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Peter Dempf

Blutgruppe Null

Roman

hockebooks

18

Jens hatte versucht, Charly anzurufen, aber der Penner war nicht ans Telefon gegangen. Jetzt stand er vor dessen Tür und läutete Sturm, bis er hinter der Tür Schritte hörte.

»Ja?«, klang es verschlafen. »Wenn dort die Polizei ist, holt mich bitte erst in zwei Stunden, dann bin ich ausgeschlafen. Ich laufe bestimmt nicht weg.«

»Charly, ich bin’s, Jens. Mach auf, verdammt!«

Der Schlüssel drehte sich im Schloss und das verschlafene Gesicht Charlys erschien.

»Verflucht, Jens. Es kann nur kurz nach Mitternacht sein. Was willst du schon wieder hier?«

Jens hatte nicht die Zeit, Charly seine Lebensgeschichte auseinanderzulegen, und ihm zu erklären, dass es bereits acht Uhr war, sondern er drängte sich einfach durch den Türspalt.

»Es ist wichtig, Charly. Wach auf. Du musst mir helfen.«

»Das klingt irgendwie nicht gut. Das letzte Mal …«

»Red kein Blech, Charly, wo ist die Kaffeemaschine, damit dein Kreislauf aufwacht? Ich brauche deinen Computer. Alles legal! Außerdem habe ich eine Frage.«

Charly atmete hörbar enttäuscht auf. »Legal? Dann lass mich in Frieden und hau ab.«

»Na ja, ganz legal nicht, Charly. Ich muss etwas wissen.«

Charly wuchtete die Augenlider nach oben und sah ihn mit wässrigen, rot geränderten Augen an. Dann rümpfte er angewidert die Nase. »Du stinkst nach Scheiße, Mann. Das ist ja ekelhaft.«

»Okay, gewonnen, Freund. Ich dusch mich und du kannst noch zwei Minuten knacken.«

Unter der Dusche genoss Jens das heiße Wasser. Jetzt hatte er Zeit nachzudenken. Die letzten Tage waren hektisch und voller Ereignisse gewesen, die er noch nicht einschätzen konnte. Er war bei Chrissi gelandet. Sie war für ihn ein einziges Rätsel und ebenso unnahbar wie geheimnisvoll. Er wusste nicht recht, ob er sich in sie verliebt hatte, oder ob nur ihre Art zu leben ihn momentan anzog. Sein eigentliches Ziel hatte er dabei etwas aus den Augen verloren. Schließlich wollte er den Mann finden, dem er sein beschissenes Leben verdankte. Aber die Straße forderte ihren Tribut. Sie ließ ihm wenig Spielraum, wenn er sich behaupten wollte. Ein ungutes Gefühl bereitete ihm Dirk, dessen Machenschaften ihm noch völlig unklar waren. Einzig die Gedanken an Angela und Kogge waren wie weggeblasen und selbst die Schule spielte keine Rolle mehr. Sollten sie ihn doch suchen, er würde allein zurechtkommen.

Jens trocknete sich ab, so dass die Haut rot anlief. Dann nahm er sich aus Charlys Schrank Unterwäsche, packte seine Jeans und sein Sweatshirt zusammen mit Short und Hemd und steckte es in die kleine Wäschetrommel. Obenauf stand Waschmittel. Charly hatte ihm einmal gezeigt, wie alles funktionierte und das zahlte sich jetzt aus. Als das Gerät lief, sah er ins Zimmer. Charly lag auf dem Sofa und schnarchte, die Computer leuchteten betriebsbereit.

Jens wusste selbst nicht, was er genau suchte, aber er dachte sich, dass der Vergewaltiger vielleicht irgendwann geschnappt worden war und diese Nachricht in der Zeitung auftauchen müsste. Er setzte sich an einen der Computer und wollte sich ins Internet einwählen, als Charly aufwachte. »Was suchst du?«

»Einen Zugang zum Netz!«

Charly gähnte und streckte sich. Dann stand er auf und tappte zu Jens an die Tastatur. »Hey, spinnst du? Das ist meine eigene Nummer. Das kostet Geld. Lass mich mal. Die Stadt ist da großzügiger. Wir versuchen es einfach über eine städtische Nummer. Vielleicht die des Oberbürgermeisters. Sollen wir eine Sex-Seite anwählen? Dann bekommt er bestimmt Ärger. Würde ihm nicht schaden, dann käme er einmal so richtig in die Gänge. Oder nehmen wir die des Kulturreferenten? Das ist doch so ein Schickimicki-Schnösel. Vielleicht würde der einmal aufwachen.«

Jens rutschte und Charly nahm seinen Platz ein. Seine Finger flogen über die Tastatur. Dann steckte er einen Stick ein und holte aus einer mit einem Kennwort gesicherten und vor Fremdzugriff präparierten Datei eine Nummer. Kurz danach hatten sie Zugang zum Surfer der Stadt Augsburg.

