Danke meiner Frau Claudia, die drei wunderbaren Kindern das Leben geschenkt hat: Ihr seid die größten Lehrmeister, Tag für Tag! Das Motto auf dem letzten Bild des Buches, entdeckt beim Race Across The West, soll eures sein können! Foto: Luca Gatscher

Neues wagen

Hilf mir, meinen Lebenstraum zu erfüllen“ war und ist für viele meiner Leser und Leserinnen ein Wunschbuch. Ein Buch, das helfen durfte, sich seiner Wünsche und Träume zu erinnern und den Weg zur Erfüllung wieder beginnen und genießen zu können. Unzählige Reaktionen per E-Mail, über Facebook, per Post und auf persönliche Art und Weise erhielt ich seit Erscheinen dieses Buches. Nun gut, es erzählt einiges Biografisches über mich als Autor, meine herausfordernden Irrwege und auch meine Abkürzungen sowie Autobahnen zum Erfolg. Genauso wie funktionale Strategien und Handlungsideen, mit denen ich, beginnend mit dem Jahr 2007, den Rohdiamanten Christoph Strasser zum – wie er medial so oft genannt wurde – „König der Langdistanz“ formen helfen durfte. Auch meine Seminare, Workshops und Vorträge halfen, meine Ideen, Lebensträume zu erfüllen, zu verbreiten. Manche Ideen sind nicht neu, doch anders als andere, manche sind polarisierend und manche benötigen einen sehr langen Atem! Ich als Mensch finde mich ständig an irgendwelchen Grenzen. An die Grenze gehen? Überschreiten? Grenzen verschieben? Neue Grenzen positionieren? In der Nähe von Grenzen braucht man Mut, und genau den haben einige Menschen bewiesen. Indem sie mir aus ihrer Geschichte eine Vielzahl an Geschichten als Reaktion auf mein Buch zukommen ließen. Danke dafür. Nichts ist so lebensbejahend wie ein mutiger Schritt über Grenzen! Viele schrieben mir von ihren Erfolgen, einige schrieben mir von der Unmöglichkeit meiner Wege. Zweitere schrieben mir oft mehrfach, um mir dann – nachdem ich sie ermutigt hatte, sich selbst die Chance zu geben, neue Wege zu gehen – nach einiger Zeit von einem Happy End zu berichten. Die verbindende Klammer bei den vielen Kommentaren und Reaktionen war einheitlich: Das Feedback von so vielen, dass sie das Buch nicht als Buch, sondern wie einen angenehmen Kaffeeplausch, ein zufälliges und inspirierendes Treffen mit einem Seelenverwandten empfunden haben. Danke dafür.

Das Feedback, dass sie durch mich Neues wagen konnten und ihre üblichen Schranken nicht mehr ganz so ernst, sondern mit Humor betrachten durften. Danke.

