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Katzen-Märchen

Herausgegeben und

mit einem Nachwort versehen

von Barbara Stamer

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Die Erstausgabe erschien unter dem Titel »Märchen von Katzen«

im Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, und wurde für

die Neuausgabe durchgesehen und ergänzt.

 

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

E-Book-Ausgabe

2015 Krummwisch bei Kiel

© 2015 by Königsfurt-Urania Verlag GmbH

D-24796 Krummwisch

www.koenigsfurt-urania.com

Umschlaggestaltung: Jessica Quistorff, Seedorf,

unter Verwendung des folgenden Motivs von Fotolia.com

»Retrato de Gato común« © Benjaminet

Satz: Satzbüro Noch & Noch, Menden

ISBN 978-3-86826-324-4

Inhalt

Die verzauberte Katzenprinzessin

Das Katzenschloß

Die schöne Prinzessin

Der arme Müllerbursch und das Kätzchen

Die verzauberte Katze

Der listige und kluge Kater

Gagliuso oder der Gestiefelte Kater

Der Maushund

Der Häuslerssohn und seine Katze

Die Waldmaus und die Wildkatze

Katze und Maus in Gesellschaft

Der Fuchs und die Katze

Lebensansichten des Katers Murr (Auszug)

Die weise Mutter-Katze

Beim Holunderbaum

Die Katzenmühle

Guldig Betheli und Schwarz Babi

Die weiße Katze

Der Federkönig

Das Kätzchen und die Stricknadeln

Der goldene Schlitten und die vier Katzerl

Prinz Katz

Die dämonische Hexen-Katze

Die abgehauene Katzenpfote

Hexen als Katzen

Die Teufelskatze

Die Katzenlinde

Kätzchen unter der Bütte

Die Katzentaufe

Hexen stehlen Kinder

Die Unglückskatze

Die Hexenwäsche

Das Mattisetier

Die Katze aus dem Weidenbaum

Der zauberkräftige Kater

In Bulemanns Haus

Der Kater Wiljiki Timofei Iwanowitsch

Die Katze, die so viel fressen konnte

Spiegel, das Kätzchen(Auszug)

Nachwort

Quellenhinweise

Verwendete Literatur in Auswahl

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Über dieses Buch

Die Katze gilt heute als das beliebteste Haustier. Kein anderes Tier hat eine so enge Beziehung zum Menschen entwickelt und gleichzeitig so viel eigensinnige Unabhängigkeit und Raubtiernatur bewahrt.

Katzen sind aufgrund ihrer Dualität von gefährlicher Gerissenheit und schmeichlerischer Anschmiegsamkeit – charmant die samtweichen Pfötchen, gefährlich die scharfen Krallen – geheimnisvolle und dämonische Tiere. Deshalb wird die Katze seit jeher mit Zauber und Aberglaube, mit Magie und Kulthandlung in Zusammenhang gebracht.

Im Volksmärchen erscheint die Katze in vielen Verwandlungsstufen, viele Tier-Mensch-Metamorphosen sind für sie charakteristisch: Als gute Fee, als beschützende und nährende Mutter, als schöne und kluge Geliebte, als verzauberte Prinzessin, als dämonische Hexe.

Am volkstümlichsten und bekanntesten sind die vielen Erzählvarianten des »Gestiefelten Katers«. Die männliche Katze, der Kater, tritt im Volksmärchen auf als listiger Helfer und als verwunschener Prinz.

 

Über die Herausgeberin

Barbara Stamer, Jahrgang 1945, studierte Anglistik und Germanistik und lebt als Gymnasiallehrerin mit ihrer Familie bei Tübingen. Sie hat sich als Autorin und Herausgeberin zahlreicher Publikationen zu Märchen, Mythen und Symbolkunde – auch im Bereich der pädagogischen Märchenliteratur – einen Namen gemacht.