»Also, auf zu Teresa Orlowski oder Dolly Buster, damit die Referenten unserer Stadt ein wenig gekitzelt werden.«

»Lass den Blödsinn, Charly. Ich muss ins Zeitungsarchiv!«

»Kotz, brech, spei! Was suchst du im Zeitungsarchiv?«

»Quatsch nicht. Mach schon. Dann holst du die drei Jahrgänge seit meiner Zeugung. Du musst sie auf die Begriffe Vergewaltigung und Vergewaltiger durchsuchen.«

Charly drehte sich auf seinem Stuhl zu Jens um. In seinem Gesicht spiegelte sich Überraschung. »Wenn ich hier richtig peile, dann ist was dran an deiner Vermutung von letztens. Deine Mutter …«

Jens hob die Augenbrauen und nickte. »So ist es. Jetzt will ich wissen, ob er von der Polizei irgendwann geschnappt wurde? Das muss doch in der Zeitung gestanden haben. Wenn sie damals schon ein Fahndungsbild ausgegeben haben.«

Charly drehte sich wieder dem Bildschirm zu und tippte wie ein Wahnsinniger in die Tastatur. Kurze Zeit darauf hatten sie die Seiten der Lokalzeitung auf dem Schirm. Jens machte Charly mit den Ausschnitten bekannt, die er für wesentlich hielt und sortierte die aus, die er bereits gelesen hatte.

Zwei Meldungen deuteten noch auf ihren Unbekannten hin. Weitere zweimal hatte der noch zugeschlagen. Zweimal waren es Frauen, die sich nachts bei der Goggeles-Brücke oder im Wäldchen vor dem Eisstadion aufgehalten hatten. Dann brachen die Überfälle auf Frauen durch den Täter mit dem Muttermal plötzlich ab, aber nirgends wurde in der Zeitung erwähnt, dass man ihm habhaft geworden wäre.

Irgendwann stand Jens auf und setzte sich auf das Sofa. Es war kalt und ihn fror, weil er nur in Shorts dasaß.

»Wo könnte noch etwas stehen? Wer weiß, ob die Fälle abgeschlossen wurden?«

Charly drehte sich zu ihm um. Er unterdrückte ein Gähnen. »Im Polizeicomputer, Mann. Aber wenn ich mich dort anmelde, haben die mich am Arsch. Die verstehen keinen Spaß. Außerdem laufen bei denen Spezialisten rum, die mich innerhalb von einer Stunde lokalisiert haben. Das würde nicht einmal mein Vater verstehen.«

»Kapier ich, Charly. Ich will das auch nicht. Du kannst mir aber noch eine andere Frage beantworten.«

Charly ging zum Kaffeeautomaten und schenkte sich und Jens ein. »Mit Zucker oder Milch?«

»Nur Milch, Charly.«

»Also, schieß los.«

»Kannst du mein Smartphone orten?«

»Klar. Pass auf.« So schnell konnte er gar nicht folgen, wie Charly ihn auf seinem Computer geortet hatte. Der Bildschirm vor ihm zeigte eine Karte auf der ein roter Punkt blinkte.

»Auch wenn ich das Ding ausschalte?«

Jens drückte auf den Ausschaltknopf — und der blinkende Punkt verschwand.

»Das ist zwar etwas schwieriger, aber diese Dinger melden sich stumm, wenn man sie anwählt. Schau her. Und schon hab ich dich.«

Wieder klapperte die Tatstatur in einem irrsinnigen Rhythmus und schließlich tauchte der Punkt erneut auf.

Charly grinste ihn an. »Das ist eine Technik, was?«

»Scheiße«, entfuhr es Jens und er sah auf das abgeschaltete Gerät in seiner Hand. »Das ist ja schlimmer als bei Orwells 1984

»Weit schlimmer. Nur bemerkt es keiner«, sagte Charly.

Mit einigen Klicks der Maus verschwand die Suchkarte und die Zeitungsberichte tauchten wieder auf.

»Wo könnten wir noch schauen, ohne dass sie dich hops nehmen?«, fragte Jens.

»Hör mal. Was jetzt hilft, ist nur der Zufall. Das alles ist sechzehn Jahre her. Damals haben die noch nicht einmal eine Genanalyse gemacht. Jeder, der draußen rumläuft und knapp über fünfzig ist, könnte dein Vater sein. Ist das wirklich so wichtig?«

Jens schwieg. Er wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte. Er wusste nicht einmal recht, was ihn dazu trieb, den Mann ausfindig machen zu wollen. Was hätte er dem Triebtäter gesagt, wenn er ihn gefunden hätte? Hey, du, ich bin eines deiner Kinder, die du mit Gewalt in die Welt gesetzt hast? Hätte er ihn niederschlagen sollen, ihn quälen, ihn ans Messer liefern, sechzehn Jahre nach seiner Tat? Jens wusste es einfach nicht. Aber nichts tun konnte er auch wieder nicht, schließlich hing er wegen dieses Ereignisses wie in einem Spagat zwischen Gut und Böse, der verlogenen Welt seiner Eltern und der gefährlichen seines jetzigen Daseins mit Chrissi.

