur wenige unterziehen. Der Gehalt ist derselbe, aber wie Homer von einigen Dingen sagt, daß sie zwei Namen haben, den einen in der Sprache der Götter, den anderen in der Sprache der übertägigen Menschen, so gibt es für jenen Gehalt zwei Sprachen, die eine des Gefühls, der Vorstellung und des verständigen, in endlichen Kategorien und einseitigen Abstraktionen nistenden Denkens, die andere des konkreten Begriffs. Wenn man von der Religion aus auch die Philosophie besprechen und beurteilen will, so ist mehr erforderlich, als nur die Gewohnheit der Sprache des übertägigen Bewußtseins zu haben. Das Fundament der wissenschaftlichen Erkenntnis ist der innere Gehalt, die inwohnende Idee und deren im Geiste rege Lebendigkeit, wie nicht weniger die Religion ein durchgearbeitetes Gemüt, ein zur Besinnung erwachter Geist, ausgebildeter Gehalt ist. In der neuesten Zeit hat die Religion immer mehr die gebildete Ausdehnung ihres Inhalts zusammengezogen und sich in das Intensive der Frömmigkeit oder des Gefühls, und zwar oft eines solchen, das einen sehr dürftigen und kahlen Gehalt manifestiert, zurückgezogen. Solange sie ein Credo, eine Lehre, eine Dogmatik hat, so hat sie das, mit dem die Philosophie sich beschäftigen und in dem diese als solche sich mit der Religion vereinigen kann. Dies ist jedoch wieder nicht nach dem trennenden, schlechten Verstande zu nehmen, in dem die moderne Religiosität befangen ist und nach welchem sie beide so vorstellt, daß die eine die andere ausschließe oder sie überhaupt so trennbar seien, daß sie sich dann nur von außen her verbinden. Vielmehr liegt auch in dem Bisherigen, daß die Religion wohl ohne Philosophie, aber die Philosophie nicht ohne Religion sein kann, sondern diese vielmehr in sich schließt. Die wahrhafte Religion, die Religion des Geistes, muß ein solches Credo, einen Inhalt haben; der Geist ist wesentlich Bewußtsein, somit von dem gegenständlich gemachten Inhalt; als Gefühl ist er der ungegenständliche Inhalt selbst (qualiert nur, um einen J. Böhmeschen Ausdruck zu gebrauchen) und nur die niedrigste Stufe des Bewußtseins, ja in der mit dem Tiere gemeinschaftlichen Form der Seele. Das Denken macht die Seele, womit auch das Tier begabt ist, erst zum Geiste, und die Philosophie ist nur ein Bewußtsein über jenen Inhalt, den Geist und seine Wahrheit, auch in der Gestalt und Weise jener seiner, ihn vom Tier unterscheidenden und der Religion fähig machenden Wesenheit. Die kontrakte, auf das Herz sich punktualisierende Religiosität muß dessen Zerknirschung und Zermürbung zum wesentlichen Momente seiner Wiedergeburt machen; sie müßte aber sich zugleich erinnern, daß sie es mit dem Herzen eines Geistes zu tun hat, der Geist zur Macht des Herzens bestellt ist und diese Macht nur sein kann, insofern er selbst wiedergeboren ist. Diese Wiedergeburt des Geistes aus der natürlichen Unwissenheit sowohl als dem natürlichen Irrtum geschieht durch Unterricht und den durch das Zeugnis des Geistes erfolgenden Glauben der objektiven Wahrheit, des Inhaltes. Diese Wiedergeburt des Geistes ist unter anderem auch unmittelbar Wiedergeburt des Herzens aus der Eitelkeit des einseitigen Verstandes, auf den es pocht, dergleichen zu wissen, wie daß das Endliche von dem Unendlichen verschieden sei, die Philosophie entweder Vielgötterei oder in scharfdenkenden Geistern Pantheismus sein müsse, usf., – die Wiedergeburt aus solchen jämmerlichen Einsichten, auf welchen die fromme Demut gegen Philosophie wie gegen theologische Erkenntnis hoch herfährt. Verharrt die Religiosität bei ihrer expansions- und damit geistlosen Intensität, so weiß sie freilich nur von dem Gegensatze dieser ihrer bornierten und bornierenden Form gegen die geistige Expansion religiöser Lehre als solcher, wie philosophischer.2 Nicht nur aber beschränkt der denkende Geist sich nicht auf die Befriedigung in der reineren, unbefangenen Religiosität, sondern jener Standpunkt ist an ihm selbst ein aus Reflexion und Räsonnement hervorgegangenes Resultat; es ist mit Hilfe oberflächlichen Verstandes, daß er sich diese vornehme Befreiung von so gut als aller Lehre verschafft hat, und indem er das Denken, von dem er angesteckt ist, zum Eifern gegen Philosophie gebraucht, ist es, daß er sich auf der dünnen inhaltslosen Spitze eines abstrakten Gefühlszustandes gewaltsam erhält. – Ich kann mich nicht enthalten, die Paränesis des Herrn Franz von Baader über eine solche Gestaltung der Frömmigkeit auszugsweise anzuführen, aus den Fermenta Cognitionis, 5. Heft , Vorr. S. IX f.

