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Inhalt


Hör mal, Oma! Ich erzähle dir eine Geschichte vom Herbst

Ist Herbst wirklich doof

Herbstzaubermorgen auf der Waldwiese

Vom zaudernden Monat September

Spieglein, Spieglein an der Wand

Der Herbst und seine Oma

Opas Drachentanz

Der Drache und die Freiheit

Glückskäferherbst

Das rote Blatt

Der alte Apfelbaum und der Friede

Die Apfelfrau und die Kinder

Das Jahr der Erntefeste

Klagen im Kartoffelfeld

Der eitle Kürbis

Herr Griesgram und die Kinder im Park

Auf in den Herbstwald - Ein toller Plan

Vom feurigen Monat Oktober

Die Botschafter des Herbstes

Die Glückskastanie

Von Herbstlaunen und bunten Blättern

Opa und die bunten Herbstblätter

Großvater sucht die Farben des Herbstes

Nachbar Petersen und das Kürbisjahr

Das Birkenblatt und der Wind

Herbstgespräche im Blumenhimmel

Eichhörnchen Fluppi sucht ein Winterquartier

Die lachende Zuckerrübe

Vom bescheidenen Monat November

Ein Herbstbesuch bei Tante Hanna

Sehnsucht nach Großvater

Gärtner Hubers Sternenblumen

Die Träne des kleinen Sonnenstrahls

Der Streik der Sterne

Der Laternenstern

Der halbe Mantel

Ein Rosenstrauß für Oma

Das Haus mit der offenen Tür

Impressum

Autorin

Bücher


Elke Bräunling



Hör mal, Oma!

Ich erzähle dir eine Geschichte

vom

Herbst


Herbstgeschichten - von Kindern erzählt






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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek


Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.




Copyright © 2013/2017 Elke Bräunling

http://www.elkeskindergeschichten.de

edition art.taeglich

All rights reserved.

ISBN 978-3-95577-318-2





Ist Herbst wirklich doof?


Allmählich werden nun die Tage kürzer und jeden Abend geht die Sonne ein kleines bisschen früher unter. Kühl ist es abends manchmal auch schon und morgens ist es länger dunkel. Auf Zäunen, Dächern, Bäumen und Leitungsmasten versammeln sich erste Vogelscharen, die sich zum Flug in den Süden vorbereiten.

„Der Herbst steht nun vor der Tür“, sagt Opa. „Die Zugvögel machen sich auf die Reise.“

„Och nein! Am liebsten möchte ich mit ihnen mitfliegen“, murrt Pit. „Herbst ist doof.“

„Doof?“, fragt Opa. „Warum das?”

„Weil es nicht mehr warm ist und weil man immer eine Jacke tragen muss.“

„Ich mag den Herbst auch nicht“, sagt Pia. „Er macht alles kaputt. Die Blumen und Blätter lässt er verwelken. Richtig spielen kann man draußen auch nicht mehr. Wegen dem blöden Wetter. Und vor dem Nebel graut es mir.“

„Oha!“, meint Opa. „Herbst kann auch sehr schön sein. Und gemütlich.“

"Gemütlich? Wie langweilig!“, mault Pia. „Und was bitte soll am Herbst schön sein?“

„Du meinst vielleicht das eklig kalte und nasse Herbstschmuddelwetter?“, spöttelt Pit.

Opa lacht. „Was seid ihr doch zwei Meckerköpfe! Macht eure Augen auf! So bunt wie der Herbst ist keine Jahreszeit. Bunt und golden. Nach Nebelnächten im Licht der tiefer stehenden Sonne kann er sogar auch silbern sein.“

„Golden und silbern?“, fragen Pia und Pit.

Opa nickt. „Der Herbst ist ein Zauberer“, sagt er. „Viele Geschichten könnte ich euch erzählen. Ihr würdet staunen.“

„Wie spannend!“

Neugierig sehen die Geschwister Opa an. Geschichten mögen sie immer gut leiden.