»Du musst auf den Zufall hoffen. Oder besser nicht«, fuhr Charly fort, der auf eine Antwort gewartet hatte. »Hoff’ lieber, dass du ihm nie begegnest, dann musst du dir auch nicht überlegen, was du tun sollst. Außerdem, Jens, wirst du dir nie sicher sein, ob der Mann tatsächlich dein Vater ist. Zufälle spielen hier eine enorme Rolle.«

»Ich glaube, du hast recht, Charly. Ich sollte damit aufhören. Es nützt nichts, hinter einem Phantom her zu rennen. Außerdem wüsste ich auch nicht, wo ich noch suchen sollte.«

Im Bad klingelte die Waschmaschine. Jens stand auf und ging hinaus. Dort lief gerade der Schleudergang aus. Jens holte die Hose, seine Unterwäsche und das Sweatshirt heraus. Alles war leicht bläulich angelaufen. Die Farbe der Jeans war ausgegangen. Er warf die Sachen achselzuckend in den Wäschetrockner und schaltete an. In zwanzig Minuten würde er von hier verschwinden.

Als er in das Wohnzimmer zurückkam, schlief Charly sanft schnarchend auf der Couch.

Jens nahm sein Smartphone und stopfte es in die Ritze der Couch. Charly würde es nicht suchen, und wenn er es fand, würde er glauben, Jens hätte es verloren.

Jetzt war er bereit für Chrissi. Er horchte auf das Rauschen des Trockners und versuchte zu dessen eintöniger Melodie einen Text zu rappen, in dem immer wieder der Name Chrissi auftauchte.

19

Jens knurrte der Magen. Chrissi war seit zehn Minuten überfällig. Er war sich nicht schlüssig darüber, ob er noch länger warten oder zur AKS, zur Augsburger Kammgarnspinnerei, gehen sollte. Möglicherweise wollte sie ihm so nur zu verstehen geben, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Jens tigerte unter der Bronzestatue des Hl. Michael vor dem Zeughaus auf und ab. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich ihn. Obwohl er Chrissi erst kurz kannte, empfand er einen Stich, weil sie ihn links liegen ließ und wohl vergessen hatte. Dann wieder überlegte er, was geschehen sein konnte, dass sie so lange auf sich warten ließ. Chrissi sah krank aus. Vielleicht war sie zusammengebrochen? Vielleicht lag sie jetzt irgendwo in einem Krankenhaus und brauchte seine Hilfe? Dann wieder verwarf er diese Gedanken. Warum sollte gerade sie seine Hilfe benötigen? Er war nichts als ein Obdachloser, der selbst das Anrecht auf ein Dach über dem Kopf verloren hatte. Wie sollte er ihr helfen können?

Ganz in Gedanken versunken hätte er Chrissi beinahe nicht bemerkt. Sie kam um die Ecke zur Hauptstraße gespurtet und hielt eine Tüte in der Hand. Sie lief geradewegs auf ihn zu, warf ihm die Tüte in den Arm und rief atemlos: »Hau ab. Treffpunkt Teeküche!« Dann war sie schon wieder weiter. Jens wusste im ersten Moment nicht, was geschah, sah aber dann, dass offenbar ein junger Mann in größerem Abstand auf den Zeughausplatz einbog und hinter Chrissi herlief. Erst jetzt schaltete Jens.

Er verbarg die Tüte so gut es ging unter seinem Sweatshirt und lief in Richtung Maxstraße davon. Kaum war er einige Schritte gegangen, als noch ein Mann um die Ecke bog und der junge Kerl, der hinter Chrissi her war, auf Jens deutete, während er selbst Chrissi weiter verfolgte. Jens rannte so schnell er nur konnte drauflos, spurtete auf die Maxstraße hinaus, überquerte sie, wobei er beinahe ein Auto übersehen hätte, und bog in eine der kleinen Seitenstraßen ein, über die Wintergasse weg und hinunter in die Altstadt. Hinter sich glaubte er das schwere Atmen seines Verfolgers zu hören. Jens getraute sich nicht umzuschauen, weil er damit wertvollen Vorsprung verloren hätte und er nicht wusste, wie schnell sein Verfolger wirklich war. Wie ein Verrückter rannte er die Gässchen der Altstadt entlang, nahm Abkürzungen, schlug Haken und blieb schließlich völlig außer Atem in einem Hauseingang stehen. Wenn ihn sein Verfolger jetzt fand, hätte er leichtes Spiel. Die Beine zitterten ihm, seine Lungen schmerzten und vor Hunger war ihm schwindlig. Er konnte nicht mehr weiter. Jens atmete heftig und beugte sich endlich nach vorne, um mehr Luft in die Lungen zu lassen. Ihm war schlecht und beinahe wäre ihm schwarz vor Augen geworden.

Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich beruhigt hatte. Vorsichtig wagte er sich aus seinem Versteck, aber von seinem Verfolger war nichts mehr zu sehen. Offensichtlich hatte er ihn abgeschüttelt.

Erst jetzt getraute er sich, in die Tüte zu schauen. Er öffnete sie – sie enthielt vier Butterbrezen. Beinahe hätte er laut losgelacht. Wegen vier Butterbrezen lief er sich die Lungen aus dem Leib. Wegen dieser vier Brezen wurden er und Chrissi von zwei Männern bis zum Umfallen gehetzt. Was für eine Welt.

Und plötzlich fuhr es ihm in den Kopf: Chrissi! Hatte sie wie er ihrem Verfolger entkommen können? War sie womöglich verhaftet worden?

Jetzt hatte es Jens plötzlich eilig, in die Teeküche zu kommen. Obwohl ihm die Oberschenkelmuskeln wehtaten, fiel er in einen leichten Trab.

Ihm wurde nicht bewusst, welchen Weg er zurücklegte. Wie automatisch trugen ihn die Beine zur AKS. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er hängen bleiben konnte, schwang er sich über das Metallgitter beim Kanal und schlich vorsichtig, aber voller Erwartung zur Teeküche.

Panik überfiel Jens, als er bemerkte, dass Chrissi noch nicht da war. Er sah im Büro nach, durchstreifte das gesamte Stockwerk, ohne auf das Mädchen zu treffen. Chrissi hatte es offenbar nicht geschafft.

Enttäuscht und erschöpft setzte er sich auf seinen Rucksack, die Butterbrezen im Schoss. Erschöpft schloss er die Augen, doch durch seinen Kopf schwirrten nur Bilder, die Chrissi zeigten, wie sie von einem der jungen Männer gepackt und zu Boden gezerrt wurde. Sie wehrte sich verzweifelt und am liebsten hätte Jens sich auf ihren Verfolger gestürzt, aber ihm blieb nichts weiter übrig, als die Augen zu öffnen und so die Bilder aus seinem Kopf zu verbannen.

Immer wieder versuchte er sich einzureden, dass er das Mädchen nicht kannte und dass Chrissi eigentlich auch an ihm nicht interessiert war. Sie hatte ihm aus Mitleid geholfen und ihn mitgenommen, mehr nicht. Es gab keine andere, keine gefühlsmäßige Bindung zwischen ihr und ihm. Folglich brauchte er sich auch keine Gedanken darüber zu machen, ob sie je wiederkommen würde. Wenn man Chrissi verhaftet hatte, dann deshalb, weil sie gestohlen hatte. Aber was kümmerte ihn, ob sie stahl oder nicht? Das war schließlich ihr Problem, mit dem sie selbst fertig werden musste. Sie musste das auslöffeln, nicht er. Trotzdem fühlte er, wie er Angst um sie empfand.

Trotz aller Versuche, sich aus seiner Gefühlsverstrickung herauszureden, spähte er immer wieder zur Tür, ob Chrissi nicht darunter auftauchen und allen negativen Gedanken ein Ende bereiten würde.

Was geschah mit dem Unterschlupf? Sollte er ihn aufgeben oder einfach übernehmen? Wenn sie Chrissi geschnappt hatten, war er hier dann noch sicher?

Plötzlich horchte er auf. Schritte. Auf der Treppe zu ihrem Stockwerk waren Schritte zu hören. Leise schlich jemand hoch und versuchte, dabei möglichst wenig Geräusche zu machen. Jens war sofort hellwach. War ihm jemand gefolgt? Er hielt es für unwahrscheinlich. Dann kamen nur Dirk und seine Gang in Frage. Ebenso leise schlich Jens aus der Teeküche und ins angrenzende Büro. Vorsichtig entriegelte er das Fenster und öffnete es. Damit hatte er wenigstens einen Fluchtweg. Die Bretter waren rasch herausgestoßen.

Er ging wieder in Richtung Teeküche und spähte hinein. Niemand war zu sehen. Jens hielt den Atmen an, um die Geräusche besser voneinander unterscheiden zu können. Nichts rührte sich. Hatten ihm seine Sinne einen Streich gespielt? Hatte er sich getäuscht? Plötzlich waren die Schritte wieder da. Sein Gegenüber hatte nur innegehalten und ebenso gelauscht, wie er selbst. Jens überlegte, ob er bleiben sollte, wo er war, oder ob er den Fluchtweg nehmen sollte. Er bemerkte, dass er die Tüte mit den Brezen noch immer in der Hand hielt. Während er kurz seine Aufmerksamkeit den Brezen widmete, wurde die Tür zum Büro aufgerissen – und Chrissi stand vor ihm.