Für Carmen und Frank

Das Katzenschloß

An einem Sommerabend ritt ein Rittersmann durch einen Wald. Im tiefsten Dickicht war er vom Pferd gestiegen, um an einer rauschenden Quelle zu rasten. Da stand plötzlich vor ihm ein Schwarm grauer Katzen. Das wunderliche Volk miaute und schrie und wies nach einem halbverborgenen Pfade, daß der Ritter, sein Roß führend, folgen mußte. Voran hüpften und tanzten und sprangen die grauen Tiere, den Weg zeigend und dem ernsten Mann ein leises Lächeln entlockend. Die sonderbaren Wegweiser gingen und hüpften durch Gestrüpp und Gesträuch, bis Ritter, Roß und Katzen vor ein schimmerndes Schloß auf grünem Hügel kamen. Mit lächerlichen Gebärden hieß der Katzentroß den fremden Mann in die weiten Hallen treten. Dieser band sein Pferd an eine Säule aus Marmorstein und gelangte, stets von Katzen geleitet, in einen hohen Saal, wo auf prächtigem Thron zwei wunderschöne Katzen lagen, eine weiße und eine schwarze, welchen die übrigen Tiere mit den Zeichen unverkennbarer Huldigung nahten.

Der Ritter wollte die seltsamen Inhaber des Schlosses anreden; denn er merkte wohl, daß hier etwas Besonderes vorging; allein ehe er sich’s versah, befand er sich in einem andern prunkvollen Gemach, wo ein auserlesenes Nachtessen seiner harrte. Er aß und trank sich an den herrlichen Speisen und an den dunkelroten und goldhellen Weinen satt und suchte Ruhe auf einem seidenen Bett im nahen Prunkzimmer, wo er bald den Schlaf des Gerechten schlief.

Es ging aber nicht lange, da zupfte etwas an der seidenen Decke, und als der Ritter wach wurde, sprach die schwarze Katze zu ihm folgendermaßen: »Vor einigen Jahren war ich ein mächtiger Fürst, die weiße Katze meine Tochter und die grauen Katzen mein Hof. Da kam ein böser Zauberer, dem ich nicht zu Willen gewesen, und der verwandelte uns alle in Katzen. So Ihr aber den Mut habt, diese Nacht auf jenen Hügel zu steigen, wo die drei goldenen Kreuze blinken, die Zauberwurzel am Fuße des mittleren Kreuzes herunterzuholen und mich und meine Tochter und mein Gesinde damit zu berühren, so werdet Ihr uns alle befreien, und Ihr sollt meine Tochter zur Frau haben und mit ihr herrschen über mein Volk. Vor Gefahren aber warne ich Euch.«

Der Ritter besann sich nicht lange, griff nach seinem Schwert und zog voll Gottvertrauen hinaus in die dunkle Nacht. Als er aber den Berg zu besteigen begann, da hub ein Geheul an, wie wenn die Hölle ihre Tore auftäte; es sauste und krachte durch die Lüfte, aus den Ritzen stiegen Schreckensgestalten empor, Blitze schlugen nieder; aber der Ritter verfolgte unbekümmert seinen Weg.

Er erreichte die Höhe, wo die drei Kreuze standen, und brach mit mutiger Hand die Zauberwurzel, während der Berg in seinen tiefsten Tiefen erbebte. Als er wieder zu Tale stieg, war aller Spuk verschwunden, und vor dem Tor des Schlosses harrten seiner der Katzenfürst und seine Vasallen. Diese berührte er mit der Zauberwurzel, und im nämlichen Augenblick strömte ein Lichtmeer durch den Palast, einen prachtvollen Hofstaat beleuchtend, auf dem Throne einen königlichen Greis, neben ihm die anmutigste Prinzessin und im weiten Kreise Ritter und Edeldamen in reichster Hoftracht. Da winkte der König den Ritter heran, legte die Hand der erglühenden Tochter in die seinige, und der Festlichkeiten war kein Ende.

[Märchen aus der Schweiz]

Die schöne Prinzessin

Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne, zwei kluge und einen dummen, die stritten sich darum, wer von ihnen einmal das Königreich bekäme. Der Alte hatte darüber viel Ärger und Verdruß; denn keiner von den dreien wollte dem andern nachgeben, selbst der dumme war bisweilen der schlimmste. Einst sagte der alte König, der da merkte, daß er bald sterben müßte: »Ihr alle drei sollt erst einmal in die Welt hinausgehen und euch bewähren. Bei der Gelegenheit sollt ihr mir aber etwas mitbringen, und wer mir das Beste bringt, der soll das Königreich nachher haben. Das erstemal sollt ihr mir einen Hund mitbringen.«

Sie machten sich also alle drei auf und fort ging’s; der zweite nahm den dummen bei der Hand und zog fort. Eine ganze Ecke ging’s gut, nachher dachte aber der zweite, was soll ich mich mit dem dummen Pinsel abschleppen. Er ist mir doch nur im Weg und hinderlich. Ich tue am besten, ich laß’ ihn laufen, wohin er will, und ich geh’ hin, wo ich will, und das tat er auch. Er ließ also seinen dummen Bruder im Walde sitzen und ging fort.

