Wolf Schneider

Speak German!

Warum Deutsch manchmal besser ist

Inhaltsverzeichnis

Worum geht es?

1 Augenmaß schadet nicht

2 Ist Englisch nicht eine wunderbare Sprache?

3 Deutsch aber auch!

Lob deutscher Kürze

107 deutsche Wörter in Amerika

Deutsche Exporte in andere Sprachen

Das Zentralarchiv der Weltliteratur?

4 Warum soll man sie nicht mischen?

5 «Aber die Sprache entwickelt sich doch!»

Wie «die große Hure Duden» sie steuert

6 Haben wir nicht schon immer importiert?

7 Was eigentlich sind «Anglizismen»?

Der Smoking und das Handy

8 Was Jacob Grimm und Hitler dazu sagen

Der real existierende Unfug

9 Stimuliere deine Sense!

Werbesprüche

… auch in der Schweiz

… und in der Mode

10 Die törichtsten Anglizismen

11 Anglomania Analysts

Ein geiles Iwent

What we him wish

Englisch – und kaputt

Internes Firmen-Deutsch

Wie man in Deutschland isst

Firmen-Slang in USA

12 Netspeak und Diggibabble

Software für Softies

Der Techno-Schwurbel

13 Volkswaggon am Service Point

Das Outfit für den Court

T-Com XXL Fulltime

«Die Schweizer Post …

14 Prof. Dr. Unbeholfen

Zeitgeist-Opportunismus

Etwas Ähnliches wie Englisch

Die Saftigkeit deutscher Wörter

15 Pidgin – Globish – Basic English

Basic English

Special English, Easy English, English Light

Globish, Globalesisch

Oxford-English

Basic German

Brechts «Basic German»

Die Lust an der Selbsterniedrigung

16 Verzagt in Brüssel

Wir wollen keine Piefkes sein!

Anbiedern wollen wir uns!

17 Verklemmt mit Goethe

Goethes Mülldeponie

Bratislava in den Niederlanden

18 Die leidige Leitkultur

Stolz auf Deutschland?

Schlagworte der Leitkultur-Debatte

Und was können wir tun?

19 Einfälle haben!

Bismarcks Verdienst

Das Velociped …

Einrichtungen für Sprachkultur

20 Die Öffentlichkeit mobilisieren

44 Angebote der Aktion «Lebendiges Deutsch»

Wie aus dem Countdown die Startuhr wurde

Der Synapsen-Tango

Ein Angebot an die Lufthansa

Die vier, die’s versuchen

21 Den Franzosen folgen?

22 In der Schule beginnen!

Sieben Forderungen an die Schule

Mehr Deutsch-Unterricht

23 Tot oder lebendig?

In der Fremde

Anhang

Namen- und Sachregister

Bücher von Wolf Schneider

WORUM GEHT ES?

1
Augenmaß schadet nicht

Gibt es noch ein paar lover für die deutsche Sprache? Leute, die meinen, die Deutsche Bahn hätte nicht dringend den Service Point erfinden, eine deutsche Firma ihre Mitarbeiter nicht unbedingt mit einer Think Vantage Configuration Utility verwöhnen müssen?

Rund 60 Prozent der Deutschen können gar nicht Englisch. Underdog – ist das nicht ein Unterrock? So jedenfalls eine typische Antwort auf eine repräsentative Umfrage. Drop-out? Wahrscheinlich ein Bonbonautomat; das Patchwork aber kann nur eine Fliegenklatsche sein. Von den anderen 40 Prozent bringen es die meisten über ein gestammeltes Schul-, Disco- und Touristen-Englisch nicht hinaus; und unter den allenfalls 10 Prozent der Deutschen, die sich mit ihrem Englisch hören lassen können, geht der modische Anglo-Firlefanz vielen auf die Nerven.

Warum hören wir seit 2003 «SAT 1 zeigt’s allen»? Weil der Sender schmerzlich erfahren hatte: Sein langjähriger Werbespruch Powered by Emotion war von 67 Prozent der Deutschen unter 50 nicht oder aufs Lächerlichste missverstanden worden («Kraft durch Freude», zum Beispiel). Das Unternehmen hatte, von Anglomanie besessen und folglich ohne Augen für die Wirklichkeit, sein Geld zum Fenster hinausgeworfen.

Also weg mit allem, was wir aus dem Englischen übernommen haben? Um Gottes willen – nein! Jede Deutschtümelei, jede Hexenjagd auf Anglizismen wäre weltfremd, hinterwäldlerisch und einfach albern. Es geht nur darum, sich zwei schlichten Wahrheiten zu öffnen.

