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Über dieses Buch:

Die eine hatte mal eine Karriere, die andere einen Horst. Eine Kündigung und ein Beziehungs-Aus später starten die beiden noch einmal richtig durch: Marnie gründet das »Institut für alles«, Mona wird zum Star der Einrichtungsshow »Renovieren um vier«. Was die beiden nicht wissen: ohne sich zu kennen, kämpfen sie um dasselbe Objekt der Begierde. Und bei dem handelt es sich nicht um irgendeinen Mann, sondern um ein kostbares Gut im Leben der vergnügten Singlefrau: eine Szenebar …

»Federleichte Unterhaltung für den Sommer auf dem Balkon. Wittler schreibt frech, flott, flapsig.« Neue Westfälische Zeitung

Über die Autorin:

Tine Wittler, geboren 1973, studierte Kultur- und Kommunikationswissenschaften, bevor sie als Redakteurin und TV-Moderatorin arbeitete; ihre Erfolgssendung Einsatz in vier Wänden wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Sie ist auch als Roman- und Sachbuchautorin, Wirtin, Modemacherin und Filmproduzentin erfolgreich. Wer schön sein will, muss reisen, der erste Dokumentarfilm ihrer Filmproduktion prallefilm, schaffte es auf Anhieb in die Kinos. Mit ihrer Bewegung ReBelles setzt sie sich außerdem für vermehrte Körperakzeptanz und -vielfalt ein. Tine Wittler lebt in Hamburg.

Bei dotbooks veröffentlichte Tine Wittler ihre Romane Parallelwelt, Irgendwas is immer und Wir wär’n dann so weit. Mehr Informationen über Tine Wittlers Aktivitäten finden Sie am Ende dieses eBooks im Kapitel Surftipps: Was diese Frau so alles treibt.

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eBook-Ausgabe September 2013

Copyright © der Originalausgabe 2007 S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main

Copyright © der eBook-Ausgabe dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Bildes von mumideniz/istock/thinkstock

ISBN 978-3-95520-378-8

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Tine Wittler

Irgendwas is immer

Roman

dotbooks.

Für Rüdi, der eigentlich nur Sachbücher liest.

Tja, Schatz. Dumm gelaufen.

Kapitel 1

Marnie

Der erste Januar ist das Schlimmste, was einem mehr oder weniger erwachsenen Menschen passieren kann.

Wer zum Henker ist eigentlich auf die Idee gekommen, dass man an Silvester völlig durchdrehen, mit Knallfröschen um sich werfen, Unmengen Schnaps trinken, ein bisschen sentimental werden, sich aber gleichzeitig total optimistisch fühlen und noch dazu gute Vorsätze fassen muss, die einem am folgenden Tag überhaupt keinen Spaß mehr, aber dafür ein schlechtes Gewissen machen?

Ich jedenfalls fühle mich an diesem ersten Januar, als hätte mir jemand mit der Bratpfanne hinterrücks einen übergenuckt. Wie ich dabei aussehe, will ich gar nicht wissen, also ziehe ich mir die Bettdecke über den Kopf und versuche zu vergessen. Dummerweise kriege ich dabei schon bald keine Luft mehr und tauche ungehalten wieder auf, in fieses, trübes Erster-Januar-Licht, das durch das ungeputzte Fenster wabert, weil ich in der Nacht natürlich nicht mehr dazu in der Lage gewesen bin, die Vorhänge zuzuziehen.

Anhand der Spur, die ich mit meinen Klamotten gelegt habe, kann ich recht präzise erkennen, in welchen Schlangenlinien ich ins Bett gekrochen sein muss. Der Umweg, den ich dabei gemacht habe, reicht locker für einen Halbmarathon.

So viel zu den guten Vorsätzen, »mehr Sport« wird also ebenfalls wieder dabei gewesen sein. Wie üblich. Sehr lobenswert.

Als ich mich in die Küche schleppe, stelle ich fest, dass ich auch dort ein paar Stunden zuvor nicht mehr Herr meiner Sinne gewesen sein kann: Über den gesamten Korkfußboden schlängeln sich unzählige Wasserrinnsale; die Backofentür steht weit in den Raum hinein, warum auch immer, und eine ungelenk aufgerissene Packung Frischkäse in der Spüle zeugt davon, dass ich versucht habe, zum neuen Jahr noch schnell meinen viel zu lange vernachlässigten Eiweißhaushalt in Ordnung zu bringen.

Nun gut.

Ächzend sinke ich an den Küchentisch.

Was, bitte, kommt als Nächstes?

Bestandsaufnahme.

Mein Name ist Marnie Hilchenbach, so viel weiß ich noch. Ich bin dreißig Jahre alt, jedenfalls laut Papieren, und ich lebe in Hamburg-Altona. Allein, natürlich, denn wenn ich nicht allein lebte, wäre das Aufwachen nicht so gewesen, wie es gewesen ist, und jemand hätte mir längst liebevoll über den Kopf gestreichelt, mir eine Aspirin ans Bett gebracht und mich scherzhaft getadelt, weil ich so eine unvernünftige Silvesterpartybombe gewesen bin, obwohl ich das doch gar nicht nötig habe.

So viel zur Theorie.

In der Praxis bin ich verknallt in einen Typen namens Eule, der zwar in der vergangenen Nacht zum ersten Mal mit mir geredet, dabei aber irgendwie doch einen seltsameren Eindruck hinterlassen hat als erwartet.

Und: Ich habe keinen Job.

Nicht mehr.

Nicht, dass das immer so gewesen wäre. Nein, bis vor kurzem war ich durchaus ein respektables Mitglied der Gesellschaft; ich bin morgens ins Büro gefahren und selten vor acht von dort zurückgekehrt; ich habe mich dafür mit E-Shopping im Internet belohnt, weil ich so gut wie nie zu normalen Ladenöffnungszeiten auf die Straße kam; und meine Freunde waren hauptsächlich deshalb meine Freunde, weil sie ebenso wenig Zeit für Freundschaften hatten wie ich.

Aber seit einigen Wochen ist das alles anders, für mich und für 39 ehemalige Kollegen, die der New-Economy-Crash aus ihren gut bezahlten Jobs ins diffuse Nirwana der Langeweile gespült hat.

Ich habe jetzt zwar Zeit, aber kein Geld, und einen Plan habe ich erst recht nicht.

Gut, es hätte da eine Möglichkeit gegeben, denn da ist noch Moritz, mit dem ich vor kurzem geschlafen habe, um überhaupt mal wieder zu wissen, wie das geht. Moritz hat nicht nur eine schwangere Freundin, sondern auch eine Internetagentur, und in Letzterer hat er mir, damit ich ihm Ersteres verzeihe, einen Job angeboten.

Wie ich in just diesem Moment von meinem Handy erfahren muss, habe ich diesen Job allerdings letzte Nacht – vermutlich in einem Anfall sturzbesoffenen Selbstrespekts – dankend abgelehnt. Denn als es »pling« macht und ich die Nachricht öffne, die mir Moritz soeben zugeschickt hat, steht da Folgendes:

»Auch dir ein Frohes Neues!!! Das mit dem Job ist schade, aber Onlineredakteure sind ja grad nicht sooo schwer zu finden. :-) Kann verstehen, dass du was anderes machen willst. Trotzdem bis bald? M.«

Ich stöhne auf und schlage verzweifelt mit dem Kopf auf die Tischplatte.