Thomas Jaklitsch beim Ötztaler

Bei so viel erzeugter Nähe ist ein Du in der Ansprache eigentlich obligatorisch. Im Radsport ohnedies und wenn man nach Tirol in Österreich kommt sowieso. Als ich einen der berühmtesten Radmarathons Europas – den Ötztaler Radmarathon im tirolerischen Sölden – vor mehr als 2.000 Menschen eröffnen durfte, erfuhr ich dies hautnah. Der Saal war bereits bestens gefüllt und ich war mit Laptop und USB-Stick fast 25 Minuten vor dem geplanten Beginn meines Multimedia-Eröffnungsvortrages vor Ort. Eine Riesenbühne, großartige Stimmung und ein tiefenentspannter Tontechniker, der mich mit einem freundlichen „Griaß di!“ empfing. Was soll da noch schief gehen? Eine halbe Minute später sollte ich es wissen. Als ich ihn fragte, ob er meine Multimedia-Präsentation mit Bildern, Musik und kurzen Videos gerne per USB-Stick oder von meinem Laptop abspielen möchte, meinte er, wie es mir lieber sei – aber Beamer habe er keinen, der komme erst in zwei Stunden! Nur mit der Ruhe, waren jetzt leider nicht meine Gedanken! Nach diversem Farbenspiel in meinem Gesicht, beginnender Schnappatmung, Pulsspitzen, die ich in meinem vorgerückten Alter eigentlich schon lange nicht mehr erreichte, konnte ich gerade noch „Kannst du zaubern?“ herauswürgen. Nach kurzer Phase der freundschaftlichen Erklärungen meiner Wünsche und Vorhaben begann mein komplett ruhig und gelassen gebliebener Tontechniker zu telefonieren. Nach einer Minute, wobei ich bei dem Telefonat aufgrund des Tiroler Dialekts null Komma nichts verstand, beendete er das Telefongespräch, grinste mich an und sagte kopfschüttelnd: „Fria guat isch nia guat. (Früh gut ist nie gut – was zu früh gut ausschaut, hat sich oft als nicht so toll herausgestellt.) Wal dar Tuifl schloft nit. (Weil der Teufel schläft nicht.) Is wenn die Zeit’n schlecht wer’n, werd’ a Dicker dünn, a Dünner wird hin. (Sollten schlechte Zeiten kommen, wird ein Dicker nur dünner, ein Dünner wird kaputtgehen.)“ Mein unausgesprochenes, aber gut sichtbares Fragezeichen auf der Stirn – immerhin bin ich ein Dünner mit gerade mal 57 Kilogramm Lebendgewicht – löschte er mit einer fast auf Hochdeutsch formulierten Antwort: „Du, entspann dich, trink was, iss was, in einer halben Stunde kann die Show losgehen!“ Und wieder einmal war es einer der Momente in meinem Leben, wo ich mir dachte: die besten Krisenmanager, die größten und entspanntesten Lehrmeister, die besten Coaches sind oft mitten unter uns. Weit, weit weg von den Bildungsstätten unserer geistigen Elite und oft weit weg von den Hot-Stone-Tempeln der Oberschicht, den Klangschalen und Hildegard-Tees. Die besten Lehrmeister finden wir im Alltag. Sie haben gelernt, selbst ihr bester Coach zu sein. Und sie haben erkannt, dass es Wichtigeres im Leben geben darf, als nur kontinuierlich die Geschwindigkeit und den Druck zu erhöhen. Sie haben erkannt, dass Lebensqualität bedeuten darf, den Luxus der Zeit zu genießen. Oder wie es Giovanni Guareschi, der Erfinder der legendären Filmfiguren Don Camillo und Peppone, ausdrückte: „Zeit haben nur diejenigen, die es zu nichts gebracht haben. Damit haben sie es weiter gebracht als alle anderen.“

Also nachdem ich es eine halbe Stunde zu nichts gebracht hatte, genoss ich die Stimmung und lernte verschiedene Menschen kennen. Mein Eröffnungsvortrag selbst war ein Erfolg. Ich traf auf den noch immer bestens erhaltenen ehemaligen Skiweltmeister im Slalom, Frank Wörndl, den Bad Boy und wegen Doping gesperrten Tour-de-France-Sieger Jan Ulrich und auf Didi Senft, den „El Diablo“ des Radsports höchstpersönlich. Quasi the good, the bad and the ugly!

Radteufel Didi Senft beim Ötztaler 2014 Foto: www.sportcoaching.net

Aber am meisten berührte mich an diesem Abend der Tontechniker, der mir mit seiner Ruhe, seiner Freundlichkeit, in seinem tirolerischen Du quasi die Haut rettete. Dieses Du blieb mir noch lange im Kopf. Und auch die Feedbacks auf mein Buch, die bald von dem gestrengen Sie auf ein joviales Du wechselten. Aufgrund dieser Erfahrung möchte ich die professionelle Distanz, die meinen Worten im ersten Buch Nachdruck verlieh, aufgeben und dafür mehr und mehr der Beziehung und dem Vertrauen Raum schaffen, und Sie im Verlauf dieses Buches duzen. Auch wenn es bei mir Anteile gibt, die sich noch sträuben. Immerhin kennen wir uns vielleicht erst eine Seite lang, haben ziemlich sicher nicht gemeinsam im Sandkasten gespielt und ist ein höfliches Sie ein sehr bestimmendes Werkzeug.

„Das Gute missfällt uns,

wenn wir ihm nicht

gewachsen sind.”

(Friedrich Nietzsche)


Ich denke, das Gute nach Nietzsche, nämlich zu duzen, darf bereits beim Buchtitel beginnen. Und zwar mit dem Ziel, Ihnen mentale Strategien, um im Hier und Jetzt zu leben und nicht gelebt zu werden, vorzustellen. Die Motivation, in die Gänge zu kommen und bisher aufgeschobene Ziele endlich anzupacken, ist möglicherweise erwünschtes oder unerwünschtes Resultat des Lesens dieses Buches. Im Selbstcoachingbuch „Hilf mir, meinen Lebenstraum zu erfüllen“ wurde ein Teil des mentalen Weges von Christoph Strasser, sein Umgang mit Niederlagen und letztlich die Erfüllung seines Lebenstraums, dem Sieg beim Race Across America – 5.000 Kilometer nonstop mit dem Rad durch die USA –, beschrieben. Was aber, wenn das Ziel erreicht und der Traum erfüllt ist? Was sind wir ohne unseren Erfolg noch? Wer sind wir außerhalb unserer möglichen Identität als Sportler/Sportlerin, Ehemann/Ehefrau, Vater/Mutter? Die Frage „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ scheint jedenfalls ein Dauerbrenner zu sein. Antworten darf es auf den folgenden Seiten geben.