Zum Ersten: Kein Wort ist deshalb schlecht, weil es aus einer anderen Sprache stammt. Die Wörter Fenster, Balkon und Schokolade haben wir aus Rom, Paris und Mexiko importiert, und um nichts wären sie uns willkommener, wenn wir sie von den alten Germanen geerbt hätten. Zum Zweiten: Auch gut ist ein Wort nicht schon deshalb, weil wir es aus dem Englischen übernommen haben. Dieser zweiten Wahrheit aber bläst in Deutschland der Wind ins Gesicht.

Wie also wäre es, wenn wir uns aufrafften abzuwägen, zu unterscheiden zwischen schönen, praktischen Importen, vor allem den knackigen Einsilbern wie Job, Start, Team, Sex – und solchen, die ein pseudo-kosmopolitisches Imponiergefasel sind? Welchen Vorteil bringt das Human Resources Department, das in vielen deutschen Unternehmen die Personalabteilung abgelöst hat? Warum muss die Deutsche Post einen Content Management Code System Administrator haben? Manchmal könnte man doch einfach übersetzen – Luther hat damit die deutsche Hochsprache geschaffen. Geniestreiche der Übersetzungskunst finden sich selbst im Computerjargon: «Maus» schreiben wir, obwohl es mouse heißen könnte; und sogar für «Das Walking ist des Müllers Lust» hält der Autor einen Übersetzungsvorschlag parat.

Warum haben die Deutschen sich der amerikanischen Invasion so viel bereitwilliger geöffnet als Franzosen, Spanier, Italiener? Natürlich, weil wir unter dem Desaster der Nazijahre litten. Aber auch, weil es noch nie deutscher Stil war, auf die Muttersprache stolz zu sein, wie es für die Franzosen selbstverständlich ist. Und nicht zuletzt, weil Manager, Modemacher, Werbetexter, weil viele Wissenschaftler, Politiker und Journalisten im exotischen Wortschwall aus New York und Kalifornien die Chance sehen, Weltläufigkeit zu demonstrieren und die simpelsten Aussagen mit einschüchterndem Englisch zu verbrämen.

Damit schädigen sie den Wirtschaftsstandort Deutschland (Kapitel 11) und die deutsche Wissenschaft (Kapitel 14), und auf internationalen Konferenzen machen sie sich durch die Verweigerung ihrer Muttersprache nicht selten lächerlich. Verzagtheit und Verklemmung, Anbiederung und Selbstverleugnung sind ihre Markenzeichen, bis hin zur traurigen Rolle des Goethe-Instituts, die in Kapitel 17 gewürdigt wird.

Schön und gut – nur: Wäre es nicht ein Kampf gegen Windmühlenflügel, die Anglizismen anzugreifen, wenn auch nur die albernen, hässlichen, unverstandenen unter ihnen? Ist es nicht ganz natürlich, dass die Sprache sich entwickelt? Nein, sie entwickelt «sich» nicht, Kapitel 5 wird es demonstrieren. Und viele Windmühlen erweisen sich bei näherem Hinsehen als bloße Vogelscheuchen. Übersetzen war immer erlaubt, die Deutschen sind sogar Weltmeister darin, und welch schöne Erfolge sich damit erzielen lassen, ist in Kapitel 19 nachzulesen: Oder wer wollte noch Excursion zum Ausflug oder Säculum zum Jahrhundert sagen? Was wir brauchen, ist nur dreierlei: ein Quantum Lernbereitschaft, ein bisschen Phantasie und ein gutes Gewissen.

Der hatte keins von dreien, der 2007 in der Süddeutschen Zeitung schrieb: «Die Kampagnen für die Reinheit der Sprache sind weitaus weniger Zeichen einer besonderen Liebe zum schönen und passenden Ausdruck als vielmehr Spielfelder eines nationalen, globalisierungsfeindlichen Ressentiments.» Das war ein guter Satz – insofern, als er ausreichte, um dem Autor dieses Buches den Anstoß zur Widerlegung des Satzes durch dieses Buch zu geben.

Sortieren, Gentlemen! Den schönen, den nützlichen, den vielleicht unvermeidlichen Import von dem fremdländischen Unsinn scheiden, der in schlimmen Mengen auf uns herniederregnet oder gar in deutschen Büros ertüftelt wird. Auch die Chance erkennen: Klare deutsche Wörter haben meist die Kraft auf ihrer Seite, und bald käme der Überraschungseffekt hinzu. Wer zu oft mit Popcorn und Vanilla Fudge gefüttert worden ist, bekommt schließlich Appetit auf Vollkornbrot. Write German! Nothing beats it.

Einen Trost haben wir ja: In ihrer Eigenschaft als Reiseweltmeister ist es den Deutschen gelungen, in aller Welt die Zahl der Kellner zu erhöhen, die des Deutschen radebrechend mächtig sind.