Super, Marnie. So, so. Du willst also was anderes machen. Aber was?

Wenn ich mich doch bloß erinnern könnte!

Ich meine, nicht dass ich mich darum prügeln würde, meine Zeit demnächst wieder nonstop im glorreichen Hamsterrad der globalen Netzseligkeit zu verbringen. Aber eine Situation wie meine ist nun mal leichter zu ertragen, wenn man sich sagen kann, dass man vielleicht nicht will, aber könnte.

Jetzt muss ich mir schon wieder sagen, dass ich vielleicht doch gewollt hätte, aber nun mal nicht mehr kann, jedenfalls nicht, ohne mein letztes bisschen Stolz zu verlieren, und das ist – sagen wir einfach: doof.

Was also macht man an einem ersten Januar nach einem solchen Erwachen, wenn man außerdem für den Rest seines Lebens noch nichts vorhat?

Ich habe wirklich keine Ahnung. Für den Moment beschränke ich mich darauf, meine Klamotten vom Schlafzimmerboden zu klauben und in die Waschmaschine zu stopfen, weil sie so nach Rauch stinken, und dann zünde ich mir eine Zigarette an und gehe einfach wieder ins Bett. Schade, dass die Kneipen noch zu sind.

Mona

Ein neues Jahr ist etwas Wunderbares. Frisch und unverbraucht liegt es vor mir, und ich fühle mich ebenso frisch und unverbraucht. Jungfräulich geradezu. Du liebe Güte, ich habe ja noch nicht einmal einen dicken Kopf! Sieht so aus, als würde ich langsam erwachsen werden. Wann soll man sonst erwachsen sein, wenn nicht in dem Moment, in dem man den Silvesterabend nicht mehr als Entschuldigung missbraucht, um sich endlich mal wieder besinnungslos zu betrinken?

Das habe ich nämlich nicht getan. Ich war lediglich schön essen, mit Freundinnen, ohne Männer, und danach waren wir noch ein bisschen am Altonaer Balkon, Böller werfen, aber nur so kleine, ungefährliche, wegen der Kinder (von uns hat zwar noch niemand welche, aber es waren trotzdem genügend da), alles ganz gepflegt.

Was sie mir wohl bringen werden, die nächsten 365 Tage? Vielleicht wird alles anders.

Vielleicht bleibt aber auch alles gleich, und das wäre bis auf ein paar Kleinigkeiten gar nicht mal so schlecht. Läuft doch! Die ganze Jammerei um mich herum kann ich jedenfalls überhaupt nicht verstehen.

Meine Bilanz des vergangenen Jahres sieht nämlich recht ordentlich aus.

Ich habe ausreichend gearbeitet – aber natürlich nicht zu viel. Deshalb habe ich genug Geld verdient, dass ich meine kleine Wohnung renovieren, meinen Käfer durch den TÜV bringen und sogar in den Urlaub fahren konnte. Ich habe – selbstverständlich erst nach der Renovierung und nach dem Urlaub – ausreichend Zeit mit meinen Freunden verbracht, vorzugsweise im Familieneck. Das ist ja sowieso das Wichtigste.

Mein Haustier (genannt Der Katze) lebt auch noch, ich hatte eine Menge Dates mit teilweise netten und attraktiven Männern, und gegen Ende des Jahres hatte ich sogar Sex mit einem besonders netten und attraktiven Mann namens Sandor, den ich seither von Zeit zu Zeit wiedersehe, ganz unverbindlich, und der mir aber trotzdem neulich Blumen mitgebracht hat. Ha.

Das Beste aber ist: Ich hatte keinen Horst. Das ganze Jahr über nicht. Noch nicht mal in Gedanken. Nein, ich bin stark geblieben und habe alle Männer, die auch nur ansatzweise horstige Züge trugen (also die eines bindungsgestörten Scheißkerls), abblitzen lassen, denn schließlich bin ich eine waschechte Prinzessin, und mir kommen keine Horste mehr ins Haus. Diese Zeiten sind endgültig vorbei, und mein seelisches Gleichgewicht ist endlich wieder hergestellt.

So langsam könnte ich mir sogar vorstellen, mal wieder eine Beziehung einzugehen. Aber das hat Zeit, jedenfalls so lange, bis ich wieder Zeit habe, und die habe ich jetzt gerade nicht so wirklich. Aber so ist das nun mal, wenn man langsam, aber sicher aufsteigt in den Olymp der Fernsehmacher.

Ich bin jetzt nämlich nicht mehr popelige kleine Redakteurin in der popeligen kleinen Popstar-Redaktion, sondern popelige kleine Redakteurin in der allmächtigen Entwicklungsabteilung. Das wiederum heißt, dass ich mitentscheide, was die Leute demnächst auf dem Bildschirm zu sehen kriegen. Wow.

Gerade entwickeln wir eine Heimwerkersendung. So was Ähnliches wie »Hör mal, wer da hämmert«, nur nicht ganz so lustig und dass da eben wirklich renoviert wird, mit waschechten Handwerkern und waschechten Werkzeugen, die in echten Wohnungen von echten Leuten eingesetzt werden, und so weiter.

Durchkalkuliert ist so weit alles. Nur der Moderator fehlt noch. Und genau das ist der Grund, warum ich im Moment gerade mal keine Zeit für eine Beziehung habe: Weil ich den nämlich finden soll.

Ich, Mona Rittner aus Hamburg, entscheide über Gedeih und Verderb deutscher TV-Karrieren, und da ist es natürlich egal, ob der erste Januar ist oder nicht, in unserer Branche wird immer gearbeitet. Und gerade bei so einem Casting ist ja alles so eilig.

Deshalb treffe ich gleich ein besonders vielversprechendes Moderatorenexemplar in spe: Harald, 35, kann angeblich ganze Sätze sprechen. Ich bin gespannt. Und das ist erst der Anfang meines neuen Jahres! Was will ich mehr?

Marnie

Gegen fünf stehe ich tatsächlich irgendwann auf und wenig später bei Berit vor der Tür. Vielleicht kann sie mir sagen, was zu tun ist.

Berit, einstmals Grafikerin, befindet sich in einer ähnlichen Situation wie ich: Sie hat ebenfalls keinen Job mehr. Aber dafür hat sie Bernd, mit dem sie sich in der Silvesternacht verlobt hat. Lieber einem Mann den Rücken freihalten als gar nichts zu tun, hat Berit beschlossen, und deshalb werden Bernd und sie demnächst heiraten.

Als Berit mir jetzt die Tür öffnet, muss ich sie nicht zum ersten Mal für völlig bekloppt halten.

»Was soll das denn?«, frage ich ungläubig und weise mit dem Zeigefinger auf den Fünf-Kilo-Sack Katzenstreu, den sie sich mit Hilfe mehrerer Gürtel um den Bauch geschnallt hat. Sie ächzt unter ihrer Last und stöhnt genießerisch, während sie ihre Hände über ihrem ausladenden Zweitbauch faltet. Dazu macht sie eine indifferente Bewegung mit dem Kopf, die ich wahrscheinlich als einladende Geste verstehen soll, also trete ich ein, so gut es geht in dem engen Flur, der durch Berits Bauch nicht gerade geräumiger wird.