Garniert mit Episoden aus dem Leistungssport, neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, Know-how aus Psychologie und Lebensberatung darf ich Sie entführen in eine wenig schillernde, dafür umso buntere Welt des Langstreckenradsports als Metapher fürs Leben – auch wenn, oder eben weil, Sie vielleicht nicht Spitzensportler sind, geschweige denn Extremradsport als liebste Freizeitbeschäftigung angeben. Lesen Sie gerade die Geschichten, die radsportspezifisch zu sein scheinen. Diese sind vermutlich für Ihr Bewusstsein weit weniger „gefährlich“ als die Storys und Erzählungen aus dem Alltag, aus dem Beruf oder der Elternschaft, die Sie ohnehin selbst gut kennen. Diese scheinbar nebensächlichen Ereignisse aus über einem Jahrzehnt Langstreckenradsport können als Metapher, als Geschichte mit sinnvoller Struktur und möglichem Aha-Effekt weit besser aufgenommen werden.

Und ja, dieses Selbstcoachingbuch ist im übertragenen Sinn ein Kochbuch. Ein Kochbuch, welches anregen darf, mehr an Gesundheit, mehr an Freude, mehr an Lebensqualität für sich selbst und damit auch für sein Umfeld zu schaffen. Und ja, manche Informationen stammen aus tendenziösen Quellen und sind gefüllt mit subjektiver Befangenheit und Liebe zum Leben im Allgemeinen und zum Randgruppenphänomen Extremradsport im Besonderen. Ein Buch, das anregen darf, mit Ihren eigenen, individuellen Zutaten verschiedenste Rezeptideen auszuprobieren und zu verfeinern. Und wie bei einem Kochbuch üblich werden Sie beim Ansehen der Gerichtideen nicht satt, sondern vielleicht erst hungrig, aber durch die Beispiele angeregt, sich für etwas entscheiden zu können und zu handeln zu beginnen. Das Gericht sind sie selber, die Zutaten besitzen Sie schon längst, haben Sie nur vermutlich lange nicht mehr benutzt. Die richtige Reihenfolge und Behandlung der Ingredienzien ist das Ziel dieses Lernbuches über sich selbst.

Welche mentalen Wege den 24-Stunden-Weltrekordhalter und Race-Across-America (RAAM)-Sieger Christoph Strasser prägen durften und ihm halfen, selbst sein bester Coach zu sein, kann Ihnen einen phänomenalen Einblick in die menschlichen Möglichkeiten und den Hauch von Grenzenlosigkeit geben. Ein Buch aus dem Leben für das Leben! Illustriert mit großartigen Fotos darf es Lust auf die Coachingarbeit für und mit sich selbst machen! So nach dem Motto: Nein zu den langweiligen Routinen, ja zu den Möglichkeiten! Gerne gehe ich den Weg mit Ihnen. Gerne gehe ich ab nun den Weg mit DIR!

Mit dem Ziel: Coach dich selbst zu deinem besseren Ich!

Thomas Jaklitsch als Verbindung zwischen Humor und Leistung Foto: www.elmas.at

Also: Griaß di!

Langstreckenradrennen? Extremradevents? 4 what? Für was, bitteschön?

Als ich im Jahr 2015 ins Ziel des 1.400 km langen Race Across the West vom Palmenstrand Kaliforniens durch die Wüste von Arizona und Utah bis zu den Nadelbäumen Colorados radelte und den dritten Platz insgesamt belegte, war die Zielankunft wie gewohnt. Einsam. Also kein Mensch da. Fast keiner. Aufgrund der langen Wettkampfdauer und der oft langen Zeitspannen zwischen den Zielankünften ist das Warten im Ziel für das Publikum vor Ort oft weniger interessant als für die Fans, die mittels GPS exakt über die Positionen Bescheid wissen. Bei der Zielankunft in der ehe­maligen Goldgräberstadt Durango stimmte oben Geschriebenes zwar nicht ganz, aber fast. Immerhin wurde meine Zielankunft von der regionalen Presse bemerkt und ich lächelte in prominenter Position in Farbe am nächsten Tag in einem Riesenartikel aus dem Durango Herold. Dort wurde mir auch die übliche Frage gestellt: Wieso man so etwas macht? Wieso setzt sich jemand freiwillig diesen Strapazen und Gefahren aus? Meine mittlerweile schon seit Jahren gleiche Antwort: Weil es möglich ist und weil es eine wunderbare Metapher für das Leben ist! So frei nach dem Motto und angelehnt an Reinhold Messners Aussage: Es ist nicht die Strecke, der Berg, der Event, die bzw. den es zu erforschen gilt, es ist der Mensch, den es zu erforschen gilt.

