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rowohlts monographien

begründet von Kurt Kusenberg

herausgegeben von Uwe Naumann

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2016

Copyright © 2008 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

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Redaktionsassistenz Katrin Finkemeier

Umschlaggestaltung any.way, Hamburg

Umschlagabbildung akg-images, Berlin (Heinrich von Kleist. Pastellminiatur von Peter Friedel, April 1801. Geschenk Kleists an Wilhelmine von Zenge. Handschriftenabteilung, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz)

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.

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Satz CPI books GmbH, Leck, Germany

ISBN Printausgabe 978-3-499-50696-3 (1. Auflage 2008)

ISBN E-Book 978-3-644-55421-4

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-55421-4

Anmerkungen

1

Sämtliche Werke und Briefe (im Folgenden zitiert als SWB), Frankfurt a.M. 1987–1997, Band 3, S. 167

2

Vgl. Rudolf Loch: Kleist. Eine Biographie. Göttingen 2003, S. 11 (im Folgenden zitiert als Loch)

3

Loch, S. 421

4

Heinrich von Kleists Lebensspuren. Hg. von Helmut Sembdner. München 1996 (im Folgenden zitiert als LS), 5a

5

SWB 4, S. 15; vgl. auch Kleists 15 Jahre nach dem Tod der Mutter an Rühle geschriebenen Brief: Wenn ich auf dich böse bin, so überlebt diese Regung nie eine Nacht, und schon als du mir die Hand reichtest, beim Weggehen, kam die ganze Empfindung meiner Mutter über mich, und machte mich wieder gut. (SWB 4, S. 425)

6

So Löffler in seiner letzten Frankfurter Predigt vom 14. September 1788; zitiert nach Loch, S. 18

7

LS 8

8

LS 14, 3. Bataillon

9

LS 12

10

Nach Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Band 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära: 1700–1815.3. Auflage. München 1996, S. 246f.

11

LS 15a

12

Kampagne in Frankreich, 19. September 1792 (Hamburger Ausgabe, Band 10, S. 235)

13

SWB 4, S. 14; dieser Brief ist allerdings noch vor der Belagerung von Mainz entstanden.

14

SWB 4, S. 250ff.

15

Vgl. SWB 3, S. 401

16

SWB 4, S. 18

17

LS 6 und 5a

18

SWB 4, S. 28

19

Brief vom 10. Dezember 1811

20

LS 17

21

LS 18

22

Zitiert nach Loch, S. 36f.

23

Brief vom 30. August 1800, SWB 4, S. 90

24

SWB 4, S. 27

25

SWB 4, S. 24

26

SWB 4, S. 31

27

SWB 4, S. 33 und 30

28

SWB 4, S. 30 und 33

29

SWB 4, S. 34f.

30

LS 24a, 24b, 25, 26

31

LS 28 und 29

32

Johann Friedrich Reitemeier: Notiz der Wissenschaften und der Vorlesungen über dieselben auf den Königl. Preußischen Universitäten; zu einem allgemeinen Studienplan für die dasigen Studierenden eingerichtet. Frankfurt a.d. Oder 1794, S. 52; zitiert nach Loch, S. 45

33

An Ulrike, Mai 1799, SWB 4, S. 39

34

Brief vom Mai 1799, SWB 4, S. 37

35

SWB 4, S. 42 und 43

36

SWB 4, S. 39 und 40

37

SWB 4, S. 44 und 45

38

SWB 4, S. 45f.

39

SWB 4, S. 47

40

SWB 4, S. 48

41

SWB 4, S. 47

42

LS 36

43

LS 38

44

Klaus Müller-Salget: Heinrich von Kleist. Stuttgart 2002 (im Folgenden zitiert als Müller-Salget), S. 37 (unter Bezugnahme auf eine Beobachtung von Hans Joachim Kreutzer)

45

SWB 4, S. 55 und 56

46

SWB 4, S. 53, 54, 55

47

SWB 4, S. 61 und 65

48

LS 38

49

Ebd.

50

SWB 4, S. 67 und 74

51

Brief vom 21. August, SWB 4, S. 80

52

Brief vom 25. November 1800, SWB 4, S. 170

53

Brief an Wilhelmine vom 13. September, SWB 4, S. 117ff.