»Schuhe aus!«, befiehlt Berit mir statt einer Antwort barsch, und ich beuge mich, im doppelten Sinne, und nestele an meinen Schnürsenkeln.

»Jetzt sag schon«, wiederhole ich dann, »was soll das?«

»AaarrrghhsnurneÜbung«, presst Berit angestrengt hervor und stemmt die Arme in die Hüfte, um daraufhin ausgiebig zu schnaufen.

»Was denn für eine Übung, zum Teufel?«

»Na, fürs Schwangersein natürlich«, erklärt Berit stolz, soweit es ihre Kurzatmigkeit zulässt. »Ich dachte, ich üb schon mal. Kann ja jetzt jederzeit passieren«, fügt sie hinzu und streicht erneut liebevoll über ihren Fünf-Kilo-Katzenstreu-Bauch.

Ich stöhne auf. »Du hast sie nicht mehr alle«, stelle ich fest und mustere Berit ausführlich. Sie sieht so was von bescheuert aus, dass man sich wirklich fragen muss, ob man jemanden wie sie überhaupt jemals Kinder kriegen lassen sollte.

»Pah«, erwidert Berit eingeschnappt. »Du bist doch nur neidisch.«

Dazu fällt mir nun wirklich nicht mehr viel ein.

»Und seit wann wiegt ein Menschenbaby fünf Kilo?«, entrüste ich mich und tippe mir an die Stirn.

»Vielleicht werden’s ja Zwillinge«, erwidert Berit. »Das liegt bei Bernd in der Familie.«

»Ah ja«, mache ich erschüttert und beobachte Berit dabei, wie sie zwischen Kaffeemaschine und Spüle hin und her stolpert und dabei fast über einen der Gürtel fällt, der ihr mittlerweile heruntergerutscht ist.

Fassen wir also zusammen: Es ist der erste Januar, ich habe keinen Job, keine Kohle und keinen Kerl, dafür aber Freundinnen wie Berit. Muss ich noch mehr sagen?

Ich glaube nein. Ich denke vielmehr, die Ausweglosigkeit meiner schlimmen Situation auf allen Ebenen ist hiermit hinreichend bewiesen.

Mona

Um Punkt 17 Uhr stehe ich bei meiner besten Freundin Eske auf der Matte.

Sie kennt das Spiel schon, denn es haben bereits einige Castings in ihrer Wohnung stattgefunden. Weil Eske genau wie ich Fernsehredakteurin ist, weiß sie eine DV-Kamera zu bedienen. Und weil ein richtiges Kamerateam nur unnütz teuer wäre und ich in meiner Position natürlich auch auf die Kosten zu achten habe, filmt sie die Castings nach den ersten drei Reinfällen, für die ich tatsächlich ein Team gebucht hatte, was im Nachhinein völlig überflüssig war. Und eben viel zu teuer.

Mittlerweile sind Eske und ich ein eingespieltes Team. Es läuft immer gleich ab: Ich spiele die Kandidatin, die in der Wohnung wohnt, und dann kommt der Fernsehheimwerkermoderator oder manchmal auch die Fernsehheimwerkermoderatorin in spe, tut so, als hätte er/sie den Job bereits und wäre schon mitten in der Sendung, und nimmt die Bude auseinander. Verbal natürlich nur, erst mal. Schließlich muss es da, wo wir mit unserer Sendung renovieren kommen, entsprechend scheiße aussehen, und da sind wir in Eskes Wohnung bestens aufgehoben, sie hat nämlich überhaupt keinen Geschmack.

Ich zitiere in diesem Zusammenhang immer gern unsere ehemalige Kollegin Valerie, die regelmäßig behauptete, Eske würde ausschließlich Klamotten tragen, die eigentlich nie hergestellt wurden.

Auch heute hat sie eine entsprechend gruselige Kombination am Leib: Eine graue Trainingshose, in deren Knieausbeulungen Melonen versteckt zu sein scheinen, und ein Kapuzensweatshirt, dessen Nähte sich seit ungefähr drei Jahren langsam, aber quälend in Wohlgefallen auflösen.

Was ihre Möbel betrifft, ist Eske ähnlich schmerzbefreit. Trotzdem fühle ich mich in ihrer Wohnung wohl, sie ist auch ohne viel Aufhebens sehr heimelig. Leider liegt sie etwas unglücklich, denn Eske kann von ihrer Dachterrasse aus direkt auf den Balkon vom Horst sehen. Soweit ich weiß, wohnt der Idiot immer noch da, jedenfalls steht auch heute eine Kiste Beck’s Alkoholfrei auf dem Balkonboden, wie immer, und die Vorhänge sind weiterhin zugezogen. Ein Horst zerfällt bei Tageslicht wahrscheinlich zu Staub.

»Wie heißt er denn diesmal?«, fragt Eske ungerührt meines kritischen Blickes und stopft sich einen Haufen roter Schaumgummiherzen in den Mund, die Behnke junior ihr mitgebracht hat.

Behnke junior ist Eskes Freund, mit dem sie auch zusammenwohnt. Noch, sage ich mal, denn ich habe Behnke junior schon lange nicht mehr gesehen in seiner eigenen Wohnung. Er ist immer weg, wenn ich komme. Ich gehe natürlich davon aus, dass es da keinen Zusammenhang gibt.

»Harald«, antworte ich.

»Sexy?«, fragt Eske.

»Angeblich ja.«

»Na dann. Pünktlich ist er schon mal nicht. Andreas sagt übrigens, das muss ein Ende haben.«

Andreas, so heißt Behnke junior mit Vornamen.

»Hä?«, frage ich gespielt unwissend. »Was muss ein Ende haben?«

Eske runzelt die Stirn. »Na, das mit diesen ständigen Castings bei uns in der Wohnung natürlich. Du weißt genau, dass Andreas das überhaupt nicht abkann, wenn hier ständig so ein Zirkus ist. Heute Mittag meinte er, du wärst in letzter Zeit öfter hier als er.«

»Der soll sich mal nicht so anstellen«, sage ich maulig. »Immerhin kommt eure Bude so mal ins Fernsehen.«

»Das stimmt doch gar nicht«, entrüstet sich Eske. »Das hier ist lediglich ein Casting. Das wird doch niemals ausgestrahlt.«

Manchmal ist es blöd, wenn die beste Freundin was vom eigenen Job versteht.

»Na ja«, sage ich einlenkend. »Das ist bestimmt bald vorbei. Die Typen vom Sender müssen sich doch irgendwann mal entscheiden. Der wievielte Kandidat ist das jetzt? Der vierzehnte?«

»So ungefähr«, bestätigt Eske.

»Na also. Kostet doch alles bloß Geld.«

Und Nerven.