T. Jaklitsch RAW 2015: Finish? Finish going strong? Foto: www.lucaspflanzl.at

„Ultra-Radsport ist nicht mehr und nicht weniger als eine brillante Analogie des Lebens. Er ist lang und herausfordernd und beinhaltet sowohl Glück als auch Niederlage. Es geht um unser Verhalten im Moment des Triumphs und darum, wer wir sind, wenn nichts übrig scheint, das uns definieren könnte.“ (Präsident der Ultra Marathon Cycling Association, it’s all about, 2013, S. 9)

RAW 2015, T. Jaklitsch und A. Striccher als menschliche Klimaanlage Foto: www.lucaspflanzl.at

Langstreckenradrennen sind für mich persönlich seit meinem ersten Antreten bei solch einem Event im Jahr 2001 eine wunderbare metaphorische Beschreibung für das Leben. Sie dauern lange, teilweise fast unvorstellbar lange, ein oder mehrere Tausend Kilometer lang. Wie das Leben, das zu Beginn noch unendlich, unüberschaubar lange dauert, ist es fast unmöglich, vom Start weg einen Blick auf das Ziel, auf das Finale zu erhaschen. Durch Lebensereignisse wie möglicherweise Schulbeginn und Schul­ende, wer religiös ist durch jeweilige Initiationsriten wie Firmung, Konfirmation etc., Wehr- oder Wehrersatzdienst, Geburtstage, Jahreswechsel etc. lernen wir bereits in jungen Jahren diese Lebenszeit zu strukturieren. Letztlich, um bei diesen besonderen Momenten – wenn auch nur kurz – innezuhalten und uns wieder neu ins Leben auszurichten und zu planen. Bei Langstrecken­events sind dies die sogenannten Timestations (Zeitstationen), die je nach Event zwischen 60 und 100 km auseinanderliegen. Jedes erreichte Zwischenziel, die Zeitstation, hilft, den Fokus aufgrund der Länge der gesamten Strecke nicht zu verlieren, sondern von Timestation zu Timestation (kurz- bis mittelfristige Zielplanung) zu denken, um die Zuversicht der Zielerreichung zu bewahren. Kein Stillstand der Stoppuhr vom Start bis zum erhofften Ziel. Nonstop, komme, was wolle, Tag und Nacht, Sturm und Sonnenschein, Freude und Pein.

Bei Langstreckenradrennen quer durch einen Staat (z. B. Race Across America 5.000 km, Race Across The West 1.400 km, Race Across Germany 1.150 km) oder rund um ein Land (z. B. Race Around Austria 2.350 km, Race Around Ireland 2.150 km, Race Around Slovenia 1.100 km) gilt es ja, der natürlichen Topografie der Strecke zu folgen. Manchmal führt die Strecke schnurgerade, doch manchmal sind die Straßen kurvig, schmal oder breit und manchmal ist der Straßenbelag sehr grob oder genau das Gegenteil. Es geht bergauf und dann wieder bergab. Der ewige Wechsel. Up and downs. Wie im Leben, wo wir dem Verlauf unseres Weges folgen, den Weg so annehmen, wie er kommt, und immer wieder entscheiden müssen, ob wir gewillt sind, die Strapazen auf uns zu nehmen, um unser Ziel zu erreichen, und dann auch wieder den Schwung, die gespeicherte Energie der vorhergehenden Anstrengung zu nutzen. Aktion und Reaktion. Energie geht nicht verloren, sie wird nur transformiert. 23.000 Höhenmeter gilt es allein beim Race Around Austria zu erklimmen, rasante Abfahrten, die Spaß machen können, sind garantiert! Außer man schläft bergab aufgrund der Übermüdung und des Schlafentzuges ein, kommt von der Strecke ab und landet hoffentlich sanft im Gras. Der Vorteil: die Müdigkeit ist dann verflogen; ist mir 2013 ebenda passiert. Die Momente des Glücks, der Mühelosigkeit genießen und feiern zu können, ungeachtet dessen, dass auch wieder die Sekunden, Minuten, Stunden der Herausforderungen, des Selbstzweifels und der Mühe kommen werden. Dieses ständige Wechselbad der Gefühle, bergauf – bergab, werde ich bewältigen können, wenn ich ausreichend Ausdauer und Motivation mein Eigen nennen kann. Nichts anderes also als mein Ziel, mit jeder Faser und Zelle meines Körpers erreichen zu wollen – letztlich das Resultat strukturierter und lohnender Zielarbeit.

