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Vater ist mein bester Freund


Vater ist mein bester Freund


1. Auflage

von: Günter Görlich

3,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 07.06.2022
ISBN/EAN: 9783965216846
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 57

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Zu den ersten Bildern, die vom Bau der Berliner Mauer um die Welt gingen, gehört jenes, das mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer in einheitlichen Uniformen vor dem Brandenburger Tor zeigt. Diese Männer waren allerdings keine regulären NVA-Soldaten, sondern Angehörige der Kampfgruppen der Arbeiterklasse, wie es damals hieß.
Angehöriger dieser Kampfgruppen ist auch der Vater des sechsjährigen Kindergarten-Jungen Andreas aus dem ein gutes Jahrzehnt nach der Errichtung der DDR-Staatsgrenze veröffentlichten Kinderbuches „Vater ist mein bester Freund“. Und er ist ein Bauarbeiter. Für diesen Sonnabend im zeitigen Frühjahr, als noch einige Schneereste an den vergangenen Winter erinnern, hat sich Papa eigentlich vorgenommen, mit seinem Sohn in den Zoo zu gehen – was lange Zeit nicht vorgekommen war:
Auf der Treppe fragt Andreas: „Papa, fahren wir morgen zum Tierpark?“
„Ja, Andreas. Morgen fahren wir“, sagt der Vater.
„Gucken wir zu, wie die Löwen gefüttert werden?“
„Natürlich sehen wir uns an, wie die Löwen gefüttert werden und die Tiger und die Leoparden und die Panther und die Bären. Vorher brüllen die vielleicht. Ist das ein Konzert, ich sage dir, Andreas. Wir hören uns das an, und wir schauen zu. Wir haben ja Zeit.“
Doch dann kommt es an diesem Sonnabendmorgen, am frühen Sonnabendmorgen, ganz anders. Statt des gemeinsamen Zoobesuchs steht für den Bauarbeiter-Vater ein überraschender Kampfgruppen-Alarm auf dem veränderten Tagesprogramm. Vielleicht nur eine Übung? Vielleicht aber auch ein echter Einsatz, weil Feinde in unser Land oder in unserer Stadt eingedrungen und Böses tun wollen.
„Was wollen sie denn Böses tun?“, fragt Andreas aufgeregt.
„Eine Eisenbahnbrücke sprengen. Über die fahren viele Züge. Oder unser Haus zerstören, das wir gerade bauen. Ein sehr schönes Haus ist das. Unseren großen Kran …“
Der enttäuschte Andreas will mit zur Kampfgruppe. Aber das geht natürlich auch nicht. Weil er zu klein ist. Und aus einem anderen Grund:
Vater sagt: „Du musst das einsehen, Andreas. Ich möchte auch lieber mit dir spazieren gehen. Aber wenn Kampfgruppenalarm ist, darf ich das nicht tun. Doch in den Tierpark gehen wir, mein Ehrenwort.“
Am Abend erzählt der Vater von seinem erfolgreichen Kampfgruppeneinsatz, bei dem feindliche Fallschirmspringer daran gehindert worden waren, Böses zu tun und den friedlichen Aufbau des Sozialismus zu stören, und Papa verspricht seinem Sohn erneut, am Sonntag in den Tierpark zu gehen. Aber auch da kommt wieder was dazwischen.
Günter Görlich
Geboren am 6. Januar 1928 in Breslau, gestorben am 14. Juli 2010 in Berlin.
Ab 1944 Flakhelfer, sowjetische Kriegsgefangenschaft bis Oktober 1949. Bauarbeiter, Volkspolizist.
Nach dem Pädagogikstudium war er Erzieher in einem Jugendwerkhof und in einem Lehrlingswohnheim.
1958 erhielt er für sein erstes Jugendbuch „Der Schwarze Peter“ den Jugendbuchpreis des Ministeriums für Kultur.
Weitere Auszeichnungen:
Kunstpreis des FDGB 1966, 1973
Nationalpreis 2. Klasse 1971
Held der Arbeit 1974
Nationalpreis 1. Klasse 1978
Joh.-R.-Becher-Medaille in Gold 1979
Vaterländischer Verdienstorden in Gold 1979
Ehrenspange zum VVO in Gold 1988
Goethepreis der Stadt Berlin 1983
„Ich hab keine Ruhe. Hörst du den Sturm?“