Als der Dumme aufwachte, war es finster, und er war allein im Wald, deswegen stieg er auf einen Baum und sah in der Ferne ein Licht. Er stieg von dem Baume herunter, ging dem Lichte nach und nach einem Hause. Nun klopfte er an, es wurde auch aufgemacht, und er sah weiter nichts als Hände, aber keine Leute. Er ging in die Stube, da war alles hübsch, es standen schöne Tische und Stühle da, auch ein weiches, mit Seide überzogenes Sofa, und die Wände waren mit goldenen Tapeten beklebt, es hingen die herrlichsten Spiegel und Bilder an der Wand. Man sah aber keinen Menschen.

Der Dumme setzte sich aufs Sofa, vor dem ein kleiner Tisch war, auf dem das Licht stand, ein Wachslicht. Kaum hatte er sich hingesetzt, so brachten die Hände die feinsten Speisen an. Ach, Braten, die einen jeden anleckerten, und Wein, das war eine Pracht, und setzten das alles auf den Tisch. Auch Teller und Messer und Gabeln, zwei Paar. Es war immer nichts weiter zu sehen, als die Hände, die das brachten. Der Dumme wartete nicht, bis er genötigt wurde. Er schnitt sich ein tüchtiges Stück Braten ab und goß sich ein Glas Wein ein.

Kaum hatte er aber das getan, da schlug’s elf, und herein kam eine weiße Katze, setzte sich zu ihm und holte mit ihren Pfoten ein Stück Braten nach dem andern von dem Teller des Dummen, das er entzweigeschnitten hatte. Erst war’s ihm nicht recht, daß die Katze ihm das Fleisch vom Teller holte und fraß; doch dachte er, die ist gewiß auch so hungrig wie du, du sollst sie nur gehen lassen. Er hielt ihr das Glas hin und fragte: »Willst du auch einmal trinken?« Sie nickte; darauf schenkte er ihr nun ein Glas ein und gab’s ihr hin; sie leckte und leckte daran herum, und es dauerte nicht lange, da war der Wein heraus und da fing die Katze an zu sprechen: »Sag’ mir, wer bist du denn?«

Er antwortete: »Ich bin ein Königssohn.«

Da sagte die Katze: »Ich bin eine Königstochter, bleibe doch bei mir und leiste mir Gesellschaft, du sollst’s gut haben.«

»Ja«, sagte er, »das täte ich gern; ich muß aber wieder zurück zu meinem Vater, ich muß einen Hund bringen, und meine beiden Brüder auch. Wer den besten bringt, der kriegt das Königreich.«

»Wenn das so ist«, sagte die weiße Katze, »dann bleibe nur noch etliche Tage hier, und dann will ich dir schon helfen.«

»Gut«, sagte der Dumme, »wenn das so ist, so bleib’ ich noch da. Warum bist du denn aber eine Katze und kein Mensch?«

»Ach«, sagte sie, »ich bin verwünscht und kann nicht anders erlöst werden als durch dich. Wenn du es nun willst, so werde ich erlöst.«

»Oh«, sagte er, »wenn ich es kann, so soll’s nicht fehlen. Was muß ich denn tun?«

Sie antwortete: »Weiter nichts als hierbleiben und essen und trinken und schlafen, dann mußt du dich um nichts bekümmern, was auch geschieht. Wenn du liegst, so steh nicht auf, wenn du ißt, so laß dich nicht stören. Ich muß bald fort, es schlägt gleich zwölf.« Indem schlug’s, und gleich war die Katze weg.

Der Dumme aß sich noch erst recht satt und ging dann zu Bett, denn in der Kammer nebenan stand auch ein schönes Bett, und schlief gleich ein. Er hörte und sah nichts. Des Morgens stand er auf; er zog sich an und ging in die Stube, da brachten die Hände das Frühstück, alles aufs schönste und beste. Er aß und trank nach Herzenslust, dann ging er in den Garten, der war wunderschön, die schönsten Bäume und Blumen und andere Gewächse. Er ging den ganzen Tag spazieren, aß und trank nach Belieben und machte sich’s zu gut. Des Abends ging er ins Haus und setzte sich wieder auf das Sofa.