Davon abgesehen werden wir im Leben wie auch bei Extremrad­events alleine unser Ziel nicht erreichen. Ich kann mich möglicherweise alleine auf so einen Event vorbereiten, und ja, ich muss dafür trainieren, also die körperlichen und mentalen Voraussetzungen schaffen, werde aber kläglich scheitern ohne ein Betreuerteam. Du benötigst Menschen, die spätestens mit dem Startschuss des Rennens Verantwortung für dich übernehmen, dich versorgen: Nahrungsmittel, Getränke, Bekleidung, aber auch mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit dein mentales Wohlbefinden stärken und dich durch den Dschungel der Straßen den vorgezeichneten Weg entlangnavigieren. Wie im Leben, wo es die einen oder anderen Menschen gibt. Welche Menschen stärken dich, welche schwächen?

Trotz aller Begeisterung und der notwendigen klassischen Erfolgskriterien, um zu finishen, nämlich physisch wie psychisch seine „Hausaufgaben“ gemacht zu haben, sich also so gut wie möglich auf die Tage X des Extremradevents vorbereitet zu haben, ist es, was es ist: ein Abenteuer! Nicht mehr und nicht weniger! Ein Abenteuer, welches allen Beteiligten hohe Erlebnisqualität verspricht und sie an Grenzen bringt, weil aufgrund der Rahmenbedingungen, egal ob es regnet oder die Sonne scheint, geradelt wird – der Spielplatz ist die Welt. Eine Uhr, die Tag und Nacht bis zum erhofften Ziel nie abgeschaltet wird – wie die Lebensuhr, die einmal gestartet wird und irgendwann wird sie am Ende unserer Reise gestoppt. Es ist zu hoffen, dass es uns vergönnt sei, zurückzublicken, um uns an die Highlights zu erinnern und nachzudenken, was von uns bleiben darf. Schlafentzug und klarerweise körperliche und geistige Höhen und Tiefen müssen für ein erfolgreiches Finish durchstanden werden, um im Ziel zurückblicken zu können, voller Dankbarkeit und emotionaler Irritationen, und zu wissen: Es ist, es war ein wunderbares Abenteuer, welches man nicht kaufen, nicht besitzen, sondern nur erleben kann! Wie das LEBEN.

T. Jaklitsch beim Race Around Austria 2013 www.sportcoaching.net

Schlussfolgerung

In diesem Buch geht es nicht um Langstreckenradsport, sondern um Menschen. Menschen, die sich nicht um die Basis ihres Status quo kümmern, sondern sich lieber mit der Frage beschäftigen: Was kann ich und was möchte ich gerne in meinem Leben erreichen? Das Beispiel Langstreckenradsport dient als Analogie für das Leben, als Metapher, um selbst gesteckte Grenzen zu überwinden und die Momente des Glücks und der Verbundenheit mit einem höheren Selbst sowie auch die Situationen von Zweifel und Schmerz zu bestehen. Langstreckenradrennen dauern lang, gefühlt ewig. Um zu bestehen, braucht man Ausdauer, Disziplin, Motivation bis in die kleinste Zelle, liebevollen Umgang mit sich selbst und vieles mehr, aber sicherlich Menschen, die einen positiv fördern und fordern. Der Umgang mit dem Scheitern, mit Niederlagen, gehört genauso zum Portfolio wie das Feiern des glücklichen Augenblicks – so kurz, so lang es vergönnt und möglich ist.

Hast du deine eigene Metapher für dein Leben? Ja? Welche Aktivität ist für dich sinnbildlich, wie z. B. ein Ausschnitt aus deinem Leben? Ist es eher wie im von Udo Jürgens intonierten „Tom and Jerry-Titelsong „Vielen Dank für die Blumen: Manchmal spielt das Leben mit dir Katz und Maus … Oder ist es eher nach dem Motto: Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss. Welche metaphorische Beschreibung passt am besten in deine Welt, um das Leben, wie du es lebst, zu beschreiben? Wie ist es? Wie könntest du es beschreiben?! Und wie hättest du es gerne? Was kannst du hier aufschreiben?