„Erzählst du uns diese Herbstgeschichten?“

„Gerne. Aber wollt ihr sie überhaupt hören? Ich dachte gerade noch, ihr mögt diese Jahreszeit nicht leiden?“

„Na ja“, meint Pit, „vielleicht würde ich den Herbst ja doch ein bisschen besser mögen.“

„Und mit deinen Geschichten“, ruft Pia, „ist er auch bestimmt nicht ganz so doof. Aber nur, wenn du uns an jedem Herbsttag eine erzählst. Einverstanden?“

„Einverstanden!“, sagt Opa und lächelt. Und dann erzählt er Pia und Pit gleich eine wunderkunterbunte Herbstzaubergeschichte.





Herbstzaubermorgen auf der Waldwiese


Eine Fee hatte über Nacht viele tausend kleine Glitzerperlchen über der Waldwiese am Rande der großen Straße, die zur Stadt führte, ausgestreut. Diese ‚Perlchen’ legten sich auf Gräser und Spinnennetze, auf Blumen und Kräuter. Sie kullerten in die Köpfe der Blumen oder kuschelten sich zwischen Blütenstängel und Samenkapseln. Wie verzaubert sah die Wiese nun aus. Es war, als hätten Zauberwesen sie für ein Waldfest mit Perlenketten und Diamantringen geschmückt.

Dies sah so schön und einladend aus, dass die Sonne lächelte, als sie sich am Morgen über die Hügel am Horizont lupfte. Sie schickte gleich ein paar wärmende Strahlen zu der kleinen ‚Festwiese’ hinab. Die huschten über die Feen-Glitzerperlen, umschmiegten Gräser, Blüten und Spinnennetze und verwandelten die kleine Waldwiese in eine fremde Märchenwelt. Wie eine Schatztruhe voller Diamanten, Perlen und Silberketten sah sie nun aus.

„Dort liegt ein Schatz auf der Wiese! Schön sieht es aus!“, rief ein Kind.

Es saß in einem Schulbus, der wie jeden Morgen die Kinder in die Stadt brachte.

Ein Schatz? Wo?

Nun wollten alle Kinder im Bus diesen wundersamen Schatz sehen und der Busfahrer, der gerne Schulbusfahrer war, lächelte. Er stoppte den Bus am Straßenrand in einer Parkbucht, schaltete die Warnblinkleuchten ein und öffnete die Türen.

Ein Schulbus mit Warnblinkleuchten? War da womöglich etwas passiert?

Sogleich hielten ein Milchlaster, ein Krankenwagen und ein Postauto an. Auch die Fahrer der vielen Autos und Motorräder, die es sonst immer sehr eilig hatten, stoppten und hatten auf einmal viel Zeit. Einer nach dem anderen parkten sie am Straßenrand und blickten auf die geheimnisvolle Zauberwiese hinab.

„Wie schön!“, riefen sie.

„Herrlich!“

„Was für ein einzigartiges Naturwunder!“

„Ohhh!“ „Ahhhh!“ „Toll!“

Weil sich nun so viele Neugierige an den Straßenrand drängelten, blieben noch mehr Autos stehen. Und so standen immer mehr Leute am Rand der Wiese. Sie taten, als hätten sie noch nie eine Wiese mit Tautropfen und Spinnweben, die sich im Licht der Morgensonne spiegelten, gesehen. Sie zückten Kameras und Handys und fotografierten Wiesenfotos. Die schickten sie nach Hause oder zu Freunden oder sie stellten sie ins Internet, so dass alle Menschen auf der Welt die Wiese sehen konnten.

Die Sonne wunderte sich. Es war doch bloß eine ganz einfache Wiese am Rande eines Waldes wie viele andere auch! Eine Wiese, an denen die Erdenbewohner an anderen Tagen im Jahr achtlos vorbei gingen. Seltsam. Was hatten die Menschen heute nur?

Fast schien es, als schüttelte die Sonne für einen klitzekleinen Augenblick ihre sonnenhelle Strahlenkrone. Dann wandte sie sich ab und zog weiter zur nächsten Wiese und zur nächsten und nächsten. Es gab so viele davon in jenen Herbsttagen, die die Menschen auch die Zeit des Altweibersommers nannten.





Vom zaudernden Monat September


„Ob ich schon gehen soll?“

Zögernd blickte der September auf das spätsommerliche Land hinab. Warm war es und die Menschen machten nicht den Eindruck, als sehnten sie den Herbst herbei.