Jens fiel beinahe das Herz in die Hose.

»Du musst mich nicht so erschrecken«, begrüßte er sie. »Offenbar bist du deinem Schatten ausgebüchst.«

Chrissi wirkte erschöpft und verschwitzt. Die zweifarbigen Haare klebten ihr an der Stirn, das T-Shirt hatte unter den Achseln weiße Ränder vom Schwitzen.

»Hast du die Brezen?«

Jens nickte.

»Warum kommst du so spät?«

Chrissi drehte ihm den Rücken zu und ließ ihn einfach stehen. Jens bemerkte, dass sie eine Literflasche in der Hand hielt. Sie schraubte den Wodka auf und nahm einen kräftigen Schluck. Die Flasche war bereits halb leer. Jens bemerkte, wie ihre Hände dabei zitterten.

»Das Schwein wollte mich einbuchten. Aber ich war schneller!«

»Noch«, wollte Jens sagen, verkniff sich aber die Bemerkung. Wieder setzte Chrissi die Flasche an den Mund und ließ den Schnaps in sich hineinlaufen, ohne recht zu schlucken.

»Warum trinkst du so viel?«, fragte Jens und wusste, dass er Chrissi damit ärgerte. Aber er wollte nicht hinnehmen, dass sie sich wieder sinnlos betrank. »Iss etwas.«

Chrissi drehte sich nach ihm um. Ihr Gesicht war verzerrt vor Hass.

»Die Brezen sind für dich!«, schrie sie ihn an. »Ich brauche nichts!«

Jens erschrak, weil er eine solche Reaktion nicht erwartet hatte. Beinahe hätte er die Brezentüte fallen gelassen. Er langte in sie hinein, holte eine der Butterbrezen heraus und reichte sie Chrissi hinüber, die sie nur anstarrte.

»Iss, sonst wirst du nächstens niemandem mehr davonlaufen.«

Er wusste nicht, ob es dieses Argument oder etwas anderes gewesen war, das Chrissi überzeugte, jedenfalls nahm sie die Breze und biss lustlos hinein. Sie sah Jens an, während sie kaute.

»Danke«, murmelte Jens, der sich ebenfalls eine der Brezen nahm. Er hatte kaum mehr gespürt, dass er hungrig gewesen war. Jetzt holte ihn sein Magenknurren wieder ein. Auch bei Chrissi blubberte und knurrte es ihm Bauch, so dass sich beide angrinsten und schließlich lachen mussten.

»Du warst schnell wie ein Wiesel!«, meinte Jens, während er sich prustend die Hand mit der Tüte vor den Mund hielt.

»Und du hast ausgesehen wie eine Schwalbe, wenn’s blitzt! Ich habe nicht mehr geglaubt, dass du schnallst, was abgeht.«

»Jedenfalls sind die Brezen hier, und wir haben etwas zu essen.«

Jens war sich nicht ganz sicher, aber er glaubte auch in Chrissis Augen etwas wie Zufriedenheit darüber zu lesen, dass sie ihn hier getroffen hatte. Wenn er ihren Griff zur Flasche richtig deutete, dann war es nichts anderes als die Erleichterung darüber, dass er und sie nicht in die Hände ihres Verfolgers gefallen waren.

Sie bot ihm einen Schluck Wodka an und diesmal griff Jens zu. Auch er nahm die Flasche an den Mund und trank. Langsam gefiel ihm dieses Leben, das mit so viel Aufregung und Abenteuer verbunden war. Jens beschloss, behutsam vorzugehen, wenn er Chrissi nach ihrer Geschichte fragte. Er wollte wissen, was ihr widerfahren war, und er würde es herausfinden.

Doch das hatte Zeit. Jetzt musste er erst einmal seinen Hunger stillen und dem Gefühl der Wärme nachspüren, das der Schluck Wodka in seinem Bauch auslöste.

20

Es war eiskalt. Jens hatte sich bis zur Nase in seinen Schlafsack eingepackt, aber Stirn und Wangen gaben ihm einen Eindruck von der Kälte, die im Raum herrschte. Der Atem kondensierte zu weißem Rauch. Vom Boden her drang die Kälte sogar durch Pappkartonunterlage und Schlafsack. So konnte er nicht einschlafen.

Chrissi lag auf der anderen Seite des Zimmers. Er hörte, dass auch sie sich hin und her wälzte und nicht einschlafen konnte. Langsam gewöhnte sich Jens an diese undurchdringliche Dunkelheit in der Teeküche und empfand es als wohltuend, dass er nichts sehen konnte. So schärften sich die anderen Sinne umso stärker. Er lauschte auf die Geräusche des Hauses und versuchte sie zu deuten. Seine Ängstlichkeit, die ihn anfänglich nicht hatte einschlafen lassen, war einer Neugier gewichen. Langsam konnte er sich ein Bild vom Atemrhythmus des Fabrikgebäudes machen: tropfendes Wasser, huschende Ratten oder Mäuse, Katzenpfoten konnte er unterscheiden. Die Holzdecken ächzten, wenn es tagsüber warm war und nachts abkühlte, Scheiben klirrten leise und Türen schlugen in anderen Teilen des Gebäudes.