»Solange«, sagt er, »der Religion, ihren Doktrinen, nicht wieder von Seite der Wissenschaft eine auf freies Forschen und sohin auf wahrhafte Überzeugung gegründete Achtung verschafft worden sein wird,... so lange werdet ihr, Fromme und Nichtfromme, mit all euren Geboten und Verboten, mit all eurem Gerede und Tun... dem Übel nicht abhelfen, und so lange wird auch diese nicht geachtete Religion nicht geliebt werden, weil man doch nur herzhaft und aufrichtig lieben kann, was man aufrichtig geachtet sieht und als achtbar unbezweifelt erkennt, so wie der Religion auch nur mit einem solchen amor generosus gedient sein kann... – Mit anderen Worten: wollt ihr, daß die Praxis der Religion wieder gedeihe, so sorgt doch dafür, daß wir wieder zu einer vernünftigen Theorie derselben gelangen, und räumt nicht euren Gegnern (den Atheisten) vollends das Feld mit jener unvernünftigen und blasphemischen Behauptung: daß an eine solche Religionstheorie, als an eine unmögliche Sache, durchaus nicht zu denken, daß die Religion bloße Herzenssache sei, bei der man des Kopfes sich füglich entäußern könne, ja müsse.«3

In Ansehung der Dürftigkeit an Inhalt kann noch bemerkt werden, daß von ihr nur als der Erscheinung an dem äußerlichen Zustande der Religion zu einer besonderen Zeit die Rede sein kann. Eine solche Zeit könnte beklagt werden, wenn es solche Not tut, nur den bloßen Glauben an Gott hervorzubringen, was dem edlen Jacobi so angelegentlich war, und weiter nur noch eine konzentrierte Christlichkeit der Empfindung zu erwecken; die höheren Prinzipien sind zugleich nicht zu verkennen, die selbst darin sich kundgeben (s. Einleitung zur Logik § 64 Anm.). Aber vor der Wissenschaft liegt der reiche Inhalt, den Jahrhunderte und Jahrtausende der erkennenden Tätigkeit vor sich gebracht haben, und vor ihr liegt er nicht als etwas Historisches, das nur andere besessen und für uns ein Vergangenes, nur eine Beschäftigung zur Kenntnis des Gedächtnisses und für den Scharfsinn des Kritisierens der Erzählungen, nicht für die Erkenntnis des Geistes und das Interesse der Wahrheit wäre. Das Erhabenste, Tiefste und Innerste ist zu Tage gefördert worden in den Religionen, Philosophien und Werken der Kunst, in reinerer und unreinerer, klarerer und trüberer, oft sehr abschreckender Gestalt. Es ist für ein besonderes Verdienst zu achten, daß Herr Franz von Baader fortfährt, solche Formen nicht nur in Erinnerung, sondern mit tief spekulativem Geiste ihren Gehalt ausdrücklich zu wissenschaftlichen Ehren zu bringen, indem er die philosophische Idee aus ihnen exponiert und erhärtet. Jakob Böhmes Tiefe gewährt insbesondere hierfür Gelegenheit und Formen. Diesem gewaltigen Geiste ist mit Recht der Name philosophus teutonicus zugelegt worden; er hat den Gehalt der Religion teils