54

Brief vom 21. August, SWB 4, S. 82

55

SWB 4, S. 164

56

Müller-Salget, S. 116

57

Brief vom 13. November, SWB 4, S. 150, 152, 153, 154 und 155

58

SWB 4, S. 152

59

Vgl. Kleists Brief an Ulrike vom 25. November 1800, SWB 4, S. 167–171

60

LS 46 und 47

61

Aktennotiz, LS 49

62

SWB 4, S. 148

63

Vgl. auch SWB 4, S. 195f., Brief vom 5. Februar 1801

64

Etwa im Brief vom 11. und 12. Januar 1801, SWB 4, besonders S. 178

65

Brief vom 31. Januar 1801, SWB 4, S. 187 und 188

66

SWB 4, S. 190 und 191

67

Brief an Marie von Kleist, Spätherbst 1807, SWB 4, S. 398; die Lesart Schmutz ist in der Forschung umstritten

68

SWB 4, S. 196

69

SWB 4, S. 198 und 199f.

70

SWB 4, S. 198f.

71

SWB 4, S. 197f.

72

SWB 4, S. 203

73

SWB 4, S. 204f.

74

SWB 4, S. 205f. und 206f.

75

SWB 4, S. 208f.

76

SWB 4, S. 211f., 208 und 212

77

SWB 4, S. 214f. und 216

78

SWB 4, S. 218

79

SWB 4, S. 220

80

LS 55a

81

Brief vom 21. Mai 1801 aus Leipzig, SWB 4, S. 224 und 225

82

Brief an Wilhelmine aus Göttingen vom 3. Juni 1801, SWB 4, S. 231

83

Brief vom 1. Mai 1802, SWB 4, S. 307

84

SWB 4, S. 231

85

SWB 4, S. 230

86

Brief vom 18. Juli 1801, SWB 4, S. 240

87

SWB 4, S. 253f.

88

LS 70

89

Vgl. SWB 4, S. 239, 246 und 252

90

Brief an Wilhelmine vom 28. Juni 1801, SWB 4, S. 234

91

SWB 4, S. 282f.

92

Brief vom 16. August 1801 an Louise von Zenge, SWB 4, S. 264f.

93

Brief vom 18. Juli 1801 an Karoline von Schlieben, SWB 4, S. 240f.

94

SWB 4, S. 256f.

95

SWB 4, S. 269

96

Brief vom 18. Juli 1801 an Karoline von Schlieben, SWB 4, S. 240

97

SWB 4, S. 265

98

SWB 4, S. 275f.

99

Jochen Schmidt: Heinrich von Kleist. Die Dramen und Erzählungen in ihrer Epoche. Darmstadt 2003, S. 28 (im Folgenden zitiert als Jochen Schmidt)

100

SWB 4, S. 273f. und 276

101

SWB 4, S. 284ff.

102

LS 62b

103

SWB 4, S. 308f.

104

«Selbstschau» (1842), LS 67a

105

SWB 4, S. 301

106

LS 67a

107

LS 135

108

LS 77aa und 77a

109

SWB 4, S. 309

110

LS 81a

111

LS 81c

112

LS 84

113

LS 89

114

SWB 1, S. 702

115

LS 94a und 94b

116

SWB 4, S. 312

117

SWB 4, S. 314

118

LS 105, 105a und 106

119

Nach dem Zeugnis von Fouqué, LS 107c

120

LS 102

121

LS 109b

122

SWB 4, S. 317

123

LS 112

124

Brief vom 3. Juli 1803, SWB 4, S. 316f.

125

LS 113

126

LS 114b

127

LS 114a

128

Brief vom 5. Oktober 1803, SWB 4, S. 320f.

129

LS 117

130

LS 119a und 119b

131

LS 119c

132

Brief vom 26. Oktober 1803, SWB 4, S. 321

133

LS 119c, 121a, 121c und 122b

134

SWB 4, S. 330

135

Vgl. Wielands Brief an Wedekind, LS 125a

136

Vgl. dazu Hilda M. Brown und Richard Samuel: Kleist’s Lost Year and the Quest for ‹Robert Guiskard›. Leamington Spa/Warwickshire 1981

137

In: Marie Haller-Nevermann und Dieter Rehwinkel (Hg.): Kleist – ein moderner Aufklärer? Göttingen 2005, S. 18 und 19 (im Folgenden zitiert als Bennholdt-Thomsen). Von Anke Bennholdt-Thomsen stammt auch der Hinweis auf Kleists mögliche Kenntnis des «Magazins zur Erfahrungsseelenkunde».