Heute konzentrierte er sich auf Chrissi. Sie war den Tag über blass gewesen und hatte sich am Abend erbrochen. Jetzt lag sie, wie er wusste, in ihrem zu dünnen Schlafsack und fror sicherlich. Sie wälzte sich hin und her. Jens hatte ihr zwar seine Decke geliehen, aber er hörte sie mit den Zähnen klappern. Plötzlich bewegte sie sich stark und Jens fühlte ihr Zittern beinahe körperlich.

Er hörte, wie sie aufstand, ihre Sachen packte und langsam durch den Raum ging. Dann stand sie neben ihm.

»Ist in deinem Schlafsack Platz für zwei?«, hörte er sie flüstern.

Sie wartete, ob er antworten würde. Wusste sie, dass er nicht schlief? Hatte sie auch die Nächte über nach ihm gehorcht und seine Bewegungen zu deuten versucht?

»Ja«, flüsterte Jens zurück, obwohl er eigentlich nicht zu flüstern brauchte. Es hörte sie hier drinnen ohnehin niemand.

Er knotete den Strick auf, der seinen Sack oben zusammenband, zog den Reißverschluss auf und Chrissi tastete sich zu ihm herunter.

»Lass uns zuerst eine Decke unterlegen«, flüsterte Jens, »wegen der Kälte von unten!«

Chrissi reichte ihm im Dunkeln die Decke, die Jens auf der Kartonunterlage ausbreitete und glatt strich. Dann schlüpften sie beide umständlich in den Schlafsack und Jens breitete die zweite Decke über sie aus. Chrissi fühlte sich eiskalt an. Es durchlief ihn ein Schauer, als sich ihr Körper an ihn drückte. Jens legte seinen Arm unter ihren Kopf. Chrissi drehte ihm den Rücken zu. Ihr Körper zitterte und es fühlte sich an, als hätte sich ein Eiszapfen neben ihn gelegt. Jens zog sie ganz an sich. Chrissi ließ es geschehen. Er bemerkte, wie das leichte Vibrieren ihrer Muskeln nachließ, wie sie sich entspannte. Jens hatte das Gefühl, dass sie sich langsam erwärmte.

»Denk ja nicht, es würde sich was ergeben. Das ist nur eine Notlösung. Ich halt es einfach allein nicht mehr aus«, zischte sie nach einer langen Weile des Stummseins.

»Ist okay«, meinte Jens gleichmütig, dem Chrissis Nähe und ihr Geruch sehr gefielen. »Es tut mir auch gut.« Damit log er nicht einmal. Er freute sich darüber, dass Chrissi sich nach diesem kurzen Gespräch noch enger an ihn schmiegte. Sie nahm seinen Arm und drückte ihn wie eine Wärmflasche gegen ihre Brust. Sie fröstelte, doch immer seltener durchliefen Schauer ihren Körper. Jens konnte fühlen, wie mager Chrissi war. Er spürte ihre Rippen. Sie lag leicht wie eine Feder auf seinem Arm. Er drückte sie an sich, um sie zu wärmen. Legte seinen andere Hand über ihren Bauch. Innerhalb weniger Minuten war sie in seinem Arm eingeschlafen und Jens fielen auch die Augen zu.

Als er wieder erwachte, fühlte er sofort, dass Chrissi wach lag. Sie atmete unregelmäßig und bewegte sich leicht. Es begann langsam zu dämmern und war so kalt, dass ihre Atemfahnen im Raum standen. Die Fliesen über dem Waschbecken waren angelaufen und schimmerten feucht.

Jens drückte Chrissi leicht an sich.

»Mir ist warm«, sagte sie plötzlich.

»Mir auch!«

»Danke«, flüsterte sie wieder und drückte ihren Kopf in seine Armbeuge.

»Kein Problem. Gern geschehen.«

Chrissi lachte leise bei seiner Antwort.

»Ich glaube, ich wäre heute Nacht erfroren, wenn ich dich nicht gehabt hätte.«

Jens wusste nicht, was er darauf sagen sollte.

»Du hättest nicht so viel trinken sollen, dann wäre dir weniger kalt gewesen.«

Jens erwartete, dass Chrissi jetzt ärgerlich auffahren, dass sie aufspringen und ihm davonlaufen würde. Stattdessen drückte sie sich noch enger an ihn.

»Ich weiß, aber ich kann es nicht ändern. Ich brauche das Zeug, sonst zittre ich am ganzen Leib.«

»Bist du deshalb hier?«

Chrissi schwieg. Sie schien Jens’ Nähe zu genießen. Mit den Händen zog sie seinen Arm näher heran, so dass er ihre Brust fühlen konnte.