»Was ist mit der Frau vom letzten Mal? Ist die noch in der engeren Wahl?«, erkundigt sich Eske jetzt dumpf aus dem Wohnzimmerschrank, in dessen unterem Regal sie nach dem besonders scheußlichen schwarzgoldglitzernden 3D-Bild mit dem Einhorn kramt, das wir zu Testzwecken bei den Castings immer über das Sofa hängen, um unsere Moderatorenkandidaten aus der Reserve zu locken. Bisher war es noch jedem sauer aufgestoßen, und das ist ja wohl das Mindeste, was man von einem fernsehtauglichen Möchtegern-Einrichtungsexperten erwarten kann.

»Nö«, sage ich genervt. »Die ist raus.«

»Und warum?«

»Die bescheuertste Begründung aller Zeiten: Ihre Stimme wäre zu tief.«

Eske lacht. Sie hat übrigens auch eine ziemlich tiefe Stimme. »Was hast’n dir eigentlich fürs neue Jahr vorgenommen?«, fragt sie dann abrupt. »Irgendwas, wovon ich wissen sollte?«

»Nichts Besonderes«, sage ich. »Aber es wäre schön, dieses Projekt endlich mal ans Laufen zu bringen. Und du?«

»Oh«, sagt Eske verheißungsvoll, »ich habe im neuen Jahr einiges vor. Vor allen Dingen habe ich zwei neue Hobbys.«

Ich runzele die Stirn.

Neue Hobbys bei Eske sind gefährlich und stellen unsere Freundschaft in der Regel auf eine harte Probe. Im vorletzten Jahr war Nichtrauchen ihr neues Hobby, und leider Gottes hat sie sich so da reingesteigert, dass Weggehen mit ihr eine Zeitlang überhaupt keinen Spaß mehr machte. Von Behnke junior als neuem Hobby wenig später ganz zu schweigen.

Ich erwarte also das Schlimmste. »Und diese neuen Hobbys wären?«

»Erstens: Quantenphysik. Und zweitens: Doppelkopf«, sagt Eske, und dabei klingt sie ganz ernst. »Wir brauchen übrigens dringend noch jemanden für unsere Runde. Susa macht auch mit.«

»Vergiss es«, antworte ich schnell und bin froh, dass es an der Tür klingelt. Der Moderator in spe. Endlich. Mein Leiden hat ein Ende.

Marnie

Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mir die Situation schönzutrinken. Oder es zumindest zu versuchen und zu gucken, wie weit ich dabei mit meinen paar letzten Kröten komme. Und deshalb sitze ich am Abend in der Villa Verde, wärme mich am orangefarbenen Marmortresen, der aufgrund seiner Innenbeleuchtung geschätzte 28 Grad hat, und trinke Bier aus der Flasche.

Es ist ruhig in der kleinen Bar. Die Stammgäste liegen vermutlich noch von Silvester in sauer, nur im hinteren Teil des Ladens haben sich ein paar unverbesserliche Schreihälse um den Kicker versammelt und brüllen sich die Seele aus dem Leib.

Auf den Plattentellern drehen sich uralte Soulscheiben, kratzig und warm klingen sie, und wenn man sich auf den verschlissenen Barhockern umdreht zu den großen Fensterscheiben, dann hat man den melancholischsten Ausblick von ganz Altona.

Ein bisschen wie in der Bronx sieht es aus oder zumindest so, wie ich es mir in der Bronx vorstellen würde, mit einer großen Kreuzung, auf der die Autos zu jeder Tages- und Nachtzeit in alle Richtungen über die oft regennassen Fahrbahnen pflügen, als wären sie hintereinander an Schnüren aufgezogen. An besonders guten Tagen wie heute tanzt in ihren Scheinwerfern der Nieselschnee und dämpft den Lärm, dann ist das Geschehen auf der Kreuzung wie ein Stummfilm, dem man aus dem geschützten Kokon der Bar unbehelligt folgt.

Die Villa Verde ist kein Ort für den Sommer, dann ist es hier staubig, dreckig, laut und der Laden meistens leer; aber im Herbst und im Winter, da schlägt ihre große Stunde. Denn dann saugen sich die Blicke der Gäste an dem filmhaften Bild vor den Fenstern fest wie ihre Münder an den Drinks, und wenn man nur genügend an beidem genippt hat, dann wird einem plötzlich klar, wie viele Möglichkeiten es gibt im Leben, während man auf die Kreuzung blickt und überlegt, wie es wäre, sich jetzt endgültig für einen der hier zusammentreffenden Wege zu entscheiden.

Auch heute habe ich wieder das Gefühl, an einem ganz besonders wichtigen Moment meines Lebens angekommen zu sein, während ich nach draußen starre. Habe ich schon erwähnt, dass ich insbesondere zu Zeiten des Jahreswechsels zu überbordender Sentimentalität neige?

Bolek, der Wirt, sieht auch nicht gerade glücklich aus. Er hat den Laden vor etwa drei Jahren übernommen, aber irgendwann muss er das Interesse daran verloren haben, und das sieht man nicht nur ihm an, sondern auch der Bar selbst. Die Polster der ehemals samtenen Sitzbänke vor den Fenstern sind zerschlissen. Aus den aufgerissenen Bezügen quillt der Schaumstoff. Die ehemals lindgrünen Wände sind mittlerweile eher nikotingelb bis Schlammfarben, und unter der Decke sammeln sich hier und da braune Flecken. Der einstmals helle Holzboden ist dunkel von Asche und verschüttetem Averna, die Barhocker wackeln, und von den weißen Rolltischchen vor den Bänken blättert der Lack.

Gemütlich ist es trotzdem.

Bolek seufzt versonnen in die Gläser, die er spült oder zumindest vorgibt zu spülen. Irgendwann schiebt er mir ungefragt einen Averna über den Tresen, schenkt sich selbst ebenfalls ein und hält mir sein Glas entgegen.

»Frohes Neues«, sagt er, und dann seufzt er wieder und sieht unendlich traurig aus. Wie Ethan Hawke in »Before Sunrise«.

Rrrrrrrrrr.

»Was is’n los?«, frage ich mitfühlend und, zugegeben, ein wenig erwartungsfroh, denn das eigene Schicksal ist doch dann immer leichter zu ertragen, wenn es jemanden in der Nähe gibt, den es vielleicht noch schlimmer erwischt hat.

»Muss aufhörn hier«, sagt Bolek knapp. »Geld ist aus, Lust ist aus, geht nicht mehr. Werd den Laden dichtmachen.«

»Och nein«, entfährt es mir erschrocken. So schlimm muss es ja wohl nicht gleich sein.

»Och doch«, erwidert Bolek und nestelt einen Korken von der Spirale seines letzten Korkenziehers, ohne mich weiter anzusehen. »Wenn ich jetzt nicht aufhöre, reite ich mich in die Scheiße. Werd mir lieber wieder eine Anstellung suchen.«

»Und was passiert mit dem Laden?«

Bolek zuckt mit den Schultern. »Muss versuchen, einen anderen Pächter zu finden, der mir ein bisschen Abstand zahlt. Ich mein, hier steckt ja trotzdem Geld drin. Auch wenn man’s vielleicht nicht mehr sieht«, ergänzt er und grinst schief.