für sich zur allgemeinen Idee erweitert, in demselben die höchsten Probleme der Vernunft konzipiert und Geist und Natur in ihren bestimmteren Sphären und Gestaltungen darin zu fassen gesucht, indem er zur Grundlage nahm, daß nach dem Ebenbilde Gottes, freilich keines anderen als des dreieinigen, der Geist des Menschen und alle Dinge geschaffen und nur dies Leben sind, aus dem Verluste ihres Urbildes dazu reintegriert zu werden; teils hat er umgekehrt die Formen der natürlichen Dinge (Schwefel, Salpeter usf., das Herbe, Bittre usf.) gewaltsam zu geistigen und Gedankenformen verwendet. Die Gnosis des Herrn von Baader, welche sich an dergleichen Gestaltungen anschließt, ist eine eigentümliche Weise, das philosophische Interesse anzuzünden und zu befördern; sie stellt sich kräftig ebensosehr der Beruhigung bei der inhaltsleeren Kahlheit der Aufklärerei als der nur intensiv bleiben wollenden Frömmigkeit entgegen. Herr von Baader beweist dabei in allen seinen Schriften, daß er entfernt davon ist, diese Gnosis für die ausschließende Weise der Erkenntnis zu nehmen. Sie hat für sich ihre Unbequemlichkeiten, ihre Metaphysik treibt sich nicht zur Betrachtung der Kategorien selbst und zur methodischen Entwicklung des Inhalts fort; sie leidet an der Unangemessenheit des Begriffs zu solchen wilden oder geistreichen Formen und Gestaltungen; so wie sie überhaupt daran leidet, daß sie den absoluten Inhalt als Voraussetzung hat und aus derselben erklärt, räsoniert und widerlegt.4

An reineren und trüberen Gestaltungen der Wahrheit haben wir, kann man sagen, genug und zum Überfluß, – in den Religionen und Mythologien, in gnostischen und mystizierenden Philosophien älterer und neuerer Zeit; man kann seine Freude daran haben, die Entdeckung der Idee in diesen Gestaltungen zu machen und die Befriedigung daraus zu gewinnen, daß die philosophische Wahrheit nicht etwas nur Einsames, sondern darin die Wirksamkeit derselben wenigstens als Gärung vorhanden gewesen. Wenn aber der Dünkel der Unreife, wie dies bei einem Nachahmer des Herrn von Baader der Fall war, an das Aufwärmen solcher Produktionen der Gärung gerät, so erhebt er sich leicht in seiner Trägheit und Unfähigkeit wissenschaftlichen Denkens solche Gnosis zur ausschließenden Weise des Erkennens; denn es ist müheloser, in solchen Gebilden sich zu ergehen und an sie assertorische Philosopheme anzuknüpfen, als die Entwicklung des Begriffs zu übernehmen und sein Denken, wie sein Gemüt, der logischen Notwendigkeit desselben zu unterwerfen. Auch liegt dem Dünkel nahe, sich das als Entdeckung zuzuschreiben, was er von anderen erlernt hat, und er glaubt dies um so leichter, wenn er sie bekämpft oder herabsetzt, oder ist vielmehr darum gereizt gegen sie, weil er seine Einsichten aus ihnen geschöpft hat.