138

LS 130

139

Brief an Ulrike vom 24. Juni 1804, SWB 4, S. 322ff.

140

Vgl. SWB 4, S. 328f. und 332f.

141

Vgl. SWB 4, S. 336

142

Brief vom 23. April 1805, SWB 4, S. 337

143

SWB 4, S. 335ff.

144

LS 139

145

Vgl. SWB 4, S. 339

146

Vgl. SWB 4, S. 342ff. und 346f.

147

SWB 4, S. 342

148

SWB 4, S. 348f.

149

Vgl. SWB 4, S. 341

150

Vgl. LS 474a und 474b

151

Franz Herre: Napoleon. Eine Biographie. München 2006, S. 134

152

Brief aus der ersten Dezemberhälfte 1805, SWB 4, S. 351f.

153

SWB 4, S. 353f.

154

LS 147

155

«Meine Lebensreise» (1842), LS 146

156

«Mein Leben» (1821), LS 142

157

SWB 4, S. 362

158

SWB 4, S. 355f., 357f. und vgl. 359

159

LS 151a

160

Gegen Ende des Sommers absolvierte Kleist einen fünfwöchigen Badeurlaub in Pillau, dem Seehafen von Königsberg, um dort das Seebad zu gebrauchen; doch auch dort war ich bettlägrig, und bin kaum fünf oder sechsmal ins Wasser gestiegen. Brief an Ulrike vom 24. Oktober 1806, SWB 4, S. 363

161

SWB 4, S. 362

162

LS 347, vgl. auch LS 346

163

SWB 3, S. 143

164

SWB 3, S. 144

165

SWB 3, S. 186

166

Vgl. besonders Jochen Schmidt, S. 98ff.

167

Vgl. SWB 4, S. 362

168

SWB 4, S. 361f.

169

SWB 4, S. 364

170

LS 158 bis 160c

171

SWB 4, S. 371

172

SWB 4, S. 373ff.

173

LS 161

174

LS 162b

175

LS 154

176

LS 164a

177

LS 164b

178

LS 165a

179

SWB 4, S. 375

180

SWB 4, S. 376

181

SWB 4, S. 381

182

SWB 4, S. 384

183

Otto Freiherr von Schleinitz, «Aus den Papieren der Familie von Schleinitz» (1905), LS 193a

184

LS 192b

185

LS 195 und 196

186

LS 196

187

LS 191

188

LS 312

189

SWB 4, S. 388f.

190

LS 263c und 270c

191

SWB 4, S. 387

192

SWB 4, S. 398

193

SWB 4, S. 396

194

SWB 4, S. 398

195

Brief vom 8. Dezember 1808, SWB 4, S. 424

196

Vgl. LS 202a

197

SWB 4, S. 400f.

198

SWB 4, S. 398ff.

199

LS 200b

200

LS 185

201

LS 182a

202

LS 201

203

LS 206a

204

LS 217c

205

Vgl. LS 225a, 235a, 235b, 254, 267

206

LS 225b

207

Ludwig Uhland am 22. April 1808 an Karl Mayer, LS 227b

208

LS 225a

209

LS 263f.; vgl. auch LS 261, 262, 263, 263b, 263e, 264a, 265a

210

SWB 4, S. 407f.

211

LS 224

212

Vgl. Katharina Mommsen: Kleists Kampf mit Goethe. Frankfurt a.M. 1979 (st 512), S. 117–124

213

LS 239b

214

LS 242

215

LS 497

216

Nach: Helmut Sembdner: Heinrich von Kleist: Der zerbrochne Krug. Erläuterungen und Dokumente. Stuttgart 1973, 1998, S. 92

217

LS 252, vgl. auch LS 267

218

Vgl. SWB 4, S. 411

219

LS 204

220

LS 258

221

SWB 4, S. 415

222

Ebd.

223

SWB 4, S. 417

224

Vgl. LS 276a bis 279c

225

SWB 4, S. 419

226

Nach dem Bericht von Varnhagen von Ense, LS 278

227

Aufgezeichnet von Rudolf Köpke, LS 271

228

Auf konspirative Missionen Kleists deutet immerhin eine Stelle in einem Brief an Ulrike vom Sommer 1808 hin: SWB 4, S. 421

229

Brief vom 26. Oktober 1840, nach SWB 2, S. 1084

230

Dieser Einfall geht wohl auf eine Erzählung im alttestamentarischen «Buch der Richter» (19, 29) zurück.