Ich grinse ebenso schief zurück. »Stimmt«, bestätige ich und hebe erneut mein Glas. »Ist wohl die Zeit für solche Entscheidungen«, sage ich dann unbeholfen. »Ich hab das Gefühl, irgendwie geht alles den Bach runter.«

»Ach was«, sagt Bolek aufgesetzt fröhlich. »Lebbe gehd weider. Sagte schon wer?«

»Dragoslav Stepanovic«, antworte ich matt.

»Sehr gut. Und das Spiel hat nun mal nur neunzig Minuten. Noch n Averna? Ich könnt schon wieder.«

»Ich auch. Aber ich bezahl ihn.«

»Sei nicht albern, Marnie. Das kann ich mir gerade noch so leisten.«

Mona

Das Casting wird eine Katastrophe. Harald ist überhaupt nicht sexy, sondern sehr, sehr klein und bestimmt auch sehr wenig telegen. Seine Restfrisur kräuselt sich schamhaarmäßig in seinem Nacken, und er hat eine Fistelstimme.

Als Erstes erklärt er mir, dass er auch tanzen und singen kann. Nachdem ich ihn darauf hingewiesen habe, dass diese Qualitäten bei der geplanten Sendung nicht wirklich nachgefragt werden, ist er beleidigt und boykottiert im Grunde alles, sogar das Du, das ich ihm als angebliche Hässliche-Wohnung-Besitzerin vor laufender Kamera anbiete.

Das gruselige Bild über dem Sofa fällt ihm erst gar nicht auf, stattdessen bricht er die Aufnahmen im Wohnzimmer mit einem »Ich kann so nicht arbeiten« ab und motzt lautstark darüber, dass kein Maskenbildner vorhanden ist, um ihn abzupudern. Schweren Herzens reiche ich ihm meinen Kompaktpuder, aber das reicht nicht aus, um Harald zu besänftigen.

»Der Typ sollte erst mal seine Persönlichkeit renovieren, bevor er darüber nachdenkt, auf anderer Leute Baustellen tätig zu werden«, raunt Eske mir zu, während Harald sich im Schlafzimmer über Eskes Nachthemd mokiert statt über die sorgfältig fehldrapierte Tagesdecke mit Tigerdruck, und als er anfängt, in den Schubladen Eskes Unterwäsche zu durchwühlen, komplimentiere ich ihn hinaus.

»Don’t call us, we’ll call you«, gluckst Eske, nachdem die Haustür zugeklappt ist. »Der Typ war ja ein Albtraum. Wer hat den denn aufgegabelt?«

»Keine Ahnung«, stöhne ich. »Manchmal frage ich mich, warum ich nicht Bankangestellte geworden bin oder Beamtin. Bei so was wird man doch bescheuert.«

»Na ja, jedenfalls, wenn man einen Feiertag dafür opfert«, stellt Eske fest und nestelt das Band aus der Kamera. »Da haste.«

Zweifelnd betrachte ich das Tape, bevor ich es in meine Tasche stecke. »Das könnt ich wahrscheinlich auch direkt in die Tonne treten. Und jetzt?«

»Gehst du schön nach Haus, und ich warte auf meinen Kerl«, sagt Eske bestimmt. »Schlimm genug, dass er sich sogar am ersten Januar aus dem Staub machen muss.«

»Ach manno«, motze ich. »Ich hab aber Lust hierzubleiben. Oder was zu unternehmen.«

»Mach doch«, sagt Eske, »unternimm doch was Schönes. Aber ohne mich. Bitteschön«, und mit diesen Worten hält sie mir die Tür auf wie ich zuvor Harald. Ich trolle mich widerwillig und trotte mit meiner verseuchten Puderquaste von dannen.

Nachdem ich zu Hause Harald von ihr abgewaschen habe, hat mich aller Elan verlassen, und so wird’s nichts mehr mit Weggehen. Stattdessen schlafe ich mit einer Feuchtigkeitsmaske auf dem Gesicht ein und wache gegen zwei Uhr morgens mit bröckelnder Zweithaut wieder auf.

Es wäre schön, wenn jetzt jemand da wäre, mir ein feuchtes Tuch reichte und mich dann zurück in den Schlaf küsste, aber noch nicht einmal Der Katze kommt auf mein Rufen ins Bett getapst. Wahrscheinlich mutiert er langsam auch zum Horst. Bäh.

Marnie

Es ist gut, dass Bolek mir den Averna ausgegeben hat, denn als ich am nächsten Tag Kontoauszüge holen gehe, ist es amtlich: Ich bin ein armes Schwein.

Das Arbeitslosengeld, das ich erhalte, reicht gerade mal für die Miete und die Nebenkosten. Meine Hausrats-, Auto- und Haftpflichtversicherungen waren mal wieder außerordentlich pünktlich mit ihren jährlichen Abbuchungen, und so ist auch meine Abfindung schon jetzt um einiges mehr zusammengeschrumpft als erwartet.

Das Gefühl, kein Geld zu haben, ist mir zwar nicht neu, aber ich hatte es lange nicht mehr. Schließlich habe ich vier Jahre lang hart gearbeitet und dabei ordentliches Geld verdient. Jetzt fühle ich mich wieder wie damals während des Studiums, mit dem Unterschied, dass ich auch noch einen Haufen Bafög-Schulden habe und kein monatlicher Scheck von den Eltern mehr zu erwarten ist.

Meinem Bankberater habe ich von der neuen Situation noch nicht berichtet. Das auf den Kontoauszügen ausgewiesene Überziehungslimit ist unverändert hoch, aber es ist bestimmt nur eine Frage der Zeit, bis Herr Schnakenpohl mich anruft und fragt, was los ist, und das macht mich jetzt schon nervös. Ich brauche wieder einen Job, und zwar schnell.

Oder eine Eingebung.

Seufzend krame ich die Unterlagen hervor, die mein Vater zusammengestellt hat. Als er hörte, dass ich meinen Job los bin, hat er sofort ganze Arbeit geleistet, und deshalb liegt vor mir jetzt ein ganzer Haufen von Zeitungsausschnitten, Broschüren, Informationsblättern und Antragsformularen von der Agentur für Arbeit.

Mehr oder weniger motiviert mache ich mich daran, den Stapel zu sortieren. Das mit der Ich-AG klingt eigentlich gar nicht so schlecht. Mir fehlt halt nur die zündende Geschäftsidee. Noch. Aber ich bin schwer davon überzeugt, dass mir etwas einfallen wird.

Ich bin ja sonst auch nicht auf den Kopf gefallen.

Mona

Am nächsten Tag streiche ich in der Redaktion gerade nachdrücklich den Namen »Harald« von der immer weiter schrumpfenden Castingliste, als Georg anruft, der Entwicklungsleiter unserer so kreativen kleinen Fernsehwerkstatt.

»Frohes Neues! Komm doch mal rüber«, sagt Georg, »wir gehen mal den Stand der Dinge durch.«

»Der Stand der Dinge ist genau so wie in der Woche vor Weihnachten und in der Woche davor und in der Woche davor«, denke ich, aber das sage ich natürlich nicht, sondern mache mich stattdessen mit Castingliste, Haralds Band und einem sexy Klemmbrett auf den Weg in Georgs Büro.