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Thomas Jaklitsch, RAW 2015: Innehalten, während die Welt sich dreht. Foto: www.lucaspflanzl.at

Feuer und Asche

Coach dich selbst zu deinem besseren Ich. Doch – wer bin ICH? Spätestens seit Gregory Bateson gilt der Begriff „Ich“ als die ultimative Nominalisation, die Abstraktion per excellence. Und was heißt besser? Und überhaupt, wenn ja, wie viele? Diese Frage ist nicht neu und auch nicht von mir. Fans des Philosophie-Dandys der Jetztzeit – Richard David Precht – ist diese Frage möglicherweise von seinem Buchtitel aus dem Jahr 2007 geläufig. Und verzeih mir, wenn ich anmerken darf: Diese Frage stellte bereits der deutsche Psychotherapeut Gunther Schmidt im Jahr 2003 mit seinem gleichnamigen Buchtitel. Alles nur geklaut, sang die deutsche Popband „Die Prinzen“ – oder ein menschlicher Dauerbrenner. Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Was war, was ist die Antwort nur? Als Vater dreier Kinder begegnet mir dieses Thema im Alltag immer wieder. Sind Kinder doch grundsätzlich gut und engelsgleich, brechen doch auch in Sekundenschnelle imaginäre kleine Teufelshörner auf der Stirn hervor. Gut und böse zugleich? Können Kinder überhaupt böse sein? Fast wie im legendären Italo-Western der Siebzigerjahre „The Good, the Bad and the Ugly“. Also gleich drei Identitäten: Clint, die Schießwut, alias Eastwood, Eli Wallach und Lee Van Cleef im dritten Teil der berühmten Dollar-Trilogie von Sergio Leone. Drei Identitäten: der Gute, der Böse und der Brutale – zufälligerweise ging dann in
der deutschen Übersetzung eine Identität verloren, denn der deutsche Filmtitel wurde zu: „Zwei glorreiche Halunken“. Anscheinend blieben nur zwei Identitäten übrig, so schnell kann also nur mit einer Übersetzung eine Identität verloren gehen – dafür die bestehenden glorreich werden. In meiner Welt treffe ich oft auf Menschen, die diesbezüglich in der klassischen Dilemmasituation sind: Entweder sie haben etwas, was sie nicht mehr haben wollen, oder sie wollen etwas, was sie eben noch nicht haben. Viele meiner Kunden, und viele mir bekannte Menschen, halten im Alltag oft an Identitäten fest, deren Zeit längst abgelaufen ist. Wie oft ertappe auch ich mich dabei, wie ein trotziges Kind zu reagieren, anstatt als selbstbestimmter Erwachsener. Anführen möchte ich eine traditionelle Indianergeschichte, die sich in diversen sozialen Netzwerken verbreitete und dies wunderbar ergänzt:

Am Abend erzählt ein Indianerhäuptling seinem Sohn im Lichte des Lagerfeuers folgende Geschichte: „In jedem von uns tobt ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Der eine Wolf ist böse, der andere ist gut. Der böse Wolf kämpft mit Ärger, Neid, Eifersucht, Sorgen, Gier, Arroganz, Selbstmitleid, Lügen, Überheblichkeit, Egoismus und Missgunst. Der gute Wolf kämpft mit Liebe, Freude, Frieden, Hoffnung, Gelassenheit, Güte, Mitgefühl, Großzügigkeit, Dankbarkeit, Vertrauen und Wahrheit.“ „Welcher der beiden Wölfe wird gewinnen?“, fragt der Sohn. „Der, den du fütterst, den du nährst, wird siegen“, antwortet der Häuptling.

RAAM 2013: C. Strasser im Dauerregen Foto: www.lupispuma.com

Jeder von uns hat manchmal gute und manchmal schlechte Tage, verspürt negative und positive Emotionen. Und manches Mal scheinen diese unberechenbar und zufällig wie das Wetter zu sein. Spitzensportler, Manager oder Menschen wie dir und mir ergeht es dabei völlig gleich. Doch in den vielen Jahren der Arbeit mit unterschiedlichsten Menschen zu verschiedensten Themen und Problemlagen durfte ich lernen, dass wir Einfluss nehmen können. Wir können uns für die Fülle oder für die Leere verantwortlich zeigen. So titelte das führende Radsportmagazin „Tour“ nach Christoph Strassers RAAM-Rekord 2013: „Der Kopf ist total leer!“ (C. Strasser, Tour, 2013/8, S. 9)Wir füttern und nähren unsere Emotionen und unseren Gefühlszustand durch uns selbst, durch unser Denken, durch unsere Selbstgespräche, durch unsere Umgebung, durch unsere Aktivitäten. Worauf wir uns konzentrieren, das kann wachsen, im negativen wie im positiven Sinne. Was wir nicht mit Aufmerksamkeit versehen, wird verkümmern. Dachte Christoph Strasser 2013 noch „mehr als ein Rennen wie das RAAM wäre also im Jahr gar nicht möglich“ (ebd.), konnte er 2014 das RAAM erneut gewinnen und zwei Monate später ebenfalls das Race Around Austria mit neuem Streckenrekord absolvieren. Denke an eine Wiese mit hohem Gras – kein Weg durchs Gras ist noch erkennbar. Wenn du – in Gedanken – durch diese Wiese schreitest, hinterlässt du Fußabdrücke, manche Grashalme werden sich recht bald wieder aufrichten, als ob du nie hier gewesen wärst. Manche Fußabdrücke werden für eine bestimmte Zeit, aufgrund deines Gewichtes, aufgrund deiner Präsenz, deine Spur nachzeichnen. Gehst du nur einmal, verblasst deine Spur recht bald und es ist, als wärst du nie hier gegangen. Welches andere Ergebnis könntest du erreichen, wenn du diesen Weg – immer in dieselben Fußstapfen steigend – mehrfach gehst? Ein Weg wird erkennbar werden: dein Weg! Ob er positiv wird oder eben nicht, kann dein Fokus, deine mentale Ausrichtung mitentscheiden. Dein gedankliches Ziel, dein mentaler Wunsch hinterlässt deine individuellen neuronalen Spuren!