231

Auch Kunigunde von Thurneck, die hexenhafte Gegenspielerin Käthchens im märchenhaften Käthchen von Heilbronn, verdankt ihre Schönheit kosmetischen Künsten und zahlreichen Prothesen.

232

SWB 2, S. 1171f.

233

SWB 4, S. 436

234

Vgl. Heinrich von Kleists Nachruhm. Hg. von Helmut Sembdner. München 1997, S. 557

235

Zitiert nach SWB 2, S. 1206

236

SWB 2, S. 1212

237

SWB 2, S. 1192

238

Gemeint ist Lucius Junius Brutus, der Erste Konsul der Römer, der seine Söhne als antirepublikanische Verschwörer hinrichten ließ.

239

Dem Amtssessel römischer Konsuln

240

Vgl. SWB 4, S. 423f.

241

Vgl. SWB 4, S. 429f.

242

LS 311

243

LS 316

244

Brief vom 20. April 1809, SWB 4, S. 432

245

LS 317

246

Brief an Joseph von Buol vom 25. Mai 1809, SWB 4, S. 434

247

LS 328a, vgl. auch LS 328b

248

LS 328c

249

SWB 4, S. 437

250

LS 332a bis 332d

251

Vgl. SWB 4, S. 438

252

Vgl. SWB 4, S. 439f. und 441f.

253

SWB 4, S. 440f.

254

LS 350a bis 356

255

SWB 4, S. 442

256

LS 346 und 347

257

Vgl. LS 357 bis 361

258

SWB 4, S. 442f.

259

Vgl. LS 338

260

Bennholdt-Thomsen, S. 37

261

SWB 3, S. 259

262

SWB 3, S. 221

263

SWB 4, S. 448

264

SWB 4, S. 449

265

Brief vom 13. August 1810, SWB 4, S. 450

266

Nach dem Bericht von Friedrich August Staegemann, LS 402

267

Anzeige in den Berliner Zeitungen am 9. und 10. Oktober, LS 404

268

LS 420a

269

LS 426

270

LS 426c

271

LS 436e

272

Vgl. LS 436d

273

Brief vom 6. Dezember 1810, LS 437a

274

SWB 4, S. 460f.

275

Brief vom 12. Dezember 1810, SWB 4, S. 462f.

276

Vgl. Kleists Brief an Raumer vom 13. Dezember 1810, SWB 4, S. 463

277

LS 432

278

Nach Müller-Salget, S. 111

279

In seinen «Lebenserinnerungen» (1861) berichtete Raumer, dass Kleist Ende Februar unter Tränen eingestanden habe, ihm Unrecht getan zu haben. Zu seinem Verhalten sei er durch Dritte veranlasst worden (LS 483). Raumer vermutete, dass Adam Müller den «sehr gutmütigen Kleist» überredet hatte, auf diese Weise vorzugehen (LS 442).

280

Brief vom 26. Februar 1811, SWB 4, S. 476f.

281

Briefe vom 10. und 11. März 1811, SWB 4, S. 477f.

282

SWB 4, S. 485–491 und 493ff.

283

SWB 4, S. 479 und 480f.

284

SWB 4, S. 484 und 485; beide Briefe undatiert, vermutlich im Mai 1811 entstanden

285

Brief an Marie von Kleist vom Juli/August 1811, SWB 4, S. 497

286

SWB 4, S. 498

287

Brief von Ende Juli 1811, SWB 4, S. 496f.

288

Vgl. LS 506

289

Brief vom 9. September 1811, LS 507a

290

SWB 4, S. 518

291

Königliche Kabinettsorder an Kleist vom 11. September 1811(abgesandt am 17. September) und Brief des Königs an Marie von Kleist vom 18. September (daraus das Zitat), LS 507b und 507c

292

SWB 4, S. 505

293

SWB 4, S. 508f.