2
Ist Englisch nicht eine wunderbare Sprache?

Ja, es ist eine wunderbare Sprache: Auf der untersten Ebene wunderbar einfach, auf allen Ebenen oft von großartiger Kürze und Kraft – und noch dazu fast auf der ganzen Welt verstanden. Jeder dieser drei Vorzüge spricht dafür, Englisch zu lernen; eine Sprache mit allen drei Meriten gab es noch nie.

WUNDERBAR EINFACH: In keiner anderen Kultursprache wird so wenig konjugiert und dekliniert – in keiner anderen muss man also beim Sprechen so selten daran denken, ob nicht hier ein s anzuhängen ist wie im Französischen oder ein n wie im Deutschen so oft. Die deutsche Endung n ist allein schon imstande, Ausländer zum Stöhnen zu bringen: englisch nice children, the nice children, to the nice children – deutsch nette Kinder, die netten Kinder, den netten Kindern.

Und die Mehrzahl! Die englische endet auf s, mit kaum einem Dutzend Ausnahmen (men, women, children, oxen, geese, mice, teeth) – der Deutsch Sprechende muss sich im Sprechen zwischen elf Standardformen entscheiden: unverändert (die Schüler), mit Umlaut (Väter), mit e (Schafe), mit e und Umlaut (Nächte), mit n (Klammern), mit en (Betten), mit ten (Bauten), mit er (Bilder), mit er und Umlaut (Bücher), mit Verdoppelung des Auslautkonsonanten (Bildnisse) und mit s (Autos). Das alles ist Standard, dann erst beginnen die Ausnahmen (Atlanten, Textilien, Schemata, Soli).

Und the, der eine Artikel, Trefferchance 100 Prozent! In den romanischen Sprachen liegt sie bei 50, im Deutschen bei 33 Prozent, und nie wird man einem Ausländer erklären können, warum es das Weib heißt und der Löwe, die Giraffe, das Nashorn, obwohl sie doch dieselben zwei Geschlechter haben.

GROSSARTIG AN KÜRZE UND KRAFT – und da, bei ihren einsilbigen Wörtern, haben wir uns zu Recht am kräftigsten bedient: in der Bar, mit Drops, am Grill, mit fair, Fan, fit, Flirt, Flop, Hit, Job, Lift, Sex, Sport, Spurt, Star, Start, Steak, Stop, Team, Test, Tip, Toast, Trip, Trick; bei manchen Zweisilbern ebenfalls: clever, Hobby, Party, Training.

Auch der englische Satzbau kann von einer schlanken Eleganz sein, der das Deutsche oft nur schwer zu folgen vermag: «It’s always with the best intentions that the worst work is done», sagt Oscar Wilde – «Es sind immer die besten Absichten, aus denen die schlechteste Arbeit folgt», das geht ja noch; aber dem gloriosen Buchtitel «Fifty famous English Poets we could do without» können wir nur hinterherhecheln: «… ohne die wir leicht auskommen könnten».

Den Höhepunkt an geballter Ausdruckskraft erreicht das Englische, wo es zwei einsilbige Wörter zu einem ganzen Kosmos verbindet: Jet-set, das ist nach Duden jene Schicht der internationalen Gesellschaft, «die über genügend Geld verfügt, um sich häufig an exklusiven Urlaubsorten oder anderen Treffpunkten, die in Mode sind, zu vergnügen». Zwei deutsche Silben zu finden, die dasselbe ausdrücken, ist hoffnungslos.

Beim Jet-lag ähnlich: Laut Brockhaus benennt er eine «Störung des biologischen Rhythmus von Körperfunktionen auf Grund der mit weiten Flugreisen verbundenen Zeitunterschiede». Und der Brain-drain: die Abwanderung von Wissenschaftlern und anderen hochqualifizierten Arbeitskräften ins Ausland, wodurch dem Abwanderungsland gerade die besonders wertvollen Arbeitskräfte verloren gehen. Und der Womb-broom; eine gelungene, wenn auch moralisch bedenkliche Metapher für den Schnurrbart (zum Selbstnachschlagen auf eigene Gefahr).

Kann man eine Kriegshandlung in sechs Buchstaben beschreiben? Auf Englisch ja: Als im Falkland-Krieg von 1982 die lang erwartete britische Invasion begann, füllte die Londoner Boulevardzeitung The Sun ihre Titelseite mit den sechs Lettern: In we go. Und mit genau vier Buchstaben teilte Hillary Clinton im Januar 2007 den Amerikanern mit, dass sie sich um die Präsidentschaftskandidatur bewerbe: I’m in.

Ja, Englisch ist eine großartige Sprache. Sie zu beherrschen bringt Gewinn für jeden, der eine große Kultur kennenlernen – und sich über sein Heimatdorf erheben möchte.