„Bestimmt komme ich zu früh“, murmelte er. „Sie werden wütend sein dort unten.“

Er lugte zu der Stadt hinunter.

„Da! Sie vergnügen sich im Schwimmbad und auf Volksfesten, sie genießen die Tage in Straßencafés und Parks, auf den Stoppelfeldern lassen Kinder Drachen steigen und in den Gärten herrscht bunte Sommerstimmung. Mein Kollege, der August, macht noch lange keine Anstalten, sein Monatszepter an mich als seinen Nachfolger abzugeben. Nein, er verwöhnt das Land mit einer Extraportion ‚Sommer’. Ich glaube, meine Zeit ist noch nicht gekommen. Ich sollte noch ein wenig warten und ...“

„Auf keinen Fall“, fuhr der Oktober ihn an. „Unsere Herbstzeit bricht an und einer deiner Jobs ist es, den August, diesen Machtprotz, in seine Schranken zu verweisen. Jedes Jahr aufs Neue macht er uns Ärger, weil er nicht von der Stelle weichen will. Mit seinem Eigensinn bringt er unsere Zeitpläne durcheinander.“

„Stimmt“, warf der sonst sehr stille und friedliche November ein. „Leben und leben lassen, so heißt es. Und dies gilt für jeden von uns. Die Lebenszeit des Sommers ist für dieses Jahr beendet. Auch wir Herbstmonate haben unsere Reize. Selbst wenn uns die Menschen nicht ganz so herzlich und freudig begrüßen, wie sie es bei den  Kollegen Frühling, Sommer und Winter gerne tun.“

Kläglich sah der September seine beiden Herbstkollegen an.

„Ihr habt recht. Nur bin ich es, der in dieser Zeit als erster dem Groll der Menschen begegnet. Sie mögen mich nicht leiden, weil sie meinen, ich raube ihnen den Sommer.“ Fast weinte er nun. „Das macht mich immer sehr unglücklich.“

„Der September kann auch schön sein und bezaubern“, tröstete der Februar. „Wenn er ein lachender September ist.“

„Und sagen nicht auch viele Leute, du seist der ‚Mai des Herbstes’?“, erkundigte sich der Mai. „Als Kompliment solltest du dies auffassen und stolz solltest du darauf sein!“

„Wie hübsch das klingt. Und wie passend!“ Aufmunternd nickte der Dezember dem September zu. „Sie werden schnell begreifen, wie anmutig und liebenswert und wie schön du bist. Zeige es ihnen!“

„Jawohl!“, riefen alle Monate einstimmig. „Zeige es ihnen! Nur Mut!“

Der September nickte. Dann zog er los.

Zaghaft schlich er sich ins Land und überzog es mit Abermillionen von silbern schimmernden Altweibersommer-Glitzerfäden und sanften, zart rosa gefärbten Talnebelschleiern. Er bemalte die ersten Spitzen der Blätter mit gelben und roten Streifen und streute sein Zauberpulver über die Blumen, die ihm dies mit kräftigen, satten blauen, violetten, gelben, rostbraunen und tiefroten Farben dankten.

Und wie in jedem Jahr kam der Tag, an dem einige Leute erstaunt „Oh! Ich habe ganz vergessen, wie zauberschön der September doch ist!“ sagten und viele andere dazu zustimmend nickten. Das war dann auch der Tag, an dem der September mit einem bescheidenen Lächeln aufatmete und der August beschämt das Feld räumte.





Spieglein, Spieglein an der Wand


Also, da gibt es zwei, die haben nichts als Ärger miteinander. Es sind der Sommer und der Herbst. Beide wünschen sich nichts Sehnlicheres als eine Antwort auf die Frage, wer der Schönste von ihnen sei. Oft stehen sie vor dem berühmten Spiegel, der - so heißt es im Märchen - angeblich sprechen kann, und fragen: „Spieglein, Spieglein, an der Wand, wer ist der Schönste hier im Land?“

Wieder und immer wieder quälen sie den armen Spiegel mit dieser Frage, doch der schweigt.

„Mich lieben die Leute!“, prahlt der Sommer. „Ich schenke ihnen Wärme, helle Abende, Glühwürmchen, Badefreuden, Barfußlaufen, Ferien und bunte Blumenwiesen.“