294

Vgl. LS 427b

295

Vgl. LS 522

296

Vgl. LS 532

297

Vgl. LS 531a

298

LS 526

299

SWB 4, S. 513

300

LS 528

301

Vgl. LS 531a

302

LS 533 und 534

303

Vgl. LS 540, 541 und 542

304

Vgl. LS 519a–c

305

LS 519b und 519a (Brief an Julian Schmidt vom 9. Juni 1858)

Einleitung

Heinrich von Kleist wurde im Oktober 1777 geboren und starb im November 1811 von eigener Hand. Er wurde nur 34 Jahre alt. Sein Leben ist keine Erfolgsgeschichte. Doch seine persönlichen Schwierigkeiten und Niederlagen bilden das Erfahrungsfundament eines Werkes, das an beunruhigender Faszination in der deutschen Literatur bis heute ohne Vergleich ist. Wem alles glückt, der wird um die Chance gebracht, sich in der Krise selbst zu begegnen. Er lebt an der Oberfläche seines Erfolgs und bleibt sich letztlich fremd. In Kleists Dramen und Erzählungen hingegen gerät die Hauptfigur zumeist in eine Lage, in der ihr gleichsam der Boden unter den Füßen weggerissen wird, in der mit einem Mal ihre ganze Existenz auf dem Spiel steht. Diese verzweifelte Situation bietet ihr jedoch die Möglichkeit, sich zu bewähren, Größe zu zeigen, und dadurch zu einer neuen, zu ihrer eigentlichen Identität zu finden. Als die Marquise von O…. von ihrem Vater verstoßen wird und gegen seinen Befehl nicht allein, sondern mit ihren Kindern (sie ist eine junge Witwe) das elterliche Haus verlässt, heißt es: Durch diese schöne Anstrengung mit sich selbst bekannt gemacht, hob sie sich plötzlich, wie an ihrer eigenen Hand, aus der ganzen Tiefe, in welche das Schicksal sie herabgestürzt hatte, empor.[1] Dieser Satz steht paradigmatisch für die innere Entwicklung der meisten Hauptfiguren Kleists, der jeweils eigene Lebenskrisen des Autors als Muster zugrunde liegen.

In Kleists Werken sind es oft äußere Umstände, die solche Lebenskrisen herbeiführen. In Kleists Leben scheinen diese Krisen hingegen vielfach aus seiner Persönlichkeitsstruktur resultiert zu haben, aus seiner Kompromisslosigkeit, seinem unüberwindlichen Widerwillen, sich für fremde Zwecke einspannen zu lassen. Kleist wollte ganz aus sich selbst heraus sein persönliches Glück gewinnen. Seine außerordentliche Veranlagung zum Unglücklichsein ist nur die Kehrseite dieses Wunsches – denn die modernen Lebensverhältnisse, die sich zu Kleists Lebzeiten auszubilden beginnen, scheinen dem Einzelnen zwar bisher ungekannte Möglichkeiten zu eröffnen, sein Leben selbst zu gestalten, unterwerfen ihn aber zugleich einer neuen und umfassenderen Form der Sozialdisziplinierung. Eine zunehmend engmaschig verwaltete Welt und die sich allgemein durchsetzenden, am materiellen Wohlstand orientierten Maßstäbe bürgerlicher Leistungsethik sorgen dafür, dass derjenige, der sich eigene, abweichende Ziele setzt, schnell zum Außenseiter wird. Dieses Dilemma ist grundlegend für Kleists Leben.

Viele Umstände von Kleists Biographie liegen, allem Forscherfleiß zum Trotz, nach wie vor im Dunkeln und werden sich wohl auch nicht mehr erhellen lassen. Nicht nur über Kindheit und Jugend, sondern auch über manche Phase seines späteren Lebens fehlen verlässliche Informationen. Diese unzulängliche Quellenlage ist selbst bereits sprechend: Sie zeigt, dass Kleists Bedeutung zu seinen Lebzeiten nur von wenigen Menschen erkannt wurde und dass man sich gerade nach seinem skandalumwitterten Tod lediglich unter Vorbehalten zu ihm bekannte. Nur ein Bruchteil der von Kleist vermutlich geschriebenen Briefe ist überliefert. Beispielsweise ist die gesamte Korrespondenz mit Leopold von Kleist, dem einzigen Bruder, verloren. Andere wichtige Briefpartner wie die Halbschwester Ulrike, die zeitweilige Verlobte Wilhelmine von Zenge und die angeheiratete Verwandte Marie von Kleist haben es für nötig befunden, die an sie gerichteten Briefe Kleists einer Vorzensur zu unterwerfen oder auch ganz zu unterdrücken – zahlreiche dieser Briefe sind nur in Abschriften oder bruchstückhaften Druckfassungen bekannt. Offenbar enthielten sie vieles, was den Empfängerinnen nicht für die Öffentlichkeit geeignet zu sein schien.