Wie in den Zeiterscheinungen, auf welche wir in diesem Vorwort Rücksicht genommen, sich der Drang des Denkens, obgleich verunstaltet, ankündigt, so ist es an und für sich für den zu der Höhe des Geistes gebildeten Gedanken selbst und für seine Zeit Bedürfnis und darum unserer Wissenschaft allein würdig, daß das, was früher als Mysterium geoffenbart worden, aber in den reineren und noch mehr in den trüberen Gestaltungen seiner Offenbarung dem formellen Gedanken ein Geheimnisvolles bleibt, für das Denken selbst geoffenbart werde, welches in dem absoluten Rechte seiner Freiheit die Hartnäckigkeit behauptet, mit dem gediegenen Inhalte sich nur zu versöhnen, insofern dieser sich die seiner selbst zugleich würdigste Gestalt, die des Begriffs, der Notwendigkeit, welche alles, Inhalt wie Gedanken, bindet und eben darin frei macht, zu geben gewußt hat. Soll Altes erneut werden, d. i. eine alte Gestaltung, denn der Gehalt selbst ist ewig jung, so ist die Gestaltung der Idee etwa, wie sie ihr Platon und viel tiefer Aristoteles gegeben, der Erinnerung unendlich würdiger, auch darum, weil die Enthüllung derselben durch Aneignung an unsere Gedankenbildung unmittelbar nicht nur ein Verstehen derselben, sondern ein Fortschreiten der Wissenschaft selbst ist. Aber solche Formen der Idee zu verstehen, liegt gleichfalls nicht so auf der Oberfläche, als gnostische und kabbalistische Phantasmagorien zu fassen, und noch weniger macht es sich so von selbst, jene fortzubilden, als in diesen Anklänge der Idee zu weisen oder anzudeuten.

Wie von dem Wahren richtig gesagt worden, daß es index sui et falsi sei, vom Falschen aus aber das Wahre nicht gewußt wird, so ist der Begriff das Verstehen seiner selbst und der begrifflosen Gestalt, aber diese versteht von ihrer inneren Wahrheit aus nicht jenen. Die Wissenschaft versteht das Gefühl und den Glauben, sie kann aber nur aus dem Begriffe, als auf welchem sie beruht, beurteilt werden, und da sie dessen Selbstentwicklung ist, so ist eine Beurteilung derselben aus dem Begriffe nicht sowohl ein Urteilen über sie als ein Mitfortschreiten. Solches Urteilen muß ich auch diesem Versuche wünschen, wie ich ein solches nur achten und beachten kann.

Berlin, den 25. Mai 1827

 

Vorwort zur dritten Ausgabe

Es sind bei dieser dritten Ausgabe vielfache Verbesserungen hin und wieder angebracht, besonders ist darauf gesehen worden, der Klarheit und Bestimmtheit der Exposition nachzuhelfen. Doch für den kompendiarischen Zweck des Lehrbuchs mußte der Stil gedrängt, formell und abstrakt gehalten bleiben; es behält seine Bestimmung, erst durch den mündlichen Vortrag die nötigen Erläuterungen zu erhalten.

Seit der zweiten Ausgabe sind mehrfältige Beurteilungen meines Philosophierens erschienen, die größtenteils wenig Beruf zu solchem Geschäft gezeigt haben; solche leichtsinnige Erwiderungen auf Werke, welche viele Jahre durchdacht und mit allem Ernste des Gegenstandes und der wissenschaftlichen Forderung durchgearbeitet worden, gewähren nichts Erfreuliches durch den Anblick der üblen Leidenschaften des Dünkels, Hochmuts, des Neides, Hohnes usf., die sich daraus aufdringen, noch viel weniger etwas Belehrendes. Cicero sagt Tusculanae disputationes, l. II : »Est philosophia paucis contenta judicibus, multitudinem consulto ipsa fugiens, eique ipsi et invisa et suspecta; ut, si quis universam velit vituperare, secundo id populo facere possit.« Es ist um so populärer, auf die Philosophie loszuziehen, mit je geringerer Einsicht und Gründlichkeit es geschieht; die kleinliche widrige Leidenschaft ist faßlich in dem Wiederklange, der ihr in anderen begegnet, und die Unwissenheit gesellt sich mit gleicher Verständlichkeit dazu. Andere Gegenstände fallen in die Sinne oder stehen in Gesamtanschauungen vor der Vorstellung; es fühlt sich die Notwendigkeit eines wenngleich geringen Grades von Kenntnis derselben, um über sie mitsprechen zu können; auch erinnern sie leichter an den gesunden Menschenverstand, weil sie in bekannter, fester Gegenwart stehen. Aber der Mangel an allem diesem legt sich ungescheut gegen die Philosophie oder vielmehr gegen irgendein phantastisches leeres Bild los, das die Unwissenheit von ihr sich einbildet und einredet; sie hat nichts vor sich, an dem sie sich orientieren könnte, und treibt sich so völlig in Unbestimmtem, Leerem und damit in Sinnlosem herum. – Ich habe anderwärts das unerfreuliche und unfruchtbare Geschäft übernommen, einige dergleichen aus Leidenschaften und Unwissenheit gewobene Erscheinungen in ihrer unbedeckten Blöße zu beleuchten.