„Ja. Er ist noch stärker geworden.“
„Unser Kran“, sagt der Vater.
„Was ist mit dem Kran?“, fragt Mutter.
Da fragt Andreas: „Kann er bei dem Wind umfallen?“
Vater steht am Fenster: „Ich muss auf die Baustelle. Ich finde keine Ruhe.“
„Dann trink schnell eine Tasse heißen Kaffee“, sagt Mutter, „nimm eine Taxe. Fahr nicht mit dem Motorrad bei dem Sturm. Da hab ich sonst keine ruhige Minute. Ich mach dir ein paar Stullen zurecht. Warum muss ausgerechnet heute so ein Sturm sein.“
„So einen Sturm haben wir schon lange nicht erlebt“, sagt der Vater. „Mit dem Tierparkbesuch wird’s heute nun leider wieder nichts“, meint Mutter.
Da sagt Andreas: „Ist der Wind jetzt der Feind, Papa?“
„So ist es“, sagt der Vater, „der Sturm ist für uns Bauleute ein gefährlicher Feind. Wir müssen alles dichtmachen. Vielleicht ist in unserem Bau ein Fenster nicht geschlossen. Der Wind drückt es ein, reißt Türen raus. Vielleicht ist ein Betonmischer nicht fest aufgestellt. Er wird vom Sturm umgerissen, ist kaputt. Das kostet so viel Geld. Und morgen können wir nicht arbeiten.“
Andreas sagt: „Geh lieber ganz schnell auf deine Baustelle, Papa.“
Der Vater lächelt. „Das ist ein guter Rat, Andreas. Und weißt du, du kommst mit. Du hast scharfe Augen. Du siehst, wo was offensteht, und zeigst es mir.“ Mutter sagt: „Da muss ich noch ein Stullenpaket zurechtmachen. Ach, ihr beiden …“
Der Sturm wütet über der Baustelle. Es heult und pfeift in der Luft. Dem Hochhaus aber kann er nichts anhaben … Der Vater hält Andreas fest an der Hand. Sonst würde der fortgeblasen werden, so fest er auch seine Füße auf die Erde stemmt. Vater erschrickt. Der Kran! Ein Stahlseil pendelt wild in den Windstößen, daran baumelt ein schwerer Haken, an dem sonst schwere Betonteile hängen. Das Seil hat sich losgerissen, der Haken schlägt hin und her, streift dicht am Glasfenster des Kranführerhäuschens vorbei, kann das Fenster zerschlagen, die Kabel zerfetzen.
Vater sagt aufgeregt: „Da hast du die Bescherung, ich muss rauf.“
„Wo bleibe ich?“, fragt Andreas etwas ängstlich.
„Hier an der Bretterbude ist der Wind nicht so stark, hier bist du sicher. Du wartest auf mich.“
Vater will gehen. Aber da kommen zwei junge Männer heran. „He, Rolf. He, Martin!“, ruft Vater.
„Wir wollten nachsehen, ob unser Kran noch steht, Meister“, sagt Rolf.
„Ich werde doch gleich mal hochklettern“, sagt Martin, der noch einmal so groß ist wie Andreas, „das Seil werde ich mal einfangen.“
Vater lacht und sagt: „Du bist der Jüngere. Steig auf den Kran. Aber Vorsicht.“
Sie sehen, wie Martin hochsteigt, das Seil heranzieht und festmacht.
Vater sagt: „Das hätten wir geschafft. Bin ich froh.“ Vater nimmt Andreas an der Hand. Sie gehen über die Baustelle. Rolf ist in das Hochhaus gegangen. Schlägt oben nicht ein Fenster? Er wird es schließen, er wird dem wütenden Sturm den Weg versperren. Vater steht mit Andreas im Schutz der Bretterbude. „Gute Jungs, die beiden“, sagt Vater, „die besten aus meiner Brigade. Die haben zu Hause auch keine Ruhe gefunden. Gestern waren sie auch bei der Kampfgruppe.“
Andreas drängt sich eng an den Vater heran, er friert ein bisschen. Vater schaut aufmerksam über die Baustelle hinweg. Dann springt er aus dem Schutz der Baubude heraus. Der Sturm hat eine Plane hochgerissen.
Darunter liegen Zementsäcke. Wenn die vom Regen nass werden, sind sie verdorben. Vater zieht die große Plane fest. Er müht sich sehr, der Sturm hebt sie immer wieder hoch. Andreas läuft zum Vater, zieht mit an der Plane, stellt sich drauf. Vater kann sie jetzt befestigen. „Du hilfst ja prima!“, ruft Vater.

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