Immerhin sind rund 230 Briefe Kleists überliefert. Dagegen haben sich nur etwa zwei Dutzend Briefe an Kleist erhalten. Das liegt daran, dass Kleist nach seiner Kindheit nie mehr einen festen Lebensmittelpunkt hatte, dass seine Existenz immer provisorisch blieb. Nie ergab sich die Gelegenheit, persönliche Habe anzuhäufen und ein privates Archiv anzulegen. Immer wieder erfolgte ein neuer Aufbruch, mit leichtem Gepäck.

Kleists erhaltene Briefe sind von hohem Aussagewert, auch wenn sie wenig über die Entstehungsgeschichte seiner Werke verraten; jedoch geben sie, bei allen Stilisierungen und Rollenmustern, wesentliche Aufschlüsse über die Struktur seiner Persönlichkeit. Daher wird im Verlauf der Darstellung immer wieder aus ihnen zitiert.

Kindheit und Militärzeit
(1777–1799)

Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist kam vermutlich am 10. Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder zur Welt. Er war das fünfte Kind und zugleich der erste Sohn von Joachim Friedrich von Kleist. Dieser hatte nach dem Tod seines Vaters ein zuvor begonnenes Studium in Frankfurt an der Oder abgebrochen und war in die preußische Armee eingetreten. Die Militärlaufbahn hatte in der Familie Tradition. Bis zu Heinrichs Geburt konnten die Kleists sechzehn preußische Generäle und zwei Feldmarschälle vorweisen. 1806, im Jahr der Niederlage gegen Napoleon, gehörten fünfzig Mitglieder der Familie der Armee an.

Kleists Vater brachte es als Offizier weniger weit als viele seiner Vor- und Nachfahren. Erst 1767, im Alter von 39 Jahren, erhielt er den Befehl über eine Kompanie.[2] Seine späte Heirat im Jahr 1769 mag mit seinen verzögerten Beförderungen zusammenhängen. Seine Frau, Caroline Louise von Wulffen, war zum Zeitpunkt der Eheschließung mit vierzehn Jahren noch ein Mädchen. 1772 wurde die erste Tochter Wilhelmine geboren, zwei Jahre später folgte die Geburt der zweiten Tochter Ulrike, an deren Folgen Caroline Louise starb.

Kurz nach dem Verlust seiner Frau heiratete Joachim Friedrich von Kleist erneut. Im Gegensatz zu Caroline Louise brachte die achtundzwanzigjährige Juliane Ulrike von Pannwitz kein Vermögen mit in die Ehe. Aus dieser zweiten Verbindung gingen fünf Kinder hervor: Friederike (geboren 1775), Auguste (1776), Heinrich (1777), Leopold (1780) sowie Juliane (1784).

Das Haus, in dem Kleist und seine Geschwister ihre Kindheit verbrachten, stand neben dem des Stadtkommandanten, in unmittelbarer Nachbarschaft der Marienkirche. Erst 1788 war der Vater in der Lage, es zu kaufen. Teile des Hauses wurden untervermietet, wohl vor allem an Händler, die dreimal im Jahr zu der seinerzeit größten preußischen Gewerbemesse in Frankfurt an der Oder zusammenströmten.

Ins Jahr 1783 – Heinrich von Kleist war sechs Jahre alt – fällt ein für die Persönlichkeit des Vaters offenbar charakteristisches Ereignis. Friedrich II. (der Große) teilte dem Major von Kleist anlässlich einer Truppeninspektion mit, dass er sich keine Hoffnungen auf eine weitere Beförderung zu machen brauche, weil er seinen Dienst nicht mit ausreichendem Eifer erfülle. Kleists Vater nahm diese Demütigung nicht hin. Er schrieb dem König, dass dieser zwar über sein Leben, nicht aber über seine Ehre verfügen könne, welche er gekränkt habe. Deshalb bitte er um seinen Abschied. Weswegen es letztlich doch nicht zu diesem Schritt kam, ist ungeklärt. Der König scheint sich entschieden zu haben, die mutige Antwort seines Offiziers auf sich beruhen zu lassen. Gleichwohl machte er seine Ankündigung wahr. Kleists Vater blieb «der am längsten dienende Offizier in Majorsrang in der gesamten preußischen Armee»[3].

Ob die Kinder von dem Konflikt des Vaters mit dem König erfuhren, ist ungewiss. Zweifellos aber ist viel von der Haltung des Vaters auf Heinrich von Kleist übergegangen, dessen Entschlossenheit zur Selbstbehauptung freilich noch radikaler war.