Es hätte kürzlich den Anschein haben können, als ob vom Boden der Theologie und sogar der Religiosität aus eine ernsthaftere Untersuchung über Gott, göttliche Dinge und Vernunft in einem weiteren Bereiche wissenschaftlich angeregt werden sollte. Allein sogleich der Anfang der Bewegung ließ solche Hoffnung nicht aufkommen; denn die Veranlassung ging von Persönlichkeiten aus, und weder die Prätention der anklagenden Frömmigkeit noch die angegriffene Prätention der freien Vernunft erhob sich zur Sache, noch weniger zum Bewußtsein, daß, um die Sache zu erörtern, der Boden der Philosophie betreten werden müsse. Jener Angriff des Persönlichen auf den Grund sehr spezieller Äußerlichkeiten der Religion zeigte sich mit der ungeheuren Anmaßung, über die Christlichkeit von Individuen aus eigener Machtvollkommenheit absprechen zu wollen und ihnen damit das Siegel der weltlichen und ewigen Verwerfung aufzudrücken. Dante hat es sich herausgenommen, in Kraft der Begeisterung göttlicher Poesie die Schlüssel Petri zu handhaben und viele seiner – Jedoch bereits verstorbener – Zeitgenossen namentlich, selbst Päpste und Kaiser, in die höllische Verdammnis zu verurteilen. Es ist einer neueren Philosophie der infamierende Vorwurf gemacht worden, daß in ihr das menschliche Individuum sich als Gott setze; aber gegen solchen Vorwurf einer falschen Konsequenz ist es eine ganz andere wirkliche Anmaßung, sich als Weltrichter betragen, die Christlichkeit der Individuen aburteilen und die Innerste Verwerfung damit über sie aussprechen. Das Schibboleth dieser Machtvollkommenheit ist der Name des Herrn Christus und die Versicherung , daß der Herr diesen Richtern im Herzen wohne. Christus sagt (Matth. 7, 20): »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen«, die ungeheure Insolenz des Verwerfens und Verdammens aber ist keine gute Frucht. Er fährt fort: »Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr, in das Himmelreich kommen; es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? haben wir nicht in deinem Namen viel Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nicht erkannt, weichet alle von mir, ihr Übeltäter.« Die, welche im ausschließlichen Besitz der Christlichkeit zu sein versichern und von anderen diesen Glauben an sie fordern, haben es nicht so weit gebracht, Teufel auszutreiben, vielmehr viele derselben, wie die Gläubigen an die Seherin von Prevorst, tun sich etwas darauf zugut, mit Gesindel von Gespenstern in gutem Vernehmen zu stehen und Ehrfurcht vor demselben zu haben, statt diese Lügen eines widerchristlichen knechtischen Aberglaubens zu verjagen und zu verbannen. Ebensowenig zeigen sie sich vermögend, Weisheit zu reden, und vollends unfähig, große Taten der Erkenntnis und Wissenschaft zu tun, was ihre Bestimmung und Pflicht wäre; Gelehrsamkeit ist noch nicht Wissenschaft. Indem sie mit der Masse der gleichgültigen Außendinge des Glaubens sich weitläufige Beschäftigungen machen, bleiben sie dagegen in Ansehung des Gehalts und Inhalts des Glaubens selbst um so dürrer bei dem Namen des Herrn Christus stehen und verschmähen vorsätzlich und mit Schmähen die Ausbildung der Lehre, welche das Fundament des Glaubens der christlichen Kirche ist, denn die geistige, vollends denkende und wissenschaftliche Expansion störte, ja verböte und tilgte den Eigendünkel des subjektiven Pochens auf die geistlose, am Guten unfruchtbare, nur an den bösen Früchten reiche Versicherung, daß sie im Besitze der Christlichkeit sich befinden und dieselbe ausschließlich sich zu eigen haben. – Diese geistige Expansion wird mit dem bestimmtesten Bewußtsein in der Schrift von dem bloßen Glauben so unterschieden, daß dieser erst durch jene zur Wahrheit werde. »Wer überhaupt an mich glaubt«, sagt Christus (Job. 7, 38), »von des Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen.« Dies ist dahin sogleich in Vers 39 erläutert und bestimmt, daß aber nicht der Glaube als solcher an die zeitliche, sinnliche, gegenwärtige Persönlichkeit Christi dies bewirke, er noch nicht die Wahrheit als solche sei; im folgenden (39. Vers) ist der Glaube dahin bestimmt, daß Christus jenes vom Geiste gesagt, welchen empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der heilige Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verklärt; – die noch unverklärte Gestalt Christi ist die damals in der Zeit sinnlich gegenwärtige oder nachher so, was derselbe Inhalt ist, vorgestellte Persönlichkeit, die der unmittelbare Gegenstand des Glaubens ist. In dieser Gegenwart hat Christus seinen Jüngern selbst mündlich seine ewige Natur und Bestimmung zur Versöhnung Gottes mit sich selbst und der Menschen mit ihm, die Heilsordnung und die Sittenlehre geoffenbart, und der Glaube, den die Jünger an ihn hatten, begreift dies alles in sich. Dessenungeachtet wird dieser Glaube, dem an der stärksten Gewißheit nichts fehlte, nur für den Anfang und bedingende Grundlage, für das noch Unvollendete erklärt; die so glaubten, haben noch nicht den Geist, sollen ihn erst empfangen – ihn, die Wahrheit selbst, ihn, der erst später als jener Glaube ist, der in alle Wahrheit leitet. Jene aber bleiben bei solcher Gewißheit, der Bedingung, stehen; die Gewißheit aber, selbst nur subjektiv, bringt nur die subjektive Frucht formell der Versicherung, und dann darin des Hochmuts, der Verunglimpfung und Verdammung. Der Schrift zuwider halten sie sich fest nur in der Gewißheit gegen den Geist, welcher die Expansion der Erkenntnis und erst die Wahrheit ist.