Mein Lieblingskollege Mags hat einmal gesagt, Georg wäre »leicht außerirdisch veranlagt«, und damit hat er ihn ganz gut getroffen, denn Georg sieht wirklich aus wie ein Alien mit seinen abstehenden Ohren und den tiefliegenden Augen im runden Gesicht. Georg ist außerordentlich begeisterungsfähig, vor allem was Dinge betrifft, die mit dem Job so gar nichts zu tun haben, und wenn Georg sich freut oder uns in der Redaktion von einem seiner außerberuflichen Erlebnisse berichtet (was manchmal eine Menge Arbeitszeit kostet, sowohl unsere als auch die von Georg), dann hüpft er – die Füße geschlossen und die Ellbogen wie beim Ententanz nach hinten gestreckt – auf und ab wie ein Gummiball, bis er kaum noch sprechen kann und wir die Inhalte seines Erlebnisberichtes erraten müssen.

Zudem ist Georg der sparsamste Mensch, den ich je getroffen habe. Nicht weil er kein Geld hat – er verdient vermutlich mehr als anständig –, sondern weil Sparen nun einmal seine Leidenschaft ist. Das ausführliche Studium von Sonderangebotsprospekten gehört zu seinen Haupttagesgeschäften. Und wenn er dort nichts findet, was er unbedingt haben muss (zum Beispiel einen Tropischer-Regen-Duschkopf von Plus für vierzehn neunundneunzig, der ihm nach nur kurzem Gebrauch wegen Materialermüdung auf den Kopf fiel und eine schöne Beule verursachte, woraufhin mit Hüpfen erst mal Essig war, weil es zu schlimmen Kopfschmerzen führte), dann geht er im Internet auf Schnäppchensuche. Hat er dann mal wieder einen billigen Flug oder ein technisches Gerät unter Neupreis ergattert, ist er stolz wie Oskar, hüpft auf und ab wie gehabt und rechnet sich und allen anderen vor, was er mit dem ersparten Geld noch alles kaufen kann, natürlich zum Sonderpreis.

Nur bei der Nahrungsaufnahme, da schöpft Georg gern aus dem Vollen. Wenn er am Set auf einer Produktion auftaucht, dann immer zur Mittagszeit, und das Erste, was er fragt, ist dann, wann und wo es etwas zu essen gibt. Nach dem Essen legt Georg sich gerne hin, manchmal auch zwischen den Gängen, weshalb wir alle Geschäftstermine mit Georg in Restaurants zu vermeiden suchen. Es soll schon vorgekommen sein, dass eine Praktikantin die Verhandlungsgespräche mit dem Sender führte, weil Georg sich im Auto aufs Ohr gehauen hatte und selig vor sich hin schnarchte, aber da war ich nicht dabei, und vielleicht ist das auch nur ein Gerücht, man weiß ja, wie das so manchmal geht in Büros.

An und für sich ist Georg jedenfalls ein prima Chef, wenn auch nicht immer ein sonderlich hilfreicher, aber das wäre vielleicht auch schlicht zu viel verlangt. Heute geht es Georg zunächst um ein Gebäck aus der Schweiz, bevor er zur Sache kommt.

»Probier mal«, sagt er und hüpft mit der Schale auf und ab, sodass ich Schwierigkeiten habe, eines der Dinger abzugreifen, »schmecken wie Schweineohren, so ähnlich, total lecker, die kauf ich jedes Mal, wenn ich da bin, tonnenweise, und trotzdem sind sie nach einer Woche immer leer«, was mich nicht wundert, weil Georg nämlich die Hälfte der komischen trockenen Kekse durch seine Hüpferei auf dem Fußboden verteilt. Aber darum wird sich beizeiten sicherlich Kerry kümmern, der neurotische Hund unseres noch neurotischeren Produzenten, der auch prima als Staubsauger durchgehen könnte und auf seinen regelmäßigen Patrouillen durch die Chefetage alles Essbare in Sekundenschnelle inhaliert.

Irgendwie erinnern mich die krümelnden Teile an die bröckelnde Gesichtsmaske der vorigen Nacht.

»Aber zum Thema«, sagt Georg dann irgendwann, nachdem er zu Ende gehüpft hat und wieder Luft bekommt, »was machen denn unsere heißen Kandidaten?«

»Nichts, wirklich«, gestehe ich. »Die sind alle irgendwie doof. Dieser Harald war ein Albtraum, den kann man jedenfalls nicht auf die Menschheit loslassen. Willste mal sehen?«

»Lass mal hier, das Band, ich guck mal drauf«, sagt Georg enttäuscht. »Wie viele haben wir noch auf der Liste?«

»Vier«, erkläre ich. »Das schwule Architektenpärchen mit den neonfarbenen Felljäckchen ist noch offen. Die konnten bisher immer nicht. Termine, Termine. Dann noch diesen sexy Tischler, aber der kann ja nicht so richtig verständlich sprechen mit seiner gespaltenen Zunge. Ach ja, und dann noch diese Tante vom Offenen Kanal. Aber die hat im Telefonat gesagt, Handwerker würden sie aggressiv machen. Ich weiß nicht, ob das so das Richtige ist.«

Georg runzelt die Stirn. »Was war mit dieser Regionalsenderdingsda, dieser Wetterfee mit den roten Haaren?«

»Das Casting hat quasi gar nicht stattgefunden«, kläre ich Georg auf. »Als sie hörte, dass es keinen Teleprompter gibt, hat sie gesagt, das könne sie nicht.«

Georg rollt mit den Augen. »Und die Kindergärtnerin? Ich meine, die kann doch wenigstens dann mit den Kindern umgehen. Wenn wir Kinderzimmer renovieren und so.«

»Stimmt, die wär vielleicht nicht schlecht gewesen«, bestätige ich. »Aber die hat die Konkurrenz grad abgegriffen für so eine Schwer-Erziehbaren-Sendung. Die fangen nächste Woche schon an zu produzieren.«

Das ist zu viel für Georg. Er läuft rot an.

»Ich kann nichts dafür«, beeile ich mich zu sagen. »Die hat sich doppelt casten lassen. Fast gleichzeitig.«

Georg holt Luft, und ich ducke mich.

»Das kann doch nicht sein«, schreit er dann, springt auf und hüpft wie Rumpelstilzchen um seinen Schreibtisch herum. »Das kann nicht sein, das kann nicht sein. Wir haben eine SUPER Sendung am Start, wir haben einen SUPER Sender, der diese SUPER Sendung zu SUPER Konditionen auf einem SUPER Sendeplatz einkaufen will, und wir finden noch nicht einmal jemand Mittelmäßiges, der diese SUPER Sendung noch ein kleines bisschen SUPERER macht? Ja, wo sind wir denn hier? Das kann nicht sein, echt. Das kann doch nicht sein! Armes Deutschland!«

Ich verzichte darauf zu sagen, dass es aber nun mal so ist, und starre orientierungslos auf mein Klemmbrett.

Die Castingliste hat schon Eselsohren.

Georg sinkt zurück auf seinen Chefsessel, und dann dreht er sich darin um, zum Fenster, und starrt raus, ohne noch etwas zu sagen. Als die Stille unerträglich und mir unwohl wird, räuspere ich mich.