Die Zeit dauerte ihm erst lang, ehe es elf schlug, aufgetragen wurde das Essen und Trinken wie am vorigen Abend, und wie es ausgeschlagen hatte, kam die weiße Katze wieder an und sprang auf den Stuhl. Er schnitt ihr ein Stück Braten ab und machte es auf ihrem Teller entzwei. Sie fraß nach Belieben und trank ihren Wein und sprach so freundlich und so gut mit ihm, daß er sie recht lieb kriegte, und wie sie sagte, sie müßte gleich wieder fort, da antwortete er, sie möchte doch noch dableiben. Wie es aber zwölf schlug, da war sie weg. Er aß und trank noch und ging dann wieder zu Bett. Kaum hatte er sich aber hingelegt, da kamen so viele Katzen, die setzten sich um sein Bett herum und fingen an zu knurren, zu miauen und zu spuken, sie stimmten eine Musik an, daß sich der Dumme halb totlachen mußte und über dem vielen Spektakel einschlief.

Der andere Tag ging auch so hin, und es kam alles, wie die Abende vorher. Den dritten Abend sagte aber der Dumme: »Morgen muß ich wieder fort, wenn ich nur erst einen Hund hätte, der gut wäre.« Dreiviertel auf zwölf gab ihm die weiße Katze einen Ring und sagte: »Wenn du den rechts herumdrehst, so bist du, wo du sein willst. Wenn du ihn anders herumdrehst, so bist du wieder hier. Hier hast du auch eine Walnuß, die steck ein, und wenn du zu Haus bist, so knack sie auf, dann wirst du sehen, was passiert.« Da schlug’s zwölf, und die Katze war weg. Er blieb noch ein bißchen auf und ging dann zu Bett.

Kaum hatte er sich hingelegt, so waren eine ganze Menge Hunde um sein Bett herum, die kläfften und bellten, sie knurrten und bissen sich ganz erbärmlich. Er lag aber im Bett und ließ sich nicht stören, am Ende war er wieder eingeschlafen. Am andern Morgen aß und trank er erst ordentlich, was die Hände brachten, und kein Mensch war zu sehen. Dann drehte er den Ring am Finger rechts um und war gleich zu Haus. Seine Brüder aber waren schon da und hatten jeder einen Hund mitgebracht, der eine war blind, der andere lahm.

Der Dumme ging erst zum Vater und fragte, wie’s ihm ginge. Der Vater aber sagte, so ein wenig spöttisch, ob er denn nicht einen Hund mitgebracht hätte; denn er sah keinen. Der Dumme nahm seine Walnuß, knackte sie auf und heraus sprang ein allerliebster Hund. Das war der allerbeste. Der Alte und die beiden Brüder mußten bekennen, daß das der beste war.

»Ja«, sagte der Vater, »das ist recht gut, aber noch nicht genug. Ihr müßt noch einmal fort, wer mir dann die beste Stiege Leinen bringt, der soll das Königreich haben.« Der Dumme drehte an seinem Ring und war gleich wieder in der Prinzessin Hause. Es ging alles wieder wie das vorige Mal, und er bekam am dritten Abend wieder eine Walnuß; diesmal gefiel ihm die weiße Katze noch mehr. Als er am Morgen wieder aufgestanden und gesättigt war, drehte er an seinem Ring, und er war wieder zu Haus. Er knackte seine Walnuß und nahm die feinste und schönste Stiege Leinen heraus. Alle mußten bekennen, daß er das beste Leinen gebracht hatte.