Möglicherweise kannst du beginnen zu genießen, was an angenehmen und positiven Dingen Tag für Tag zu erleben ist. Füttere deinen Wolf und werde du selbst dein bester Coach!

Im Wald zwei Wege boten sich mir dar,

und ich ging den,

der weniger betreten war;

und das veränderte mein Leben.

(Robert Frost)

Geht der Tag oder kommt die Nacht? Foto: lucaspflanzl.at

Vielleicht hast du „Hilf mir, meinen Lebenstraum zu erfüllen“ gelesen – oder auch nicht. Um entweder Erinnerungen wieder wachzurütteln oder einfach in wenigen Worten Erkenntnisse aus dem Leistungssport zutage zu fördern, dürfen sechs Lektionen – um das Leben wieder zu lieben – folgen. Das Hauptaugenmerk gilt dabei nicht dem prolongierten Drang zu einer ständigen Selbstoptimierung, sondern mehr der inneren Balance und dem Erlernen einer Fehlerkultur, die in unseren Breiten leider nicht sehr ausgeprägt ist. Viele Menschen tun lieber gar nichts, bevor sie Fehler machen. Doch was letztendlich ein Fehler ist, wird für viele oft von außen definiert. Diejenigen, die gelernt haben, selbst zu entscheiden, wie sie mit Fehlern umgehen, fanden für sich häufig eine andere Begrifflichkeit: keine Fehler mehr, sondern Ergebnisse. Ergebnisse, die zufriedenstellend sind, oder eben nicht – und damit die Basis für die Weiterentwicklung, um aus Ergebnissen lernen zu können, zu schaffen. Oder im Sinne einer pragmatischen Fehlerkultur, um den filmischen Albert-Einstein-Verschnitt aus „Zurück in die Zukunft“, Doc Brown, zu zitieren:

„Deine Zukunft ist immer das,

was du draus machst!”

(Doc Brown, „Zurück in die Zukunft”, Teil 3)

Schlussfolgerung

Mach es wie RAAM-Rekordmann Christoph Strasser!

So nach dem Motto „die wahren Abenteuer sind im Kopf”: passend einerseits zu sportlichen Trainings- und Wettkampfvorbereitungen, den Herausforderungen des Lebens selbst und dem Beginn, sich selbst zu coachen: sechs Quickies zum mentalen Herantasten an die persönlichen Möglichkeiten:

1 Konzentrationsfähigkeit/Fokussierung:

Wenn du trainierst, im Wettkampf oder – noch wichtiger – in he­rausfordernden Situationen: Sei im Hier und Jetzt! Der Pedaltritt jetzt, der Atemzug jetzt, einfach das Erleben hier und jetzt darf wichtig und im Vordergrund sein. Christoph kann so seine zeitlich sehr langen Vorhaben in kleine Mini-Arbeitseinheiten aufteilen. Um so Minute für Minute, Stunde für Stunde immer das Beste geben zu können und nicht aufgrund der noch kommenden etwaigen Strapazen schon klein beizugeben. Sei fokussiert auf den gerade stattfindenden Bewegungsablauf, dein jetziges Tun, und: Lass es fließen!