«Als ich diesmal in Potsdam war, waren zwar die Prinzen, besonders der jüngere, sehr freundlich gegen mich, aber der König war es nicht – u wenn er meiner nicht bedarf, so bedarf ich seiner noch weit weniger. Denn mir mögte es nicht schwer werden, einen andern König zu finden, ihm aber, sich andere Unterthanen aufzusuchen./Am Hofe theilt man die Menschen ein, wie ehemals die Chemiker die Metalle, nämlich in solche, die sich dehnen u strecken lassen, u in solche, die dies nicht thun – Die ersten, werden dann fleißig mit dem Hammer der Wilkühr geklopft, die andern aber, wie die Halbmetalle, als unbrauchbar verworfen.»

Kleist an seine Halbschwester Ulrike am 25. November 1800 (SWB 4, S. 168)

Über Heinrich von Kleists Kindheit ist so gut wie nichts bekannt. Seinen ersten Unterricht erhielt er gemeinsam mit dem ein Jahr älteren Cousin Carl von Pannwitz, der bei der Familie wohnte, durch einen Privatlehrer, den Theologen und späteren Rektor der Frankfurter Bürgerschule Christian Ernst Martini. Jahrzehnte später beschrieb Martini seinen ehemaligen Schüler als einen «nicht zu dämpfende[n] Feuergeist, der Exaltation selbst bei Geringfügigkeiten anheimfallend, unstet, aber […] mit einer bewundernswerten Auffassungs-Gabe ausgerüstet»[4]. Für Kleist blieb Martini lange Zeit offenbar eine der wichtigsten Bezugs- und Vertrauenspersonen.

Wie intensiv war seine Beziehung zum Vater und zur Mutter? Wie viel Liebe und Geborgenheit erfuhr Kleist von seinen Eltern? Kleist war das fünfte Kind der Familie – wenn auch als erster Sohn in der herausgehobenen Rolle des Stammhalters; seine Mutter hatte bis Ende 1777 in drei Jahren drei Kinder zur Welt gebracht und war vermutlich schonungsbedürftig; das nächste Kind, Leopold, folgte erst zweieinhalb Jahre nach Heinrichs Geburt. Falls dieser, wie manche Kleist-Biographen vermutet haben, in seiner frühen Kindheit die Wohltat allgegenwärtiger elterlicher Liebe entbehren musste, so teilte er diese Erfahrung doch mit den meisten seiner Standesgenossen und überhaupt mit der Mehrzahl der Menschen im 18. Jahrhundert. Später scheint es nicht an Zuwendung gefehlt zu haben. In dem ersten erhaltenen Brief, den der fünfzehnjährige Kleist wenige Wochen nach dem Tod der Mutter an deren Schwester Auguste Helene von Massow schickte, spricht er von seiner verlorne[n] zärtliche[n] Mutter[5]. An seine Familie fühlte sich Kleist zeitlebens gebunden, ungeachtet aller Vorbehalte, mit denen die Verwandten seinen Lebensweg verfolgten. Das deutet auf die Erfahrung eines starken familiären Zusammenhalts während seiner Kindheit und Jugend.

Die geistigen Einflüsse, denen Kleist über die Vermittlung des Vaters als Kind ausgesetzt war, weisen in die Richtung aufklärerischer Menschenliebe. Der Chef der Frankfurter Garnison, bei dem der Vater als Stabsoffizier im benachbarten Kommandantenhaus täglich zu Mittag speiste, war der noch junge Prinz Leopold, ein Neffe Friedrichs des Großen. Leopold von Braunschweig war bildungsbeflissen – 1775 hatte Lessing ihn auf seiner Reise nach Italien begleitet – und philanthropisch gesinnt. Ebenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft wohnte der Universitätsdozent für Theologie Josias Friedrich Christian Löffler, der zudem als Superintendent die Oberaufsicht über das Bildungswesen ausübte und in der Marienkirche als Prediger wirkte. Seine Vorstellungen, wie sich Christentum und aufgeklärte Vernunft miteinander verbinden ließen, stimmten in vieler Hinsicht mit dem überein, was als Gedankengut der Aufklärung ohnehin in der Luft lag. Jesus als sittlich und moralisch hochstehender Mensch stand im Mittelpunkt seiner Theologie. Auch Sokrates galt ihm – als antiker Aufklärer und durch seine Bereitschaft, für seine Überzeugungen mit dem eigenen Leben einzustehen – als Muster eines vorbildlichen Menschen. Zudem trat Löffler für lebenslanges Lernen ein, denn nur durch die «Freiheit des Geistes» gelange der Mensch «zu einer höheren Stufe der Vollkommenheit».[6] Solche Ideen sind offenbar bis zum Nachbarskind gedrungen und haben dessen geistige Entwicklung tief geprägt. In seinem 1799 am Ende der Militärjahre als Standortbestimmung und persönliches Credo verfassten Aufsatz, den sichern Weg des Glücks zu finden und ungestört – auch unter den größten Drangsalen des Lebens, ihn zu genießen! feiert Kleist Jesus und Sokrates als große erhabne Menschen, die sich der Gottheit – also nicht mehr einem personal gedachten Gott, sondern der Idee des Göttlichen, dem höchsten Ideal – angenähert hätten.