Da sprach der Vater: »Nun habt ihr noch jeder eine Schwiegertochter zu bringen. Wer die hübscheste und beste Prinzessin bringt, der kriegt das Königreich.« Die beiden Brüder verabredeten sich, sie wollten ihren dummen Bruder ums Leben bringen. Er aber wußte es gleich und drehte an seinem Ring, da war er wieder dort in dem Haus bei der weißen Katze. Als er aber ins Haus trat, so war sie gleich da und sagte: »Es ist gut, daß du wieder da bist. Jetzt komm herein. Nun wollen wir’s zu Ende bringen. Sieh, hier liegt ein Säbel, jetzt haue mir den Schwanz ab.«

»Aber«, sagte der Dumme, »wie kann ich dir das zuleid tun.«

»Das ist einerlei«, sagte sie, »das muß geschehen.« Er ließ sich’s nicht noch einmal sagen, hackte zu, und der Schwanz war weg, und vor ihm stand ein wunderhübsches Mädchen, das ihm um den Hals fiel und ihn herzte und küßte. Das gefiel ihm recht, und er wußte gar nicht, wie ihm zumut wurde vor Freude.

In dem Augenblick hat sich das Haus in ein großes Schloß verwandelt, und alles war ganz königlich. Auch Bediente und Lakaien und Wagen und Pferde und Kutscher gab es und alles, was dazugehörte. Er blieb noch ein paar Tage da, dann wurde der schönste Wagen angespannt, sie setzten sich miteinander hinein und fuhren hin nach Haus. Da ist unterdes der Dumme so klug geworden, gerade wie die anderen nie gewesen sind. Als sie zu dem Alten kommen, da freut er sich, und der Dumme kriegt das Königreich und wird König. Die anderen werden aber abgelohnt; und die jungen Leute haben glücklich miteinander gelebt bis an ihr Ende. Der Alte ist auch bald gestorben.

[Märchen aus dem Harz]

Der arme Müllerbursch und das Kätzchen

In einer Mühle lebte ein alter Müller, der hatte weder Frau noch Kinder, und drei Müllerburschen dienten bei ihm. Wie sie nun etliche Jahre bei ihm gewesen waren, sagte er eines Tages zu ihnen: »Ich bin alt und will mich hinter den Ofen setzen; zieht aus, und wer mir das beste Pferd nach Haus bringt, dem will ich die Mühle geben, und er soll mich dafür bis an meinen Tod verpflegen.«

Der dritte von den Burschen war aber der Kleinknecht, der wurde von den andern für albern gehalten, dem gönnten sie die Mühle nicht; und er wollte sie hernach nicht einmal. Da zogen alle drei miteinander aus, und wie sie vor das Dorf kamen, sagten die zwei zu dem albernen Hans: »Du kannst nur hierbleiben, du kriegst dein Lebtag keinen Gaul.« Hans ging aber doch mit, und als es Nacht war, kamen sie an eine Höhle, da hinein legten sie sich schlafen. Die zwei Klugen warteten, bis Hans eingeschlafen war, dann stiegen sie auf, machten sich fort und ließen Hänschen liegen und meinten’s recht fein gemacht zu haben; ja, es wird euch doch nicht gutgehen!

Wie nun die Sonne kam und Hans aufwachte, lag er in einer tiefen Höhle; er guckte sich überall um und rief: »Ach Gott, wo bin ich!« Da erhob er sich und krabbelte die Höhle hinauf, ging in den Wald und dachte: »Ich bin hier ganz allein und verlassen, wie soll ich nun zu einem Pferd kommen!« Indem er so in Gedanken dahinging, begegnete ihm ein kleines buntes Kätzchen, das sprach ganz freundlich: »Hans, wo willst du hin?«

»Ach, du kannst mir doch nicht helfen.«

»Was dein Begehren ist, weiß ich wohl«, sprach das Kätzchen, »du willst einen hübschen Gaul haben. Komm mit mir und sei sieben Jahre lang mein treuer Knecht, so will ich dir einen geben, schöner, als du dein Lebtag einen gesehen hast.«

»Nun, das ist eine wunderliche Katze«, dachte Hans, »aber sehen will ich doch, ob das wahr ist, was sie sagt.«

Da nahm sie ihn mit in ihr verwünschtes Schlößchen und hatte da lauter Kätzchen, die ihr dienten; die sprangen flink die Treppe auf und ab, waren lustig und guter Dinge. Abends, als sie sich zu Tisch setzten, mußten drei Musik machen; eins strich den Baß, das andere die Geige, das dritte setzte die Trompete an und blies die Backen auf, so sehr es nur konnte. Als sie gegessen hatten, wurde der Tisch weggetragen, und die Katze sagte: »Nun komm, Hans, und tanze mit mir.«

»Nein«, antwortete er, »mit einer Miezekatze tanze ich nicht, das habe ich noch niemals getan.«

»So bringt ihn ins Bett«, sagte sie zu den Kätzchen. Da leuchtete ihm eins in seine Schlafkammer, eins zog ihm die Schuhe aus, eins die Strümpfe, und zuletzt blies eins das Licht aus. Am andern Morgen kamen sie wieder und halfen ihm aus dem Bett: eins zog ihm die Stümpfe an, eins band ihm die Strumpfbänder, eins holte die Schuhe, eins wusch ihn, und eins trocknete ihm mit dem Schwanz das Gesicht ab. »Das tut recht sanft«, sagte Hans.