»Ich weiß nicht einmal, ob meinen Eltern schon aufgefallen ist, dass ich von zu Hause weg bin. Wahrscheinlich nicht. Sie haben so viel mit ihrer Arbeit zu tun. Sie haben manchmal ganz vergessen, dass da noch ein Kind ist, um das sie sich kümmern sollten. Wenn es ihnen aufgefallen ist, dann haben sie mich zu irgendwelchen Veranstaltungen geschickt: Jugendlager, Ferienlager und solch einem Scheiß!«

»Ich kann es mir vorstellen«, meinte Jens.

»Glaub ich nicht!«, konterte Chrissi, ohne sich zu rühren. Sie zog die Beine an, soweit der Schlafsack es zuließ und drückte so Rücken und Gesäß noch enger an Jens.

»Es ist schön bei dir!«, flüsterte sie.

Jens sog den Geruch ihrer Haare ein. Sie rochen nach Schlaf und Frau.

»Ja!«, sagte er nur.

Jens schloss die Augen und genoss Chrissis Nähe und Wärme. Er hörte ein Geräusch, als würden Steine gegeneinander reiben. Beim Schwimmen im Lech hatte er dieses Geräusch vernommen. Wenn man den Kopf unter Wasser hielt, konnte man hören, wie der Fluss das Geröll schob.

»Was hast du da?«, fragte er nach.

Das Geräusch stammte aus Chrissis Hand.

»Ich sammle Murmeln und spiele gern mit ihnen. Sie sind so schön – und sie beruhigen. Zu Hause habe ich Hunderte davon.«

Jens dachte an Glaskugeln in allen Variationen. Auch er hatte solche zu Hause. Ein Knurren aus seinem Magen unterbrach seine Gedanken.

»Wir sollten uns etwas Anständiges zu essen kaufen«, meinte Chrissi.

»Dazu bräuchten wir Geld.«

»Ich hab’ Geld«, sagte Chrissi nach einigem Zögern. Sie kramte unter dem Schlafsack in ihrer Hose und streckte dann drei Fünfzig-Euro-Scheine aus der Kopföffnung. Jens war überrascht.

»Wo hast du das Geld her?«

Chrissi atmete zuerst heftig ein, dann entschloss sie sich offenbar, ihm die Wahrheit zu sagen.

»Als Mädchen kann man sich auf der Straße leicht ein paar Euro …«

Jens war wie vor den Kopf gestoßen. Ihm blieb beinahe das Wort im Mund stecken.

»Du gehst auf den Strich? Spinnst du?«

Jens richtete sich auf und stützte sich auf seinen Arm. Chrissi reagierte sofort mit Ablehnung. Ihr Körper versteifte sich. Sie drehte sich zu ihm um, und rutschte so weit weg, wie es ihr unter dem Schlafsack möglich war.

»Chrissi, bitte, das darfst du nicht.«

Seine Stimme klang flehend. Chrissis Anspannung ließ nach, ihr Gesichtsausdruck wurde milder, soweit Jens es fühlen konnte. Sie räusperte sich und beschwichtigte.

»Nicht was du denkst. Ich sag immer, ich wäre unter sechzehn. Da reicht es, wenn man ihnen einen runterholt. Dafür gibt es auch schon Geld.«

»Du hast also noch nie …« Jens wollte nicht aussprechen, was er dachte.

»Nein«, sagte Chrissi bestimmt. »Ich hab’ noch nie mit einem Jungen geschlafen.«

»Trinkst du, weil du davon leben musst, den Kerlen …?«, fragte Jens nach. Er konnte den Satz aber nicht aussprechen.

Chrissi schüttelte den Kopf.

»Das war schon vorher so, verdammt. Jetzt reicht’s. Ich möchte nicht mehr darüber reden. Okay?«

Jens ließ sich wieder zurücksinken auf seinen Schlafsack und zog Chrissi an sich. Er sah zur Decke und dachte darüber nach, was die Straße mit den Menschen anstellte und ob er das wirklich wollte.

»Okay!«

21

»Wen haben wir denn da?«

Jens schreckte hoch und sah in Dirks grinsendes Gesicht.

Für einen Augenblick glaubte er an einen Alptraum. Dann begriff Jens. Er war offenbar auf dem Dach des Gebäudes in der Sonne eingeschlafen und hatte nicht bemerkt, dass Dirk sich genähert hatte.

»Hab ich dir nicht gesagt, dass ich dich in der Stadt eigentlich nicht wiedersehen will? Und dann hier, in der Kammgarnspinnerei!«

Jens wollte sich hochrappeln, aber Dirk stieß ihn gewaltsam zurück auf den Boden.