Diese Kahlheit an wissenschaftlichem und überhaupt geistigem Gehalt teilt diese Frömmigkeit mit dem, was sie unmittelbar sich zum Gegenstande ihrer Anklage und Verdammung macht. Die Verstandesaufklärung hat durch ihr formelles, abstraktes, gehaltloses Denken ebenso die Religion von allem Inhalt ausgeleert als jene Frömmigkeit durch ihre Reduktion des Glaubens auf das Schiboleth des »Herr, Herr«. Beide haben darin nichts voreinander voraus; und indem sie widerstreitend zusammentreffen, ist kein Stoff vorhanden, in dem sie sich berührten und einen gemeinsamen Boden und die Möglichkeit, es zur Untersuchung und ferner zur Erkenntnis und Wahrheit zu bringen, erlangen könnten. Die aufgeklärte Theologie hat sich ihrerseits in ihrem Formalismus, nämlich die Gewissensfreiheit, Denkfreiheit, Lehrfreiheit, selbst Vernunft und Wissenschaft anzurufen, festgehalten. Solche Freiheit ist allerdings die Kategorie des unendlichen Rechts des Geistes und die andere besondere Bedingung der Wahrheit zu jener ersten, dem Glauben. Allein was das wahrhaftige und freie Gewissen für vernünftige Bestimmungen und Gesetze enthalte, was das freie Glauben und Denken für Inhalt habe und lehre, diesen materiellen Punkt haben sie sich enthalten zu berühren und sind in jenem Formalismus des Negativen und in der Freiheit, die Freiheit nach Belieben und Meinung auszufüllen, stehengeblieben, so daß überhaupt der Inhalt selbst gleichgültig sei. Auch darum konnten diese nicht einem Inhalt nahetreten, weil die christliche Gemeinschaft durch das Band eines Lehrbegriffs, eines Glaubensbekenntnisses vereinigt sein muß und es immer noch sein soll, dagegen die Allgemeinheiten und Abstraktionen des abgestandenen, nicht lebendigen rationalistischen Verstandeswassers das Spezifische eines in sich bestimmten, ausgebildeten christlichen Inhaltes und Lehrbegriffes nicht zulassen. Wogegen die anderen, pochend auf den Namen »Herr! Herr!«, frank und frei die Vollführung des Glaubens zum Geist, Gehalt und Wahrheit verschmähen.