2 Stressresistenz/Psychisches Durchsetzungsvermögen

Wenn du es schaffen kannst, im Hier und Jetzt zu sein und zu bleiben, sind dir deine Konkurrenten egal. Auch die nörgelnden Zurufe von außen – zwar im Sport nicht so häufig wie in der Arbeitswelt – können im Wettkampf und vor allem zuvor zusätzlich Stressoren erzeugen. Einerseits hilft Christoph die Vorfreude auf seine Zielerreichung und andererseits seine Fähigkeit, Stress in Motivation zu verwandeln. Er lernte lieber, ein paar tiefe und ruhige Atemzüge zu nehmen und eine Körperposition einzunehmen, die für ihn Stärke und Ruhe zugleich bedeuten kann. Wie? Vielleicht kannst du dir vorstellen, du selbst wärst Christoph Strasser oder ein anderes deiner Idole. Was denkst du, welche Körperposition nimmt er/sie vor einem Wettkampf ein? Möglicherweise aufrecht, Brustbein aufgerichtet. Wie tief und ruhig kann sein Atem sein? Welche Gedanken kann er sich dann erlauben? Möglicherweise heute bzw. jetzt sich selbst überraschen und einfach das Beste an Möglichkeiten umsetzen! Wie leicht kannst du dir das auch erlauben?

3 Realistisches Selbstvertrauen

Ein Gedankenexperiment hat Christoph mittlerweile schon automatisiert: Sich immer wieder das Wissen zu bestätigen, dass Menschen alle Ressourcen in sich tragen, die sie brauchen, um die von ihnen gewünschte Veränderung herbeizuführen. Das heißt, wenn ein Mensch etwas tun kann, kann es irgendwann ein jeder/eine jede lernen. Die meisten von uns sind von Geburt an perfekt und in jeder Hinsicht bestens ausgestattet. Doch bei vielen Menschen wird bewusst oder unbewusst irgendwann scheinbar ein Riegel vorgeschoben – die Frage, die ich dabei gerne stelle, ist: Wie können diese Ressourcen/Fähigkeiten wieder aktiviert werden? Welche inneren Glaubenssätze passen oder passen nicht zum gelebten Leben einer Identität? Welche Glaubenssätze könnten die richtigen sein, um das Durchhaltevermögen und die Ausdauer von Christoph Strasser zu unterstützen? Welche könnten vielleicht dich unterstützen?

Ein Schlüssel dazu darf der nächste Hinweis sein:

4 Fähigkeit zur Selbstmotivierung – innerer Monolog

Wie spreche ich mit mir? Immer wieder stelle ich fest, dass sich Menschen anderen gegenüber meist freundlicher verhalten als sich selbst gegenüber. Lerne gut und mit angenehmer Stimme mit dir selbst zu sprechen – vielleicht auch mit der gedanklichen Stimme eines Sportreporters oder deines besten Freundes oder der besten Freundin – schlichtweg eines Menschen, den du respektierst und dem du vertraust. Auch Christoph hat dies bei einigen DNF (Did Not Finish) schmerzvoll lernen müssen, er konnte nicht mehr ausreichend gut mit sich selbst umgehen. Du kannst lernen, gut mit dir selbst umzugehen! Dadurch wird dein Körper beginnen können, mit deinem Geist in Balance zu gehen. Sei selbst dein bester Freund! Halte jeden Morgen kurz inne, betrachte dich selbst im Spiegel. Lächle dich an und frage dich: „He, was wollen wir zwei Hübschen heute alles so entdecken? Was wird dieser Tag Gutes bringen können?“

5 Willensstärke/Motivation

Willensstärke und Motivation sind das Ergebnis einer konsequenten und mit allen Sinnen durchgeführten Zielarbeit. Oder wie Christoph es gerne sagt: „Meine Motivation? Das Gefühl (Anm. Die Vorstellung meiner Wahrnehmungen) beim Überfahren der Ziellinie.“ (C. Strasser, Revue, 2009, S. 16)

6 Ziel und Feuer

In den letzten Jahren habe ich in unterschiedlichen Kontexten und an unterschiedlichen Orten eine Frage immer wieder gehört: Was sind die mentalen Geheimnisse, die zu dem Erfolg von Christoph Strasser beigetragen haben? Meine Antwort ist seit Jahren die gleiche:

Entdecke dein Ziel und lebe danach.

Erhöhe deine Wahrnehmungsfähigkeit und Sinnesschärfe, um zu erkennen, ob du noch auf dem richtigen Weg zu deinem Ziel bist.

Werde wieder flexibel und nutze deine Flexibilität, um dein Handeln so lange zu verändern, bis du das erreichst, was du willst.

Was auch immer du tust:

Es gilt, das Feuer zu bewahren

und nicht die Asche zu verwalten!

RAAM-Sieger C. Strasser (3-fach) und Daniel Wyss (2-fach) bewahren ihre Feuer nach dem RAAM 2013 Foto: www.lupispuma.com