Er mußte aber auch der Katze dienen und alle Tage Holz kleinmachen; dazu kriegte er eine Axt aus Silber und die Keile und Säge aus Silber, und der Schläger war aus Kupfer. Nun, da machte er’s klein, blieb da im Haus, hatte sein gutes Essen und Trinken, sah aber niemand als die bunte Katze und ihr Gesinde. Einmal sagte sie zu ihm: »Geh hin und mähe meine Wiese und mache das Gras trocken«, und gab ihm eine Sense aus Silber und einen Wetzstein aus Gold, hieß ihn aber auch alles wieder richtig abliefern.

Da ging Hans hin und tat, was ihm geheißen war; nach vollbrachter Arbeit trug er Sense, Wetzstein und Heu nach Haus und fragte, ob sie ihm noch nicht seinen Lohn geben wollte. »Nein«, sagte die Katze, »du sollst mir erst noch einerlei tun, da ist Bauholz aus Silber, Zimmeraxt, Winkeleisen und was nötig ist, alles aus Silber, daraus baue mir erst ein kleines Häuschen.«

Da baute Hans das Häuschen fertig und sagte, er hätte nun alles getan und hätte noch kein Pferd. Doch waren ihm die sieben Jahre herumgegangen wie ein halbes.

Fragte die Katze, ob er ihre Pferde sehen wollte. »Ja«, sagte Hans. Da machte sie ihm das Häuschen auf, und wie sie die Türe so aufmacht, da stehen zwölf Pferde, ach, die waren gewesen ganz stolz, die hatten geblinkt und gespiegelt, daß sich sein Herz im Leibe darüber freute. Nun gab sie ihm zu essen und zu trinken und sprach: »Geh heim, dein Pferd geb ich dir nicht mit; in drei Tagen aber komm ich und bringe dir’s nach.«

Also machte Hans sich auf, und sie zeigte ihm den Weg zur Mühle. Sie hatte ihm aber nicht einmal ein neues Kleid gegeben, sondern er mußte sein altes lumpiges Kittelchen behalten, das er mitgebracht hatte und das ihm in den sieben Jahren überall zu kurz geworden war. Wie er nun heimkam, so waren die beiden andern Müllerburschen auch wieder da; jeder hatte zwar sein Pferd mitgebracht, aber des einen seins war blind, des andern seins lahm. Sie fragten: »Hans, wo hast du dein Pferd?«

»In drei Tagen wird’s nachkommen.«

Da lachten sie und sagten: »Ja du, Hans, wo willst du ein Pferd herkriegen, das wird was Rechtes sein!«

Hans ging in die Stube, der Müller sagte aber, er solle nicht an den Tisch kommen, er wäre so zerrissen und zerlumpt, man müßte sich schämen, wenn jemand hereinkäme. Da gaben sie ihm ein bißchen Essen hinaus, und wie sie abends schlafen gingen, wollten ihm die zwei andern kein Bett geben, und er mußte endlich ins Gänseställchen kriechen und sich auf ein wenig hartes Stroh legen.

Am Morgen, wie er aufwacht, sind schon die drei Tage herum, und es kommt eine Kutsche mit sechs Pferden, ei, die glänzten, daß es schön war, und ein Bedienter, der brachte noch ein siebentes, das war für den armen Müllerbursch. Aus der Kutsche aber stieg eine prächtige Königstochter und ging in die Mühle hinein, und die Königstochter war das kleine bunte Kätzchen, dem der arme Hans sieben Jahr gedient hatte. Sie fragte den Müller, wo der Mahlbursch, der Kleinknecht, wäre.