»Ich kann ja«, schlage ich vor, »die Architektenkammer noch mal anrufen, vielleicht fällt denen doch noch jemand ein. Oder ich geh noch mal durch die Raumausstattergeschäfte. In Altona, in der Ottenser Hauptstraße, da hatte der eine Chef gerade Urlaub. Vielleicht ist der ja was«, sage ich, obwohl ich eigentlich weiß, dass das auch sinnlos ist.

Die Architektenkammer habe ich nämlich schon so gelöchert, dass die mittlerweile auflegen, wenn ich anrufe, und der Raumausstatter aus der Ottenser Hauptstraße ist einer meiner Bekannten. Der hat mir einen Vogel gezeigt, als ich ihm vorschlug, er solle seine Selbstständigkeit und seinen mühsam aufgebauten Laden für ein echt anstrengendes Fulltime-Projekt vernachlässigen, von dem man noch nicht einmal weiß, ob es die ersten vier oder fünf Monate übersteht.

Crispin, mein süßer Exfreund-Tischler Crispin, den ich bekloppte Kuh damals ausgerechnet wegen des Horst verlassen habe, wollte übrigens auch nicht zum Casting kommen. Dabei wäre er mit seinem entzückenden britischen Akzent genau der Richtige gewesen: Kinder lieben ihn, Frauen (ich eingeschlossen) finden ihn sexy und sanftmütig, aber gleichzeitig wahnsinnig männlich, und Männer bewundern seine handwerklichen Fähigkeiten und seine Witze. Aber Crispin war schon der entfernteste Gedanke daran zuwider, dass alle Leute auf der Straße auf einmal wüssten, wie er heißt und was er so macht.

Irgendwie kann man das ja auch verstehen. Ich meine, es ist entgegen der landläufigen Meinung nun mal nicht jedermanns Sache, ins Fernsehen zu gehen, auch wenn man beim Studieren der Programmzeitschriften der Meinung sein könnte, die einzige Funktion des Mediums wäre es, sich durch halbseidene Castingshows selbst am Leben zu erhalten.

»Mach das«, sagt Georg erschöpft. »Wir müssen uns beeilen. Wir brauchen endlich einen Piloten. Und ich kann bald nicht mehr.«

»Ich auch nicht«, murmele ich mir in meinen imaginären Bart, während ich aufstehe, aber das hört Georg schon nicht mehr, weil sein Telefon klingelt.

»Das ist der Sender. Wir haben noch nicht über die letzten drei Kandidaten gesprochen«, entfährt es ihm erschrocken, und zu diesem Zeitpunkt ist es höchste Eisenbahn, dass ich mich aus dem Staub mache, denn ich weiß, dass die letzten drei Castingbänder, die vor Weihnachten rausgegangen sind, alles andere als vielversprechend waren.

»Ich ruf dann mal die Architektenkammer an«, formuliere ich lautlos mit den Lippen, während ich wie ein geprügelter Hund aus der Tür schleiche. Gott steh uns bei.

Marnie

Gegen Abend bin ich schon recht fortgeschritten mit der Findung meiner neuen Geschäftsidee. Mir raucht der Kopf, aber mein Konzept ist schon fast zur Hälfte fertig, bis auf darauf, dass ich immer noch nicht weiß, wofür es eigentlich ist.

Das Einzige, was ich schon länger weiß, ist, dass ich mich mit Sicherheit nicht als Onlinerin verdingen werde, denn von arbeitslosen Onlinern, die sich gerade selbstständig machen, kenne ich ungefähr zwanzig, und bei keinem läuft es. Diese Möglichkeit scheidet also aus.

Trotzdem. Es kann nicht schaden, sich schon mal auf alle Eventualitäten vorzubereiten und für den baldigen Geistesblitz – und Geschäftsstart – gewappnet zu sein.

Ich habe deshalb alles (soweit ohne eigentliche Geschäftsidee möglich) schriftlich festgehalten und mich dabei peinlich genau an Papas Ratgeberschnipseln, Artikeln und Informationsbroschüren orientiert. Immerhin bin ich mir im Laufe des Tages über meine Talente sowie über meine Lebenshaltungskosten klar geworden, und somit liegen zwei der fünf empfohlenen Konzeptteile bereits vor mir. Die Liste mit meinen Fähigkeiten sieht gar nicht mal so übel aus:

1. Meine Fähigkeiten, Stärken und Schwächen!

Was ich gut kann:

organisieren und delegieren

mit Mensch und Tier umgehen (auch mit Betrunkenen!!!, aber: mit Kindern eher weniger!;Tierpflegeerfahrung: Schildkröten, Pferde, Katzen, Wellensittiche)

mich auch auf seltsame Menschen einlassen (z.B. Eule. Warum meldet der sich eigentlich nicht endlich mal? Ich dachte, wir wären verknallt)

Zeitpläne aufstellen und einhalten (war jedenfalls so, als ich noch einen Job hatte, Fähigkeit hoffentlich wiedererlangbar)

Konzepte schreiben (auch inhaltslose, das macht eine gute Onlineredakteurin schließlich aus)

Leute von irgendwas überzeugen (eigentlich egal von was)

einen guten Eindruck machen

andere reden lassen und ihnen das Gefühl geben, interessant zu sein

selber reden (abgeschlossenes Studium! Viele Referate unvorbereitet gehalten, Examen trotzdem bestanden!!!)

einkaufen (vor allem Schuhe und Taschen)

nett sein (aber nur, wenn ich will)

aufräumen, ausmisten und sortieren (ebenfalls wenn ich will, selbst erfundenes hervorragendes Ablagesystem für Buchhaltung etc.!!!)

durchhalten, diszipliniert sein, Dinge zu Ende bringen (Listenmanie!!!, alles muss der Reihe nach abgearbeitet werden)

Ich kann nicht gut:

kochen (geht gaaar nicht)

rennen (oder überhaupt sportliche Aktivitäten!!!)

unerledigte Aufgaben vertagen, Geduld haben

Preise verhandeln (unbedingt von vornherein Festpreise verlangen, für was auch immer!)

immer das Gleiche machen (brauche Abwechslung!!!)

den ganzen Tag im Büro sitzen (hatte ich jetzt lange genug, laaaaangweilig)

in oberen Kreisen verkehren (Kostüm und Pumps tragen, mich an den Knigge halten, nicht kleckern beim Essen etc.)

technische und handwerkliche Probleme lösen (logisches Denkvermögen gleich null, Angst vor Kabeln und Stromstößen, Höhenangst)

mit meiner Meinung hinterm Berg halten

Endstand 12:9, damit kann ich wohl zufrieden sein. Mein Kosten- und Investitionsplan hingegen sieht weniger gut aus. Aber das habe ich ja schon befürchtet:

2. Kosten- und Investitionsplan bei Selbstständigkeit!

Lebenshaltungskosten/was ich im Monat ausgebe:

Miete: 650 Euro (Hamburg ist teuer!)

Nebenkosten: 110 Euro (viele techn. Geräte, aber heize kaum!)

Telefon (inkl. Handy): 100 Euro (bei Selbstständigkeit eher höher!!!)

Versicherungen, Bausparen, Rente: 200 Euro (sehr vernünftig)

Auto (inkl. Tanken): 120 Euro (abschaffbar?)