So ist zwar viel Staub des Hochmuts, der Gehässigkeit und Persönlichkeit wie leerer Allgemeinheiten aufgeregt worden, aber er ist mit der Unfruchtbarkeit geschlagen, er konnte nicht die Sache enthalten, nicht zu Gehalt und Erkenntnis führen. – Die Philosophie hat zufrieden sein können, aus dem Spiel gelassen worden zu sein; sie findet sich außerhalb des Terrains jener Anmaßungen, wie der Persönlichkeiten so der abstrakten Allgemeinheiten, und hätte, auf solchen Boden gezogen, nur des Unerfreulichen und Ungedeihlichen gewärtig sein können.

Indem aus dem größten und unbedingten Interesse der menschlichen Natur der tiefe und reiche Gehalt verkommen und die Religiosität, gemeinschaftlich die fromme und die reflektierende, dazu gekommen ist, die höchste Befriedigung ohne Inhalt zu finden, so ist die Philosophie ein zufälliges, subjektives Bedürfnis geworden. Jene unbedingten Interessen sind bei beiden Arten von Religiosität, und zwar von nichts anderem als von dem Räsonnement, so eingerichtet worden, daß es der Philosophie nicht mehr bedarf, um jenen Interessen Genüge zu leisten; ja sie wird, und zwar mit Recht, dafür gehalten, jenem neuerschaffenen Genügen und solcher ins Enge gezogenen Befriedigung störend zu sein. Die Philosophie ist damit ganz dem freien Bedürfnis des Subjekts anheimgegeben; es ergeht keine Art von Nötigung dazu an dasselbe, vielmehr hat dies Bedürfnis, wo es vorbanden ist, gegen Verdächtigungen und Abmahnungen standhaft zu sein; es existiert nur als eine innere Notwendigkeit, die stärker ist als das Subjekt, von der sein Geist dann ruhelos getrieben wird, »daß er überwinde« und dem Drange der Vernunft den würdigen Genuß verschaffe. So ohne Anregung irgendeiner, auch nicht der religiösen Autorität, vielmehr für einen Überfluß und gefährlichen oder wenigstens bedenklichen Luxus erklärt, steht die Beschäftigung mit dieser Wissenschaft um so freier allein auf dem Interesse der Sache und der Wahrheit, Wenn, wie Aristoteles sagt, die Theorie das Seligste und unter dem Guten das Beste ist, so wissen die, welche dieses Genusses teilhaftig sind, was sie daran haben, die Befriedigung der Notwendigkeit ihrer geistigen Natur; können sich enthalten, Anforderungen darüber an andere zu machen, und können sie bei ihren Bedürfnissen und den Befriedigungen, die sie sich für dieselben finden, belassen. Es ist des unberufenen Herzudringens zum Geschäfte der Philosophie oben gedacht worden; wie dasselbe sich um so lauter macht, je weniger es geeignet ist, teil daran zu nehmen, so ist die gründlichere, tiefere Teilnahme einsamer mit sich und stiller nach außen; die Eitelkeit und Oberflächlichkeit ist schnell fertig und treibt sich zum baldigen Dreinsprechen; der Ernst aber um eine in sich große und nur durch die lange und schwere Arbeit vollendeter Entwicklung sich genügende Sache versenkt sich lange in stiller Beschäftigung in dieselbe.