Gegenüber Wilhelmine von Zenge erklärt Kleist am 22. März 1801, er habe «schon als Knabe (mich dünkt am Rhein durch eine Schrift von Wieland) mir den Gedanken angeeignet, daß die Vervollkommnung der Zweck der Schöpfung wäre. […] Aus diesen Gedanken bildete sichso nach u nach eine eigne Religion,u das Bestreben, nie auf einen Augenblick hieniden still zu stehen, u immer unaufhörlich einem höhere Grade von Bildung entgegen-zuschreiten, ward bald das einzige Princip meiner Thätigkeit. Bildung schien mir das einzige Ziel, das des Bestrebens, Wahrheit der einzige Reichthum, der des Besitzes würdig ist.»

(SWB 4, S. 204)

Anfang 1788, im Alter von zehn Jahren, wurde Heinrich von Kleist zusammen mit zwei älteren Cousins im 80 Kilometer entfernten Berlin in die Privatpension des hugenottischen Predigers Samuel Henri Catel gegeben. Wahrscheinlich wurde er in der Privatschule von Catels Schwager Frédéric Guillaume Hauchecorne sowie am Collège Français unterrichtet. Die Beherrschung der französischen Sprache, die Aneignung französischer Bildung und Lebensart gehörten damals zum Erziehungsprogramm der preußischen Adelssöhne. Diese Phase von Kleists Ausbildung fand jedoch – wohl durch den Tod des Vaters – bereits nach wenigen Monaten ein jähes Ende. Lediglich für fünf Monate, von Januar bis Mai 1788, ist Kleists Anwesenheit in Berlin belegt. Vermutlich wurde er bald nach dem unerwarteten Todesfall, auch aus finanziellen Gründen, nach Frankfurt zurückgeholt.

Joachim Friedrich von Kleist starb, sechzigjährig, am 18. Juni 1788. Bereits am folgenden Tag wandte sich Kleists Mutter mit der Bitte um eine Pension an den König, nunmehr Friedrich Wilhelm II. Dieser ließ drei Tage später antworten, dass er «jetzt die gebethene Pension nicht bewilligen» könne, weil die für diesen Zweck bestimmten Fonds erschöpft seien «und sich dermahlen keine Vacance ereignet hat».[7] Auch der Versuch der Mutter, ihren ältesten Sohn in der preußischen Militärakademie unterzubringen, scheiterte. Zu allem Unglück wurde das Testament des Vaters, das juristisch nicht einwandfrei formuliert war, vom Frankfurter Stadtgericht angefochten. Zu diesem Schritt kam es offenbar erst ein Jahr nach dem Tode Joachim Friedrich von Kleists. Das Verfahren endete 1790 mit einem Vergleich zwischen Juliane Ulrike von Kleist und dem amtlichen Vormund ihrer Kinder, dem Justizkommissar George David Friedrich Dames, der fortan das Erbe der Kinder bis zu deren Volljährigkeit verwaltete.

Während der vier Jahre, die auf den Tod des Vaters folgten, liegt Kleists Leben gänzlich im Dunkeln. Wahrscheinlich verbrachte er diese Zeit in Frankfurt bei der Familie. Möglicherweise erhielt er wiederum Unterricht von Christian Ernst Martini. Mit vierzehn Jahren wurde Kleist schließlich als Gefreiter-Korporal ins preußische Regiment Garde[8] aufgenommen, das in Potsdam stationiert war. Kurz nach seinem Eintritt in die Armee wurde er am 20. Juni 1792 in der Frankfurter Garnisonskirche konfirmiert.[9]