Essen/Lebensmittel: 250 Euro (Aldi!!! Penny!!! Lidl!!!!)

Klamotten, Kosmetik: 200 Euro (reduzierbar????)

trinken, rauchen, ausgehen: 250 Euro (muss sein)

Sonstiges: 200 Euro (zur Sicherheit)

Ausgaben/Monat: 2.080 Euro

(viel zu viel!!! sogar mehr als mein bisheriges Nettoeinkommen, wie habe ich das gemacht???)

Zusätzliche Kosten bei Selbstständigkeit:

Krankenversicherung!!! (erkundigen)

Büroeinrichtung! (nicht dringend. Computer und Drucker vorhanden, Schreibtisch ebenfalls)

Arbeitszimmer/Büro: vorhanden (immerhin) kann steuerlich abgesetzt werden!!!

derzeitiges monatliches Einkommen:

Arbeitslosengeld 60 %des letzten Nettoeinkommens:

= 1.080 Euro (für 12 Monate, danach weniger)

Ersparnisse: = keine, Geld fest angelegt (Bausparvertrag evtl. kündbar?) Abfindung: = 6.000 Euro noch vorhanden (reicht zum Aufstocken des Lebensunterhalts für ca. 6 Monate)

= mögliche Investitionssumme: 0 Euro (leider)

Tja. Investieren kann ich also nichts. Das ist traurig und reduziert meine Möglichkeiten um einiges, aber wenigstens weiß ich jetzt, woran ich bin. Wie gut, dass der Staat bei einer Ich-AG noch was dazugibt. Wenn – ja, wenn man denn eine zündende Idee hat.

An der werde ich jetzt noch ein wenig arbeiten, mir fehlen die Konzeptteile 3 (Geschäftszweck und -ziel der geplanten Ich-AG), 4 (Marktsituation) und 5 (mögliche Kunden), und das ist leider eine entscheidende Lücke.

Vielleicht weiß Lüttje einen Rat.

Mona

Ich bin kaum an meinen Platz zurückgekehrt, da klingelt mein Telefon erneut, und wieder ist es Georg. Erst will ich so tun, als wäre ich nicht da. Aber Mags, der über seinen Gema-Listen brütet, wirft mir genervte Blicke zu, und so murmele ich ein ebenso genervtes »Ja, ja« und gehe schließlich doch ran. Wenn Georg mir den Kopf abreißen will, kann er es genauso gut jetzt tun, nützt ja nichts.

Entgegen aller Erwartung ist Georg aber ganz ruhig. Und zuckersüß. Seine Stimme trieft geradezu.

»Mona«, säuselt er schmeichelnd, »na, komm doch noch mal her.

Es gibt Neuigkeiten.«

»Du machst Witze«, entgegne ich, und das meine ich wirklich so, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Sender bei dem Schrott auf den letzten Bändern überhaupt noch weitermachen will mit dem Projekt. Zumindest nicht mit unserer Firma.

Ja, ja, zugegeben, es war schon ganz schön frech, was ich denen da kredenzt habe in der Hoffnung, über Weihnachten und Silvester würden die Zuständigen das ihnen präsentierte personifizierte Grauen schlicht vergessen.

Aber es war auch wirklich niemand dabei, aus dem man noch mehr hätte rausholen können. Bis auf den Hund von der humpelnden Raumausstatterin vielleicht, der war ganz possierlich. Er hat nur leider den Tonmann angegriffen und sich in dessen Mikrofonpuschel verbissen, weil er dachte, es handele sich dabei um seinesgleichen.

Gut, dass ich gerade daran denke; die Rechnung des Kamerateams für den neuen Mikrofonpuschel stecke ich mal lieber gleich ein, denn wenn Georg jetzt gute Laune hat, lege ich sie ihm am besten sofort zum Abzeichnen vor.

Mags hat natürlich längst aufgehorcht. »Was is’n los?«, fragt er. »Gibt’s doch was Neues?«

Ich zucke mit den Schultern. »Offensichtlich. Keine Ahnung, was da gespielt wird. Ich bin gleich wieder da«, und dann schnappe ich mir die Rechnung, klemme sie auf mein sexy Klemmbrett und mache mich erneut auf in die Höhle des Löwen.

Als ich das Büro betrete, kriege ich fast einen Herzinfarkt, denn da sitzt nicht nur Georg, sondern auch unser Produzent. Der Chefchef.

Hilfe. Das ist kein gutes Zeichen, weil der Chefchef eigentlich nur bei Kündigungen und Neueinstellungen am Tagesgeschäft teilnimmt. Und angestellt bin ich ja nun schon.

Ich zwinge mich dazu, nicht hysterisch zu werden und das Klemmbrett gleich hinzuschmeißen.

»Komm rein«, sagt Georg freundlich, »komm rein, setz dich doch«, und dann steht der Produzent auf und tut etwas, was ich ihn noch nie habe tun sehen: Er rückt mir einen Stuhl zurecht und weist mich wohlwollend an, Platz zu nehmen.

Alles nur Masche. Alles nur Masche, jetzt werden sie mir sagen, dass der Sender die Schnauze voll hat und das Format mit einer anderen Produktionsfirma realisieren wird, und dann werden sie mich freundlich bitten, das Haus zu verlassen, um für das nächste hoffnungsvolle Redakteurstalent (Mags?) Platz zu machen und mir wahrscheinlich mein sexy Klemmbrett noch hinterherwerfen, vielleicht trifft es mich dann am Kopf und das war’s, ich werde jämmerlich verbluten, und Kerry, dieses neurotische Vieh, wird mir das Gehirn auslutschen und auf mir herumsabbern und hinterher auch noch dafür gelobt werden.

Du hast es vergeigt, Mona Rittner. Aus und vorbei, dieses Projekt ist dein Untergang.

Arbeitsamt, ich komme.

Georg räuspert sich. Wenigstens hüpft er nicht, aber er steht schon mal auf.

»Also«, setzt er an, »ich habe gerade mit TV3 gesprochen.«

Ach was.

»Die Kandidaten, die du da gecastet hast, die waren ja wohl nicht so der Hit.«

Ich überlege, ob ich mich jetzt rechtfertigen muss, aber der Produzent kommt mir zuvor.

»Es ist auch wirklich schwer im Moment«, sagt er und seufzt, »kaum Potenzial. Und wer Potenzial hat, kommt gleich unter die Räder und wird verheizt. Aber keine Angst, da passen wir bei dir schon auf.«

Hä?

Ich verstehe nur Bahnhof.

»Ich verstehe nicht«, sage ich kläglich. »Bin ich jetzt gekündigt oder was?«

Jetzt fängt Georg wirklich an zu hüpfen.

»Nein, nein, nein«, ruft er feixend und springt dermaßen heftig auf und ab, dass die Videokassetten im Regal hinter seinem Schreibtisch anfangen zu wackeln, »im Gegenteil! Im Gegenteil! TV3 will DICH, Mona! DICH! DU bist die neue Moderatorin von ›Renovieren Um Vier‹! DU!«

Georg hüpft und hüpft und hört gar nicht wieder auf. Mir wird ganz schwindelig.

»Bitte was