»Wer hat gesagt, dass du aufstehen darfst?«

Jens überlegte. Chrissi war in die Stadt gegangen, um sich zu trinken zu holen. Sie hatte ihm zuvor den Weg aufs Dach gezeigt, damit er sich dort oben aufwärmen konnte. Sie hatte ihn aber auch davor gewarnt, sich von unten sehen zu lassen. Er hatte die Warnung natürlich in den Wind geschlagen und die Menschen und Fahrzeuge auf der Straße beobachtet. Dabei, so rechnete er sich aus, hatte ihn die Clique um Dirk wohl entdeckt.

Jens rutschte auf dem Hintern rückwärts, aber Dirk folgte ihm.

»Jetzt fehlt dir wohl die schöne Chrissi, was? Das ist sicherlich nicht ganz so angenehm, wie sie zu bumsen, oder?«

Mit einem Ruck erhob sich Jens.

»Halt den Mund. Chrissi geht dich gar nichts an!«

Dirk grinste vielsagend. Jens hörte Dirks Messer klicken, obwohl die Hand unter seinem ausladenden Ärmel verborgen blieb. Jetzt entdeckte Jens auch zwei weitere Jungen, die sich rechts und links von ihm befanden. Spöttisch fuhr Dirk fort.

»Hast du mich nicht verstanden? Du darfst aufstehen, aber nur wenn ich es dir sage und nicht, wenn du willst. Wenn ich es möchte, dann frisst du die Dachpappe hier, Kerl. Also leg dich hin. Auf den Bauch!«

Jens war in voller Anspannung und zitterte vor Wut.

»Den Teufel werde ich tun!«, keuchte Jens. Er hoffte, dass sich hinter ihm nicht auch noch ein Junge verbarg. Aber das schien ihm unmöglich, denn dort kam bald das Gebäudeende.

Dirk machte mit einer Hand eine ausladende Bewegung, bei der das Messer in der Hand blitzte.

»Hört ihr? Er widersetzt sich!«

Die anderen Jungen lachten, als wäre der Satz ein Witz gewesen.

»Ich glaube, wir müssen ihm klarmachen, wer hier das Sagen hat.«

Dabei trat Dirk einen Schritt näher, so dass er mit dem Messer Jens beinahe erreichen konnte. Dirk ließ das Messer kreisen. Jens fixierte es genau, um beiseite springen zu können, wenn Dirk wirklich zustechen sollte.

»Habe ich recht? Du warst letztens bei Charly. Was hattest du dort zu tun? Und lüg mich nicht an, ich bin bei solchen Sachen empfindlich.«

Jens war völlig überrascht. Ließ Dirk ihn überwachen? Woher kannte er Charly?

»Da bist du von den Socken, was? Aber Charly und ich sind Freunde.«

Wieder lachten die beiden Jungen und Dirk trat einen Schritt vor. Vorsichtig tastete sich Jens zurück. Er hatte nur einen Vorteil. Die Sonne schien Dirk direkt ins Gesicht, so dass dieser blinzelte.

»Fall mir nicht«, beschwor Dirk ihn in einem übertrieben besorgten Tonfall. »Da geht es zehn Meter runter. Das überlebt niemand. Also, was wolltest du bei Charly?«

In Jens arbeitete es fieberhaft. Sollte er die Wahrheit sagen und sich damit möglicherweise Dirk ausliefern oder sollte er lügen? Jens entschloss sich für die Wahrheit, denn mehr als wehtun konnten sie ihm damit nicht – und erpressbar machte er sich dadurch nicht.

»Ich habe meinen Vater gesucht!«

Dirk legte den Kopf schief.

»Willst du mich verarschen? Du suchst deinen Vater? Bei Charly?«

»Im Internet! Charly hat Internet – und dort haben wir nach ihm gesucht.«

Jens wusste, dass die Antwort wenig glaubhaft klang und er selbst auch nicht darauf angesprungen wäre.

»Ach. Jetzt stehen die Väter bereits im WorldWideWeb?«

Dirks Stimme klang, wie Jens es erwartet hatte. Spöttisch. Er glaubte ihm kein Wort. Wieder trat Dirk einen Schritt näher und pendelte mit dem Messer von links nach rechts.

»Hör zu. Ich mag es nicht, wenn man mir die Story vom Pferd erzählt. Ich glaube, wir müssen dem Kerl doch zeigen, dass man mit uns ernsthaft reden muss.«

Dirk trat einen Schritt zurück und zuckte leicht mit dem Kopf. Aus den Augenwinkeln konnte Jens erkennen, dass die beiden Jungen links und rechts neben ihm ihre Fäuste hoben und langsam auf ihn zugingen.

»Hey, Mann!«, beschwor Jens Dirk. »Ich hab dir doch nichts getan! Was soll das?«

»Vielleicht ist es das«, kommentierte Dirk etwas abwesend. »Du hast wirklich noch nichts für mich getan. Aber kann ich dir trauen? Du hast mich eben angelogen. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Ich bin ein vorsichtiger Mensch. Ich glaube einem Jungen, der mich einmal belogen hat, nie mehr!«