Da sagte der Müller: »Den können wir nicht in die Mühle nehmen, der ist so verrissen und liegt im Gänsestall.« Da sagte die Königstochter, sie sollten ihn gleich holen. Also holten sie ihn heraus, und er mußte sein Kittelchen zusammenpacken, um sich zu bedecken. Da schnallte der Bediente prächtige Kleider aus und mußte ihn waschen und anziehen, und wie er fertig war, konnte kein König schöner aussehen.

Danach verlangte die Jungfrau, die Pferde zu sehen, welche die andern Mahlburschen mitgebracht hatten, eins war blind, das andere lahm. Da ließ sie den Bedienten das siebente Pferd bringen; wie der Müller das sah, sprach er, so eins war ihm noch nicht auf den Hof gekommen; »und das ist für den dritten Mahlbursch«, sagte sie. »Da muß er die Mühle haben«, sagte der Müller, die Königstochter aber sprach, da wäre das Pferd, er sollte seine Mühle auch behalten, und nimmt ihren treuen Hans und setzt ihn in die Kutsche und fährt mit ihm fort. Sie fahren zuerst zu dem kleinen Häuschen, das er mit dem silbernen Werkzeug gebaut hat, da ist es ein großes Schloß, und ist alles darin aus Silber und Gold; und da hat sie ihn geheiratet, und war er reich, so reich, daß er für sein Lebtag genug hatte. Darum soll keiner sagen, daß wer albern ist, deshalb nichts Rechtes werden könne.

[Märchen der Brüder Grimm]

Die verzauberte Katze

Es war einmal ein armer Bauernjunge, der war sehr einfältig, aber dreist und ohne alle Furcht. Dieser verdingte sich bei einem alten Schweinehirten, welcher gerade krank war und deshalb nicht selbst seine Schweine austreiben konnte. Der Alte befahl ihm nachdrücklich, vor Sonnenuntergang mit den Schweinen nach Hause zu kommen. Der Junge merkte aber in seiner Dummheit nicht, daß die Sonne untergegangen war und statt ihrer der Mond am Himmel glänzte; er wartete also noch immer auf den Sonnenuntergang und blieb mit den Schweinen draußen bis zum Morgen, als der Mond unterging. Als der Junge am anderen Morgen mit den Schweinen zurückkam, war der Alte sehr zornig und drohte ihn fortzujagen. Da verlangte er trotzig seinen Lohn und ging damit weg.

Weil er sich vor nichts fürchtete, so beschloß er, sich zu einem verwünschten Schloß zu begeben, in dem, wie er gehört hatte, alle Nacht jemand wachen mußte, dem aber am anderen Morgen jedesmal der Hals umgedreht war. Es waren dabei schon so viele umgekommen, daß sich niemand mehr dazu finden wollte, obgleich der Graf, dem das Schoß gehörte, demjenigen eine große Belohnung verheißen hatte, der bereit wäre, eine Nacht darin zu wachen. Der Junge kam nun zu dem Grafen und erklärte ihm, er sei bereit, in dem Schloß zu wachen, nur verlange er ein Spiel Karten, eine Geige und ein Spiel Kegel, um sich damit die Langeweile vertreiben zu können. Es wurde ihm alles gegeben, was er gefordert hatte; und nachdem er sich erst noch recht satt gegessen hatte, ging er am Abend auf das Schloß und richtete sich in einem Saal wohnlich ein. Da es kalt war, so heizte er in dem Ofen stark ein und fing dann an, Karten zu spielen.

Bald nach elf Uhr öffnete sich die Tür, und es kamen vier schwarze Männer herein, die trugen eine »tote« Leiche, setzten diese, ohne ein Wort zu sprechen, nieder und gingen dann wieder fort. Der Junge sagte nichts und bekümmerte sich nur um sein Spiel. Als die vier Männer fort waren, ging er zu der Leiche, richtete sie auf und sagte: »Es ist kalt, du wirst wohl tüchtig gefroren haben, jetzt kannst du dich wärmen.« Damit stellte er sie an den Ofen. Nach einer Weile entstand aber ein entsetzlicher Gestank im Zimmer. Da sprang er zornig auf und sagte: »Willst du hier einen solchen Gestank machen?« Mit diesen Worten gab er der Leiche eine Ohrfeige, so daß sie umfiel. Dann spielte er wieder ruhig weiter. Nicht lange nachher kamen die vier Männer wieder und trugen die Leiche fort, ohne daß er sich stören ließ.